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PJ59_S351-354_Bergenthal_Widerspricht die Zufälligkeit der Welt der Notwendigkeit ihres Schöpfers

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(1)

WIDERSPRICHT DIE ZUFÄLLIGKEIT DER WELT DER NOTWENDIGKEIT IHRES SCHÖPFERS?

Bemerkungen zum „theologischen Paradoxon" Arnauld-Hartshorne-Scholz1) Von Ferdinand Bergenthal

I

Da infolge seiner absoluten Einheit Gottes Wissen sein Wollen und sein Wollen sein Wissen ist, so erscheint die Aufteilung des Padaroxons in eine Wissens- und Willensform unnötig. Was für das eine gilt, gilt für das an­

dere. Darüber hinaus: Da Gottes Wissen und Wollen eins sind mit seinem Wesen und Gottes Wesen wieder mit seinem Sein zusammenfällt, so ließe sich in aller Schärfe das „Paradoxon" so formulieren:

1) Die Welt ist zufällig, das heißt, sie könnte auch nicht sein.

2) Diese zufällige Welt, die ihr Dasein also nicht selbst begründen kann, beruht im. Denken = Wollen = Wesen = Sein Gottes.

3) Gott ist das absolut notwendige Wesen; er ist die Notwendigkeit selbst.

4) Also beruht die zufällige Welt in der unbedingten Notwendigkeit, die Gott ist.

Es ist der Sinn des Ausdruckes „beruhen in" zu klären: er bedeutet nicht „Herkunft aus", wie das Erkennen von der Sinnesempfindung herkommt;

er bedeutet nicht „Anheben mit", wie — nach K a n t — das Erkennen mit der Erfahrung anhebt; er bedeutet nicht „Entspringen in", wie — wiederum nach Kant — das Erkennen in der reinen Vernunft entspringt; er bedeutet auch nicht „Gründen in", wie das Erkennen im vorgängigen Geordnetsein der Welt gründet; sondern er besagt: „in Wahrheit etwas sein", so wie das Erkennen in Wahrheit eine Erleuchtung durch das Ewige Licht ist (Platon, A u g u s t i n u s ) .

Dann ist also

5) die zufällige Welt in Wahrheit die absolute Notwendigkeit; oder: die Wahrheit der zufälligen Welt ist die absolute Notwendigkeit, die Gott ist.

Da nun Gott zugleich die unbedingte Freiheit ist (Gottes Aseität), so muß gelten:

6) D ie W a h r h e i t de s Z u f ä l l i g e n i s t di e u n b e d i n g t e N o t ­ w e n d i g k e i t d e r h ö c h s t e n F r e i h e i t .

II

S ch o 1 z sagt: Es kommt nicht auf den Sinn von „notwendig" an.

Worauf in aller Welt denn sonst? Die Frage ist: Wie kann das Zufällige in

(2)

352 F e rd in a n d B ergentfaal

W a h rh e it das N o tw en d ig e d e r höchsten F reih eit sein? D azu is t der Sinn v o n „notw endig" zu k lä re n . W as h eiß t „notw endig"?

a) N o tw e n d ig k a n n das G eg en teil v o n F re ih e it b esag en ; d ann m eint es also Z w ang. So k a n n das W o rt unm öglich h ie r gem ein t sein, d a ja nach der V o ra u sse tz u n g die göttliche N o tw e n d ig k e it m it d er u n ü b e rb ie tb a re n Freiheit zusam m enfällt. D ie h ie r g em ein te N o tw e n d ig k e it m uß das schlechthinnige

G eg en teil jeglichen Z w anges sein. <

b) N o tw e n d ig b e d e u te t zw eiten s „sinngerecht", vo m Sinne gefordert.

W as h e iß t das? N o tw en d ig in diesem Sinne ist es, daß im G estaltaufbau e in e r Pflanze, sa g en w ir ein e r Lilie, an d i e s e r Stelle, nicht v o rh er, nicht nachher, so n d ern erst, w en n d ie S pirale d er au fsteig en d en B lätter sich im K elch w ie in E rw a rtu n g k re isru n d um den S tengel g eleg t 'hat, die Blüte h e rv o rs p rin g t u n d die Blume „vollendet" (m orphologische N otw endigkeit);

n o tw e n d ig in diesem Sinne ist die B ew egung, m it d er auf ein e r R affaelisdien M a d o n n e n d a rste llu n g das K ind sich in d en A rm d e r M u tte r schm iegt, eine B ew egung, die alles bis in d as so u n d nicht an d e rs an g ezo g en e Füßlein h in e in b estim m t (ästhetische N o tw en d ig k eit); n o tw en d ig in d iesem Sinne ist es, daß in d e r Schillerschen „Bürgschaft" die F reu n d e sich fü reinander opfern; daß in d er b e k a n n te n D roste-B allade vom „Tode des Erzbischofs E n g e lb e rt“ das W eib des Ise n b u rg e rs u n te r dem R ade k n ie t und, w ie die biblische Rispa, m it ih rem Tuche die R aben vom v e rw e se n d e n Leibe des V a te rs ih re r K naben scheucht (sittliche N o tw en d ig k eit); n o tw e n d ig in diesem S inne is t es, daß G o eth es D ichtung vom G eheim nis des M enschen als Preisung d er m a te r g lo rio sa e n d e t (m etaphysische N o tw en d ig k eit); n o tw e n d ig zuletzt u n d zuhöchst in d iesem S inne sin d — nach A u g u stin u s — die großen, die re tte n d e L iebe des E w igen G ru n d es in ü b e rw ä ltig e n d e r S elb stb ezeu g u n g in die Z eit h in e in stra h le n d e n Zeichen, die m ag n alia Dei (religiöse N otw endig­

keit). — N irg e n d s ist hier Zw ang; je h ö h e r w ir steigen, um so unkonstruier- b arer, u n h e rle itb a rer, w a h rh a ft ü b e rw ä ltig e n d w ird die F re ih e it d e r Gestalt;

ab er zugleich u n d im gleichen Schritte p rä g t sich die N o tw e n d ig k e it schärfer aus, die n ich t zu le tz t — A ugustinus, Pascal, K ie rk e g a a rd — b e z e u g t als d i e N o t-W en d ig k eit, die W en d e d er Not.

III

D em gem äß h a t n u n „Z ufälligkeit" zw ei B edeutungen:

a) Sie m ein t das W ild-W uchernde, d as U ngesetzliche, das k a te g o ria l — im Sinne d e r G ru n d sätze des re in e n V e rsta n d e s1— nicht F aßbare. E tw as also, das d er m ath em atisch-physikalischen, biologischen, psychologischen, sozio­

logisch-historischen, kurz, der einzelw issenschaftlichen K a u sa litä t sich schlecht­

hin entzieht. Ist ein solches E tw as möglich? M an w eiß, w ie die neueste W en d u n g in der N a tu rw issen sch aft sta tu ie re n zu m üssen glaubt, daß im M ikrokosm ischen die stre n g e K a u sa litä t au fg eh o b en sei. Das m ag die N atur­

w issen sch aft m it sich se lb st abm achen; v ie le Forscher h a lte n es nach w ie vor m it K ant; „A lles, w as geschieht, se tzt e tw as v o rau s, w o rau f es nach einer R egel folgt." Das ist d e r G ru n d satz d e r K au salität, v o n dem m anche glau­

ben, daß d ie V e rn u n ft m it ihm steh e u n d falle, w eil sie ih n fälschlich mit dem S atze vo m zu reich en d en G runde v erw echseln, d e r freilich fü r alles gei-:

stig e L eben schlechthin k o n stitu tiv ist. U rsache is t nicht Grund-, so wenig,,;

daß, selb st w en n w ir die W e ltfo rm el in H än d en h ielten , d ie k a u sa le Deter­

m in atio n also en d g ü ltig geschlossen w äre, n u n e rst recht die F rag e sien.

(3)

erhöbe: Warum? Die Frage nach dem Grunde. Würden wir über die „Welt­

gleichung" nicht hinauskommen, so bliebe die Welt ein ungeheurer Zufall.

So wenig vermag die Notwendigkeit im ersten Sinne! — Und darum be­

deutet es für ein metaphysisch erhelltes Denken nicht die geringste Beun­

ruhigung, daß im Unendlich-Kleinen das Kausalgesetz nicht mehr gelten soll.

Es ist im Gegenteil zu vermuten, daß an der äußersten Grenze der For­

schung jener ursprüngliche und wesentliche Weltcharakter der Zufälligkeit sich endgültig bezeugt und die sich übernehmenden wissenschaftlichen Me­

thoden in die „existenzielle" Grundhaltung des kreatürlichen Geistes zu­

rückverweist.

b) Zufällig kann aber zweitens bedeuten „sinnlos", absolut sinnlos. In diesem Sinne ist es unmöglich. Wer steht für diese Unmöglichkeit ein? — Der Geist; der fragende Geist. Solange er fragt — und er fragt, solange er ist — bekennt sich der Geist jedem Seienden gegenüber zur Möglichkeit einer Sinn-Stelle. Das absolut Sinnlose, für das im All des Seienden keine Stelle aufweisbar wäre, würde das Apriori des Geistes Lügen strafen u n d damit ihn selbst unmöglich machen. Diese im Apriori des Geistes als um­

greifende Möglichkeitssphäre aufbrechende Sinnordnung, die der Geist als Geist bezeugt, kann nach dem Zeugnis eben dieses Geistes nicht grundlos sein. Diesen nicht erschauten, sondern erschlossenen Grund nun nennt Platon

„die Idee der Ideen", nennt Augustinus mit der Schrift „Das Wort, in dem alles erschaffen ist". Und nach der Bezeugung der Schrift „beruht es in Gott", ist es in Wahrheit Gott; seine Wahrheit ist Gott.

Alo ist Gott der „Ursprung" des Grundes, dem der Satz vom Grunde nachfragt. Er ist als der Ursprung, in dem der Grund und mit ihm alles beruht, die schlechthinnige Aufhebung des Zufalls, den es gar nicht geben kann, da alles in Ihm beruht, da — mit Augustinus —■ Er in allem und alles in Ihm ist.

W id e rsp ric h t die Z u fällig k eit d e r W e lt d er N o tw e n d ig k e it ih re s Schöpfers? 358

IV

So ist in der Tat die Wahrheit des Zufälligen die unbedingte Notwen­

digkeit der höchsten Freiheit. Das „theologische Paradoxon" beruht auf einem Schein: es wird das Zufällige im ersten Sinne dem Notwendigen im zweiten Sinne gegenübergestellt und behauptet, sie höben sich auf. Das ist so wenig der Fall, daß im Gegenteil die unaufhebbare Zufälligkeit der Welt, ihre Kontingenz, der Stachel wird, der den Geist immer erneut über den phänomenalen Befund der Welt hinaus in seine Wahrheit zwingt, die nichts anderes sein kann als das Offenbarwerden des Beruhens aller Dinge in der Ewigen Notwendigkeit.

Der Zufall ist „Erscheinung", was nicht Schein heißt; er ist „phänome- non bene fundatum" (Leibniz), aber eben doch phänomenon. Darum i s t er nicht im selben Sinne, in dem Gott ist. Wie sollte es im Himmel und auf Erden das Zufällige geben im Sinne des Schwergewichtes des Wortes

„Sein“? Es ist da, ja; aber alles Daseiende ist da, nicht damit es da sei, sondern damit es überwunden werde; hineingenommen werde in den „In­

nenraum" des Geistes, damit es „teilhabe an der Herrlichkeit der Kinder Gottes" und so offenbar werde als Moment und Zeichen in der Erscheinung des Actus purus, dem jede Erscheinung als Bild und Gleichnis unendlich fern ist und dem sie doch ihr erst im Unendlichen ganz erschließbares Sein verdankt.

23 Philosophisches Ja h rb u c h

(4)

Eben darum bedarf es der „Erhebung" ; nicht im Sinne des Schelerschen

„Aufschwunges“ — er schwang sich bekanntlich zuletzt zu dem „aus dem persönlichen Einsatz des Menschen" erst werdenden Gotte auf! — sondern im Sinne des Erhobenwerdens in die Wahrheit der Schöpfung, das heißt des Beruhens aller Dinge im ewigen Grunde. Wer möchte glauben, dies Beruhen sei in kreatürlich-abstrakten Gedankengängen nach seinem Wesen zu erfas­

sen?) Es muß und wird, wenn anders der Geist sich nicht irrt, sich in un­

überbietbaren, einen unergründlichen Sinn bezeugenden Zeichen offenbaren.

Darum wird Goethe — wie Augustinus — Recht behalten: des Menschen Letztes ist das „ Ewig-Weibliche", ist die Kraft der Bereitschaft und des Auf- schauens nach jenen Zeichen, in denen der ewige Grund sich selbst bezeugt als die absolute Notwendigkeit im Modus der höchsten Freiheit. Und das will sagen — wiederum mit Augustinus und Goethe — als die „Ewige Liebe".

Hier beginnt jenes Paulinische Beten der Kirche, das echtes Beten nur ist, insofern es bezeugender, preisender Widerhall der magnalia Dei ist.

364 F e rd in a n d B e rg e n th a l

1) P h ilo so p h . J a h rb u c h 59. Bd. 2. H e ft 1949. S. 249 ff.

2) Z um G a n z e n v e rg i, d ie s o e b e n e rsc h ie n e n e S chrift d es V e rfa sse rs: „Das Sein, d e r U rsp ru n g u n d d a s W o rt". V e rla g N a u m a n n , A u g sb u rg .

S u m m a r y

The contingency of the world in particular and on the whole does not at all con­

tradict its reposing in the absolute necessity, which is, at the same time, the highest liberty. It is rather its attestation, which again and again alarms human thinking and presses to its perfection. That necessity — the living form, artistic creation, moral aspiration, religious emotion are analogical approaches to it — is the sense that all our thinking essentially presupposes, that is founded in God as its origin, and for the self-attestation of which the thinking of creatures must essentially look out.

(St. Augustine.)

R é s u m é

La fortuité du monde en particulier et en tout ne répugne pas du tout à son repos dans la nécessité absolue qui est en même temps la plus haute liberté ; c’est plutôt sa preuve qui inquiète la pensée toujours de nouveau et la pousse à sa per­

fection. Cette nécessité, — à laquelle la forme vivante, la création d’artiste, l’as­

piration morale, l’émotion religieuse sont des approches analogiques — c’est le sens que toute pensée suppose essentiellement, qui est fondé en Dieu, son origine, et dont l’attestation de soi-même la pensée de la créature doit chercher par principe.

(St. Augustin).

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