• Keine Ergebnisse gefunden

Tendenzen und Kontraste in der deutschen Gegenwartssprache

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Tendenzen und Kontraste in der deutschen Gegenwartssprache"

Copied!
15
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Ludwig M. Eichinger, Meike Meliss & Marı´a Jose´ Domı´nguez Va´zquez (Hgg.): Wortbildung Heute. Tendenzen und Kontraste in der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen: Narr 2008 (Studien zur Deutschen Spra- che, 44). 356 Seiten.

AlexanderHaselow Studien zur Wortbildung (WB), die aktuelle Tendenzen darstellen, ver- schiedene WB-Prozesse diskutieren und dazu auf Daten aus neuester Zeit basieren sind eher selten. Die Mehrzahl längerer Schriften bzw. Mo- nographien zur deutschen Wortbildung sind entweder Einführungen und Überblicke oder befassen sich mit speziellen WB-Verfahren. Schon aus diesem Grund ist der hier zu besprechende Sammelband, der sich durch eine hohe thematische Vielfalt auszeichnet, besonders für Morphologen, aber auch für Typologen sehr interessant.

Die 17 Aufsätze, die der Band enthält, gehen auf Vorträge einer Ta- gung zurück, die den Titel des Sammelbandes trug und von den Mitglie- dern der Forschungsgruppe „Textos e contextos alema´ns: sincronı´a e dia- cronı´a“ der Universität von Santiago de Compostela und dem Institut für Deutsche Sprache in Mannheim im Jahr 2006 organisiert wurde. Sie lassen sich in vier Gruppen einteilen: (1) solche, die sich besonders mit neueren Tendenzen in der deutschen WB befassen (Hans Altmann, Irm- hild Barz, Djamel Edine Lachachi, Meike Meliss, Maria Thurmair), (2) Aufsätze, die eher Kontraste zu anderen Sprachen darstellen (Marı´a Jose´

Domı´nguez Va´zquez, Ludwig M. Eichinger, Susan Schlotthauer & Gi- sela Zifonun), (3) Beiträge, die sich mit der Anwendung theoretischer Erkenntnisse im Bereich der WB befassen (Jose´-Antonio Calan˜as Conti- nente, Maria Teresa Dı´az Garcı´a & Inmaculada Mas A´ lvarez, Marta Ferna´ndez-Villanueva & Oliver Strunk, Carmen Gierden Vega & Dirk Hofmann) und solche, die (4) eine generelle theoretische Beschreibung eines Aspektes der WB bzw. einen Überblick über ein bestimmtes mor- phologisches Verfahren bieten, aber streng genommen weder die im Un-

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 29 (2010), 181195 0721-9067/2010/0290181

DOI 10.1515/ZFSW.2010.005Walter de Gruyter

(2)

tertitel angekündigten Tendenzen der deutschen Gegenwartssprache, noch Kontraste darstellen (Brigitte Eggelte, Martina Emsel, Hans Sche- mann, Maria Wirf Naro, Mireia Calvet Creizet). Leider sind die Artikel nach Autorennamen und nicht nach Themengebieten geordnet, was eine Orientierung hinsichtlich des Schwerpunkts der einzelnen Beiträge er- schwert. Ich werde mich im Folgenden auf die Beiträge der Kategorien (1) und (2) konzentrieren, da diese relevant für das Thema „Tendenzen und Kontraste“ sowie für eine Charakterisierung des gegenwärtigen Zu- stands der deutschen WB generell sind.

Die Beiträge der ersten Gruppe befassen sich mit Erscheinungen aus dem Bereich der WB, die relativ neu für das Deutsche sind. Altmann untersucht die Rechtschreibung neuerer WB-Produkte (Komposita), die Verbrauchsgüter sowie Angebote aus dem Tourismus und Wellness-Be- reich bezeichnen (z. B.Augen Make-up Entferner Balsam(S. 22) oderFa- milien-Check-in-Schalter(S. 31)) und kommt zu dem Schluss, dass sich die meisten von ihnen z. B. in Bezug auf Bindestrichsetzung, Getrennt- und Zusammenschreibung oder Spatiensetzung sehr normfern verhalten.

Einen plausiblen Grund für diese Erscheinung liefert der Autor selbst, nämlich deren Funktion als „attention-getting devices“ (S. 17), ein ande- rer wird jedoch nur am Rande erwähnt und nicht näher erläutert: Die Tatsache, dass viele dieser Neubildungen Bestandteile aus dem Engli- schen integrieren, und zwar nicht nur einzelne Lexeme, sondern teilweise ganze Phrasen, wie beiYoung Wash Off! Waschgel(S. 27). Die aus dem Englischen übernommenen Bestandteile führen nun zu einem strukturel- len Problem: Im Deutschen ist die Modifikation am linken Rand des Nomens inkorporierend, d. h. sie führt zu einer morphologischen Struk- tur und damit zu einem Kompositum. Im Englischen jedoch ist nominale Prämodifikation sowohl als syntaktische Strukturbildung (syntaktische Fügung) als auch als morphologische Strukturbildung (Kompositum) möglich, und trotz einer Reihe von Tests zur Unterscheidung zwischen komplexen Nominale und Komposita (z. B. Bauer 1998) ist der Status einer Struktur oft nicht eindeutig zu bestimmen (z. B.outdoor fun park).

Insofern verwundert es nicht, dass Sprachbenutzer bei der Benennung von Produkten unter Verwendung englischer Elemente (Nomen, Phra- sen) und deren Kombination mit deutschen Nomen auf das Problem stoßen, im Deutschen den morphologischen Charakter solcher Formen eindeutiger darstellen zu müssen, sei es durch Bindestriche, Binnengroß- schreibung oder andere Verfahren, die eine Kohäsion erzeugen, die dem Deutschen eigentlich fremd ist (z. B.Young Wash Off! Waschgel: *jung[-e Menschen]Wasch-es-ab! Waschgel).

Eine Zunahme solcher „untypologischen“, durch das Englische beein- flussten Bildungen im Deutschen (und ebenso im Spanischen) beobach- tet auch Meliss anhand einer Untersuchung von WB-Prozessen in der

(3)

Anzeigenwerbung für technische Produkte (S. 231⫺256). Tendenziell scheint das Deutsche also zumindest im Bereich der Benennung von Konsumgütern zur Inkorporierung englischer Elemente, sowohl von Vollformen als auch von Kurzformen (z. B.GMX DSL Surf&Phone Box (S. 249)), sowie zur Bildung multisegmentaler Konstrukte ohne gramma- tische Verknüpfung zu neigen, was letztlich weiterreichende strukturelle Veränderungen bewirken wird. So hat Zifonun (erscheint) bereits ansatz- weise anhand der Zunahme nominaler Prämodifikation mit Eigennamen im Deutschen gezeigt (Kohl-Regierung vs. Regierung Kohl), dass hier möglicherweise englische Strukturmuster kopiert werden und damit die ursprüngliche Tendenz des Deutschen zur Postmodifikation bei Kompo- sita mit identifikatorischen Eigennamen (z. B. Flughafen Tegel) aufge- weicht wird.

Die Einflüsse des Englischen auf die deutsche Wortbildung werden in vorliegendem Band auch von Barz (S. 39⫺60) diskutiert, besonders die Übernahme von Segmenten, die im Englischen Lexem- oder Morphem- status haben und im Deutschen als neue Einheiten für die Wortbildung gewonnen werden (z. B. Produktivitätssteigerung von Affixen wie mini- odersuper-, Hybridbildungen mitfree- oderhome-, wachsende Produkti- vität des Suffixes -ing). Etwas unplausibel erscheint ihre Behauptung, Präfixe, Suffixe und Konfixe griechisch-lateinischer Herkunft wären im Deutschen produktiv (S. 44⫺47), was eine Übernahme der mit ihnen gebildeten „eurolateinischen“ Lexeme aus dem Englischen erleichtern würde. Zwar existieren im Deutschen Formen mit bi- (Bimetall), in- (inakzeptabel) oder -age (Passage), jedoch kann man kaum behaupten, dass diese produktiv wären. Das Deutsche weist eine recht rigide Tren- nung zwischen nativen und nicht-nativen Elementen in der WB auf (Lutz 2002), die im Englischen aufgrund des historisch bedingten Einflusses des Französischen so nicht existiert. Graeco-romanische Elemente wir- ken befremdlich im Deutschen, wie Domı´nguez Va´zquez (S. 115) und v. a. Eichinger (S. 145, 150) im vorliegenden Band zeigen, da über Jahr- hunderte der Einbau solcher Elemente durch Strategien wie Überset- zung, Übertragung und freie Nachbildung mit nativem Material zurück- gedrängt wurde. Eine Produktivitätssteigerung solcher Elemente bzw. ein Anstieg der Frequenz entlehnter Wortformen mit diesen Affixen ist da- her ⫺selbst wenn sie aus einer genetisch verwandten Sprache wie dem Englischen übernommen werden ⫺wenig wahrscheinlich.

Eine zweite Tendenz des Deutschen besteht im Aufbau neuer WB-Ele- mente (Affixe) aus nativen Einheiten. Thurmairs Artikel zu denr-Parti- keln im Deutschen (S. 311⫺336) und Lachachis Artikel zu „Halbaffixen“

(S. 213⫺229) bieten einen interessanten Ausgangspunkt für weitere Un- tersuchungen in diesem Bereich. So kann man sich beispielsweise fragen, ob die Partikelrum-⫺zumindest in der Umgangssprache⫺zum Mar-

(4)

kierer von Phasenaktionsart (Kontinuität, atelisch) funktionalisiert wird, basierend auf der bereits übertragenen Bedeutung „ziellos, ohne genaue Bestimmung“ (z. B.rumlügen, rumsitzen, rumstehen). In vielen dieser Bil- dungen ist die räumliche Bedeutung (Kreisbewegung) der einstigen Voll- formherumzugunsten des Ausdrucks der Verlaufsperspektive gewichen, was erklärt, warum sich die Partikel auch mit Zustandsverben kombinie- ren lässt und generell hoch produktiv ist. Lachachi diskutiert Elemente, die aufgrund ihrer Zwischenstellung zwischen eigenständigem Morphem und WB-Element als „Halbaffixe“ klassifiziert werden, beschränkt sich bei den Präfixoiden jedoch nur auf solche, die Intensivierung ausdrücken (z. B.Bomben-,Höllen-) (S. 223). So könnte man sich fragen, ob ein Ele- ment wie los- aufgrund der eher kategoriellen als lexikalischen Bedeu- tung nicht zusehends eine Refunktionalisierung zu einem Inchoativmar- ker durchläuft (losreden, losheulen, loslachen). Lachachis Aufsatz zeigt leider nicht, welche Halbaffixe genau dazu tendieren, sich zu Affixen und damit zu Trägern kategorieller Information zu entwickeln.

Die typologisch ausgerichteten Beiträge des Sammelbandes setzen das Deutsche v. a. zum Spanischen in Beziehung (bei Schlotthauer & Zifonun auch zum Ungarischen) und diskutieren strukturelle Unterschiede sowie Differenzen in der Textstruktur. Eichinger beispielsweise erklärt die Kompaktheit des Deutschen anhand der Struktur der deutschen NP und der besonderen Möglichkeiten zur Kondensierung von Information am linken Rand des Nomens im Kontrast zum Englischen und Spanischen, wo der pränominale Raum üblicherweise nicht für solche Zwecke zur Verfügung steht. Domı´nguez Va´zquez’ Analyse von Packungsbeilagen zeigt ebenfalls, dass deutschen Komposita in einer Sprache, in der eher der rechte Rand des Nomens zur Komprimierung von Information ge- nutzt wird wie im Spanischen, präpositionale Konstruktionen (v. a. mit de) und solche mit nachgestellten relationalen Adjektiven entsprechen, also eher analytischere Strukturen.

Untersuchungen wie diese zeigen, dass die Wortbildung eine noch viel größere Rolle bei der Bestimmung des typologischen Baus von Sprachen spielen sollte. Das Vorhandensein bzw. die Produktivität von Affixen oder der Grad der Komplexität von WB-Produkten geben Aufschluss darüber, welchen strukturellen Typ Sprachen zur Komprimierung von Information sowie zur Enkodierung lexikalisch-kategorieller Informa- tion bevorzugen. Bisher sind solche Untersuchungen eher auf den gram- matischen Bereich bzw. die Art des Ausdrucks grammatischer Informa- tion beschränkt geblieben, man denke nur an die strikte Beschänkung der Begriffe synthetisch, analytisch und agglutinierend auf den Bereich der Flexion, die sich aber⫺aus formaler Sicht⫺ebenso auf die Art der Enkodierung lexikalischer Information anwenden lassen. Der bespro-

(5)

chene Sammelband liefert somit einen ersten Ausgangspunkt für die fe- stere Einbindung der Wortbildung in die strukturelle Beschreibung von Sprachen sowie deren typologische Veränderungen.

Literatur

Bauer, Laurie (1998). When is a sequence of two nouns a compound in English?English Language and Linguistics2: 6586

Lutz, Angelika (2002). Sprachmischung in der deutschen und englischen Wortbildung. In Historische Wortbildung des Deutschen, Mechthild Habermann, Peter O. Müller & Horst Haider Munske (eds.), 407438. Tübingen: Niemeyer.

Zifonun, Gisela (erscheint). Von Bush-Administration zu Kohl-Regierung: Englische Ein- flüsse auf deutsche Nominalkonstruktionen? InNicht-native Einheiten und Strukturen, Anke Holler & Carmen Scherer (eds.).

Alexander Haselow Hamburg (alexander.haselow@uni-hamburg.de)

Jürgen Broschart: Über die Sprachwissenschaft hinaus. Sprache und Lin- guistik aus transdisziplinärer Sicht.Berlin: LIT Verlag 2007 (Grundlagen der Kommunikation und Kognition [N.F.], 2). 392 Seiten.

ThomasStolz Über die Sprachwissenschaft hinaus ist die gründlich überarbeitete Druckfassung von Jürgen Broscharts Kölner Habilitationsschrift. Eine frühere Version, die noch nicht alle jetzt veröffentlichten Veränderungen gegenüber der Erstfassung enthielt, ist mir bereits vor mehreren Jahren zur Kenntnis gekommen, so dass ich den Wandel beurteilen kann, den dieses Werk in der Zeit erfahren hat. Dies trifft besonders auf den jetzt viel zugänglicheren Anfangsteil zu wie auch auf die umfänglichen Zu- sätze in Kapitel 4, die einige spätere Fortentwicklungen in Broscharts Ansatz widerspiegeln. Ich mache diese entstehungsgeschichtlichen Be- merkungen u. a. auch deshalb, weil es an dieser Stelle ein Buch zu bespre- chen gilt, dass es dem Leser nicht leicht macht, dass eigentliche Anliegen seines Autors zu erkennen und vielleicht sogar zu verstehen. Dement- sprechend erwähnt Jürgen Broschart einleitend, dass er nur zwei extreme Arten von Reaktionen auf seine Arbeit kennengelernt habe, nämlich ei- nerseits den Enthusiasmus von außerhalb seiner eigenen Fachwissen- schaft und andererseits die völlige Ablehnung seitens vieler Linguisten.

Ich werde mich in dieser Rezension darum bemühen, mich zwischen den beiden Polen zu bewegen, ohne dafür garantieren zu können, stets genau auf dem Mittelweg zu wandeln.

DassÜber die Sprachwissenschaft hinausin der Kommunikationswis- senschaft und der Semiotik u. a. m. Anklang findet, kann ich sehr wohl

(6)

nachvollziehen; es sind dies z. T. dieselben Gründe, die einen Linguisten bei der Lektüre gelegentlich verzweifeln lassen. Ich musste das Buch erst mehrfach lesen, bevor ich dazu einen Zugang gefunden habe, der eben nicht zu einer kategorisch negativen Haltung ihm gegenüber führt. Letzt- lich bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei Broscharts Text eben nicht um eine sprachwissenschaftliche Studie handelt, eventuell noch nicht einmal im weiteren Sinne, sondern um ein Manifest für eine allgemeine transdisziplinäre Wissenschaft, die nur aufgrund der Biogra- phie des Autors, also in gewisser Weise zufällig anhand von einigen sprachbezogenen Phänomenen und Fragestellungen der Linguistik exem- plifiziert wird. Genau genommen sollte man alsoÜber die Sprachwissen- schaft hinausnicht unbedingt mit den Augen des Sprachwissenschaftlers lesen⫺eine Aufgabe, die mir als ausschließlich linguistisch geschultem Rezensent doch ziemlich schwerfällt. Es liegt ein wissenschaftstheore- tisch und wissenschaftsphilosophisch ambitioniertes Traktat auf meinem Tisch, das angemessen beurteilt werden will, sich jedoch auch nicht so recht in den Bereich Sprachphilosophie einordnen lässt.

Die Leseerfahrung, die ich mitÜber die Sprachwissenschaft hinausge- macht habe, ergibt eine Dreiteilung des Textes nach seiner Zugänglich- keit und Überzeugungskraft, die leicht von der Kapiteleinteilung durch den Verfasser abweicht. Die ersten 120 Seiten (also die Kapitel 0⫺3.3.8) machen insofern einen sehr positiven Eindruck, als sie davon zeugen, dass jemand mit großem wissenschaftsjournalistischen Talent seinen höchst komplexen Gegenstand in wirklich sehr gut nachvollziehbarer Form zu vermitteln versteht. Danach kommt es zu einem Bruch, der mit den Versuchen des Autors zusammenfällt, seine theoretischen Gedanken auf konkrete Problembereiche aus der Welt der Sprachen und der Sprachwissenschaft gewinnbringend anzuwenden, so dass die Kapitel 3.4⫺4.1.8 (ca. 100 Seiten) deutlich weniger sinnfällig wirken, zumal sie durch den bisweilen im Formelwesen sehr aufwändigen Rekurs auf be- stimmte mathematische Kategorien (Fibonacci-Zahlen und Pascalsches Dreieck) eine flüssige Lektüre praktisch unmöglich machen. Ab Kapi- tel 4.2 bis zum Ende des Haupttextes mit der Zusammenfassung in Kapi- tel 5.4 (knappe 150 Seiten) bewegt sich die Argumentation⫺vom Autor durchaus so beabsichtigt⫺vollends vom festen Boden dessen weg, was man den linguistischen Konsens nennen könnte, um allgemeine Ord- nungsprinzipien aus möglichst sprachfernen Gebieten auf ihren Paralle- lismus zur Gestaltung von Sprache hin zu durchleuchten. Dabei führt der Autor den Leser durch die großen noch ungelösten Probleme der Philosophie, um schließlich Aussagen über die „Natur des Geistigen“

(S. 364⫺367) zu machen.

In diesem Teil wird die Beurteilungsfähigkeit des lesenden Linguisten hinsichtlich dessen, was Broschart über die sprachfernen Disziplinen aus-

(7)

sagt, stark auf die Probe gestellt, weil man gleichermaßen in Physik, Biologie, Musikwissenschaft, Geometrie, Wissenschaftsgeschichte und dergleichen mehr gefordert wird. Der Autor räumt ganz explizit (speziell für sein Kapitel 4) ein, dass er seine Hypothesen als Spekulationen er- kennt, aber eben doch als zulässige und begründete Spekulationen. Nicht in jedem Fall ist es mir gelungen, ihm dabei weit genug zu folgen, um mir überhaupt ein Urteil zu erlauben, das nicht nur „aus dem Bauch kommt“.

Was ich insgesamt als Broscharts Grundanliegen zu erkennen glaube, halte ich für eine unterstützenswerte, wenn auch vielleicht etwas idealisti- sche Vorstellung, nämlich die Grundlegung einer echten transdisziplinä- ren Wissenschaft, bei der, anders als bei der ständig in akademischen Kreisen geforderten Interdisziplinarität, die Disziplinen als solche erhal- ten bleiben, indem ihnen die volle und alleinige Kompetenz für alle jene Gegenstände zugebilligt wird, die „ihr Besonderes“ darstellen, während das allen am transdiziplinären Diskurs beteiligten Wissenschaften ge- meinsame „Allgemeine“ nicht mehr von den Einzeldisziplinen idiosyn- kratisch verarbeitet werden soll. Die Zwillingsformel von dem Allge- meinen und dem Besonderen zieht sich durch den gesamten Text des Buches und entpuppt sich zusehends als eines der von Broschart postu- lierten konstitutiven Prinzipien der Welt (Motto: Keine Regel ohne Aus- nahme). Daher lehnt er auch einen reinen Universalismus ab, denn dieser würde die von ihm für notwendig gehaltene Koexistenz von Allgemeinem und Besonderem schlichtweg verkennen. Am Beispiel der Sprachwissen- schaft will der Autor dieses Wechselspiel von disziplinärer Spezifik und transdisziplinärer Generalität herausarbeiten. Dabei ist in der Umset- zung anhand von Fallbeispielen festzustellen, dass gegenüber der frühe- ren Fassung vonÜber die Sprachwissenschaft hinausin der Buchfassung wesentlich seltener davon die Rede ist, für welche linguistischen Pro- bleme besser andere Wissenschaften (oder eben die transdiziplinäre All- gemeine Wissenschaft) die Lösungen liefern sollten.

Bezüglich seiner wissenschaftstheoretischen Überzeugungen beruft sich Broschart auf den Konstruktivismus, allerdings ohne zu präzisieren, welcher Spielart genau er sich zuordnen möchte, da er es bei Verweisen belässt, die sowohl den Radikalen Konstruktivismus als auch andere

„moderate“ Ausprägungsformen umfassen. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen ist das Bekenntnis zum Konstruktivismus wie in vielen anderen sich gleich verortenden Arbeiten insofern problematisch, als es bei der Einführung eigener Kategorien, Methoden und Schlussfolgerun- gen nicht mehr (sozusagen metatheoretisch) reflektiert wird. Das wird dann widersprüchlich, wenn konstruktivistisches Gedankengut dazu dient, kanonische Annahmen der „überkommenen“ wissenschaftlichen Tradition zu relativieren, während wieder neue Axiome oder feste Grö-

(8)

ßen eingeführt werden, die doch ihrerseits konstruktivistisch noch zu überprüfen wären.

Im Anwendungsteil seiner Arbeit (Kapitel 3.⫺3.6.4) kommt Broschart auf eine Reihe von sprachwissenschaftlichen Themen zu sprechen wie z. B. die Wortstellungstypen, die komplexe Syntax, Greenbergsche Uni- versalien, Farbterminologie und Nomen-Verb-Distinktion. Auf diese Ge- biete wendet er Prinzipien an, die statistischer Natur sind und sich an den Verteilungsmustern der Fibonacci-Zahlen bzw. des Pascalschen Dreiecks orientieren. Allerdings geht es ihm dabei nicht darum, bestimmte inhalt- liche Fragen zu beantworten, die etwa um das Problem kreisen,warum bestimmte Lösungen unter den Sprachen der Welt deutlich präferiert werden, während andere ein Mauerblümchendasein fristen. Vielmehr geht es ihm darum zu zeigen, dass es gar nicht anders sein kann, als dass bei einer bestimmten Anzahl von Optionen diese nach einem bestimmten Schlüssel über die Population verteilt werden. Bezogen auf die sechs Wortstellungstypen SOV, SVO, VSO, VOS, OSV, OVS demonstriert Broschart, dass die drei Häufigkeitsgruppen mit Spitzenwerten um 35⫺ 40 % bei den subjekt-initialen, mittleren Werten um 10⫺15 % bei den verb-initialen und Minimalwerten von nahe 1 % bei den objekt-initialen Sprachen sich logisch aus den Prinzipien ergeben, nach denen Fibonacci- Zahlen Ketten bilden oder die Pascalschen Dreiecke aufgebaut sind.

(Nur am Rande will ich noch erwähnen, dass sich Broschart die Über- gänge zwischen den Wortstellungstypen wie auf einer im Raum ge- krümmten Helix denkt, so dass sie wie auf einem Endlosband einander folgen und wechseln können, s. S. 96.) Die Frage, warum beispielsweise die subjekt-initialen Wortstellungstypen die erste Wahl darstellen, kann und will der Autor mit seiner Methode nicht beantworten. Ihm ist wich- tig, dass es immer wieder unabhängig von den Qualitäten zu den gleichen Verteilungsmustern kommt. Es gelingt dem Autor auch, die Rekurrenz dieser Muster für eine Reihe von Phänomenbereichen so nachzuweisen, dass es den Leser zu verblüffen vermag. Da seine Schlussfolgerungen weitreichender Natur sind, fühlt sich der Verfasser mehrfach veranlasst zu betonen, dass es sich nicht um Zahlenspielerei handelt. Das ist im Kapitel 3 sicher auch zutreffend.

Nun „erklärt“ Broscharts statistisches Modell die sprachlichen Gege- benheiten ja hauptsächlich in Form von Vorkommenswahrscheinlichkei- ten, die qualitative Begründung für die Asymmetrien bei der Anwahl von Optionen liegt außerhalb des Skopus des Modells. In diesem Sinne kann man mit ihm Sprachstatistik betreiben, aber eben im Sinne einer all- gemeinen, also transdisziplinären Methode. Wenn es nun um genuin sprachwissenschaftliche Warumfragen geht, muss man sich wieder ande- rer Argumente besinnen. Das tut der Autor auch wiederholt; so stellt er eine Verbindung zwischen seinen Annahmen über die Verteilung von

(9)

Einheiten unterschiedlicher syntaktischer Komplexität und den Schritten im kindlichen Erstspracherwerb her. Beim Aufbau der farbterminologi- schen Systeme liegen Bezüge zu den Prozessen der visuellen Wahrneh- mung nahe, usw. usf. In gewissem Sinne sind diese gegenseitigen Verbin- dungslinien noch im Rahmen konventioneller, mit kognitiv-orientierten Begründungen arbeitender Ansätze in der Sprachwissenschaft. Aus die- sem engen Bereich möchte Broschart jedoch hinaus, da sein Modell eben kein sprachwissenschaftliches, sondern ein allgemein-wissenschaftliches sein soll, dass sich auch außerhalb des Sprachbezogenen bewähren muss.

Das führt den Autor dazu, in Kapitel 4 weit über das hinaus zu gehen, was zur gewohnten linguistischen Argumentation gehört. Ich will es bei einem Beispiel bewenden lassen. Parallelen zwischen musikalischen und sprachlichen Strukturen sind bereits mehrfach festgestellt oder behauptet worden (z. B. Boroda 1993), wobei es hauptsächlich um die „Syntaktizi- tät“ der beiden Vergleichsgrößen geht.

Broschart geht viel weiter, indem er nicht die offensichtliche Linearität anspricht, sondern den Versuch unternimmt, sprachliche Kasuskatego- rien, die er zuvor schon aus geometrischer Sicht u. a. m. skaliert hat, in die musikalische Harmonielehre zu übersetzen. Der Autor weiß, dass er sich damit im Randbereich dessen bewegt, was bei Linguisten gerade noch auf Akzeptanz oder überhaupt auf Interesse stoßen kann. Es han- delt sich einfach, das kann man nicht anders sagen, um „starken Tobak“, wenn der Essiv als Ton a, der Komitativ dann als Ton e usw. identifiziert wird (S. 323), auch wenn das (zwar schematische, aber doch ziemlich aufwändige⫺und zudem auch nicht ganz restfreie) Verfahren der Har- monisierung und Sonifikation detailliert erläutert wird. Zwar verweist Broschart mehrfach darauf, dass es inzwischen Beweise für die neuronale Verortung beispielsweise der Quint gäbe, aber gelegentliche Verweise die- ser Art scheinen mir doch nicht hinreichend dafür zu sein, seiner Argu- mentation blindlings Glauben zu schenken. Gewiss nennt er selbst diesen Bereich spekulativ, jedoch folgen noch weitergehende Schlussfolgerun- gen, die letzten Endes auch auf der Haltbarkeit des von Broschart ange- nommenen Parallelismus von Ästhetik und Sprache (behauptet am Bei- spiel der Harmonielehre der Kasus) basieren.

Nun bin ich an dem Punkt angekommen, wo ich mich wiederholen muss.Über die Sprachwissenschaft hinausist kein Beitrag zur Linguistik, sondern eine in wesentlichen Teilen spekulative wissenschaftstheoretische und wissenschaftsphilosophische Arbeit, deren Autor sich die Freiheit nimmt, die Fesseln der disziplinären Traditionen weitgehend zu ignorie- ren, um zu neuen Einsichten zu gelangen. Dass Broscharts Ambitionen eben auf die Etablierung einer transdisziplinären Allgemeinwissenschaft ausgerichtet sind, ersieht man auch daran, das verhältnismäßig wenig direkter Bezug zur laufenden Diskussion in den von ihm bemühten Fel-

(10)

dern der Linguistik hergestellt wird (Arbeiten zur Kasusproblematik seit den 1990er Jahren sind praktisch nicht berücksichtigt, etwa Iggesen (2005)). Es wundert mich hier besonders der weitgehende Verzicht dar- auf, die quantitative Linguistik mit ihrer mathematisch-statistischen Ba- sis wenigstens zu diskutieren (sogar transdisziplinär wie in Altmann &

Koch 1998). Die sprachliche Datengabe tritt gegenüber den zahlreichen Diagrammen und Formeln deutlich in den Hintergrund. Mit einiger Autorität kann sich der Verfasser auf seine Felddaten über das Tongani- sche berufen, dessen Kasussystem er bereits in seiner Dissertation (und noch in eher herkömmlichen Schemata befangener Form) beschrieben hat (Broschart 1994).

Man hat den Eindruck, dass die sprachlichen Einzelheiten weniger interessant sind als der große theoretische Wurf. Broschart rechtfertigt sich auch in der Einleitung dafür, dass er die ungeschriebenen Gesetze, wie eine linguistische Arbeit aussehen sollte, für hinderlich hält, da er zwischen der geforderten bibliographischen Vollständigkeit und den ständigen Belegzwängen keinen Platz mehr für die zentralen Ideen seines Entwurfs gesehen hätte. Als z. B. musikologischer Laie hätte ich mir na- türlich im Ausgleich für die sozusagen vorausgesetzten linguistischen Kenntnisse mehr substanzielle Literatur über kognitive Aspekte der Mu- sik o. Ä. gewünscht. Insgesamt sind auch die anderen Disziplinen, auf die in der Arbeit Bezug genommen wird, bibliographisch keinesfalls überrepräsentiert. Allerdings dürfte dies vom Autor in Kauf genommen worden sein, weil er davon ausgeht, dass bereits der Vergleich einfachster Grundannahmen oder -prinzipien verschiedener Wissenschaftszweige zeigen könne, wo bisher unerkannte Gemeinsamkeiten im Sinne der von ihm favorisierten Transdisziplinarität zu finden sind.

Bei einer Arbeit, die wie diese mit dem Anspruch geschrieben wurde, sich nicht durch kanonische Festlegungen der Fachtraditionen einengen zu lassen, erübrigt es sich meines Erachtens völlig, auf die philologischen Standards einzugehen, um dort Kritik zu üben, wo es keinen Sinn macht.

Jedenfalls sei angemerkt, dass mir ein Exemplar zur Verfügung gestellt wurde, in dem der Autor noch persönlich gelegentliche Nachbesserungen per Filzstift für notwendig erachtete.

Ich muss zum abschließenden Urteil kommen. Man kann es sich leicht machen undÜber die Sprachwissenschaft hinaus als unlinguistische Pu- blikation abtun. Man kann es sich auch schwer machen und den Versuch unternehmen, das Buch „unlinguistisch“ zu lesen. Dann und, wie ich meine, nur dann findet man auch reichlich Sinnvolles in diesem Werk.

Ich bin der Überzeugung, dass (auch ganz wildes) Spekulieren über Sprachliches völlig legitim ist und uns in seiner ungezügelten Form durchaus auch weiter bringen kann. Ob und in wie weit dies beiÜber die Sprachwissenschaft hinausder Fall ist, muss sich noch erweisen.

(11)

Literatur

Altmann, Gabriel & Walter A. Koch (eds.) (1998).Systems. New paradigms for the human sciences.Berlin, New York: Walter de Gruyter.

Boroda, Mojsej G. (ed.) (1993). Fundamentals of musical language. An interdisciplinary approach.Bochum: Brockmeyer.

Broschart, Jürgen (1994).Präpositionen im Tonganischen. Bochum: Brockmeyer.

Iggesen, Oliver A. (2005).Case-asymmetry. A world-wide typological study on lexeme-class- dependent deviations in morphological case inventories. München: LINCOM.

Thomas Stolz Bremen (stolz@uni-bremen.de)

Agnes Jäger: History of German Negation.Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins 2008 (Linguistik Aktuell/Linguistics Today, 118). 350 Seiten.

Sea´nM. Williams History of German Negationpromises the first comprehensive diachronic overview of clausal negation in German from a cross-linguistic perspec- tive and with reference to current syntactic and semantic theory. The study, which is a revised version of Agnes Jäger’s 2006 doctoral thesis, combines theory-informed and data-driven, quantitative analytic tech- niques in order to examine negation systems in Old and Middle High as well as Modern Standard German (hereafter OHG, MHG and MSG) and present-day dialects. Thus, despite being couched within the terms of the Minimalist Program, Jäger’s work should prove to have a wider (descriptive) appeal than simply to generativist sympathizers, not least because earlier philological work on negation is often impressionistic.

Jäger examines the validity of Jespersen’s (1917) Cycle for German, and demonstrates the absence, in her corpus at least, of a ‘stage two’

language or period. That is, OHG clauses are shown to be overwhelm- ingly negated by means of an obligatoryniproclitic attached to the finite verb (as in (1), also occasionally to the non-finite verb), accordingly analyzed as a neg(ation)-particle, a Neg0 in Minimalism (the head of a functional projection NegP which forms part of the INFL domain) or as a ‘stage one’ structure in Jespersen’s Cycle. Secondarily, some clauses attest co-occurrence of Neg0with free morpheme negative markers (al- though not all are morphologically negative), viz. neg-particles correlat- ing to MSG nicht (see (2)) ⫺ a Minimalist’s SpecNegP ⫺or ‘n-indefi- nites’ of the MSG kein type (see (3)). Usually, clauses cannot be solely negated by an overt SpecNegP neg-particle or n-indefinite in OHG and, in this corpus, negation in a clause is also restricted to two negative

(12)

markers. Thus, OHG can be said to be a language with an obligatorily overt Neg0and non-obligatory Negative Concord ⫺ more specifically, Neg-Doubling with Neg0.

(1) (Ipsis uidelicet iudeis, qui non credunt.) Bauhnenti,

showing dea the

selbun same

iudeoliuti, jews

dea that

ni NEG

gealaubant.

believe

‘showing the same Jews who do not believe’

(Isidor, I, 7; Jäger 2008: 60) (2) Ih

I

neha´bo NEG-have

nieˆht

not at all/NEG in in

geme´itun vain

soˆ so

uıˆlo much

geuueˆinot cried

‘I did not cry that much in vain.’

(Notker’s psalms,6,11 (⫽20, 23 f.); Jäger 2008: 61) (3) (& non respondit ei / ad ullum uerbum)

Inti and

niantligita NEG-answered

im / him

zi to

noheinigemo no

uuorte word

‘And did not answer to a single word’

(Tatian310, 16 f.; Jäger 2008: 61) By contrast, MHG attests a radical increase in the number of clauses negated solely through a SpecNegP neg-particle or an n-indefinite and consequently a reduction of overt Neg0and Negative Concord (the latter phenomenon is a logical result of the former, since the OHG pattern is Neg-Doubling with Neg0). Jäger argues that use of a neg-particle without a verbal clitic (see (4)) arose through a reanalysis of the adverbially used indefinite adjacent to SpecNegP as filling SpecNegP itself; in the late OHG texts of Otfrid and Notker, for example, instances of a negative adverbial with Neg0is attested. Moreover, although clauses negated by the verbal cliticne/endid occur in MHG, Jäger demonstrates that these are rare, as are those with overt Neg0anda SpecNegP neg-particle. Thus, whilst these bipartite constructions would indicate a Jespersen second stage of ‘clitic⫹free morpheme’, they are shown not to be of sufficient frequency to determine MHG a ‘stage two language’. Jäger (2008: 324) writes that she will “have to leave it to future research to determine whether any texts in between OHG and MHG texts in my [her] corpus actually have a bipartite neg-particle in the majority of clauses that are negated just by a neg-particle”, but given the assumed gradualness of syntactic change, it would seem improbable that her predictions would not be borne out.

(13)

(4) sit since

wir we

ir them

niht NEG

erchennen recognize

‘Since we do not recognize them’

(Niebelungenlied, III, 84, 3; Jäger 2008: 129) With regard to the type of indefinite used in the scope of negation during this period of German, there is a notable loss of optionality, for the 3-set indefinite system of OHG (‘normal’ indefinites/Positive Polarity Items, e.g.sum(ilih)‘some’, Negative Polarity Items (NPI’s) and n-indef- inites) is reduced to a two-set system in MHG (normal and n-indefi- nites). Many former NPI indefinites (e.g. dehein/kein) or minimizers be- come grammaticalized as n-indefinites in MHG, whereby they become enriched with (or lose) their lexical polarity feature and endowed with an uninterpretable (or formal) negative feature checked by Neg0once Neg0 merged, so that they are no longersemantically negative. For the purposes of cross-linguistic comparison, such a grammaticalization path is proposed for English Jack shit, which is said to show the grammati- calization of a minimizer/NPI into an n-indefinite as in the optional non- overt licensing of negation in the utterance ‘you (don’t) know Jack shit’.

The MHG neg-markersein har, bon, stro, ber(‘a hair, bean, straw, berry’) etc. are similarly explained.

The loss of OHG’s overt Neg0(rendered negligible by the 13th cen- tury), the decrease in Negative Concord and the dominance of the neg- particle and indefinite in MHG is concordant with the standard linguis- tic periodization of OHG and MHG as distinct historical varieties.

Moreover, the negation pattern of MHG can be aligned with that of MSG: over 90 % of negated clauses in the first 299 sentences of Berthold von Regensburg’sPredigtenand 77 % of MHG negated clauses with in- definites that show a non-overt Neg0attest this (only the initial portions of texts were analyzed by Jäger since her goal is a proper diachronic study of the German language rather than stylistic consideration of par- ticular authors or texts). This newly emergent negation pattern shows predominantly (for it is disuniform in MHG) or solely free negative mor- phemes and hence MHG and MSG are Jespersen ‘stage three’ languages.

Jäger presents this overriding claim for a clear distinction between OHG and MHG/MSG negation systems, the intricacies of which I cannot fully recount here, in three chapters which are organized as follows: the first introduces the basic concepts of negation, the second analyzes neg-par- ticles in detail, by means of an initial typological overview, a discussion of theoretical approaches to this facet of grammar and a subsequent study of MSG, OHG and MHG, and the third adopts the same structure in order to examine n-indefinites and Negative Concord.

(14)

Particularly impressive is the scope of Jäger’s corpus: approximately 2.300 negated clauses were examined from a total of 9 texts, and con- sideration was also given to manuscript variation. One might, however, have wished for the addition of quantitative Early New High and ‘Early Modern’ German data, for these historical varieties of German, together with present-day Upper German dialects such as Bavarian all attest Negative Concord patterns that are discordant with MHG (albeit to varying extents), namely Neg-Spread (multiple n-indefinites expressing single sentential negation) or Neg-Doubling with the SpecNegP neg-par- ticleniht, such as Schiller’sdas disputiert ihm niemand nicht(‘nobody will dispute him this’; see Lockwood (1968: 210); cited in Jäger (2008: 298)).

Given that such Negative Concord patterns are marginal in Jäger’s MHG corpus, Jäger concludes that the dialectal negation systems are hardly a continuation of MHG, but rather subsequent, independent de- velopments. Moreover, in all cases Jäger claims that Neg-Spread often, if not always occurs with the former NPIdehein/kein, and so this could be considered ambiguous as either an n-indefinite or an NPI. These claims are intriguing and would appear valid, if only quantitative data were provided (where available) as they so rigorously are for OHG and MHG.

The fourth chapter offers some concluding remarks on how the average clause was negated throughout the history of German. Its remarks are succinct⫺8 pages of a 328 page book⫺and descriptively sophisticated, aided as they are by helpful Venn-diagrams. The cause for the discussed changes in negation patterns is claimed not to be previously supposed changes in word order, but rather, in the case of the neg-particle, to be the adjacency of individual items leading to ambiguity and reanalysis through child language acquisition and, additionally, an increased fre- quency of constructions in parents’ E-languages, possibly due to social factors. This reanalysis is actually lexical, in the sense that it is a lexical re-filling of syntactic values; syntactic change proper does not occur (in- deed, within a Minimalist framework it cannot), for in all historical vari- eties of German there remains a single, head-final NegP above VP. How- ever, whilst the findings regarding local adjacency have descriptive value, ambiguity (perhaps frequency induced) surely cannot suffice as the (sole) explanation of reanalysis.

Indeed, Jäger (2008: 325) writes that “Jespersen’s (1917) original hy- pothesis of phonetic weakening and strengthening, rephrased by Horn (1989) as opposing tendencies of least effort and preserving information, is still more likely to capture the driving force behind Jespersen’s Cycle”.

The latter stance hints, perhaps, at pragmatic factors being at play, and whilst this and an L1 learning/frequency account are not mutually exclu- sive, the former would surely benefit from further consideration, particu-

(15)

larly since Jäger notes that the marginal attestation of theen/neclitic as a means of negation in MHG, for example, often has an expletive (and in turn pragmatic) function. Such side-comments are appetizing and show the very extent of potential future work that could arise from Jäger’s study. This need not be conducted within the Minimalist Pro- gram, but it would in part owe its genesis and inspiration to this model and (chiefly) to Jäger’s methodological toughness, accuracy of data, in- formative analysis and clarity of style.

References

Jespersen, Otto (1917).Negation in English and other languages.Kopenhagen: Høst.

Horn, Laurence R. (1989).A Natural history of negation. Chicago: Chicago University Press.

Lockwood, Williams Burley (1968).Historical German syntax.Oxford: Clarendon Press.

Sea´n M. Williams Berkeley (smwilliams@berkeley.edu)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Es lässt sich aber nicht behaupten, dass alle in diesen Wörterbüchern vertretenen Lexeme in den allgemeinsprachlichen Wortschatz der deutschen Standardsprache übernommen

Auch der bemer- kenswerte Vorgang, dass sich die Gruppe aufgrund des starken As- similationsdrucks untereinander mied und sich als solche irgend- wann einfach nicht

zu beobachtenden Entwicklung, nämlich daß Nomina auf Schwa zur schwachen Deklination übertreten, dann aber durch Epithese des -n in der Grundform aus dieser Klasse wieder

noch viele andere mehr oder weniger gut, so die Spirochaeten des Rückfalltyphus, die Stäbchen des Rotzes, des Schweinerotlaufes und einer Anzahl anderer Tierseuchen, für

Der Verschiebungssatz macht eine Aussage über die Fouriertransformierte einer zeitlich verschobenen

Patienten, die eine Kortikoidinjektion erhalten hatten, erfuhren nach vier Wochen eine grössere Schmerzlinderung als diejenigen, die orale NSAR einnahmen, aber dieser Vorteil