Fachtagung “Ethics and Cybersecurity in Health Care”
Regensburg, 24. und 25. April 2018
Josef Hilbert
Digitalisierung und Arbeit im Gesundheitssektor: Stand und
Perspektiven
Was will ich heute ansprechen?
„Digitalisierung“: Worüber reden wir?
Prognosen: Hoffnungen, Befürchtungen
Status Quo des Digitalisierungsgeschehen im Gesundheitsbereich
Folgen mit Blick auf die Arbeit für Gesundheit
Gestaltungsherausforderungen und -perspektiven aus Beschäftigtensicht
Dank an Michaela Evans und Christoph Bräutigam,
mit denen ich im Themenfeld inhaltlich und auch bei der Erstellung von Folien zusammenarbeite.
Digitalisiertes Gesundheitswesen:
Schöne neue Welt!
Erleichterung der Dokumentation
Verbesserung bei Organisation und Kommunikation
Kostenreduktion
Zeitersparnis: durch Entlastung von Routineaufgaben
Zeitersparnis: für mehr Zeit für den Patientenkontakt
Entlastung von körperlich anstrengenden Tätigkeiten
Verbesserung der Versorgungsqualität
Überwindung institutioneller Grenzen
Digitalisiertes Gesundheitswesen:
Die dunkle Seite der neuen Kraft - Big Brother is watching you?
Substitution von Tätigkeiten und Arbeitsplatzverluste
zunehmende Fremdbestimmung und Überwachung
Überforderung, mangelnde Kompetenz
wachsender Leistungsdruck, zusätzliche Aufgaben
mangelnde Datensicherheit
Störanfälligkeit
Kompetenzverluste
Reduzierung direkter Interaktion
„Entmenschlichung“
ICT 4 Health:
Ein Versuch, die wichtigsten Baustellen zu benennen
• Diagnostik und Behandlung wird immer umfassender durch digitale Techniken gestützt.
• Aufbau und Integration einer sicheren Infrastruktur für die Gesundheitstelematik
• Aufbau und Integration von wechselseitig anschlussfähigen Fall- und Patientenakten
• Selbstvermessung / Selbstoptimierung durch (Selbst-)Monitoring der eigenen Vitalparameter
• Information und Orientierung für Endnutzer, oft durch Datenbanken, in den letzten Jahren immer öfter auch durch soziale Medien („patient-empowerment“).
• Telemedizin/TeleCare: Care is Coming Home: Monitoring / Überwachung / Steuerung von Vitalparametern, gerade auch im privaten Zuhause
• Logistik: Bestellung, Zusammenstellung und Zulieferung von Mahlzeiten, Medikamenten
• Pflegerobotik, sowohl bei physischen Aufgaben als auch bei der emotionale Ansprache.
• KI hilft bei Diagnose und Behandlung
• Im Zusammenspiel von Digitalisierung und Molekularbiologie werden Schritte in die individualisierte und prädiktive Medizin möglich.
Übersicht erstellt auf Basis von FINSOZ2016, Hielscher 2015, eigene Erfahrungen.
Der Zukunftstraum: P Die personalisierte, prädiktive, präventive und partizipative Medizin
Ausgehend von einer
molekularbiologischen Diagnose von Erkrankungen/Gesundheitsrisiken
und (im Idealfall) unter Einbeziehung psycho-sozialer Faktoren,
gestützt auf Big Data Analysen zu bewährten Verhaltens- oder
Behandlungsempfehlungen
vergleichbare geprägter Menschen,
werden individualisierte Verhaltens- und Ratschläge/Therapien interaktiven Austausch mit Betroffenen erarbeitet.
Achtung: Oft wird verkürzt nur an
Molekularbiologie und Big Data gedacht.
4
ICT 4 Health:
Die großen Themen in den Medien: Weiter als die Realität?
https://video.golem.de/teaser/1/1/4006/medium-480-cody-roboter-waescht-menschen-live-snap.jpg
http://www.pflegebrille.de/images/download/20160717_Pflegebrille_Fact_Sheet.pdf http://www.otxworld.ch/sites/default/files/uploadsimages/o116_490_pflegeroboter.jpg
https://video.golem.de/teaser/1/1/4006/medium-480-cody-roboter-waescht-menschen-live-snap.jpg
ICT 4 Health:
Die Schlichtheit der Baustellen des Alltags
Einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte (ePA), aus:blog.der-digitale-patient.de
Ambulante videounterstützte Therapie von Parkinsonpatienten (AVT)
http://mvb-parkinson.de/pages/de/startseite.php
Diagnose- und therapiebezogene Nutzungen
KISS
eFA/ePA
Überleitungsmanagement
Erste Schritte bei Telemed
……
Digitalisierung im Gesundheitswesen: die Erwartungen aus Sicht des Mainstreams
„Eine gesamthaft umgesetzte eHealth-Lösung führt zu einer signifikanten Verbesserung der medizinischen und operativen Exzellenz.
Das (monetäre) Effizienzpotential durch eHealth im deutschen Gesundheitswesen beträgt … ca. 39 Mrd. Euro.
Ärztliche Expertise ist durch eHealth nicht ersetzbar – vielmehr unterstützt eHealth bei der medizinischen
Entscheidungsfindung und erleichtert sektorübergreifende &
multi-disziplinäre Versorgungsmodelle.“
(pwc strategy& 2017: 12ff.)
ÄrztInnen haben wieder mehr Zeit für PatientInnen, sie werden wieder zum Navigator, Ratgeber, Organisator
(F.J. Bartmann, Ärztekammerpräsident Schleswig-Holstein)
Anders Markus Müschenich, der eine Götterdämmerung der Ärzteschaft sieht, die tendenziell überflüssig wird.
Gesundheit: Substituierbarkeit wird niedrig eingeschätzt, aber dennoch zu groß?
Rund 20% der Tätigkeiten
medizinischer und nichtmedizinischer Gesundheitsberufe könnten schon heute
durch Computer erledigt werden…
Ganz neu: ZEW (2018) sieht für Gesamtwirtschaft leicht positive
Beschäftigungseffekte durch
Digitalisierung, für Gesundheit jedoch merkwürdigerweise leicht negative!
Status Quo: ICT Einsatz im Krankenhaus Alltag
Bräutigam et al. 2017
Nutzungen: eDoku mit Abstand vorn
Status Quo: Beschäftigte – zumindest im KH – sind sehr technikoffen
Mittelwerte, fünfstufige Skala Bräutigam et al. 2017
Status Quo:
Geräte / Technologien im Krankenhaus
Desktop-PC/Workstation Digitalkamera
Laptop/Notebook Smartphone
Digitale Assistenten (z.B. Medikationsplan) Bedside Terminal
Krankenhausinformationssystem Digitale Visitenwagen
Tablet
Wearables 3-D-Drucker Technik zur Ortung
Serviceroboter OP-Roboter
© IAT
Status Quo: Technikunterstützungsappetit wächst mit der Nutzung – aber: Fragen bei Qualität
Braeseke et al. 2017 vTL = vernetzte Tourenplanung u. Leistungserfassung
Folgen für die Arbeit 1: Das Tempo steigt!
Folgen für die Arbeit 2: Positives erkennbar, aber noch bescheiden!
Bräutigam et al. 2017
Digitalisierung in der Pflege? Ja bitte, aber vor allem für mit mehr Zeit für die Interaktion und Zusammenarbeit mit Patientinnen und Patienten!
Elektronische Dokumentation verspricht
Entlastung, Robotik schürt Angst vor Verlust der Beziehungsqualität
„Pflegende wünschen sich technische
Unterstützung in der Pflege, aber nur, wenn sie nicht zulasten des persönlichen Kontakts geht“, fasst Projektleiterin Dr. Ulrike Rösler von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin (BAuA) die Ergebnisse zusammen.
„Deshalb muss die Zeit, die durch den Einsatz digitaler Technologien im Arbeitsalltag gewonnen wird, für die Arbeit am und mit dem
pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung stehen.“
Ruf nach partizipativ gestalteten Experimentierräumen
„ Der Motor läuft, aber mit vielen Fehlzündungen.“
Eindrücke aus der aktuellen Umsetzungspraxis
• Gesundheit bei Digi nicht ‚late-comer‘, sondern starker Anwender.
• Bei Diagnose und Therapie ist Digi/ICT nicht wegzudenken
• Bei integrierten organisierende Tätigkeiten ist der langjährige Innovationsattentismus der org. Ärzteschaft seit 2017 einem Innovationsbiss gewichen.
• Fokus auf Infrastruktur, EPA und Startanwendungen (Notfall, Medikationsplan)
• Unübersichtliche Experimentierlandschaft in weitergehenden Anwendungsfeldern – viele Insellösungen.
• Lebhafte / unübersichtliche Start-Up-Szene (v.a. in B) – mit vielen
´Rohrkrepierern´.
• Viele innovative Anwendungen haben Probleme mit dem
Wirksamkeits-/Evidenznachweis und langfristigen Finanzierung.
Hohe Dynamik mit viele Experimentiercharakter und
Improvisationsdruck – eine Superchance für Mitgestaltung!
Partizipation der Beschäftigten im
Krankenhaus: viel Luft nach oben!
Szenarien: HighRoadCareWork
(erste Überlegungen)
Die Gesundheitseinrichtung als wissensbasierte Interaktionsarbeit
• Digi bei Gesundheit und Pflege als Schlüsselbaustelle der Digitalisierung profilieren.
• Angemessene Personalbemessung
• Das starke Interesse in D für Datensicherheit u. schutz nutzen.
• Mehr Zeit für interaktive Zusammenarbeit mit Patienten / Nahestehenden
• Keine millimetergenaue Leistungsmessung.
• Mit Digi Arbeitszeiten berechenbarer und verlässlicher machen.
• Upgradingoptionen für alle Qualifikationsstufen schaffen.
• Erweiterte professionelle Spielräume für Gesundheitsfachberufe.
• ……
Szenarien LowRoadCareWork
(erste Überlegungen)
Die Gesundheitseinrichtung als Produktionsstraße
• KI mit Detailvorgaben für Diagnostik und Kuration.
• Interaktiver Austausch mit Patienten auf Kernfragen reduzierbar
• Detaillierte Performanzmessung.
• Rückbau von Wartezeiten
• Gering qualifizierte Arbeitskräfte bekommen neue Einsatzmöglichkeiten durch digitale Vorgaben.
• Punktgenaue Koordination mit Zulieferern und Abnehmern, auch mit Personaldienstleistern.
• ……
• ……
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Kontakt:
Josef Hilbert Institut Arbeit und Technik Hilbert@iat.eu