Aleida Assmann
Lehren und Lernen über den Holocaust Wien 11.-13. Dezember 2008
Den Holocaust erinnern -
Vom kommunikativen zum kulturellen
Gedächtnis
1.
Der Holocaust im Familiengedächtnis
„wie wenig wir festhalten können, was alles und wie viel ständig in
Vergessenheit gerät, mit jedem
ausgelöschten Leben, wie die Welt sich sozusagen von selber ausleert, indem die Geschichten, die an ungezählten Orten und Gegenständen haften, von
niemandem je gehört, aufgezeichnet oder weitererzählt werden [...].“
W.G. Sebald, Austerlitz, München 2001, 35.
2.
Die Ausweitung der Holocaust-Erinnerung
und ihre Grenzen
1960er Jahre
Eichmann Prozess in Jerusalem (1961) Emil Fackenheim:
„the authentic Jew today is forbidden to hand Hitler yet another, posthumous
victory“ (1967)
Ansprache von Bundespräsident Roman Herzog zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag
19.01.1996
Bonn
Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit.
Auschwitz steht symbolhaft für millionenfachen Mord - vor allem an Juden, aber auch an anderen Volksgruppen. Es steht für Brutalität und
Unmenschlichkeit, für Verfolgung und Unterdrückung, für die in perverser Perfektion organisierte "Vernichtung" von Menschen. Die Bilder von
Leichenbergen, von ermordeten Kindern, Frauen und Männern, von ausgemergelten Körpern sind so eindringlich, daß sie sich nicht nur den Überlebenden und den Befreiern unauslöschlich eingemeißelt haben,
sondern auch denjenigen, die heute deren Schilderungen nachlesen oder Bilddokumente betrachten.
1. Die Erinnerung an den Holocaust über die Schwelle des neuen Millenniums zu tragen
und in ein Langzeitgedächtnis zu verwandeln, das die zeitliche Begrenzung des lebendigen Zeitzeugengedächtnisses
überwindet.
2. Die Erinnerung an den Holocaust über die inner-europäischen Grenzen zu tragen und eine transnationale
Gedächtnisgemeinschaft mit einer stabilen Infrastruktur von Institutionen, Finanzen und Netzwerken zu gründen.
• Israel und die Juden der Diaspora als die Opfer
• Deutschland als die Nation der Verursacher und Vollstecker
• Die europäischen Nationen durch ihren Widerstand oder ihre Kolloboration an den historischen
Schauplätzen
• Die Alliierten als die Nationen der Retter
Die Faulenbach-Formel:
1. Die Erinnerung an die DDR- Diktatur darf die Erinnerung an den Holocaust nicht relativieren
2. Die Erinnerung an den Holocaust darf die Erinnerung an die DDR-Diktatur nicht trivialisieren
3.
Die Zukunft des Holocaust-Gedächtnisses, oder:
Was hält die Erinnerung am Leben?
Gunter Demnigs Aktion
‚Stolper- steine‘
2003 ff.
Der KZ-Komplex Gusen-St.Georgen-Mauthausen in Oberöserreich
Memorial der überlebenden Häftlinge in Gusen 1965
Die Gartenstraße in Gusen
Das Haus der Familie Wolf in der Wohlersallee in Hamburg