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Theoretische Physik I: Klassische Mechanik und Spezielle Relativitätstheorie

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Theoretische Physik I:

Klassische Mechanik und Spezielle Relativitätstheorie

Vorlesungsskript zum Modul P2.1

Prof. Dr. Jan Plefka

Quantenfeld- und Stringtheorie

Institut für Physik

(2)
(3)

Inhaltsverzeichnis

I Mechanik des Massenpunktes . . . . 1

I.1 Raum, Zeit, Koordinaten und Transformationen . . . . 1

I.2 Trägheitsgesetz, Inertialsystem, Galileitransformation . . . . 6

I.3 Beschleunigte Bezugssysteme . . . . 7

I.3.1 Gleichförmig beschleunigtes Bezugssystem . . . . 7

I.3.2 Rotierendes Bezugssystem um festen Punkt . . . . 8

I.4 Das Newton’sche Grundgesetz . . . . 11

I.5 Das begleitende Dreibein, Zerlegung der Beschleunigung . . . . 12

I.5.1 Bogenelement der Raumkurve . . . . 12

I.5.2 Zerlegung der Beschleunigung . . . . 15

I.6 Umrechnung der Newton’schen Grundgleichungen in Allgemeine Koordinaten . . . . 16

I.7 Potential . . . . 20

I.8 Wegintegrale . . . . 22

I.9 Lagrange Funktion . . . . 23

I.10 Geschwindigkeitsabhängige Potentiale . . . . 24

I.11 Massenpunkt unter Zwangsbedingungen . . . . 25

I.11.1 Lagrange-Gleichungen 1. Art . . . . 27

I.11.2 Lagrange Gleichungen 2. Art . . . . 29

II Mehrteilchensysteme und Erhaltungssätze . . . . 35

II.1 Bewegungsgleichungen . . . . 35

II.1.1 Newton’sche Bewegungsgleichungen (Inertialsystem) . . . . 35

II.1.2 Lagrange’sche Bewegungsgleichungen (Allgemeine Koordinaten) . . . . 36

II.2 Energieerhaltung . . . . 38

II.3 Eindimensionale Bewegung bei Energieerhaltung . . . . 38

II.4 Impulserhaltung . . . . 39

II.5 Drehimpulserhaltung . . . . 41

II.6 Gailileitransformation von Energie, Impuls und Drehimpuls . . . . 42

II.7 Zyklische Koordinaten . . . . 42

II.8 Drehimpuls als verallgemeinerter Impuls . . . . 43

III Integration der Bewegungsgleichungen . . . . 45

III.1 Eindimensionale Bewegung . . . . 45

III.2 Zweikörperproblem . . . . 45

III.3 Bewegung im Zentralfeld . . . . 46

III.3.1 Geometrische Interpretation: . . . . 46

III.3.2 Integration . . . . 47

III.4 Das Kepler -Problem . . . . 49

III.4.1 Anziehender Fall . . . . 49

III.4.2 Abstoßender Fall . . . . 52

III.5 Teilchenstreuung und Wirkungsquerschnitt . . . . 53

III.6 Homogene Potentiale und der Virialsatz . . . . 55

IV Der starre Körper . . . . 59

IV.1 Modell, Freiheitsgrade und Winkelgeschwindigkeit . . . . 59

IV.2 Trägheitstensor . . . . 60

(4)

IV.4 Bewegungsgleichungen des starren Körpers . . . . 66

IV.5 Eulerwinkel . . . . 67

IV.6 Die Euler’schen Gleichungen . . . . 69

IV.7 Freie Rotation des unsymmetrischen Kreisels . . . . 70

V Analytische Mechanik . . . . 73

V.1 Das Prinzip der kleinsten Wirkung . . . . 73

V.2 Noether Theorem . . . . 76

V.3 Hamilton’sche Bewegungsgleichungen . . . . 79

V.4 Legendre Transformation . . . . 82

V.5 Routh’sche Funktion . . . . 82

V.6 Poisson’sche Klammern . . . . 83

V.7 Die Hamilton’schen Gleichungen als Variationsgleichungen . . . . 85

V.8 Kanonische Transformationen . . . . 86

V.9 Hamilton-Jacobi-Theorie . . . . 88

V.10 Invarianzeigenschaften . . . . 90

VI Die Spezielle Relativitätstheorie . . . . 93

VI.1 Lorentztransformation . . . . 94

VI.2 Relativistische Effekte . . . . 98

VI.3 Relativistische Mechanik . . . . 102

VI.4 Relativistisches Teilchen im Hamilton-Formalismus . . . . 108

VI.5 Relativistische Kinematik und Teilchenzerfall . . . . 108

iv

(5)

I Mechanik des Massenpunktes

I.1 Raum, Zeit, Koordinaten und Transformationen

Bevor wir mit der Diskussion der Mechanik eines Massenpunktes beginnen, wollen wir einige grundle- gende Gedanken zur Struktur des Raumes in dem wir uns bewegen fassen. Dies wird uns auf das Konzept einer Koordinatentransformationen und den Begriff einer mathematischen Gruppe führen, die grundlegende Bedeutung in der Physik haben.

Raum

Aus der Erfahrung heraus meinen wir zu wissen, dass wir in einem dreidimensionalen, linearen Raum leben. Es ist daher sinnvoll die Lage von Körpern (=idealisiert als Massenpunkte) und deren Abstände durch Punkte bzw. Vektoren im R 3 anzugeben:

~

xR 3 ~ x = (x 1 , x 2 , x 3 ) = (x, y, z) (I.1) Die reellen Zahlen x i (mit i = 1, 2, 3) heißen die kartesischen Koordinaten 1 des Punktes ~ x.

x

1

x

2

x

3

˛x

1

Abstand zweier Punkte:

| ~ x~ y | = + p

(x 1 − y 1 ) 2 + (x 2 − y 2 ) 2 + (x 3 − y 3 ) 2

= v u u t X 3

i=1

(x iy i ) 2 = p

(~ x~ y) 2 (I.2) Zeit

Weiterhin erscheint uns die Erfahrung zu lehren, dass es eine universelle an allen Raumpunkten gleich voranschreitende Zeit tR gibt, die von koordinierten Uhren gemessen wird:

t t 1 t 2

Bahnkurve

Betrachten wir die Bewegung eines Massenpunktes im Raum, so läßt sich diese durch eine Bahnkurve beschreiben:

1 (René Descartes, Frankreich, 1596-1616)

1

(6)

˛e

1

˛e

2

˛e

3

˛x(t

1

)

˛x(t

2

)

t

t

1

t

2

3

~

x(t) = (x 1 (t), x 2 (t), x 3 (t)) = X 3 i=1

x i (t) ~ e i (I.3) { ~ e 1 , ~ e 2 , ~ e 3 } : Basisvektoren des kartesischen Koordi- natensystems

Die ~ e 1 bilden eine Orthonormalbasis (ONB)

~ e 1 = (1, 0, 0) ~ e 2 = (0, 1, 0) ~ e 3 = (0, 0, 1) ~ e i · ~ e j = δ iji, j (I.4) Hier ist δ ij das Kroneckersymbol 2

δ ij =

( 1 falls i = j

0 sonst (I.5)

Die Basisvektoren sind zeitunabhängig.

Geschwindigkeit

d~ x

dt := lim

∆t→0

~

x(t + ∆t) − ~ x(t)

∆t = ~ v = X

i

dx i (t)

dt ~ e i = ˙ ~ x (I.6) Beschleunigung

d 2 ~ x dt 2 := X

i

d 2 x i (t)

dt 2 ~ e i = ~a = ¨ ~ x (I.7)

Transformationen

Eine zentrale Frage, die wir uns immer wieder stellen werden lautet: Welche Transformationen lassen eine vorgegebene Struktur unverändert (invariant)? Die Existenz solcher Transformationen hat weitreichende Folgen für ein physikalisches System. Die Struktur des physikalischen Raumes R 3 ist die eines linear-reellen Raumes, d.h. falls ~ x und ~ y im Raum liegen, so tun dies auch die Linearkombinationen α~ x + β~ y mit α, βR.

Frage: Welche Transformationen lassen die Struktur von R 3 invariant? D.h. unter welchen Transfor- mationen bleibt der Abstand zweier Punkte (I.2) unverändert?

1) Translationen

Verschiebungen um einen konstanten Vektor ~a = (a 1 , a 2 , a 3 ):

~

x −→ ~ x 0 = ~ x + ~a ~aR 3 (I.8)

Die Translationen bilden eine Gruppe. D.h. die Hintereinanderausführung zweier Translationen ist wiederum eine Translation:

~ x 0 = ~ x + ~a , ~ x 00 = ~ x 0 +~b = ~ x + ~a + ~b = ~ x + ~ c (I.9)

2 (Leopold Kronecker, Deutschland, 1823-1891)

2

(7)

mit ~ c = ~a +~b ∈ R 3 “Abgeschlossenheit”

Weiterhin, dass der Nullvektor ~ 0 = (0, 0, 0) auch einer Translation entspricht

~

x 0 = ~ x + ~ 0 = ~ x “Existenz der Einheit” (I.10) Und schließlich, dass jede Translation wieder rückgängig gemacht werden kann: Die zu ~a inverse Translation lautet ( − ~a):

~

x 00 = ~ x + ~a + ( − ~a) = ~ x

~a + ( − ~a) = ~ 0 “Existenz des Inversen” (I.11) Diese drei Eigenschaften charakterisieren allgemein eine Gruppe G:

• Abgeschlossenheit des Produktes ◦ (Hintereinanderausführung der Transformation)

Für a, bG ist auch abG. Ferner muss das Produkt assoziativ sein, d.h. es gilt (ab)c = a ◦ (b ◦ c).

• Existenz der Einheit:

eG so dass für aG gilt ae = ea = a

• Existenz des Inversen:

aGa −1G so dass aa −1 = a −1a = e.

Die Gruppe der Translationen ist darüberhinaus abel’sch 3 , d.h. die Hintereinanderausführung zweier Translationen kann vertauscht werden, ohne das Ergebnis zu verändern:

~a +~b = ~b + ~a

˛a

˛b

˛a +˛b

˛b

˛a

4

(I.12)

Weiterhin hängt die Gruppe der Translationen von 3 reellen Parametern (a 1 , a 2 , a 3 ) ab, es ist eine sog. dreiparametrige kontinuierliche Gruppe.

Infinitesimale Translation: ~ x 0 = ~ x + ~ mit [m] | ~ | 1 [m]: Längeneinheit, z.B. Meter.

Endliche Transformationen sind so kontinuierlich mit der Einheit ~ 0 verbunden.

2) Rotationen

Betrachten wir nun die Drehung um die x 3 Achse:

x 0 1 = cos φ x 1 + sin φ x 2

x 0 2 = − sin φ x 1 + cos φ x 2

x 0 3 = x 3 (I.13)

bzw. a

~ x 0 =

 cos φ sin φ 0

− sin φ cos φ 0

0 0 1

~ x = A φ ~ x (I.14)

a Wir werden im Folgenden die Symbole für Matrizen unterstreichen.

x 1

x 2

x 3

x Õ 1

x Õ 2

3 (Niels Hendrik Abel, Norwegen, 1802-1829)

3

(8)

Ein Punkt des Raumes wird offensichtlich wieder in einen Punkt des Raumes überführt. Der Abstand zweier Punkte bleibt unverändert, wenn beide Punkte rotiert werden: Für einen zweiten Punkt ~ y hat man

~ y 0 =

cos φ sin φ 0

− sin φ cos φ 0

0 0 1

~ y = A φ ~ y (I.15)

und es gilt | ~ x 0~ y 0 | = | ~ x~ y | . Infinitesimale Drehung:

φ = 1 so dass cos ≈ 1 und sin

x 0 1 = x 1 + x 2

x 0 2 = − x 1 + x 2

x 0 3 = x 3 (I.16)

oder ~ x 0 = (1 + T 3 ) ~ x mit

T 3 =

0 1 0

− 1 0 0

0 0 0

 (I.17)

T 3 nennt man Erzeugende der Rotation um die 3-Achse (oder z-Achse). Die endliche Drehung (I.13) kann mithilfe der Erzeugenden T 3 geschrieben werden als

A φ = e φ T

3

=

1 2×2 0

0 0

cos φ + T 3 sin φ +

 0 0

1

 (I.18)

Dies folgt aus der Relation

(T 3 ) 2 =

1 2×2 0

0 0

. (I.19)

Entsprechendes gilt für die Drehungen um die 1- und 2-Achsen:

T 1 =

0 0 0

0 0 1

0 − 1 0

T 2 =

0 0 − 1

0 0 0

1 0 0

 (I.20)

Drehungen können um eine beliebige Achse durchgeführt werden. Diese läßt sich mithilfe eines Drehvektors φ ~ parametrisieren: Drehung um die Achse φ/ ~ | φ ~ | mit dem Winkel | φ ~ | = φ. Die zugehörige Drehmatrix lautet dann

A ~ φ := e ~ φ· T ~ = e φ

1

T

1

2

T

2

3

T

3

(I.21) Plausibel: Bei einer Wahl der Achsen des Koordinatensystems bei vorgegebener Drehung φ ~ wählen wir ~ e 3 k φ ~ und A φ ~ aus (I.21) reduziert sich auf (I.18).

Allgemeine Form einer Drehung

Wir wollen nun eine allgemeine Drehung (I.24) auf alternativem Wege bestimmen. Eine Drehung besitzt die allgemeine Eigenschaft den Nullpunkt des Koordinatensystems invariant zu lassen. Es handelt sich deshalb um eine allgemeine lineare Transformation für die wir ansetzen

~

x 0 = A ~ x bzw. x 0 l = X 3 k=1

A lk x k (I.22)

4

(9)

mit A lkR den Einträgen der Matrix A. Eine Rotation läßt den Abstand invariant. D.h. für den Abstand des Punktes ~ x zum Ursprung ~ 0 muss gelten:

~

x 02 =~ x 2 bzw. X

l

x 0 l x 0 l = X

l,k,n

A lk x k A ln x n

= ! X

k

x k x k

⇒ X

l

A lk A ln = δ kn (I.23)

Transponierte Matrix A T : (A T ) lk := A kl

Damit läßt sich (I.23) in Matrixnotation schreiben als

A T · A = 1 (I.24)

Matrizen, die (I.24) erfüllen, heißen orthogonale Matrizen. Man zeigt, dass orthogonale Matrizen eine Gruppe bilden:

Für das Produkt zweier orthogonaler Matrizen A · B gilt (A B) T A · B = B T A T A

| {z }

=1

B = B T 1 B = B T B = 1

⇒ auch AB ist orthogonal. Ferner ist die Matrixmultiplikation assoziativ. (Abgeschlossenheit) Die Einheitsmatrix 1 ist orthogonale Matrix. (Existenz der Identität) Weiterhin ist A T = A −1 ebenfalls orthogonal (Existenz des Inversen) Damit haben wir eine Gruppe vorliegen: Die orthogonale Gruppe in 3D. Man schreibt O(3).

Aus A T A = 1 folgt für die Determinante det A T A

= 1. Da 1 = det A T A

= det A T

det(A) = det(A) 2 folgt det(A) = ± 1 .

Matrizen mit det(A) = − 1 können nicht kontinuierlich in die Einheit überführt werden, da det(1) = 1.

Sie haben keine Erzeugenden!

Bsp: Transformation für det(A) = − 1: Spiegelung x 0 1 = − x 1

x 0 2 = − x 2 ⇒ A = − 1 (I.25)

x 0 3 = − x 3

Gemeinsam mit der 1 bilden { 1,1 } eine diskrete Gruppe mit 2 Elementen.

Die orthogonalen Matrizen mit det(A) = 1 bilden eine Untergruppe von O(3) und können kontinuier- lich mit der Einheit verbunden werden. Man bezeichnet diese Untergruppe als spezielle, orthogonale Gruppe SO(3) oder Rotationsgruppe.

Infinitesimal: A = 1 + T + O ( 2 )

1 = A T A = 1 + (T T + T ) + O ( 2 ) ⇒ T T = − T (I.26)

(10)

Jede antisymmetrische Matrix läßt sich als Linearkombination der drei Erzeuger T 1 , T 2 , T 3 aus (I.17) und (I.20) schreiben:

T = X 3

l=1

φ l T l . (I.27)

Übung:

Zeige, dass (T i ) jk = ijk ist, wobei ijk ein total antisymmetrischer Tensor mit 123 = 1 ist.

I.2 Trägheitsgesetz, Inertialsystem, Galileitransformation

Ziel der Mechanik ist es die Bewegung von Körpern zu verstehen, wenn man die Kräfte kennt, die auf sie wirken. Hier betrachten wir zunächst einen Körper, den wir als Punktteilchen idealisieren können, da seine Ausdehnung für die betrachtete Größenordnungen der Bewegung vernachlässigbar seien.

Grundlage der Mechanik sind die Newton’schen Gesetze 4 1. Gesetz; Trägheitsgesetz

Es gibt Koordinatensysteme (=Inertialsysteme) in denen ein Körper in gleichförmiger Bewegung oder Ruhe bleibt, wenn keine Kraft auf ihn einwirkt.

Dies ist keine unmittelbare Erfahrung, da Inertialsysteme nicht leicht zu bekommen sind.

In einem Inertialsystem lautet die Bahnkurve eines Punktteilchens auf das keine Kraft wirkt:

~

x(t) = ~ x 0 + ~ v 0 t . (I.28)

Bahnkurve durch 3 + 3 = 6 Parameter festgelegt, die Anfangsbedingungen des Ortes ~ x 0 und der Geschwindigkeit ~ v 0 .

Frage: Welche Transformationen T führen Inertialsysteme in Inertialsysteme über?

D.h. für welche T gilt: ~ x(t) = ~ x 0 + ~ v 0 t −→ T ~ x 0 (t 0 ) = ~ x 0 0 + ~ v 0 0 t 0 Antwort:

• Sicherlich die Translation und Rotation:

Translation: ~ x~ x 0 = ~ x + ~a tt 0 = t~ x 0 0 = ~ x 0 + ~a , ~ v 0 0 = ~ v 0 Rotation: ~ x~ x 0 = A ~ φ ~ x tt 0 = t~ x 0 0 = A φ ~ ~ x 0 , ~ v 0 0 = A φ ~ ~ v 0

• Weiterhin die Translation in der Zeit:

Zeittranslation: ~ x~ x 0 = ~ x tt 0 = t + τ~ x 0 0 = ~ x 0 + ~ v 0 τ , ~ v 0 0 = ~ v 0

• Und die Verschiebung des Koordinatensystems mit konstanter Geschwindigkeit V ~ :

~

x~ x 0 = ~ x + V t ~ tt 0 = t~ x 0 0 = ~ x 0 , ~ v 0 0 = ~ v 0 + V ~

4 (Isaac Newton, England, 1643-1727)

6

(11)

Alle diese Transformationen gemeinsam bilden die Galileitransformationen 5

~

x 0 = A φ ~ ~ x + ~a + V t ~

t 0 = t + τ (I.29)

Dies ist eine 10 parametrige nicht-abel’sche Gruppe.

Die Bahnkurven (I.28) sind Lösungen der kräftefreien Newtongleichung m ~ x ¨ = 0 bzw. ~ x ¨ = 0 . Wiederum sind die Galilieitransformationen genau jene, die diese Gleichung in sich überführen:

~ x ¨ = 0 G.T . −→ A φ ~ ~ x ¨ = 0 ⇔ ~ x ¨ = 0 (da A φ ~ invertierbar) (I.30) D.h. ¨ ~ x = 0 ist nicht streng invariant unter Galileitransformationen (I.29) sondern “kovariant”.

Galilei’sches Prinzip

Naturgesetze ändern sich nicht, wenn man sie in einem anderen Inertialsystem formuliert. Es gibt somit kein ausgezeichnetes Inertialsystem!

Universeller Anspruch, sollte für alle fundamentalen Naturgesetze gelten.

N.B: Wir wissen aber, dass dieses Prinzip nur approximativ gilt, da in der relativistischen Mechanik die Lorentztransformationen an die Stelle der Galileitransformationen treten werden.

I.3 Beschleunigte Bezugssysteme

Wir wollen nun untersuchen, wie sich das kräftefreie Newton’sche Grundgesetz x = 0 ändert, wenn man Transformationen von Inertialsystemen zu Nichtinertialsysteme betrachtet:

Σ : Inertialsystem

Σ 0 : Relativ zu Σ beschleunigt bewegtes Bezugssystem

I.3.1 Gleichförmig beschleunigtes Bezugssystem

˛e 3

˛ e 3 Õ

Õ

˛x

˛x Õ

b 2 t 2 ˛e 3

Σ : Inertialsystem

Σ 0 : Gleichförmig in ~ e 3 -Richtung beschleunigtes Bezugssystem

5 (Galileo Galilei, Italien, 1564-1642)

7

(12)

~

x = ~ x 0b 2 t 2 ~ e 3

~ ¨

x = ¨ ~ x 0b~ e 3

Σ : m ~ x ¨ = 0 Σ 0 : m ~ x ¨ 0 = b~ e 3

|{z}

Trägheitskraft

I.3.2 Rotierendes Bezugssystem um festen Punkt

˛e 1

˛e 2

˛e 3

˛ e 1 Õ (t)

˛ e 2 Õ (t)

˛

e 3 Õ (t) ˛x

7

Σ : ~ e i · ~ e j = δ ij Σ 0 : e ~ 0 i (t) · e ~ 0 j (t) = δ ij

Zwei Orthonormalbasen { ~ e i } und { e ~ 0 i } i = 1, 2, 3 .

Allgemeiner Vektor ~ x zu einem festen Zeitpunkt t:

~ x = X

i

x i ~ e i = X

i

x 0 i (t) ~ e 0 i (t)

Multiplikation dieser Vektorgleichung mit ~ e 0 j (t) liefert die Transformation von x i : X

i

x i

~ e 0 i (t) · ~ e i

| {z }

=:D

ji

(t)

= X

i

x 0 i (t)δ ij = x 0 j (t)

x 0 i (t) = X

j

D ij (t)x j zu festem t (I.31)

D ij (t) = e ~ 0 i (t) · ~ e j ist eine Drehmatrix, da D T ij (t) = ~ e i · e ~ 0 j (t) die inverse Matrix zu D ist.

Beweis:

Äußeres Produkt (~ e i ) α (~ e j ) β oder ~ e i~ e j α, β = 1, 2, 3 . Bsp: ~ e 1~ e 1 =

 1 0 0

 ·

1 0 0

=

1 0 0 0 0 0 0 0 0

. D.h. es gilt X

i

~

e i~ e i = 1 bzw. X

i

(~ e i ) α (~ e i ) β = δ αβ . Angewandt auf unser Problem folgt

X

j

D ij (t) D T jk (t) = X

j

( ~ e 0 i (t) · ~ e j ) (~ e j · e ~ 0 k (t)) = ( e ~ 0 i (t) · X

j

~ e j ) (~ e j

| {z }

1

· ~ e 0 k (t)) = ~ e 0 i (t) · ~ e 0 k (t) = δ ik

Bzw. in Matrixnotation: D(t) · D T (t) = 1D(t)O(3).

Aus (I.31) folgt:

˙

x 0 i (t) = X

j

D ˙ ij (t)x j + X

j

D ij (t) ˙ x j (I.32)

8

(13)

Die momentane Drehachse Zerlegung von e ~ ˙ 0 i (t) in die Basis

~ e 0 i

(t):

~ ˙ e 0 i = X

j

e ~ ˙ 0 i · e ~ 0 j

| {z }

=:Ω

ij

e ~ 0 j = X

j

ij e ~ 0 j (I.33)

Die Matrix Ω ist antisymmetrisch: Ω ij = − Ω ji , da e ~ 0 i · e ~ 0 j = δ ij

dtd

~ e ˙ 0 i · e ~ 0 j + e ~ 0 i · e ~ ˙ 0 j = 0

⇒ Ω ij + Ω ji = 0

Def.: e ~ ˙ 0 1 · e ~ 0 2 = ω 0 3 , e ~ ˙ 0 2 · e ~ 0 3 = ω 1 0 , ~ e ˙ 0 3 · e ~ 0 1 = ω 2 0 bzw. kompakt geschrieben: ~ e ˙ 0 i · e ~ 0 j = ijk ω k 0 .

⇒ Ω =

0 ω 0 3ω 2 0

ω 0 3 0 ω 1 0 ω 2 0ω 1 0 0

Alternative Schreibweise über Vektorprodukt: z.B.

~ ˙

e 0 1 = ω 0 3 ~ e 0 2 − ω 2 0 ~ e 0 3 = ω 0 3 ~ e 0 3 × ~ e 0 1 + ω 2 0 ~ e 0 2 × e ~ 0 1

= X

i

ω 0 i ~ e 0 i

!

× e ~ 0 1 =: ~ ω(t) × e ~ 0 1

Analog

~ ˙

e 0 j (t) = ~ ω(t) × e ~ 0 j (t) (I.34)

Wir nennen ~ ω(t) die momentane Drehachse mit Winkelgeschwindigkeit | ~ ω | und der Drehachse |~ ~ ω ω| . Zeitliche Veränderung eines Vektors im rotierenden Bezugssystem

~ x = X

i

x 0 i (t) e ~ 0 i (t)

~ ˙ x = X

i

˙

x i (t) e ~ 0 i (t) + X

i

x 0 i (t) e ~ ˙ 0 i (t)

|{z}

~ ω× e ~

0i

= X

i

˙

x 0 i (t) ~ e 0 i (t) + ~ ω × ~ x

Def.:

d 0 ~ x dt = X

i

˙

x 0 i (t) e ~ 0 i (t)

(14)

Bewegungsgleichungen im rotierenden Bezugssystem d 2 ~ x

dt 2 = d dt

d~ x dt = d

dt d 0 ~ x

dt + ~ ω × ~ x

= d 2 0 ~ x

dt 2 + ~ ω × d 0 ~ x

dt + ˙ ~ ω × ~ x + ~ ω × d 0 ~ x

dt + ω ~ × ~ x

Falls keine äußeren Kräfte wirken:

m d 2 0 ~ x

dt 2 = − 2m~ ω × d 0 ~ x

dt − m~ ω × (~ ω × ~ x)m ~ ω ˙ × ~ x (I.35) Es treten die Scheinkräfte auf:

− 2m ~ ω × d dt

0

~ x Corioliskraft

m ~ ω × (~ ω × ~ x) Zentrifugalkraft

Typisch für Scheinkräfte ist, dass sie im Unendlichen nicht verschwinden. Kräfte, die tatsächlich zwischen Körpern wirken, nehmen mit dem Abstand ab. Die Corioliskraft 6 tritt nur bei Bewegung im Σ 0 -System auf.

Beispiel: Bewegungen auf der Erdoberfläche

Wir orientieren das rotierende System Σ 0 im Erdmittelpunkt so, dass die ~ e 0 3 Achse in Richtung eines gegebenen Punktes auf der Erdoberfläche (etwa unser aktueller Standort) zeigt. Weiterhin wird ~ e 0 1 in Richtung Süden und ~ e 0 2 in Richtung Osten gelegt, ϑ ist die geographische Breite (gemessen als Winkel vom Äquator zum Ursprung des Systems Σ 00 auf der Erdoberfläche). Die Achsen des dritten auf der Erdoberfläche liegenden Systems Σ 00 sind gegenüber Σ 0 um den Vektor ~b = b ~ e 3

0

verschoben.

a-

u

NORDPOL

[

" }"

ä

2"

|"

},. .

. .

.

"

"

[

"

2)

)

0

|'

ÄQUATOR

Angeschrieben im System Σ 0 haben wir deshalb

~b = b

 1 0 0

~ ω = ω

 − cos ϑ 0 sin ϑ

Weiterhin gilt für einen beliebigen Punkt ~ x, der ortsfest im System Σ 00 auf der Erdoberfläche sein soll

~

x = ~b + ~ x 00 , d 0 ~ x dt = d 00 ~ x

dt

mit ~ x 00 beobachtet auf der Erdoberfläche in (unse- rem) System Σ 00 .

Daraus folgt im kräftfreien Fall die Bewegungsgleichung für ~ x 00 in unserem erdfesten rotierenden System

m ~ x ¨ 00 = − 2m ~ ω × ~ x ˙ 00m ~ ω × (~ ω × ~b)m ~ ω × (~ ω × ~ x 00 )

Der konstante Zentrifugalterm ~ ω × (~ ω × ~b) nimmt dabei die Form an (mit ~l siehe Skizze)

~

ω × (~ ω × ~b) = 2

cos ϑ sin ϑ 0 cos 2 ϑ

 = ω 2 ~l

6 (Gustave Gaspard de Coriolis, Frankreich, 1792 - 1843)

10

(15)

I.4 Das Newton’sche Grundgesetz

m ~ x ¨ = K ~ ‘2. Newton’sches Gesetz’ (I.36) Dieses gilt in Inertialsystemen . K ~ = P

i K i ~ e i bezeichnet man als Kraftvektor.

Bei Basistransformationen ~ e i~ e 0 i transformiert sich K i zu K i 0 wie x i zu x 0 i . Andere Körper und Ladungen bestimmen K. ~ K ~ kann Funktion von ~ x, ˙ ~ x, t und durch das jeweilige physikalische System bestimmten Parametern { α i } sein:

K ~ = K ~ ~ x, ~ x, t ˙

↑ ; { α i } , explizit

nicht jedoch von ¨ ~ x und höheren Ableitungen! Beispiele für Paramter { α i } : Ladungen, Federkonstanten, Gravitationskonstante, . . ..

Die Newton’sche Grundgleichung (I.36) ist demnach ein System von 3 gewöhnlichen Differentialglei- chungen zweiter Ordnung in der Zeit. Integration dieser 3 DGLs liefert 6 Integrationskonstanten,

~

x(t 0 ) und ~ v(t 0 ) = ˙ ~ x(t 0 ), d.h. zu vorgegebenem Ort und Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t 0 folgt die Bahn für alle früheren oder späteren Zeiten.

Das ergibt sich bereits aus der Taylorentwicklung der Koordinatenfunktionen x i (t) um t 0 : x i (t) = x i (t 0 ) + ˙ x i (t 0 )(t − t 0 ) + 1

2 x ¨ i (t 0 )(t − t 0 ) 2 + 1 3!

d 3 x i

dt 3 (t 0 )(t − t 0 ) 3 + ...

= X ∞

n

x [n] (t − t 0 ) n n! , wobei

¨

x i (t 0 ) = d 2 x i

dt 2 (t 0 ) = 1

m K i ~ x(t 0 ), ~ x(t ˙ 0 ), t 0 ; { α i } d 3 x i

dt 3 (t 0 ) = 1 m

X 3 j

∂K i

∂x j

˙

x j (t 0 ) + ∂K i

x ˙ j

¨

x j (t 0 ) + ∂K i

∂t (t 0 )

= 1 m

X 3 j

∂K i

∂x j

˙

x j (t 0 ) + ∂K i

x ˙ j

K j

m (t 0 ) + ∂K i

∂t (t 0 )

und so weiter.

Träge Masse

Der Proportionalitätsfaktor m zwischen ¨ ~ x und K ~ ist die träge Masse. Eigenschaft des Massenpunk- tes: Trägheit gegenüber Bewegungsänderungen. Masse kann nicht in die Defintion der Kraft K ~ aufgenommen werden.

Bsp.: Gleiche Feder, zwei verschiedene Körper

m

1

m

2

m 1 ~ x ¨ = − c~ x Federgleichung m 2 ~ x ¨ = − c~ x

11

(16)

Schwere Masse m S

Aus Newtons Gravitationsgesetz:

M

m

˛x

9

K ~ = − G m S · M · ~ x

| ~ x | 3 G : Gravitationskonstante M : Masse der Erde

Newton’sche Grundgleichung:

m ~ x ¨ = − Gm S M ~ x

| ~ x | 3 =

(in Erdnähe)

m S ~ g Schwaches Äquivalenzprinzip

Experiment: Alle Körper fallen gleich schnell, d.h.

m = m S und ~ x ¨ = − ~ g.

Gegenwärtige experimentelle Schranken:

Labor: ∆a a

Be-Ti = (0.3 ± 1.8) · 10 −13 (Beryllium-versus Titantestkörper im freien Fall)

Weltraum: ∆a a

Erde-Mond = ( − 0.8 ± 1.3) · 10 −13 (Erde und Mond im freien Fall Richtung Sonne)

I.5 Das begleitende Dreibein, Zerlegung der Beschleunigung

I.5.1 Bogenelement der Raumkurve

Es sei ~ x(t) gegeben.

x 1

x 2 x 3

˛x(t + dt)

dx 1

dx 2

dx 3

˛x(t) ds

10

(ds) 2 = d~ x · d~ x = (dx 1 ) 2 + (dx 2 ) 2 + (dx 3 ) 2

⇒ ds

dt 2

= dx 1

dt 2

+ dx 2

dt 2

+ dx 3

dt 2

⇒ ds = v u u t X

i

dx i

dt 2

dt = | ~ v | dt

Integration liefert die Bogenlänge:

s 2 − s 1 = Z t

2

t

1

ds = Z t

2

t

1

v u u t X 3

i=1

dx i

dt 2

dt = Z t

2

t

1

s d~ x dt

2

dt (I.37)

12

(17)

D.h. s(t)s 0 = Z t

t

0

dt | ~ v | Bogenlänge. (I.38)

˛x(t

0

)

˛x(t) s(t)s

0

11

Somit gilt s = s(t). Diese Relation lässt sich (zu- mindest lokal) invertieren, d.h.

s = s(t)t = t(s)

D.h. die Raumkurve ~ x(t) lässt sich auch durch die Bogenlänge parametrisieren:

~

x(t) = ~ x[t(s)] = ~ x(s),

(wobei die Funktionen x i (t) und x i (s) natürlich unterschiedlich sind).

i) Tangentenvektor

N T

B

T : Tangentenvektor ~ e T

N: Normale ~ e N

B: Binormale ~ e B

Das begleitende Dreibein ändert seine Orientierung in jedem Punkt der Kurve. Der Tangentenvektor ist Einheitsvektor in Richung d~ x.

~ e T k d~ x

Def.: ~ e T = d~ x

ds (I.39)

~

e T · ~ e T = d~ x · d~ x

(ds) 2 = d~ x · d~ x d~ x · d~ x = 1 Alternativ: ~ e T = d~ dt x ds dt = |~ ~ v v|

ii) Normale

~ e T (t) · ~ e T (t) = ~ e T (s) · ~ e T (s) = 1 Differentation nach s ⇒ 2 ~ e T (s) · d

ds ~ e T (s) = 0

~ e T ⊥ d ds ~ e T

13

(18)

Def.: ~ e N = d

ds ~ e T · 1

| ds d ~ e T | =

d

2

ds

2

~ x(s)

| d

2

ds ~ x(s)

2

|

Der Normalenvektor. Offensichtlich ist ~ e N · ~ e N = 1

Betrachtet man konsekutive Tangenten an die Kurve, so bilden ~ e T und ~ e N eine Schmiegeebene:

~

x(s + ∆s) = ~ x(s) + d~ x(s) ds ∆s + 1

2 d 2 ~ x(s)

ds 2 (∆s) 2 + O (∆s 3 )

= ~ x(s) + ∆s ~ e T + (∆s) 2 2

d 2 ~ x(s) ds 2

~ e N + O (∆s 3 )

˛e

N

(s) ˛e

T

(s)

˛e

T

(s + s)

˛x(s) ˛x(s + s)

13

Die Näherungskurve zweiter Ordnung an ~ x(s) liegt in der von ~ e T und ~ e N aufgespannten Schmiegeebene.

Der Betrag von ds d ~ e T (s) bzw. d ds

2

~ x

2

steht mit dem Schmiegekreis in Zusammenhang.

d ds ~ e T

= 1

R ⇒ d~ e T

ds = 1 R ~ e N

ds

˛e

T

d„

R d„

14

ds = Rdφ

| d~ e T | = 1 · dφ

d~ e T ds

=

R

= 1

R und mit ~ e T = d~ x

ds gilt

d 2 ~ x ds 2 = 1

R iii) Binormale

Def.: ~ e B = ~ e T × ~ e N

˛e N

˛e T

˛e B

15

14

(19)

I.5.2 Zerlegung der Beschleunigung

Wir hatten die Relationen ds

dt = v d~ x ds = ~ e T

d~ e T ds = 1

R ~ e N

i) Geschindigkeit

d~ x dt = d~ x

ds ds dt = v ~ e T

ii) Beschleunigung

d 2 ~ x dt 2 = d

dt (v ~ e T ) = ˙ v~ e T + v ~ e ˙ T

~ e ˙ T = d~ e T ds

ds dt = v

R ~ e N

Somit: ~ x ¨ = ˙ v~ e T + v 2 R ~ e N

D.h., der Beschleunigungsvektor lässt sich in eine Tangential- und eine Normalkomponente zerlegen.

Newton’sche Bewegungsgleichung

m v~ ˙ e T + m v 2

R ~ e N = K ~ (I.40)

In Komponenten angeschrieben:

~ e T · K ~ = K T = m v ˙

~ e N · K ~ = K N = m v 2 R

~ e B · K ~ = K B = 0 Beispiel: Kreisbewegung mit v = const.:

K T = 0 da ˙ v = 0, K B = 0 sowieso

K N = m v 2 R

Bereits hier sehen wir, dass die Newton’sche Grundgleichung in einem gegebenen Koordinatensystem

angeschrieben gegenüber Koordinatentransformationen nicht forminvariant ist. Ziel wird sein, eine

forminvariante (oder universelle) Formulierung der Bewegungsgleichungen in allgemeinen Koordinaten

(20)

I.6 Umrechnung der Newton’schen Grundgleichungen in Allgemeine Koordinaten

Wir haben nun mehrfach gesehen, dass die Newton’schen Gleichungen unter allgemeinen Koordina- tentransformationen nicht forminvariant sind.

Beispiel aus den Übungen: Übergang kartesische Koordinaten → Zylinderkoordinaten x 1 = ρ cos φ

x 2 = ρ sin φ x 3 = z Transformation der Bewegungsgleichungen:

K ~ = P

i K i ~ e i = K ρ ~ e ρ + K φ ~ e φ + K z ~ e z

m x ¨ 1 = K 1 m( ¨ ρρ φ ˙ 2 ) = K ρ

m x ¨ 2 = K 2m(ρ φ ¨ + 2 ˙ ρ φ) = ˙ K φ m x ¨ 3 = K 3 z = K z

Frage: Wie findet man für den allgemeinen Fall die Bewegungsgleichungen?

Dies wollen wir nun durch Umrechnung der Newtongleichung herleiten, was uns auf den zentralen Begriff der Lagrange-Funktion führen wird.

Betrachten wir nun allgemeine Transformationsfunktionen f i Koordinatensystemen { x i } und { q i } (müssen umkehrbar sein):

x 1 = f 1 (q 1 , q 2 , q 3 , t)

x 2 = f 2 (q 1 , q 2 , q 3 , t) Transformation { x i } → { q i } darf explizit zeitabhängig sein (I.41) x 3 = f 3 (q 1 , q 2 , q 3 , t).

Für die Geschwindigkeit gilt dann nach der Kettenregel

˙ x j (t) =

"

X

i

∂f j

∂q i

(q 1 , q 2 , q 3 , t) ˙ q i + ∂f j

∂t (q 1 , q 2 , q 3 , t)

#

q=q(t), q= ˙ ˙ q(t)

. Wir schreiben q = b { q 1 , q 2 , q 3 } und ˙ q = b { q ˙ 1 , q ˙ 2 , q ˙ 3 } .

Def.: ξ j (q, q, t) = ˙ X

i

∂f j

∂q i (q, t) ˙ q i

+ ∂f j

∂t (q, t) (I.42)

Hierbei betrachten wir die { q, q, t ˙ } als 7 unabhängige Variablen. Die Funktion ξ j (q, q, t) geht im Fall ˙ der Einschränkung auf Bahnkurven ξ j (q, q, t) ˙ | q=q(t), q= ˙ ˙ q(t) = ˙ x j (t) in die kartesischen komponenten der Geschwindigkeit des Massenpunktes über. Wir erweitern sie jedoch nun jenseits dieser Kurve in den 7 dimensionalen Raum { q, q, t ˙ } .

Beispiel: Zylinderkoordinaten q 1 = ρ q 2 = φ q 3 = z.

Dann

x 1 = q 1 cos q 2 = f 1 (q 1 , q 2 , q 3 ,

t)

˙ x 1 = h

˙

q 1 cos q 2 − q 1 q ˙ 2 sin q 2

i

q=q(t), q= ˙ ˙ q(t) .

16

(21)

Die Funktion ξ 1 (q 1 , q 2 , q ˙ 1 , q ˙ 2 ) = ˙ q 1 cos q 2q 1 q ˙ 2 sin q 2 stellt eine gewöhnliche Funktion der unabhängi- gen Variablen { q 1 , q 2 , q ˙ 1 , q ˙ 2 } dar, man kann beispielsweise ihre partiellen Ableitungen bilden:

∂ξ 1

q ˙ 1 = cos q 2

∂ξ 1

q ˙ 2 = − q 1 sin q 2 .

Aus der Definition (I.42) folgt unmittelbar:

∂ξ i

q ˙ k

= ∂f j

∂q k

(q, t). (I.43)

Nebenbemerkung:

Die kinetische Energie eines Teilchens lautet in kartesischen Koordinaten E kin = mv 2

2 = m

2 ( ˙ x 2 1 + ˙ x 2 2 + ˙ x 2 3 ) und somit

E kin = m 2

X

j

˙ x 2 j =

m 2

X

j

ξ j (q, q, t) ˙ 2

q=q(t), q= ˙ ˙ q(t)

.

Wir definieren nun die allgemeine Funktion der Variablen { q, q, t ˙ } (gerade eben nicht eingeschränkt auf die Kurve q = q(t), ˙ q = ˙ q(t))

T (q, q, t) = ˙ m 2

X

j

ξ j (q, q, t) ˙ 2 (I.44)

mit T(q(t), q(t), t) = ˙ E kin . Wir nennen vorerst T die verallgemeinerte kinetische Energie.

Wie lautet ¨ x j (t) in den neuen Variablen?

˙

x j (t) = ξ j (q(t), q(t), t) ˙

¨

x j (t) = d

dt ξ j (q(t), q(t), t) ˙

· m ∂f j

∂q k

(q(t), t)

x j (t) ∂f j

∂q k (q(t), t) = m d

dt [ξ j (q(t), q(t), t)] ˙ · ∂ξ j

q ˙ k (q(t), t) Wegen dt d a

b = dt d (ab) − a dt d b folgt für die rechte Seite der Gleichung:

m x ¨ j ∂f j

∂q k =

m d dt

ξ j ∂ξ j

q ˙ k

j d dt

∂ξ j

q ˙ k

q=q(t), q= ˙ ˙ q(t)

= m

d 1 2 )

m

ξ ∂ξ j

(22)

Im letzten Schritt haben wir verwendet, dass mit (I.43) folgt:

d dt

∂ξ j

q ˙ k = d dt

∂f j

∂q k (q(t), t)

= X 3 i=1

2 f j

∂q k ∂q i q ˙ i + 2 f j

∂q k ∂t

=

∂q k

"

X

i

∂f j

∂q i

˙ q i + ∂f j

∂t

#

= ∂ξ j

∂q k . sowie die Relation ξ j

∂ξ j

∂q k =

∂q k 1

2 ξ j 2

. D.h. wir finden dann

x j

∂f j

∂q k = d

dt

q ˙ k m

2 ξ j 2

∂q k m

2 ξ 2 j

q=q(t),˙ q= ˙ q(t)

.

Summiert man diese Gleichung über j, benutzt die Newton’sche Grundgleichung x j = K j (in den kartesischen Koordinaten { x i } , sowie die Definition der verallgemeinerten kinetischen Energie T (q, q, t) = ˙ P

j m

2 ξ j 2 aus (I.44), so ergibt sich:

X

j

K j ∂f j

∂q k = d

dt

q ˙ k T(q, q, t) ˙ −

∂q k T (q, q, t) ˙

q=q(t), q= ˙ ˙ q(t)

. (I.45)

Die linke Seite definieren wir als generalisierte Kräfte

Q k = X

j

∂f j

∂q k K j = X 3 j=1

C kj K j

mit der Matrix C kj = ∂f ∂q

j

k

. Die generalisierten Kräfte Q k sind Linearkombinationen der kartesischen Komponenten K j der Kraft.

Beispiele:

a) Triviale Transformation:

x j = f j (q, t) = q j j = 1, 2, 3 ξ j = X

i

∂f j

∂q i

|{z}

ij

˙ q i

+ ∂f j

|{z} ∂t

=0

= ˙ q j

kinetische Energie:

E kin = m 2

X

j

˙

x 2 jT = m 2

X

j

˙

q 2 j = T (q)

∂T

q ˙ k

= m q ˙ k

∂T

∂q k

= 0

18

(23)

Diese Transformation liefert mit

∂f j

∂q k

= ∂q j

∂q k

= δ jk

(I.45) ⇒ X

j

K j δ jk = d

dt (m q ˙ k (t)) − 0

K k = q k (t) also wieder die alten Bewegungsgleichungen.

b) Zylinderkoordinaten

x = f 1 (q 1 , q 2 ) = ρ cos φ q 1 = ρ q ˙ 1 = ˙ ρ y = f 2 (q 1 , q 2 ) = ρ sin φ q 2 = φ q ˙ 2 = ˙ φ z = f 3 (q 1 , q 2 ) = z q 3 = z q ˙ 3 = ˙ z

˙

x = ˙ ρ cos φρ φ ˙ sin φ = ξ 1 ⇒ ξ 1 = ˙ q 1 cos q 2 − q 1 q ˙ 2 sin q 2

˙

y = ˙ ρ sin φ + ρ φ ˙ cos φ = ξ 2 ξ 2 = ˙ q 1 sin q 2 + q 1 q ˙ 2 cos q 2

˙

z = ˙ z = ξ 3 ξ 3 = ˙ q 3 .

kinetische Energie:

E kin = m

2 ( ˙ x 2 + ˙ y 2 + ˙ z 2 ) ⇒ T = m

2 ( ˙ ρ 2 + (ρ φ) ˙ 2 + ˙ z 2 ) = T (ρ, ρ, ˙ φ, ˙ z) ˙ Partielle Ableitungen:

∂T

∂ρ = φ ˙ 2 ∂T

ρ ˙ = m ρ ˙

∂T

φ ˙ = 2 φ ˙ ∂T

z ˙ = m z ˙ Daraus ergeben sich die drei Bewegungsgleichungen nach (I.45):

i) Q 1 = Q ρ

K x

∂x

∂ρ + K y

∂y

∂ρ + K z

∂z

∂ρ = d

dt (m ρ) ˙ − φ ˙ 2 K x cos φ + K y sin φ + K z · 0 = m( ¨ ρ φ ˙ 2 )

m

¨

ρ(t)ρ(t) ˙ φ(t) 2

= K ~ · ~ e ρ

wobei ~ e ρ = cos φ~ e x + sin φ~ e y . ii) Q 2 = Q φ :

K x

∂x

∂φ + K y

∂y

∂φ + K z

∂z

∂φ = d

dt (mρ 2 φ) ˙ − 0 ρ ( − K x sin φ + K y cos φ) + K z · 0 = mρ ˙ φ ˙ + ρ 2 φ ¨

m

ρ φ(t) + 2 ˙ ¨ ρ(t) ˙ φ(t)

= K ~ · ~ e

(24)

wobei ~ e φ = − sin φ~ e x + cos φ~ e y . iii) Q 3 = Q z :

K x · 0 + K y · 0 + K z

∂z

∂z = d

dt (m z) ˙ − 0

z = K z

D.h. wir erhalten ein übereinstimmendes Ergebnis zum vorher hergeleiteten.

Anmerkung:

Einfacherer Weg zur Herleitung von T (q, q, t): ˙

dfl

dfl

fld„

d„

16

v = ds dt

ds 2 = (dρ) 2 + (ρdφ) 2 + (dz) 2

⇒ ds

dt 2

= dρ

dt 2

+ ρdφ

dt 2

+ dz

dt 2

v 2 = ˙ ρ 2 + ρ 2 q ˙ 2 + ˙ z 2 T = m

2 v 2 = m

2 ( ˙ ρ 2 + ρ 2 φ ˙ 2 + ˙ z 2 ) wie zuvor

I.7 Potential

In der folgenden Diskussion wollen wir uns nun auf Kräfte K ~ = K(~ ~ x, t; { α i } ) beschränken, die unabhängig von der Geschwindigkeit ˙ ~ x sind und die des weiteren von einem Potential V (~ x, t; { α i } ) abgeleitet werden können:

K i = −

∂x i

V (~ x, t) =: i V (~ x, t) = −∇ i V (~ x, t) .

Im obigen haben wir verschiedene gebräuchliche Bezeichnungen für die partielle Ableitung ∂x

i

benutzt. Den Differentialoperator ∇ ~ bezeichnet man als "Nabla", obige GLeichung lautet dann auch K ~ = − ∇ ~ V (~ x, t).

Beispiele:

- kräftefreies Teilchen:

V = const., K i = 0 - konstante Kraft:

V = − P 3

l=1 x l b l , K i = b i

- Federgleichung/harmonischer Oszillator in 1D:

V = 1 2 kx 2 , K = − kx

- Coulombpotential 7 bzw. Newton’sches Gravitationspotential:

V = − α r = − α 1

~

x

2

, K i = − α x r

3i

α =

Gm 1 m 2 Gravitation

q 1 q 2 , Coulomb, Ladungen q 1 und q 2 7 (Charles Augustin de Coulomb, Frankreich, 1736-1806)

20

Abbildung

Abb. 12.1 Quelle Q und Detektor D befinden sich im Unendlichen. In Q werden identische Teilchen mit festen Versuchsanordnung des betrachteten Streuexperiments Energien

Referenzen

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