Hauptseminar: „Phonetische Modelle des Spracherwerbs“, SS 2007 Dozent: Prof. Dr. Jonathan Harrington
Referat zum Thema
„Wahrnehmung phonetischer Kontraste“
Referentin: Ann-Kathrin Killguß
Überblick
I Fragestellung
II Studien von Werker et al.
III Ergebnisse neuerer Studien
IV Zusammenfassung
„ Inwiefern unterscheiden sich Kleinkinder und Erwachsene in der Wahrnehmung phonetischer Kontraste? “
Erwachsene haben Schwierigkeiten bei der
Unterscheidung phonetischer Kontraste, die in ihrer Muttersprache nicht vorkommen
(Abraham & Lisker, 1970; Miyawaki et al., 1975; MacKain, Best, & Strange, 1981)
I Fragestellung
II Studien von Werker et al.
1981: Vergleich von 3 Gruppen …
1) 6-8 Monate alte, englisch lernende Säuglinge, 2) englisch sprechende Erwachsende und
3) Hindi sprechende Erwachsenen
… bzgl. ihrer Fähigkeit 2 Konsonantenkontraste des Hindi zu unterscheiden (die im Englischen nicht vorkommen!)
Ergebnisse:
1) und 3) konnten Kontraste unterscheiden
englisch sprechende Erwachsene waren dazu nicht fähig!
Folgestudie mit englisch sprechenden Kindern im Alter von 4-12 Jahren
konnten Kontraste ebenfalls nicht unterscheiden
Schlussfolgerung:
- Säuglinge können ohne vorherige spezifische Sprach- erfahrungen Sprachlaute gemäß derer phonetischer Kategorien unterscheiden
- Erwachsene und Kinder (älter als 4 Jahre) verlieren diese Fähigkeit möglicherweise als Folge des Älterwerdens und/
oder der Spracherfahrung
1984: „ Cross-language speech perception: Evidence for perceptual reorganization during the first year of life“
Experiment 1: Ermittlung der Generalisierbarkeit dieser wohl ent- wicklungsabhängigen Änderungen in der Sprachperzeption
Versuchspersonen: - 6 Monate alte Säuglinge (Eltern englischsprachig) - englisch sprechende Erwachsene
- Thompson sprechende Erwachsene
Teststimuli: / ki / - / qi / Kontrollstimuli: / ba / - / da /
bei Säuglingen: HT (`head turn`) Paradigma bei Erwachsenen: Variante des HT-Paradigma
` `
Ergebnis Exp.1:
Signifikanter Unterschied zw. EA und TA/EI
Bestätigung/ Bekräftigung früherer Studien (spricht für Generalisierbarkeit)
Experiment 2: Ermittlung des Zeitpunktes ab dem die Wahrnehmungs- fähigkeit sprachunabhängiger phonetischer Kontraste
abnimmt
Versuchspersonen: Säuglinge (Eltern englischsprachig)
6 - 8 8 - 10 10 – 12 (Alter in Monaten)
Teststimuli: / ki / - / qi / (Thompson-Kontrast) / ta / - / ta / (Hindi-Kontrast)
Kontrollstimuli: / ba / - / da /
HT (`head turn`) Paradigma
` ` .
Ergebnisse Exp.2:
10-12 Monate alte Säuglinge schnitten signifikant schlechter ab!
(vergleichbar mit Ergebnissen englisch sprechender Erwachsener)
Experiment 3: Längsschnittstudie
3 Testperioden im Alter von: 1) 6 - 8 Monaten 2) 8 - 10 “ 3) 10 - 12 “
Ergebnisse der Quer-u. Längsschnittstudien im Vergleich
Ergebniszusammenfassung der Studie :
1) Erwachsene haben Schwierigkeiten bei der Unterscheidung phonetischer Kontraste, die in ihrer Muttersprache nicht
bedeutungsunterscheidend sind.
2) Säuglinge können phonetische Kontraste ohne sprachspezifische Erfahrungen unterscheiden
3) Abnahme der Wahrnehmungsfähigkeit ist höchstwahrscheinlich die Folge spezifischer Erfahrungen mit dem Phoneminventar der Muttersprache
4) Fähigkeit nicht-muttersprachliche Kontraste unterscheiden zu können nimmt schon gegen Ende des 1.Lebensjahres ab
bei `between-category` K-Unterscheidung: ca. mit 10-12 Monaten
bei `within-category` V-Unterscheidung: ca. mit 6 Monaten schon sprach- spezifischer Magneteffekt (Kuhl)
1984: Untersuchung der möglichen Ursachen für die Wahrnehmungsveränderung
Folge ...
1) eines Verlustes sensoneuralen Rückmeldungsvermögens?
2) der Veränderung des Aufmerksamkeitsfokus und/oder der Verarbeitungsstrategien?
Ergebnisse:
zu 1) widerlegt Vpn konnten unter bestimmten Umständen akustische Parameter nicht-muttersprachlicher phonetischer Kontraste unterscheiden
(versagten jedoch, wenn sie ganze Silben unterscheiden sollten)
zu 2) Durch Verlagerung/Fokussierung der Aufmerksamkeit (Sensibilisierung auf best. akust. Details) konnte keine
Verbesserung in der Unterscheidungsfähigkeit festgestellt werden.
Ergebnisse deuten darauf hin, dass Abnahme der Unterscheidungsfähigkeit auf eine
Veränderung der Verarbeitungsstrategien zurückzuführen ist.
1992: Untersuchung ob Wahrnehmungsabnahme mit dem Zeitpunkt der ersten Phonemkategorisierung zusammenfällt
Säuglinge wurden mit Hilfe von Wortverständnisaufgaben auf ihre Fähigkeiten zur Benutzung feiner phonetischer
Details (Minimalpaarkontraste) getestet
Vorteil von Wortverständnisaufgaben:
Abgrenzung von funktionellen Gebrauchsfähigkeiten zu reinem Unterscheidungsvermögen
Ergebnis: - schwache Beweise dafür, dass Säuglinge im Alter von 19 Monaten feine phonetische Details verwenden um Wörter zu unterscheiden
- keine Beweise dafür, dass sie dies schon früher können
Folgerung:
Zeitpunkt der Fähigkeitsabnahme nicht-mutterspachliche Kontraste
unterscheiden zu können entspricht nicht dem Beginn der funktionellen phonemischen Wahrnehmung
4-Faktoren Modell der Sprachwahrnehmung
III Ergebnisse neuerer Studien
1) Sprachverarbeitungsprozesse nehmen bei Erwachsenen größere Gebiete der linken Hemisphere des Gehirns ein diese Lateralisation ist bei Säuglingen in den ersten
Monaten ihres Lebens nicht vorzufinden
2) Die Lateralisation einiger Sprachaspekte könnte mit der Entwicklung des mentalen Lexikons zusammenhängen.
Elektrophysiologische Studien über die zugrundeliegenden Gehirnmechanismen ergaben…
IV Zusammenfassung
• Säuglinge können (unabhängig von der Muttersprache ihrer Eltern/Umgebung) bis zum Alter von 10-12 Monaten
sprachübergreifend alle phonetischen Kontraste unterscheiden
• Erwachsene haben Schwierigkeiten bei der Unterscheidung phonetischer Kontraste, die in ihrer Muttersprache nicht vorkommen
• Die Frage nach der genauen Ursache für die Abnahme der Unterscheidungsfähigkeit nicht-muttersprachlicher Phoneme ist noch offen
Literaturangaben
• Werker, J. & Tess, R.C. (1984, reprinted 2002). Cross-language speech perception: Evidence for perceptual reorganization during the first year of life. Infant Behavior & Development, 25, 121-133.
• Werker, J. & Tess, R.C. (1984). Phonemic and phonetic factors in adult cross-language speech perception. Journal of the Acoustical Society of America, 75, 1866-1878.
• Werker, J. (1995). Age-related changes in cross-language speech perception: standing at the crossroads. In Strange, W. (1995). Speech Perception and Linguistic Experience. York Press:
Baltimore. S.155-169
• Best, C. (2002). Revealing the mother tongue`s nurturing effects on the infants ear. Infant Behavior & Development, 25, 134-139.
• Maye, J. (2002). The development of developmental speech perception research: The impact of Werker & Tess (1984). Infant Behavior & Development, 25, 140-143.
• Sebastián-Gallés, N. (2002). Comment on Werker & Tess (1984) cross-language speech perception: Evidence for perceptual reorganization during the first year of life. Infant Behavior & Development, 25, 144-146.