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Videoüberwachung in Bibliotheken : notwendige Sicherheitsmaßnahme oder unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Betroffenen

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Academic year: 2021

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Bachelorarbeit

DEPARTMENT INFORMATION

Videoüberwachung in Bibliotheken –

Notwendige Sicherheitsmaßnahme oder unverhältnismäßiger

Eingriff in die Rechte der Betroffenen

vorgelegt von

Stefanie Ritter

Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement

erste Prüferin: Prof. Dr. Ulrike Verch

(2)

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einsatz von Videoüberwachung als Sicherheitsmaßnahme in Bibliotheken. Anhand der geltenden

datenschutzrechtlichen Bestimmungen werden zunächst Zulässigkeit und Grenzen der Überwachungsmaßnahmen, wie auch die Rechte der Betroffenen dargestellt. Anschließend wird auf die Sicherheitsproblematik und die Gründe für Videoüberwachungsanlagen in Bibliotheken eingegangen und verschiedene Überwachungsverfahren werden vorgestellt. Des weiteren werden die Erfolgschancen derartiger Sicherheitsmaßnahmen untersucht und durch die Auswertung von Interviews wird ein Einblick in die Praxis gegeben. Die Ergebnisse finden sich am Ende der Arbeit in einer Liste von Empfehlungen wieder, die eine Hilfestellung für Entscheidungen bezüglich einer

Videoüberwachung in Bibliotheken geben kann.

Schlagworte Bibliothek Datenschutz Mediensicherung Raumsicherung Videoüberwachung

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung... 7

2. Rechtliche Grundlagen ... 10

2.1. Bundesdatenschutzgesetz ... 10

2.2. Landesdatenschutzgesetz... 11

2.3. Grenzen der Videoüberwachung... 14

2.4. Rechte der Betroffenen ... 14

2.4.1. Informationelle Selbstbestimmung ... 15 2.4.2. Hinweispflicht... 16 2.4.3. Benachrichtigung... 16 2.4.4. Löschung... 17 2.5. Videoüberwachung am Arbeitsplatz ... 17 2.5.1. Datenschutzbeauftragter ... 19

3. Gründe für die Videoüberwachung... 21

3.1. Konflikte... 21

3.1.1. Jugendliche ... 21

3.1.2. Weitere schwierige Nutzer ... 22

3.2. Drogen... 22

3.3. Zerstörung von Eigentum... 23

3.4. Diebstahl... 23 3.5. Sicherheit vermitteln... 24 3.5.1. Subjektives Sicherheitsgefühl ... 24 3.5.2. Kriminalitätsfurcht ... 28 3.6. Fazit... 29 4. Überwachungsarten... 30 4.1. Verfahren ... 30 4.1.1. Beobachten ... 30

4.1.2. Aufzeichnen und Speichern ... 31

4.1.3. Offen oder verdeckt ... 31

4.2. Technik ... 32

4.3. Verfahren in Bibliotheken ... 33

(4)

5. Erfolge und Misserfolge ... 35

5.1. Erfolge ... 35

5.1.1. Abschreckungswirkung... 35

5.1.2. Sicherheitsgefühl ... 36

5.2. Misserfolge und Nachteile... 36

5.2.1. Überwachungs- und Anpassungsdruck... 37

5.2.2. Missbrauch der Daten... 38

6. Aus der Praxis ... 39

6.1. Interviews... 39 6.1.1. Einleitung... 39 6.1.2. Durchführung... 39 6.1.3. Einzelergebnisse ... 41 6.1.4. Fazit Interviews... 52 6.2. Urteil Münster... 54 7. Schlusswort ... 58 8. Empfehlungen... 60 9. Literaturverzeichnis... 62 10. Anhang ... 66 Interview I ... 66 Interview II ... 74 Interview III ... 81 Interview IV... 88 Eidesstattliche Versicherung... 94

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Piktogramm Videoüberwachung nach DIN 33450 ... 13

Abbildung 2 forsa-Umfrage im Auftrag von BITKOM zum Thema Videoüberwachung ... 25

Abbildung 3 Vergleich forsa und ULD ... 26

Abbildung 4 Kamera zur Überwachung des Rückgabeautomaten ... 42

Abbildung 5 Kamera an einer Wand zwischen den Bücherregalen ... 42

Abbildung 6 Hinweis am Eingang der Bibliothek der HTW Dresden... 43

(6)

Vorbemerkung:

In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit sowohl für weibliche als auch für männliche Personen die maskuline Form verwendet. Mit allen Personenbezeichnungen sind also jeweils beide Geschlechter gemeint.

(7)

1. Einleitung

Die öffentliche Videoüberwachung in Deutschland machte ihre Anfänge im Jahr 1958 in München als Instrument der Verkehrskontrolle und ein Jahr später auch in Hannover. 1964 wurden die Aufgabengebiete auf die Überwachung größerer Menschenansammlungen erweitert. Im Jahre 1996 startete dann das erste Pilotprojekt für die „Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten“ in Leipzig. Mittels Installation stationärer Videokameras, vor allem im

Bahnhofsbereich, sollte Taschendieben und Drogenhändlern das Handwerk gelegt und Autoaufbrüchen entgegen gewirkt werden. Nach Ende der Testphase wurde die Überwachung weitergeführt und andere Städte folgten dem Beispiel1. Heute finden sich Überwachungskameras an vielen Stellen des alltäglichen und öffentlichen Lebens. Einkaufzentren, Parkhäuser, Banken, Bahnhöfe und Fußgängerzonen sind nur einige Beispiele. Auch wenn es den Eindruck macht, George Orwells Utopie eines Überwachungsstaates würde hier schon seine Realität finden, so ist die Videoüberwachung in Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien2 noch gering3. Zu verdanken ist das insbesondere den deutschen Datenschützern, die sich gegen die flächendeckende Überwachung einsetzen. Der Einsatz von Videokameras zu Überwachungszwecken nimmt, nicht zuletzt auf Grund der technischen Entwicklung, auch in Deutschland zu. Deshalb wird versucht, unnötigen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen durch die Novellierung der Datenschutzgesetze auf Bundes- und Landesebene

entgegenzuwirken.

In einer Zeit, in denen die Gewalt und das Verbrechen in den Medien tagtäglich präsent sind, wird der Wunsch nach Sicherheit in der Bevölkerung immer lauter. In der Grundrechtscharta der Europäischen Union heißt es „jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit“4. Nun scheint es aber so, dass Freiheit und Sicherheit schwer zu vereinen sind und ein „mehr an Sicherheit“ ein „weniger an Freiheit“ bewirkt. Dieser Verdacht kommt zumindest immer dann auf, wenn die Sicherheit durch Überwachungsmaßnahmen gewährleistet werden soll, denn

1 vgl. Lang 2008, S. 34 / Bausch 2004, S. 7 / Glatzner 2006, S. 7/8

2 Anm.: In Großbritannien wird in Bezug auf die Kamerasysteme von CCTV gesprochen.

CCTV steht für Closed Circuit Television und bezeichnet das geschlossene System zwischen Kamera und Monitor.

3 vgl. Lin 2006, S. 1

(8)

durch diese werden die persönlichen Freiheiten des Einzelnen eingeschränkt. Eine zunehmende Videoüberwachung im öffentlichen Raum zur

Kriminalprävention bedeutet, dass es immer schwieriger wird, sich frei und unbeobachtet zu bewegen. Ob wirklich eine so große Bereitschaft besteht, die eigene Freiheit der Sicherheit zu opfern und wo die Gründe dafür liegen, soll später noch genauer erörtert werden.

In Hinsicht auf Wirkung und Erfolg der Videoüberwachung findet man in der Literatur sehr unterschiedliche Meinungen. Auch Begleitstudien verschiedener Videoüberwachungsprojekte liefern sehr unterschiedliche Ergebnisse. Sehr zu achten ist jeweils auf die differierenden Ansichten der Datenschützer und

Überwachungsgegner auf der einen Seite und die Ansichten derer, die sich durch die Kameras Schutz und Sicherheit versprechen, auf der anderen Seite.

Auch in Bibliotheken findet die Videoüberwachung zunehmend Anwendung. Dieser spezielle Anwendungsbereich ist von der Literatur bis jetzt jedoch noch wenig bis gar nicht erschlossen. Diese Arbeit soll einen Beitrag zu diesem noch wenig beachteten Bereich leisten und Bibliotheken eine Hilfestellung zur

Entscheidung für oder gegen Videoüberwachung geben, das Bewusstsein über die Konsequenzen und Möglichkeiten stärken und somit helfen im Einzelfall zu klären, ob eine Videoüberwachung die richtige Maßnahme darstellt.

Es soll untersucht werden, was eine Videoüberwachung in Bibliotheken leisten kann, wo genau ihre Anwendungsgebiete liegen und welche Erfolge erreicht werden können. Dazu wird zunächst auf die zu beachtenden

datenschutzrechtlichen Aspekte eingegangen und darauf, welche Probleme und Hindernisse bei einem Einsatz auftauchen können. Untersucht wird ebenfalls, welche Umstände eine Videoüberwachung in Bibliotheken begründen und welche Auswirkung diese auf die Betroffenen haben kann. Anschließend werden die unterschiedlichen Arten der Videoüberwachung erläutert und

herausgearbeitet, welche Erfolge beziehungsweise Misserfolge

Videoüberwachungsmaßnahmen zugeschrieben werden. Um die lückenhafte Literaturlage zu diesem Thema auszugleichen, wurden Experteninterviews in verschiedenen Bibliotheken Deutschlands geführt und die Praxiserfahrungen ausgewertet. Am Ende der Arbeit findet sich zusammenfassend eine Liste von Empfehlungen. Dort sind die Punkte aufgeführt, die bei einer Einführung von Videoüberwachung in Bibliotheken beachtet werden sollten.

(9)

Der Arbeit liegt die These zugrunde, dass der Einsatz von Videoüberwachung in Bibliotheken eine Sicherheitsmaßnahme darstellt, die einen erheblichen Eingriff in die Rechte der Mitarbeiter, wie auch der Nutzer darstellt und daher

grundsätzlich nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn strenge rechtliche Maßstäbe beachtet werden. Es wird also untersucht, ob es sich bei der

Videoüberwachung in Bibliotheken um eine notwendige Sicherheitsmaßnahme handelt oder um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der

Betroffenen.

Dabei soll die Videoüberwachung ausschließlich im Bezug auf die Anwendung in Bibliotheken untersucht werden, wozu jedoch einige Erkenntnisse aus der allgemeinen Videoüberwachung im öffentlichen Raum übertragen werden

können. Nicht von Interesse ist dabei die Videoüberwachung durch die Polizei im großen Rahmen zur allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung oder zur

Terrorbekämpfung. Auch die Videobeobachtung mittels Webcams zur

Übertragung in die Öffentlichkeit oder zur Unterhaltung ist nicht Teil der Arbeit. Auf die den Kamerasystemen zu Grunde liegende Technik soll nur soweit eingegangen werden, wie es zum Verständnis der Möglichkeiten der

Kameraüberwachung nötig ist. Auf die Erläuterung technischer Einzelheiten der genauen Funktionsweisen wird dabei verzichtet.

(10)

2. Rechtliche Grundlagen

Für die Videoüberwachung in Bibliotheken müssen die datenschutzrechtlichen Grundlagen beachtet werden. Diese finden sich einerseits im

Bundesdatenschutzgesetz und andererseits in den Landesdatenschutzgesetzen. Das Bundesdatenschutzgesetz greift bei Bibliotheken, die vom Bund getragen werden, wie zum Beispiel der Deutschen Nationalbibliothek oder den

Bibliotheken der Bundeswehr in Hamburg und München5. Auch Bibliotheken privater Träger, wie die Hamburger Bücherhallen, fallen unter das

Bundesdatenschutzgesetz. Die meisten Bibliotheken werden jedoch von

Ländern, Städten und Gemeinden getragen. Für sie gelten damit die Regelungen in den Landesdatenschutzgesetzen.

Weitere Regelungen bezüglich der Videoüberwachung gibt es in den

Polizeigesetzen. Diese finden aber bezogen auf Bibliotheken keine Anwendung und werden aus diesem Grund nicht in dieser Arbeit behandelt.

2.1. Bundesdatenschutzgesetz

Im Bundesdatenschutzgesetz wird die Videoüberwachung in § 6b als „Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen“ geregelt. Als optisch-elektronische Verfahren sind solche zu verstehen, bei denen Licht in elektrische Signal umgewandelt wird6. Unter optisch-elektronische Einrichtungen fallen sowohl analoge als auch digitale Beobachtungs- oder Aufnahmesysteme, wie auch Webcams oder sogar Handykameras7. Als öffentlich zugänglich werden hier Räume verstanden, die einem unbestimmten Personenkreis zugänglich sind oder solchen Personen, die nach allgemeinen Merkmalen ausgewählt wurden8. Hierzu zählen neben

Bahnsteigen und Museen auch Bibliotheken, denn im Regefall hat jede Person die Möglichkeit diese zu besuchen9. Diese Möglichkeit wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass in manchen Fällen für das Aufsuchen der Bibliothek ein Benutzerausweis nötig ist, da dieser auch für alle Personen zu erhalten ist. Ausnahmen bilden Spezialbibliotheken oder auch Institutsbibliotheken, zu denen der Zutritt nur bei der Erfüllung von bestimmten Kriterien gewährt wird, wie

5 vgl. Bibliotheksportal 2009 6 vgl. Lang 2009, S. 246 7 vgl. Kühling 2008, S. 230 8 s. Scheja 2006, S. 94 / Kühling 2008, S. 229 9 vgl. Lang 2008, S. 15

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beispielsweise der Status des Studierenden einer bestimmten Fachrichtung oder der Nachweis von Forschungsinteressen.

§ 6b Abs. 1 BDSG erklärt die Videoüberwachung in drei Fällen für zulässig: der Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke. Liegt einer oder mehrere dieser Gründe vor ist die Überwachung dennoch nur dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass die schutzwürdigen Belange der

Betroffenen nicht überwiegen.

In Abs. 2 wird festgelegt, dass der Umstand der Beobachtung auf jeden Fall erkennbar gemacht werden muss. Zulässig ist also nur eine offene

Videoüberwachung10.

Die ersten beiden Absätze des Bundesdatenschutzgesetz beziehen sich auf eine Beobachtung durch Videotechnik. Die Beobachtung schließt jedoch das

Aufnehmen und Speichern noch nicht mit ein. Das Aufzeichnen der erhobenen Daten sowie ihre weitere Verarbeitung darf wiederum nur erfolgen, wenn dies erforderlich ist, um das verfolgte Ziel zu erreichen, zum Beispiel für die

Identifizierung eines Täter im Falle einer Straftat11. Liegt die Erforderlichkeit zur weiteren Aufbewahrung des aufgezeichneten Materials nicht länger vor, muss dieses umgehend gelöscht werden12. Sollte bei der Auswertung der Aufnahmen eine Person identifiziert werden und ihre personenbezogenen Daten in

irgendeiner Weise verarbeitet werden, ist diese darüber zu informieren13.

2.2. Landesdatenschutzgesetz

Die rechtliche Grundlage für die Videoüberwachung in den meisten Bibliotheken unterliegt den Bestimmungen der einzelnen Landesdatenschutzgesetze. In fast allen Landesdatenschutzgesetzen sind bezüglich der Videoüberwachung im öffentlichen Raum inzwischen spezielle Paragraphen zu finden.

Der Einsatz von Videotechnik zur Überwachung öffentlich-zugänglicher Räume wird gestattet, wenn dies zur Wahrnehmung des Hausrechts nötig ist, jedoch nur dann, wenn die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen dadurch nicht gefährdet werden14. Unter dem Hausrecht versteht man zivilrechtlich „die

10 Anm.: Nähere Ausführung zur Kenntlichmachung der Videobeobachtung s. Kap. 2.2

Landesdatenschutzgesetze

11 § 6b Abs. 3 BDSG 12 § 6b Abs. 5 BDSG 13 § 6b Abs. 4 BDSG

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Befugnis, über die Benutzung eines geschützten Raums zu verfügen und gegebenenfalls ein Hausverbot auszusprechen“15.

Weitere Gründe, die eine Videoüberwachung zulässig machen, sind der Schutz von Personen und Eigentum oder die Zugangskontrolle16. Diese Aussagen beziehen sich jedoch lediglich auf die bloße Beobachtung mittels Videotechnik über das Kamera-Monitor-Prinzip, erlauben also noch keine Aufzeichnung oder Speicherung.

Die Videoüberwachung mit Aufzeichnung und Speicherung bedarf der weiteren Überprüfung zur Erforderlichkeit. So darf diese nur erfolgen, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt und das Material zu Beweiszwecken dient17. Werden

Aufzeichnungen gemacht, so sind diese unverzüglich zu löschen, wenn kein konkreter Tatverdacht besteht, spätestens jedoch nach Ablauf der jeweiligen Frist. Diese Frist variiert in den einzelnen Landesdatenschutzgesetzen zwischen 24 Stunden (Bremen) und zwei Monaten (Bayern).

Wird bei der Verarbeitung des Materials eine bestimmte Person identifiziert, ist diese davon zu unterrichten, sofern der dadurch entstehende Aufwand

verhältnismäßig ist und dies die Ermittlungen nicht behindert18.

In allen Fällen muss der Einsatz von Videoüberwachung den Betroffenen deutlich erkennbar gemacht werden19. Um gewährleisten zu können, dass die

Videoüberwachung von allen Betroffenen zur Kenntnis genommen wird, eignen sich besonders Piktogramme mit entsprechenden Hinweistexten. Diese sollten nach Möglichkeit mehrsprachig sein, oder zumindest auch in Englischer Sprache, damit auch fremdsprachige Personen den Umstand erkennen. Die Hinweise sollten an offensichtlichen Stellen platziert werden. Am sinnvollsten ist die Anbringung sowohl am Eingang der jeweiligen Einrichtung wie auch in den entsprechend überwachten Räumlichkeiten. Die Schilder sollten außerdem deutlich machen, wo genau und wann der Betroffene überwacht wird und wer der Verantwortliche der Überwachung ist. So hat die überwachte Person die

Möglichkeit, entsprechende Rechte geltend zu machen.

Diese Hinweispflicht kann gegebenenfalls entfallen, wenn die Kameras so offensichtlich angebracht sind, dass dem Betroffenen sofort klar ist, dass und wo er überwacht wird.

15 s. Innenministerium 2002, S. 6 16 § 20b Abs. 1 BremDSG

17 § 29b Abs. 2 DSG NRW, siehe auch Kap. 6.2 Urteil Münster 18 § 20b Abs. 4 BremDSG

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Das Deutsche Institut für Normung entwarf 2004 mit der DIN- Norm 33450 „Graphisches Symbol zum Hinweis auf Beobachtung mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Video-Infozeichen)“ ein Piktogramm, dass die verschiedenen Gestaltungsvarianten zusammenführen sollte20. Tatsächlich werden jedoch immer noch viele verschiedene Piktogramme verwendet.

Abbildung 1 Piktogramm Videoüberwachung nach DIN 33450

Quelle:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Piktogramm_Video%C3%BCberwa chung_nach_DIN_33450.svg&limit=20#filehistory

Zusammenfassend können aus der Gesamtheit der Landesdatenschutzgesetze folgende wesentliche Punkte gezogen werden:

Die Beobachtung von öffentlichen Räumen mittels Videotechnik ist erlaubt, wenn entsprechende Gründe, wie der Schutz von Personen und Eigentum, vorliegen und dieser nicht durch mildere Mittel gewährleistet werden kann. Soll nicht nur beobachtet, sondern aufgezeichnet werden, muss bewiesen werden, dass konkrete Gefahren bestehen. Dabei darf das Material nicht wahllos gespeichert werden, sondern muss regelmäßig gelöscht werden. Die Überwachung muss offen erfolgen, das heißt, die Betroffenen müssen darüber informiert werden, dass eine Überwachung stattfindet. Wird auf Grund eines konkreten Verdachts eine Person auf dem Bildmaterial näher identifiziert, muss diese darüber informiert werden.

20 vgl. DIN 2009

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2.3. Grenzen der Videoüberwachung

Nach den Ausführungen des Bundesdatenschutzgesetzes und der

Landesdatenschutzgesetze kann die Zulässigkeit der Überwachung eingegrenzt werden.

Vor der Installation von Videoüberwachungsanlagen im öffentlichen Raum müssen die Interessen des Überwachers gegen die des Betroffenen abgewogen werden. Die schutzwürdigen Interessen der überwachten Person dürfen nicht überwiegen, ansonsten ist die Überwachung unzulässig.

Dies schließt zum Beispiel eine Überwachung von Toilettenräumen aus, da hier die Wahrung der Intimsphäre der jeweiligen Person schwerer wiegt als die Erforderlichkeit einer Überwachung. Dies gilt ebenso für Umkleideräume21. Zu den besonders sensiblen Bereichen gehören außerdem Räume, in denen sich Menschen länger aufhalten und privaten Dingen nachgehen, zum Beispiel sich unterhalten oder essen. Dazu zählen Foyers und andere Aufenthaltsräume. Auch Lesesäle fallen in diese Kategorie. Hier sitzen die Bibliotheksbesucher teilweise stundenlang und sind im Falle einer Videoüberwachung ständig unter

Beobachtung, während sie einer sehr privaten Tätigkeit, dem Lesen, nachgehen. Darum bedarf die Überwachung eines Lesesaals einer besonderen

Notwendigkeit.

2.4. Rechte der Betroffenen

Ein großes Problem, dass im Zusammenhang mit der Videoüberwachung öffentlicher Räume immer bestehen bleibt, ist das nicht nur potentielle Straftäter ins Blickfeld der Kameras geraten, sondern ebenso jeder „normale“, unschuldige Bürger. Genau genommen sind es sogar hauptsächlich die Unschuldigen, die beobachtet werden, da der größere Teil der Bevölkerung zu diesen zählt. Doch mit einer Videokamera kann ein Dieb oder Randalierer nicht erkannt werden, solange er seine Tat nicht begangen hat, somit wird erst einmal jeder von uns als potentieller Täter beobachtet. Welcher Schaden dadurch entstehen kann wird deutlich, wenn man einen Blick auf die persönlichen Rechte des einzelnen wirft.

(15)

2.4.1. Informationelle Selbstbestimmung

Eine Erklärung zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung findet sich im Volkszählungsurteil von 1983.22

Es legt fest, dass jeder das Recht hat, selbst darüber zu bestimmen wer Daten über ihn erhält und wie diese Daten weiterverarbeitet werden. Eine

Einschränkung dieses Rechts ist immer nur dann zulässig, wenn die Interessen der Allgemeinheit überwiegen und eine gesetzliche Grundlage für die

Einschränkung geschaffen wurde23. Dabei beruft das Bundesverfassungsgericht sich auf Art.1 Abs.1 GG und Art.2 Abs.1 GG, in denen die Unantastbarkeit der Würde des Menschen und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit jedes Einzelnen festgelegt sind.

Durch die Überwachung mittels Videotechnik findet eine deutliche Einschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts statt, da hierbei der Betroffene von der Kamera erfasst wird, ohne sein Einverständnis zu geben. Im Regelfall hat der Betroffene keine Gewissheit darüber, ob er lediglich beobachtet wird oder Daten über ihn gespeichert werden, bzw. was mit den über ihn gewonnenen Daten im Weiteren passiert. Damit wird ihm das Recht genommen, selbst zu bestimmen, was mit seinen persönlichen Daten passiert.

Außerdem werden die Betroffenen in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit behindert, da sie durch die Überwachung unter dem Druck stehen, ihr Verhalten, das als ein Ausdruck ihrer Persönlichkeit anzusehen ist, anzupassen und nicht aufzufallen. Man spricht hierbei auch von Überwachungs- oder

Anpassungsdruck.

Damit liegt mit der Videoüberwachung ein Eingriff in die Grundrechte vor, der nur im Rahmen der in den Datenschutzgesetzen angeführten Gründe zulässig ist.

22 Anm.: Ausschnitt aus dem Volkszählungsurteil:

Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner

persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Einschränkungen dieses Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit

entsprechen muß. Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Auch hat er organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken. (BVerfGE 65,1 „Volkszählung“)

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Im Bezug auf die Videoüberwachung in Bibliotheken können personenbezogene Daten zum Beispiel Informationen über das Aussehen des Einzelnen (Kleidung, Frisur, Hautfarbe etc.), aber auch über das Verhalten sein. Unter das Verhalten fällt hier nicht nur die Bewegung im Raum und vielleicht der Umgang mit anderen Menschen, sondern ebenso das Leseverhalten. Auch wenn eine

Videoüberwachung in einer Bibliothek lediglich zum Zweck des Schutzes und der Sicherheit eingeführt wird, ist es theoretisch möglich, hier Daten über eine

Person zu erheben und diese wohlmöglich sogar mit den Nutzerdaten abzugleichen, wodurch dann ein ausführliches Profil des Betroffenen erstellt werden kann. Das macht wiederum deutlich, wie sehr mit einer

Videoüberwachung allein aufgrund der theoretischen Möglichkeiten in die Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird und wie wichtig eine genaue Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben sowie die Überprüfung durch einen Datenschutzbeauftragten ist.

2.4.2. Hinweispflicht

Um es den Betroffenen möglich zu machen, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, zum Beispiel durch Meiden videoüberwachter Orte, in Anspruch zu nehmen, sind die videoüberwachenden Stellen per Gesetz dazu verpflichtet, leicht erkennbar auf den Umstand der Überwachung hinzuweisen24.

2.4.3. Benachrichtigung

Werden im Zuge einer Videoüberwachung einem einzelnen Betroffenen personenbezogene Daten zugeordnet, diese genutzt oder in irgendeiner Form verarbeitet, so hat der Betroffene das Recht darauf, unverzüglich darüber informiert zu werden, so dass er die Möglichkeit hat, über seine Daten

mitzubestimmen und entsprechende Rechte geltend zu machen, die bis zu einem Schadensersatzanspruch führen können. Allerdings sehen die

Datenschutzgesetze bei der Benachrichtigungspflicht auch Ausnahmen vor. So muss zum Beispiel keine Benachrichtigung erfolgen, wenn es sich um verdeckte Ermittlungen der Polizeiarbeit handelt und diese durch die Benachrichtigung gefährdet würden oder wenn die Benachrichtigung einen unangemessenen Aufwand erfordern würde25.

24 z.B. § 6b Abs. 2 BDSG / § 29b Abs. 1 DSG NRW / § 33c Abs. 2 BbgDSG 25 z.B. § 6b Abs. 4 BDSG / § 29b Abs. 3 DSG NRW / § 33c Abs. 4 BbgDSG

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2.4.4. Löschung

Um den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen möglichst gering zu halten, haben diese das Recht, dass das aufgenommene Material gelöscht wird, sobald eine Aufbewahrung nicht mehr erforderlich ist. Für diesen Zweck gibt es Löschfristen, in den einzelnen Datenschutzgesetzen variieren. Sie reichen von 24 Stunden26 bis zu zwei Monaten27. Je kürzer das aufgenommene Material aufbewahrt wird, desto geringer ist auch die Chance, dass die Daten zu anderen Zwecken missbraucht werden.

2.5. Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Wird in einer Bibliothek eine Videoüberwachung durchgeführt, wird damit nicht nur in die Persönlichkeitsrechte der Nutzer und Besucher eingegriffen, sondern immer auch in die des Bibliothekspersonals. Der Eingriff ist sogar höher zu bewerten, da das Personal damit nicht nur kurzzeitig unter Beobachtung steht, sondern während der gesamten Arbeitszeit. Wird beispielsweise die Ausleihtheke überwacht, so ist das hier arbeitende Personal ständig im Visier der Kamera und steht dabei unter einem enormen Überwachungsdruck. Eine Kontrolle des Verhaltens und der Arbeitsweise darf hier zwar offiziell nicht erfolgen, die Angst, dass eine solche doch durchgeführt wird, wird sicherlich trotzdem bestehen28. Die Einrichtung einer Videoüberwachungsanlage unterliegt dadurch auf jeden Fall dem Mitbestimmungsrecht von Betriebs- und Personalrat29. In

Dienstvereinbarungen zur Videoüberwachung wird eindeutig festgelegt, dass der Umstand der automatischen Mit-Überwachung von Mitarbeitern als Nebeneffekt nicht dazu missbraucht werden darf, diese auf Anwesenheit oder Arbeitsleistung zu kontrollieren30.

Ein gutes Beispiel zur Verdeutlichung der Rechtslage liefert ein Vorfall in der Universitätsbibliothek Berlin. Hier wurden als Bestandteil der Alarmanlage 12 Videokameras installiert, ohne die Personalvertretung in die Entscheidung mit einzubeziehen. Auf Grund dessen erhob ein Mitarbeiter Anklage. Er berief sich dabei auf § 85 Abs. 1 Nr. 13 PersVG Berlin. Hier heißt es, dass die

26 § 20b Abs. 5 BremDSG 27 § 33 Abs. 4 SächsDSG 28 vgl. Kühling 2008, S. 235

29 § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG / § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG

30 z.B. §1 Abs. 3 Vereinbarung zwischen dem Rektor und dem Personalrat der Universität

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Personalvertretung mitzubestimmen hat, wenn technische Einrichtungen

eingeführt und angewendet werden, die dazu bestimmt sind, die Arbeitszeit, das Verhalten oder die Leistung der Dienstkräfte zu überwachen. Gegebenenfalls wird eine Dienstvereinbarung zwischen Personalvertretung und Verantwortlichem getroffen.

Der Beklagte wies die Klage jedoch ab und führte als Argument an, dass nie die Absicht bestand, die Kameras für eine Überwachung der Mitarbeiter zu nutzen und dass diese auch lediglich beim Öffnen der Nottüren oder Auslösen der Buchsicherungsanlage aktiviert würden. Da die Technik der

Überwachungsanlage es jedoch theoretisch möglich machen würde, die Mitarbeiter aufzunehmen und dafür lediglich eine Änderung der Einstellungen durch den Pförtner nötig wäre, wurde dem Kläger vom Oberverwaltungsgericht, wie auch vom Bundesverwaltungsgericht Recht gegeben. Bezogen auf das Personalvertretungsgesetz lautete die Begründung:

„Die Bestimmungen lägen nicht erst vor, wenn der Dienststellenleiter die Absicht habe, die Einrichtung zu einem Überwachungszweck

einzusetzen, sondern bereits dann, wenn sie objektiv hierzu geeignet sei.“ Und ferner: „Danach sei objektiv-final darauf abzustellen, ob eine Anlage aus Sicht eines objektiven Betrachters – losgelöst von den subjektiven Vorstellungen des Dienststellenleiters – zur Überwachung der Leistungen und des Verhaltens der Beschäftigten geeignet und daher grundsätzlich bestimmt sei.“ (s. Beschluss vom 28.02.2006 – OVG Berlin-Brandenburg 60 PV 19.05)

Hier wird also deutlich, dass der eigentliche (subjektive) Zweck der

Überwachungsanlage unentscheidend ist, wenn es nur objektiv möglich wäre, die Anlage für eine Überwachung der Mitarbeiter zu nutzen. Die Mitarbeiter müssen so eine Überwachung zumindest jederzeit befürchten, was wiederum zu einem Überwachungs- und Anpassungsdruck führen kann. Dadurch könnten die Mitarbeiter in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit behindert werden und in eine Abhängigkeit geraten. Gerade wenn bei den Mitarbeitern Ungewissheit darüber herrscht, ob sie nicht doch überwacht werden und wie dies geschieht, verstärkt sich der Überwachungsdruck31. Eine Mitbestimmung der

Personalvertretung ist also auf jeden Fall nötig, um die Rechte der Mitarbeiter zu

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schützen. Würde die Personalvertretung die Anlage einer Prüfung unterziehen und feststellen, dass hier objektiv gesehen eine Überwachung der Mitarbeiter ausgeschlossen werden kann, würde diese „ihre Zustimmung nicht verweigern“32. Um alle Unklarheiten bezüglich der Beobachtungsart, Aufzeichnungsdauer, Speicher- und Löschfristen etc. zu beseitigen und die Überwachungseinrichtung zu legitimieren, sollte hier eine Dienstvereinbarung zwischen Personalvertretung und Dienststellenleiter abgeschlossen werden, in der die Bedingungen

festgehalten sind.

Die Urteile machen deutlich, dass eine Videoüberwachung, die auch die Arbeitnehmer betrifft, nicht grundsätzlich unzulässig ist. Die Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit muss jedoch durch die Personalvertretung geprüft werden, die Bedingungen gegebenenfalls in einer Dienstvereinbarung abgefasst und die Mitarbeiter informiert werden.

2.5.1. Datenschutzbeauftragter

Datenschutzbeauftragte können auf verschiedenen Ebenen tätig sein. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) ist für die öffentlichen Stellen des Bundes zuständig, der Landesdatenschutzbeauftragte für die Behörden der Landesverwaltungen und sonstige öffentliche, wie auch nicht-öffentliche Stellen33. Des weiteren gibt es auch betriebliche

Datenschutzbeauftragte. Sie alle haben den Auftrag, auf die Einhaltung

datenschutzrechtlicher Bestimmungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten zu achten. Dazu zählt auch die Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung von Datenverarbeitungsprogrammen, sowie die mit der

Datenverarbeitung beauftragten Personen mit den jeweiligen datenschutzrechtlichen Bestimmungen vertraut zu machen34.

Die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten wird in § 4f Abs. 1 BDSG geregelt. Demnach haben „Öffentliche und nicht öffentliche Stellen, die personenbezogene Daten automatisiert verarbeiten, (...) einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen“. Dieser kann sowohl intern als auch extern beschäftigt sein35.

32 s. Beschluss vom 28.02.2006 – OVG Berlin-Brandenburg 60 PV 19.05 33 vgl. Kühling 2008, S.217 ff

34 § 4g Abs. 1 BDSG 35 § 4f Abs. 2 BDSG

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Der zuständige Datenschutzbeauftragte hat, bezogen auf die

Videoüberwachung, die Aufgabe, auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu achten. So hat er vor der Einrichtung einer

Videoüberwachungsanlage zu überprüfen, ob diese tatsächlich erforderlich ist und dementsprechend ihren Zweck erfüllt. Außerdem hat er darauf zu achten, dass durch den Einsatz keine unverhältnismäßige Verletzung der

Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen vorliegt. Dazu zählt auch die Benachrichtigung der durch Videoüberwachung identifizierten Personen. Weiter muss er kontrollieren, dass das aufgenommene Material entsprechend der Fristen gelöscht wird, sofern es keine Vorfälle gegeben hat36.

36 vgl. Koch 2003, S. 60 ff

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3. Gründe für die Videoüberwachung

Wo liegen die Gründe für Videoüberwachung in Bibliotheken? Welche Tatbestände begründen die Erforderlichkeit der optisch-elektronischen Überwachung? Im Bundesdatenschutzgesetz wie auch in den

Landesdatenschutzgesetzen werden als Gründe die Wahrnehmung des Hausrechts, der Schutz von Personen und Eigentum und der Schutz vor Gefahren genannt. Im Folgenden sollen einige mögliche Konflikt- und Gefahrensituationen in Bibliotheken und weitere Gründe für die Videoüberwachung aufgeführt werden.

3.1. Konflikte

Denkt man an Bibliotheken, so erscheinen einem diese wohl auf den ersten Blick nicht unbedingt als Kriminalitätsschwerpunkt. Die meisten Menschen verbinden Bibliotheken eher mit ruhiger und behaglicher Atmosphäre oder konzentriertem Arbeiten. Regale voller Bücher, Menschen, die ins Lesen vertieft sind und Bibliothekare, die für Ruhe und Ordnung sorgen. Konflikte gibt es jedoch in Bibliotheken genau wie an allen anderen Orten, an denen unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen. So kann es wie überall zu Auseinandersetzungen kommen, die sich in Wortgefechten oder sogar mit Handgreiflichkeiten äußern.

3.1.1. Jugendliche

Gerade zwischen Gruppen von Jugendlichen oder auch innerhalb dieser kann es leicht zu Konflikten kommen. Dies ist besonders häufig der Fall, wenn es sich um Orte handelt, in denen viele verschiedene soziale Hintergründe aufeinander treffen. Auch wenn es eigentlich wünschenswert ist, dass Jugendliche die Bibliothek als Treffpunkt und Möglichkeit zur Kontaktaufnahme sehen und sich hier gerne aufhalten, kann dies, besonders wenn sie sich in Gruppen in der Bibliothek aufhalten, zu Problemen führen. Oftmals führt ein hoher

Lautstärkepegel dazu, dass sich andere Benutzer gestört fühlen. Außerdem kann hier beobachtet werden, dass versucht wird, sich innerhalb der Gruppe zu

beweisen37. Mutproben, wie das Einstecken von Büchern oder auch die Beschädigung derselben oder der Einrichtung sind keine Seltenheit38. Diese Vorkommnisse sind oftmals auch das Produkt von Langeweile. Hier entsteht ein

37 vgl. Adolph 2000, S. 731 38 vgl. Eichhorn 2007, S.53

(22)

besonderer Konflikt, da man die Jugendlichen nicht einfach rausschmeißen sollte. Denn so könnte man sie leicht als Nutzer verlieren. Abhilfe schaffen können hier extra auf Jugendliche abgestimmte Angebote, die verhindern, dass Langeweile entsteht. Teilweise werden auch Jugendbibliotheken gesondert angelegt, so dass sie sich freier entfalten können und auch lauter sein dürfen, ohne dabei jemanden stören.

3.1.2. Weitere schwierige Nutzer

Ebenso kann das Bibliothekspersonal Opfer streitlustiger Nutzer werden. Für die Mitarbeiter ist die Gefahr sogar besonders groß, da sie diejenigen sind, die teilweise unliebsame Nachrichten überbringen, so zum Beispiel die Fälligkeit von Gebühren oder die Nicht-Verfügbarkeit von Medien39. Doch nicht immer hat ein Angriff auf das Personal einen Grund. Alkoholisierte Menschen, geistig Verwirrte oder Drogenkonsumenten neigen oftmals zu einem hohen Aggressionspotential, dass sich teilweise auch unbegründet oder schon durch schwache Anreize auf andere Menschen entladen kann40.

Ein Problem, das vor allem das weibliche Bibliothekspersonal und Nutzerinnen zu schaffen macht, ist sexuelle Belästigung, wobei das Spektrum von

anmaßenden Äußerungen bis zu Handgreiflichkeiten reicht41. Beispiele hierfür sind ein Fall von Exhibitionismus in der Kinderbücherei42 oder auch

Selbstbefriedigung im Blickfeld einer Studentin43. Videoüberwachung kann dazu beitragen, sich auch in den hinteren und dunkleren Ecken der Bibliothek sicher zu fühlen.

3.2. Drogen

Das Verkaufen und Konsumieren von Drogen stellt an sich schon eine rechtswidrige Handlung dar, ist aber auch mit weiteren Folgewirkungen verbunden. Bibliotheken sind öffentlich zugängliche Räume. In den meisten Fällen kann man sie betreten, ohne einen Bibliotheksausweis zu besitzen. Sie stellen damit insbesondere im Winter einen kostenlosen, warmen Zufluchtsort dar, an dem man sich in der Regel anonym bewegen kann. Drogenabhängige nutzen zum Beispiel die Toiletten, um sich eine Spritze zu setzen. Ein

39 vgl. Bunke 2000, S. 738 40 vgl. Eichhorn 2007, S.70 / Ratzek 2001, S. 238 41 vgl. Bunke 2000, S. 740 42 vgl. Interview III 43 vgl. Interview IV

(23)

Bibliotheksleiter berichtete, dass die Folge Blutspritzer an der Wand und herumliegende Spritzen waren, die für Mitarbeiter und Nutzer gleichermaßen eine Gefahr darstellen44. Wie bereits erwähnt sind Menschen unter dem Einfluss von Rauschmitteln außerdem schwer einzuschätzen und können ihr Verhalten oftmals nicht mehr kontrollieren. Sie neigen dazu, schnell die Beherrschung zu verlieren und aggressiv zu werden. Sie geraten leichter in Konfliktsituationen, vernünftige Argumentation hilft in diesem Fall selten.

3.3. Zerstörung von Eigentum

Zu Beschädigungen von Büchern und anderem Bibliothekseigentum kommt es aus verschiedenen Gründen. Oftmals werden Seiten oder Bilder aus Büchern oder Zeitschriften einfach herausgerissen und mitgenommen, wenn dem Interessierten das Ausleihen oder Kopieren zu umständlich oder zu teuer erscheint. Häufig werden die bibliothekseigenen PC-Arbeitsplätze beschädigt, teilweise um Einzelteile zu entwenden, teilweise ohne ersichtlichen Grund45. Ein weiteres Problem stellen Graffitis oder andere mehr oder weniger künstlerische Verewigungen, zum Beispiel mit permanenten Faserschreibern, außerhalb und innerhalb der Bibliothek dar46. Diese stellen zwar keine Gefahr für den Einzelnen dar und machen die betroffenen Flächen in der Regel nicht unbrauchbar, stören aber das Erscheinungsbild einer Bibliothek und können damit Einfluss auf die Atmosphäre der Einrichtung haben. Das Entfernen ist außerdem mit Kosten verbunden. Derartige Verschmutzungen sind nach § 303 Abs. 2 StGB strafbar.47

3.4. Diebstahl

Zum Diebstahl von Büchern, durch den für Bibliotheken hohe Verluste entstehen, kommt es aus verschiedenen Gründen. Bibliomane, also krankhafte

Büchersammler, sind ein Grund für Diebstähle. Besonders wertvolle oder teure Bücher werden gestohlen, weil der Täter durch ihre Veräußerung eine Geldquelle sieht. Gerade in Universitätsbibliotheken kommt es immer wieder zu

Bücherdiebstählen durch Studenten. Als Motiv für die Studenten kann man wahrscheinlich die Knappheit der eigenen Mittel sehen, die einen Kauf von zum

44 vgl. Interview III

45 vgl. Bunke 2000, S. 738 / Interview II 46 vgl. Eichhorn 2007, S. 83

47 Anm.: § 303 StGB Sachbeschädigung, (2): „Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das

Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.“

(24)

Teil sehr teurer wissenschaftlicher Literatur nicht erlauben. Da die Ausleihe der Bücher in der Bibliothek immer auf eine gewisse Zeit beschränkt ist und die Anzahl der Exemplare oftmals gering, sehen einige Studenten den Diebstahl als einzige Möglichkeit, sich die Literatur zu beschaffen. Aber nicht nur durch Nutzer, auch durch das Bibliothekspersonal selbst kann es zu dem Verlust von Büchern kommen. Das Personal kennt die Sicherungsmechanismen genau und hat es so leichter, diese zu umgehen und Bücher, zum Beispiel nach Feierabend,

einzustecken48. Aber auch durch andere Beschäftigte des Hauses können Medien entwendet werden. So geschehen in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg. Hier wurden Bücher im Wert von 800 000 Euro vom Hausmeister entwendet49.

Diebstahl in Bibliotheken ist aber nicht nur in Bezug auf Bücher oder andere Medien ein Thema. So können auch durch den Diebstahl von teurer Technik, wie zum Beispiel Teilen von Computern oder Zubehör, große Verluste entstehen. Ebenfalls kann es besonders im Garderobenbereich zu Diebstählen kommen, bei denen das Eigentum der Besucher entwendet wird.

3.5. Sicherheit vermitteln

Bei der Videoüberwachung wird ein großer Teil der Wirkung dadurch erzielt, dass den Menschen ein subjektives Sicherheitsgefühl vermittelt wird. Viele Menschen scheinen gerne bereit zu sein, einige Freiheiten aufzugeben, wenn sie dadurch das Gefühl bekommen, beschützt zu werden. So kann man sagen, dass es das Bedürfnis nach Sicherheit ist, dass die Überwachung erst legitimiert. Wie begründet die Ängste um die Sicherheit sind und wie viel Schutz letztendlich tatsächlich durch die Videoüberwachung gewährleistet werden kann, gilt es näher zu betrachten. An dieser Stelle soll gezeigt werden, dass die Gründe für die Akzeptanz der Videoüberwachung nicht nur in konkreten Gefahrensituationen liegen, sondern auch im Empfinden der Menschen.

3.5.1. Subjektives Sicherheitsgefühl

Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Sicherheit. Dabei kann dieses

verschiedene Ausprägungen annehmen. Die Sicherheit eines Arbeitsplatzes und dadurch die Sicherheit eines eigenen Zuhauses und sich und seine Familie ernähren zu können, die Sicherheit körperlich unversehrt zu bleiben und vieles

48 vgl. Wegner 2004, S. 14 ff. 49 vgl. Eichhorn 2007, S. 88

(25)

mehr. Natürlich werden die verschiedenen Sicherheitsbedürfnisse von Mensch zu Mensch unterschiedlich gewichtet. Letztendlich läuft aber jeder

Sicherheitswunsch, heute wie zu jeder Zeit, darauf hinaus, zu überleben. Mittels Videoüberwachung kann den Menschen ein solches Sicherheitsgefühl vermittelt werden. Durch die Überwachungskameras wird gezeigt, dass jemand ein Auge auf sie hat. Wenn jemand Hilfe benötigt, wird dies gesehen und wenn einem ein Unrecht angetan wurde, so kann der Täter durch die Aufzeichnung identifiziert werden.

Zumindest scheint es, dass der Großteil der Bevölkerung so oder ähnlich denkt. Das lässt sich aus einer Umfrage der forsa, Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analyse, im Auftrag von BITKOM schließen. Denn von rund 1000 Befragten aus ganz Deutschland äußerten ganze 76 % den Wunsch, die Videoüberwachung öffentlicher Plätze noch zu steigern, lediglich 20 % sahen dies nicht für notwendig an. Es ist jedoch unbekannt, ob sie sich explizit dagegen aussprachen.

Sind Sie für eine stärkere Videoüberwachung öffentlicher Plätze zur Vermeidung von Straftaten?

76% 20% 2% 1% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

ja nein ist mir egal weiß nicht,

keine Angabe

Anteil der Befragten

Abbildung 2 forsa-Umfrage im Auftrag von BITKOM zum Thema Videoüberwachung Quelle: BITKOM 2008

(26)

Die Auswertung der computergestützten Telefoninterviews wurde 2008 veröffentlicht.

Vier Jahre zuvor, im November 2004, wurden vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) ebenfalls Ergebnisse aus einer

Befragung zum Thema Videoüberwachung veröffentlicht. Rund 300 Menschen wurden während zwei Veranstaltungen in Schleswig-Holstein befragt, unter anderem dazu, ob sie sich mehr Videoüberwachung wünschen.

Vergleich der Umfragen von ULD und forsa: Wünschen Sie sich mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen?

28,30% 56% 15,70% 76% 20% 3% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% ja nein gleichgültig Anteil der Befragten ULD Umfrage forsa Umfrage

Abbildung 3 Vergleich ULD und forsa

Quelle: Ergebnisse ULD 2004, BITKOM 2008

Der Anteil der Befragten, die sich mehr Überwachung wünschten, betrug hier lediglich 28,3 %. in der Mehrheit wurde die momentane Situation als ausreichend bezeichnet und eine Steigerung der Überwachung nicht gewünscht. Der

Formulierung nach wurde sich jedoch auch nicht dafür ausgesprochen, dass die Videoüberwachung verringert werden müsse50.51

50 vgl. ULD Umfrage 2004

51 Anm.: Auch Befragungen der Dialego AG in den Jahren 2004 und 2006 zeigen, dass

die Bevölkerung größtenteils kein Problem mit Videoüberwachung hat. 2004 sprachen sich gerade einmal 18 % der Befragten strikt gegen eine Überwachung aus. 2006 waren es sogar nur noch 7 % (s. Dialego 2006, s. 13).

(27)

Ob den Differenzen zwischen forsa-Umfrage und ULD-Umfrage eventuell der zeitliche Abstand von vier Jahren und den Geschehnissen in dieser Zeit zu Grunde liegt, die Unterschiede in der Befragungsweise oder das unterschiedliche Befragungspublikum, lässt sich schwer sagen. Deutlich wird jedoch, dass in der Bevölkerung nicht nur eine hohe Akzeptanz gegenüber der Videoüberwachung vorhanden ist, sondern sogar der Wunsch nach mehr Beobachtung besteht. Eine weitere Frage des ULD lautete: „Sind sie der Ansicht, dass

Videoüberwachung ihre persönliche Sicherheit erhöht oder nicht erhöht?“52. 62, 4 % der Befragten empfanden ihre Sicherheit durch die Videoüberwachung als erhöht.

Vielen Bürgern wird also durch die Videoüberwachung ein subjektives

Sicherheitsgefühl vermittelt. Sie fühlen sich durch die Videoüberwachung besser geschützt, zunächst einmal ganz unabhängig von einer objektiven Sicherheit, also davon, ob die Überwachung auch tatsächlich Erfolge verzeichnet und zu ihrer Sicherheit beiträgt. So lässt es sich auch erklären, dass noch mehr Videoüberwachung gewünscht wird.

Es stellt sich nun die Frage, wofür Datenschutzrechtler kämpfen, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die optisch-elektronische Überwachung von der Bevölkerung in so hohem Maße akzeptiert wird. Ist den Menschen der scheinbare Schutz vor Kriminalität wichtiger, als der Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte?

Auch hierzu lassen sich aus der Umfrage des Landeszentrum für Datenschutz Erklärungen ableiten oder zumindest vermuten. So ist vielen anscheinend gar nicht bewusst, dass sie durch die Überwachung in ihren Grundrechten

eingeschränkt werden, auf die jeder einen Anspruch hat. Es hat bereits eine starke Gewöhnung daran stattgefunden, dass das eigene Verhalten in der Öffentlichkeit beobachtet und sogar aufgezeichnet wird. Die Ergebnisse der Umfragen würden vielleicht anders aussehen, würde die Bevölkerung bezüglich der Bedeutung von Grundrechten und der Eingriffsintensität der

Videoüberwachung stärker sensibilisiert werden53.

Doch das durch die Überwachung erzeugte subjektive Sicherheitsgefühl hat auch Schattenseiten. So kann es zum Beispiel passieren, dass durch die subjektiv

52 s. ULD Umfrage 2004, Frage 5 53 s. ULD Umfrage 2004, V.

(28)

empfundene Sicherheit eine objektiv bestehende Bedrohung nicht erkannt oder heruntergespielt wird. Verlässt der Betroffene sich allein auf die Kameras, so könnte er sich in einer Gefahrensituation möglicherweise leichtsinniger verhalten, als er es ohne die „vorgegaukelte“ Sicherheit tun würde54.

3.5.2. Kriminalitätsfurcht

Pauschal lässt sich sagen, Videoüberwachung wird eingesetzt, um die Kriminalität zu bekämpfen. Die Durchführung solcher Maßnahmen begründet sich auf der Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung. Es muss jedoch zwischen der tatsächlich bestehenden, durch Vorfälle begründeten Kriminalität und der Furcht vor ihr unterschieden werden.

Unter Kriminalitätsfurcht ist die Angst zu verstehen, dass man selbst oder sein Umfeld Opfer eines Verbrechens wird. Dabei ist diese Angst kein modernes Phänomen. Sie besteht seit Anbeginn der Menschheit, denn solange gibt es auch schon kriminelle Handlungen55. Die Höhe der Kriminalitätsfurcht ist dabei einem Wandel unterworfen. Ein Anstieg der Furcht ist jedoch nicht mit einem Anstieg der tatsächlichen Kriminalitätsbelastung gleichzusetzen. So zeigen Untersuchungen, dass nicht etwa ein Anstieg der Kriminalitätsrate für eine zunehmende Furcht verantwortlich ist, sondern das Maß, in dem über Verbrechen berichtet wird. Wird in den Medien ausführlich über eine Art des Verbrechens berichtet, so wird dem Bürger dadurch das Gefühl vermittelt, dass gerade diese Art des Verbrechens sich in letzter Zeit gehäuft hat, was aber nicht zwingend der Fall sein muss. So kann auch leicht das Bild entstehen, dass die kleinen Delikte zurückgehen und dafür größere Verbrechen, wie zum Beispiel Mord, stattfinden. Begründet dadurch, dass es eben diese großen Straftaten sind, die interessant erscheinen und deswegen in den Medien behandelt werden56.

So kann eine hohe Kriminalitätsfurcht und damit auch der Wunsch nach mehr Sicherheit bestehen, auch wenn die tatsächliche Kriminalitätsbelastung eher gering ist.

Unabhängig davon, ob Videoüberwachung in der Kriminalitätsbekämpfung Erfolge verzeichnen kann, wirkt sie sich auf die Kriminalitätsfurcht nicht zwingend

54 vgl. Weichert 2000

55 vgl. Kury 2003, S. 9

(29)

positiv aus. Einerseits verschafft sie den Betroffenen zwar ein subjektives Sicherheitsgefühl, andererseits wird durch die Einrichtung einer

Videoüberwachungsanlage oftmals erst ein Bewusstsein für eine Gefährdung geschaffen. Das Anbringen einer Kamera an einem vormals als ungefährlich eingeschätzten Ort vermittelt dem Betroffenen das Gefühl, dass hier eine Überwachung nötig ist, also etwas vorgefallen sein muss und deswegen an diesem Ort ein Grund für die Kriminalitätsfurcht besteht57.

Es wird somit deutlich, dass die Höhe der Kriminalitätsfurcht in der Bevölkerung nicht zwingend das Maß an tatsächlicher Kriminalität wiederspiegelt. Ebenso kann die subjektiv empfundene Sicherheit des Einzelnen stark von der

tatsächlichen, objektiven Sicherheit differieren. Kriminalitätsfurcht bedingt jedoch ein gesteigertes Verlangen nach Sicherheit. Die Minderung der Kriminalitätsfurcht und das Sicherheitsgefühl können durch Videoüberwachung positiv beeinflusst werden. Für die Auswirkungen der Videoüberwachung auf die tatsächliche Kriminalität und Sicherheit sind die Belege für Erfolge bis jetzt jedoch noch sehr uneinheitlich58.

3.6. Fazit

Die Gründe für den Einsatz einer Videoüberwachung sind also vielfältig. Sie liegen nicht nur in den konkreten Gefahrensituationen, sondern auch im allgemeinen Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. Für eine den

datenschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechende Rechtfertigung der Videoüberwachung reichen die subjektiven Sicherheitsbelange jedoch nicht aus.

57 vgl. Glatzner 2006, S.27 / Lin 2006, S. 88 58 näheres dazu siehe dazu Kap. 5.1 Erfolge

(30)

4. Überwachungsarten

Videoüberwachung ist nicht gleich Videoüberwachung. Man muss hier vor allem in zwei Kategorien Unterscheidungen machen. Zum einen gibt es Unterschiede in der Technik der Kameras, zum anderen in den Verfahren, die zur

Überwachung angewandt werden.

4.1. Verfahren

4.1.1. Beobachten

Die einfachste Variante stellt das bloße Beobachten mittels Videotechnik dar. Man spricht hierbei auch vom Kamera-Monitor-Prinzip. Dabei wird die Kamera als Hilfsmittel für das menschliche Auge verwendet59. Die Bilder werden von der Kamera direkt auf einen Monitor übersandt und können hier eingesehen werden. Da bei diesem Prinzip keine Speicherung des Materials erfolgt, kann es in der Regel nur hilfreich sein, wenn die Monitore auch ständig beobachtet werden. Dadurch, dass die Bilder mehrerer Kameras gleichzeitig an einem Ort

zusammengeführt werden können, ist eine bessere Kontrolle gerade auch der sonst weniger gut einsehbaren Stellen möglich, als wenn das Personal selbst durch die Räumlichkeiten geht. Im Ernstfall besteht so die Möglichkeit

unerwünschtes Verhalten früh zu entdecken, rechtzeitig dagegen vorzugehen und Taten eventuell sogar zu verhindern.

Oftmals werden die Überwachungsmonitore jedoch nicht ständig beobachtet, sondern lediglich ab und zu ein Blick darauf geworfen, zum Beispiel als Nebentätigkeit von Mitarbeitern, die eigentlich andere Aufgaben erfüllen. Dadurch ist der tatsächliche Erfolg fraglich. In diesem Fall können viele Informationen verloren gehen, es kann daher lediglich von Überwachungs-Stichproben geredet werden. Fällt also die Entscheidung auf den Einsatz eines Kamera-Monitor-Prinzips, ist es ratsam zusätzlich entsprechendes Personal zur Verfügung zu haben, das mit der Beobachtung der Monitore beschäftigt wird. Ein Informationsverlust entsteht zusätzlich oftmals dadurch, dass meist mehrere Kameras auf einen oder wenige Monitore geschaltet werden, so dass nicht durchgängig alle überwachten Stellen gezeigt werden60.

59 vgl. Lin 2006, S. 12

(31)

4.1.2. Aufzeichnen und Speichern

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Bilder aufzuzeichnen und zu speichern. Auf diese Weise ist es nicht zwingend erforderlich, die Monitore ständig zu beobachten, denn das Material kann notfalls auch zu einem späteren Zeitpunkt eingesehen werden. So können Täter auch im Nachhinein identifiziert und unklare Sachverhalte aufgeklärt werden, allerdings erst, nachdem eine Tat begangen wurde und auch bemerkt wurde, dass diese stattfand.

Natürlich können die verschiedenen Vorgehensweise auch vermischt werden. So findet oftmals nur eine Beobachtung mittels Videotechnik statt. Wird etwas Ungewöhnliches oder Verdächtiges beobachtet, kann eine Aufzeichnung manuell gestartet werden.

Egal ob eine Aufzeichnung dauerhaft oder nur zeitweise stattfindet, ist genau darauf zu achten, wer Zugang zu den Aufzeichnungen hat und wer diese

auswerten darf, da sonst die Gefahr zu einem Missbrauch der Daten besteht. Zu Zeiten analoger Videoüberwachung war die dauerhafte Aufbewahrung

gespeicherter Aufnahmen sehr unwahrscheinlich, da der Speicherplatz auf den Bändern begrenzt war und diese bei der Aufbewahrung viel Platz in Anspruch nahmen. Das Material wurde also gelöscht, wenn es nicht mehr gebraucht wurde. Heutzutage wird in der Regel digital gearbeitet, der Speicherplatz ist nahezu unbegrenzt und wird zudem immer billiger61. Dennoch sind die

vorgegebenen Löschfristen unbedingt einzuhalten, wenn es keine besonderen Vorfälle gab.

4.1.3. Offen oder verdeckt

Weiterhin unterscheidet man zwischen offener und verdeckter Überwachung. Verdeckte Überwachung wird vor allem zur gezielten Observation von Personen eingesetzt, um sie zu überprüfen, ohne dass diese ihr Verhalten auf die

Beobachtung ausrichten können. Es gibt also keine Hinweise auf die

Überwachung und Kameras werden möglichst nicht-sichtbar angebracht. Bei der Videoüberwachung im öffentlichen Raum handelt es sich jedoch im Normalfall um offene Überwachung. Die Offenheit der Überwachung ist sogar in den Datenschutzgesetzen verbindlich festgelegt62. Die Kenntlichmachung der Überwachung geschieht durch die eindeutig sichtbare Platzierung der Geräte

61 vgl. Schaar 2007, S. 64

62 z.B. Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch

(32)

selbst oder durch Hinweisschilder. Hierdurch wird nicht nur dem Betroffenen die Gelegenheit geboten, sich den beobachteten Gebieten zu entziehen oder entsprechende Rechte geltend zu machen, sondern der Hinweis auf die

Überwachung soll auch präventiv abschreckend wirken. Der Umstand des damit einhergehenden Anpassungs- und Überwachungsdrucks wird an anderer Stelle ausgeführt63.

4.2. Technik

Für die Videoüberwachung werden, je nach Beschaffenheit der Räumlichkeiten und finanziellen Mittel, verschiedene Kameras eingesetzt. Eine Besonderheit stellen die Kamera-Dummies dar. Hierbei handelt es um Kameraattrappen, mit denen keine Videoüberwachung möglich ist, die echten Kameras aber zum Verwechseln ähnlich sehen. Dummies sind eine preiswerte Alternative, die jedoch lediglich der Abschreckung dienen und damit präventive Ziele verfolgen. Was die rechtlichen Grundlagen betrifft sind Kameraattrappen jedoch wie funktionsfähige Kameras zu behandeln. Die Betroffenen können gar nicht wissen, dass es sich nur Attrappen handelt und müssen somit zumindest davon ausgehen, dass sie beobachtet werden und sich darauf einstellen, wodurch ein indirekter Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte entsteht64.

Bei echten Kameras ist vor allem entscheidend, welche Qualität das von ihnen übersandte Material aufweist und welchen Radius sie überblicken können. Hierbei kommt es auch auf die Zoom-Funktion an. Manche Kameras können lediglich Übersichtsaufnahmen machen. Da heutzutage jedoch fast alle Überwachungskameras digital arbeiten, ist ein heranzoomen einzelner Bildausschnitte durch spätere Nachbearbeitung meist kein Problem mehr. Je nach Kamera ist die Qualität der vergrößerten Bildausschnitte jedoch

unterschiedlich.

Andere Kameras eignen sich schon von vornherein für Großbildaufnahmen, wenn sie über eine Zoom-Funktion verfügen. Je nach Ausführung ist es dann möglich, auch aus einiger Entfernung beispielsweise einzelne Menschen aus einer großen Menschenmenge herauszufiltern.

Ein weiteres Kriterium stellt die Schwenkbarkeit der Kamera dar. Wie gut die Ergebnisse einer Beobachtung sind, hängt davon ab, ob das Kameraauge nur

63 siehe Kap. 5.2.1 Überwachungs- und Anpassungsdruck 64 vgl. Zilkens 2007, S. 47 / Lang 2008, S. 100

(33)

starr in eine Richtung sehen kann, oder ob es sich nach oben und unten, bzw. nach rechts und links schwenken lässt.

Sogenannte Dome-Kameras verfügen über eine starke Zoomfunktion, lassen einen Blickwinkel von 180° zu und sind außerdem nicht einmal unbedingt als Kameras zu erkennen65. Als halbrunde Kugel sitzen sie an der Decke und

können von dort aus jede Ecke eines Raumes überblicken, ohne dass von außen ersichtlich ist, wohin die Kameralinse gerade gerichtet ist. Auf Grund der

vielfältigen Aufnahmemöglichkeiten bedarf der Einsatz solcher Kameras „einer besonders strengen Erforderlichkeitsprüfung“66.

4.3. Verfahren in Bibliotheken

Für die Praxis der Videoüberwachung in Bibliotheken sind zunächst sämtliche Formen der offenen Überwachung denkbar. Anwendung findet sowohl das Aufzeichnen und Speichern von Bildmaterial, als auch die bloße Beobachtung mittels Monitor-Technik. Verbreitet ist es auch, lediglich Kamera-Attrappen zur Abschreckung einzusetzen. Diese haben den Vorteil niedriger Anschaffungskosten, was gerade in Hinsicht auf die immer knapper werdenden Mittel entscheidend ist. Ansonsten finden meist fest installierte Kameras

Anwendung, die durch ihre fixe Anbringung kein Schwenken zulassen und somit nur einen vordefinierten Bereich erfassen. Auch eine direkte Zoomfunktion der Kamera ist nicht üblich. Da es sich aber meist um digital arbeitende Geräte handelt, ist eine mögliche Zoomfunktion durch die digitale Weiterarbeitung mittels entsprechender Software gegeben.

4.4. Zukunft

Ein Blick in die nicht allzu ferne Zukunft zeigt, welche Technologien zu erwarten sind und in einigen Bereichen sogar, wenn auch noch nicht vollständig

ausgereift, schon Erprobung finden. Die Rede ist von sogenannten „Thinking Cameras“. Diese ermöglichen beispielsweise durch einen Abgleich mit Datenbanken eine Gesichtserkennung einzelner Personen aus einer großen Masse heraus. Außerdem können sie Bewegungsabläufe und Verhaltensweisen analysieren. Im Falle von als auffällig definiertem Verhalten kann dann Alarm

65 vgl. Schaar 2007, S.64 / Hamburgischer Datenschutzbeauftragter, S. 8 / Lang 2008, S.

41

(34)

geschlagen werden67. Bis solche Kameratechniken in Bibliotheken Einzug halten, wird es sicherlich dauern, da diese Anlagen noch mit hohen Kosten verbunden sind. Wenn man jedoch die rasante Entwicklung der Technologien und die immer weiter sinkenden Preise beobachtet, erscheint die Vorstellung nicht mehr

abwegig, dass die Bibliothek der Zukunft auch auf solche Hilfsmittel zurückgreifen wird.

(35)

5. Erfolge und Misserfolge

Die Videoüberwachung in Bibliotheken verfolgt unterschiedliche Zwecke. Zum größten Teil wird sie zu präventiven Zwecken eingesetzt, potentielle Straftäter sollen durch die Kameras abgeschreckt werden, in der Hoffnung, dass sie auf Grund der Beobachtung ihre Tat unterlassen. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass durch das auffällige Verhalten des Täters die Tat in der Vorbereitung entdeckt wird und die Durchführung durch Einschreiten verhindert werden kann. Zum anderen dient die Überwachung repressiven Zwecken, also der nachträglichen Verfolgung und Aufklärung von Straftaten. In diesem Fall ist eine Speicherung des Filmmaterials unumgänglich. Des weiteren soll sie, unabhängig von ihrem tatsächlichen Erfolg, ein Sicherheitsgefühl bei den Betroffenen erzeugen. Gegenstand der Überwachung können Bücher und andere Medien selbst sein, Einrichtungsgegenstände oder auch Personen. Zu den Straftaten zählen neben Diebstahl und Vandalismus auch Gewalt oder Belästigung gegenüber anderen Personen und sonstige rechtswidrige Handlungen, wie zum Beispiel das Verkaufen und konsumieren von Drogen. Die Videokameras allein können die geschilderten Probleme nicht lösen, sondern lediglich abschrecken. Um die Kameras darüber hinaus sinnvoll zu nutzen, ist zum Beispiel Personal nötig, das die Überwachungsmonitore beobachtet oder das im Bedarfsfall das Material auswertet. Um bei einem Vorfall schnell

eingreifen zu können, muss dieser überhaupt erst gesehen werden und es muss jemand zur Verfügung stehen, der eingreifen kann. Soll im Nachhinein eine Sichtung des Materials erfolgen, muss ein Vorfall, zum Beispiel das Fehlen eines Gegenstandes, jedoch erst mal bemerkt worden sein und der Zeitpunkt des Geschehens muss eingegrenzt werden können. Um eine Überwachungsanlage sinnvoll zu nutzen, ist also immer auch die Arbeitskraft von Personal nötig. Die Kameras können dabei als „verlängertes Auge“ und als „Gedächtnis“ zur Unterstützung dienen.

5.1. Erfolge

5.1.1. Abschreckungswirkung

Ein Erfolg, der durch Videoüberwachung erreicht werden kann, ist die

Abschreckungswirkung. Die Gefahr, während einer Straftat von einer Kamera erfasst zu werden und das damit verbundene Wissen, beobachtet oder sogar

(36)

aufgezeichnet und im Nachhinein identifiziert zu werden, wirkt auf die meisten Täter abschreckend. Im Regelfall erfolgt an dieser Stelle eine Kosten-Nutzen-Abwägung des Täters. Ist der rational denkende Täter sich darüber bewusst, beobachtet zu werden, wird er sich genau überlegen, ob diese Tat es wirklich wert ist, eine entsprechende Strafe auf sich zu nehmen68. Gerade

Gelegenheitsdiebe werden von den Kameras abgeschreckt, da diese meist nur stehlen, weil die Situation es zulässt. Gibt es keine Sicherungsmaßnahmen wird es ihnen einfach gemacht, unbehelligt zu stehlen. Gibt es aber eine Sicherung in irgendeiner Form, ist ihnen die Gefahr zu groß. Um eine hohe

Abschreckungswirkung zu erzielen ist es jedoch nötig, dass potentielle Täter die Überwachungsmaßnahmen auch wahrnehmen. Es sollte also unbedingt

ausreichend auf diese hingewiesen werden.

5.1.2. Sicherheitsgefühl

Außerdem wird der Videoüberwachung als Erfolg zugeschrieben, dass die Maßnahme den Betroffenen Sicherheit vermittelt. Auf dieses Sicherheitsgefühl wurde bereits in Kap. 3.5 Sicherheit vermitteln näher eingegangen.

Über die tatsächlichen Erfolge der Videoüberwachung gibt es leider wenige aussagekräftige, dafür aber einige sehr widersprüchliche Dokumentationen. Dies deutet daraufhin, dass wohl viele äußere Faktoren wie der jeweilige Ort, die Umgebung, die Verfassung der Betroffenen und vieles mehr mit einbezogen werden müssen. Auch die Erfolge der Videoüberwachung in Bibliotheken zu messen ist schwer. Jede Bibliothek hat eigene Besonderheiten und liefert damit vollkommen unterschiedliche Vorraussetzungen. Der Einsatz von

Überwachungskameras in der Stadtbücherei eines sozialen Brennpunkts ist unter ganz anderen Gesichtspunkten zu betrachten als der einer Universitätsbibliothek in einem angesehenen Teil einer Stadt. Dennoch lassen sich Tendenzen

erkennen, die bei der Auswertung der geführten Interviews deutlich wurden.

5.2. Misserfolge und Nachteile

Die Wirkung von Überwachungskameras kann sehr unterschiedlich ausfallen. Im ersten Moment schreibt man der Videoüberwachung zwar eine abschreckende Wirkung zu, die einen eventuellen Täter davon abhält, eine Straftat zu begehen. Auf den zweiten Blick muss jedoch festgehalten werden, dass sich die

(37)

Überwachungseinrichtung auf jede Tat und jeden Täter ganz unterschiedlich auswirkt. Vor allem bei Personen mit psychischen Störungen oder solchen, die sich im Alkohol- oder Drogenrausch befinden, kann eine Überwachungskamera ihre abschreckende Wirkung schnell verlieren, da sie eventuell gar nicht

wahrgenommen wird oder die Person im Moment der Tat auf Grund seines Zustands keine Folgen einkalkuliert69.

Andererseits besteht auch die Möglichkeit, dass sich ein Täter der Überwachung sehr wohl bewusst ist und gerade dadurch versucht, diese geschickt zu

umgehen. Beispiele dafür sind das Vermummen oder Aufsuchen einer Ecke, in welche die Kameras keine Einsicht haben70. Im Falle des sogenannten

Verdrängungseffekts kann der Videoüberwachung kein Erfolg zugeschrieben werden, da sich die Tat lediglich verlagert, jedoch nicht verhindert werden kann71. Man könnte allerdings von einem Teilerfolg für die überwachende Einrichtung sprechen, wenn sich beispielsweise ein Grafiti-Sprayer auf Grund der

Überwachung dazu entschließt, seine Kunst statt in der jeweiligen Einrichtung im nahegelegenen Park anzubringen. Das Problem wäre damit aber nur für einen Beteiligten gelöst.

5.2.1. Überwachungs- und Anpassungsdruck

„Ich habe ja schließlich nichts zu verbergen“, das antworteten die meisten Menschen bei einer Umfrage des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein auf die Frage, ob sie sich anders verhalten würden, wenn sie sich in videoüberwachten Bereichen aufhalten72. Fast 70 % der Befragten gaben an, dass sich ihr Verhalten nicht verändere, nur weil sie

überwacht werden. Dennoch wird bei Begründungen gegen die

Videoüberwachung immer wieder der sogenannte Überwachungs- und

Anpassungsdruck aufgeführt. Gemeint ist damit, dass bei den Betroffenen eine – vielleicht auch gar nicht bewusst wahrgenommene – Verhaltensänderung auftritt. Ist sich ein Mensch darüber im Klaren, dass er unter Beobachtung steht, passt er sein Verhalten im Regelfall so an, wie er denkt, dass es von ihm erwartet wird. Dies ist ja auch unter anderem ein Ziel, dass mit der Videoüberwachung erreicht werden soll. Man möchte, dass sich die Betroffenen Regelkonform verhalten, um kriminelle Handlungen zu unterdrücken. Doch werden damit auch nicht-kriminelle

69 vgl. Glatzner 2006, S. 18 / Lubomierski 2007, S.2 70 vgl. Glatzner 2006, S. 64

71 vgl. Lubomierski 2007, S. 2 72 ULD Umfrage 2004, Frage 4

(38)

Handlungsweisen unterdrückt, die dem Betroffenen unter Beobachtung zum Beispiel peinlich wären. Dadurch wird – wenn auch unbewusst – Druck auf den Betroffenen ausgeübt73. Diese durch den Überwachungs- und Anpassungsdruck erzwungene Verhaltensänderung ist ein erheblicher Eingriff in die persönliche Freiheit des Einzelnen.

5.2.2. Missbrauch der Daten

Ein Problem, dass vor allem bei der Aufnahme und Speicherung von

Videomaterial besteht, ist die missbräuchliche Nutzung der gewonnenen Daten. Digitales Videomaterial kann auch von Laien leicht bearbeitet und verändert werden. Szenen können ausgeschnitten werden oder Dinge hinzugefügt werden, ohne dass eine Bearbeitung auf den ersten Blick sichtbar ist. Doch nicht nur die Manipulation der Aufnahmen kann zu Problemen führen, sondern auch die unzweckmäßige Nutzung, die zum Beispiel durch eine Veröffentlichung des eigentlich geschützten Materials entsteht. Auch voyeuristische Absichten können einem Missbrauch der Aufnahmen zugrunde liegen. Hier zeigt sich wie wichtig es ist, dass die Aufnahmen nur einem begrenzten, zuvor bestimmten und

vertrauenswürdigen Personenkreis zugänglich sind und dieser die Verantwortlichkeit für das Material übernimmt.

73 vgl. Lang 2008, S. 100

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