„Die Erreichung von Schwangeren und Familien für mehr Rauchfreiheit - eine Herausforderung für die
Prävention“
Fachtagung „Sachsen-Anhalt atmet auf“, 18.10.2021 Prof. Sabina Ulbricht MPH
01 Das Problem
02 Wie es untersucht wurde…
03 Gewonnene Erkenntnisse…
04 Was daraus folgt…
AGENDA
01 Das Problem
Verbreitung des Tabakrauchens in der Schwangerschaft in Deutschland
Retrospektive Daten zum Anteil rauchender Schwangerer:
• in Deutschland 11 % 1
• Sachsen-Anhalt 17 % 2
Alter und Bildung sind bedeutsam dafür, eine Schwangere raucht1.
Merkmale der Frau Anteil in%
Alter bei Geburt des Kindes jünger als 25 Jahre 25 – 29 Jahre
30 – 34 Jahre älter als 34 Jahre
22,5 12,7 7,4 7,6 Sozioökonomischer Status
Niedrig Mittel Hoch
27,2 9,2 1,6
1Kuntz B et al 2018,2Auswirkungen der Umwelt auf die Gesundheit von Kindern (Schulanfängerstudie Sachsen-Anhalt 1991- 2014), Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt (2014) https://verbraucherschutz.sachsen-anhalt.de/fileadmin/
01 Das Problem
Vorläufige Ergebnisse einer aktuellen Befragung rauchender Schwangerer in zwei Schwangerschaftsberatungsstellen (Wolgast, Grimmen)
Problemwahrnehmung zum Rauchen in der
Schwangerschaft (n=21)
Erleben Sie es als ein Problem als
Schwangere zu rauchen? 33,3
38,1
28,6
0 10 20 30 40 50
ja teilweise nein In %
Fällt es Ihnen als Schwangere schwerer als sonst, Bekannten, Freund*innen oder Kolleg*innen zu erzählen, dass Sie rauchen?
28,6 28,6
42,8
0 10 20 30 40 50
ja teilweise nein
Wissenschaftlich belegt ist die Wirksamkeit für …
…nachzulesen in der S3-Leitlinie “Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung”
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/076-006.html
01 Das Problem
02 Wie es untersucht wurde
Wo bilden sich diese Ansätze in der rauchender Schwangerer und ihrer Familien ab?
https://www.iris-plattform.de/
www.facebook.com/irisplattform
Informationsbroschüren/Website Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
•rauchfrei in der Schwangerschaft - Ich bekomme ein Baby
•rauchfrei nach der Geburt - Das Baby ist da
•https://www.rauchfrei-info.de/informieren/rauchen-gesundheit/schwangerschaft/
IRIS-Online-Beratungsprogramm:
entwickelt vom Universitätsklinikum Tübingen in Kooperation mit der BZgA
02 Wie es untersucht wurde
Wie werden rauchende Schwangere und ihre Familien erreicht?
Bevölkerungsbezogene Ansatz
Ziel: Senkung der Passivrauchbelastung in Familien mit Kleinkinder
Risikogruppenzentrierter Ansatz
Ziel: Steigerung der Motivation zum Rauchstopp bei rauchenden Schwangeren und Vermeidung von Passivrauchbelastung in Wohnräumen.
* Gefördert von der Deutschen Krebshilfe (2008-2010), Ulbricht et al. 2014 , Ulbricht et al. 2015
KG
IG
Befragung & 1. Urinprobe Befragung, 1.Beratung & 1.
Urinprobe Baseline
2. Beratung Kotininfeedback
Befragung, 2. Urinprobe +3 Monate +12 Monate Randomisierung, (KG: Kontrollgruppe, IG: Interventionsgruppe)
Projekt „Gesunde Atemluft zu Hause“ (GESA)*
Ziel: Reduktion der Passivrauchbelastung bei Kleinkindern Jahre – Effektivität einer Kurzinterve
ntion
Studienregion Design
3591 Kinder ≤ 4 Jahre 02 Wie es untersucht wurde
3591 Familien
3313 erfolgreich kontaktiert
2660 Teilnahme Gesundheitsbefragung 92,3 %
80,3 %
Ziel der Befragung
Identifizierung von Familien in denen mindestens ein Elternteil mindestens eine Zigarette pro Tag raucht.
Kontakt- und Erreichungsrate
03 Gewonnene Erkenntnisse
GESA (n=2660) Mikrozensus Mecklenburg-Vorpommern (n=275)
Alter, Mittelwert 31,5 30,8
Nicht in Partnerschaft lebend (in %) 21,1 22,2
Schulbildung (in Jahren und in %)
<10 10
>10
11,9 46,4 42,0
13,6 53,5 32,9 Erwerbsstatus (in %)
Erwerbstätig
In Teilzeit erwerbstätig nicht erwerbstätig
79,0 13,8 7,2
68,0 15,6 16,4
Welche Familien nahmen an der Gesundheitsbefragung teil?
Kastirke et al. 2013
03 Gewonnene Erkenntnisse
3591 Familien
3313 erfolgreich kontaktiert
2660 Teilnahme Gesundheitsbefragung Kontakt- und Erreichungsrate
92,3 %
80,3 %
1287 Familien >/= 1 Raucher
917 Teilnahme Interventionsstudie
48,4 % 71,6 %
03 Gewonnene Erkenntnisse
Studienteilnahme (n=917) Keine Studienteilnahme (n=370)
Alter, Mittelwert 30,3 29,2
Partnerschaft (in %) nein
Ja
64,5 73,8
33,5 26,2 Schulbildung (in Jahren und in %)
<10 10
>10
61,9 71,9 78,0
38,1 28,1 22,0 Erwerbsstatus (in %)
erwerbstätig
In Teilzeit beschäftigt nicht erwerbstätig
74,6 69,0 61,7
25,4 31,0 38,3
Welche Familien nahmen an der Studie teil bzw. nicht teil?
03 Gewonnene Erkenntnisse
42.8% 9.9% 25.4% 21.8%
Passivrauchbelastung im Urin der Kinder…
03 Gewonnene Erkenntnisse
Gesamtstichprobe
(n=917) unter Belastung erhöhte Belastung hohe Belastung
Nachweisgrenze nachweisbar nachweisbar nachweisbar
Rauchen auch in Wohnräumen (n=347)
14.9% 7.2% 34.5% 43.4%
77.9%
unter Belastung erhöhte Belastung hohe Belastung
Nachweisgrenze nachweisbar nachweisbar nachweisbar
Rauchen nicht in Wohnräumen (n=570)
59.8% 11.5% 19.9% 8.7%
28.6%
unter Belastung erhöhte Belastung hohe Belastung
Nachweisgrenze nachweisbar nachweisbar nachweisbar
FAZIT 1
• Für die Gesundheitsbefragung wurden, verglichen mit Daten des Mikrozensus…
… weniger Familien mit mittlerer Bildung als erwartet erreicht - dafür mehr Familien mit höherer Bildung.
… Nicht-Erwerbstätige in geringerem Umfang erreicht, als zu erwarten gewesen wäre.
• An der Interventionsstudie nahmen Familien mit niedrigerer Bildung seltener teil als jene mit höherer Bildung (61,9 % vs. 78,0 %).
02 Wie es untersucht wurde
Bevölkerungsbezogene Ansatz
Ziel: Senkung der Passivrauchbelastung in Familien mit Kleinkinder
Risikogruppenzentrierter Ansatz
Ziel: Steigerung der Motivation zum Rauchstopp bei rauchenden Schwangeren und Vermeidung von Passivrauchbelastung in Wohnräumen.
Wie und wo werden rauchende
Schwangere und ihre Familien erreicht?
Von 39 Schwangerschaftsberatungsstellen nahmen 28 am Projekt teil (71,8%).
Du und ich ohne Rauch - DORA
1Projektregion Mecklenburg Vorpommern
02 Wie es untersucht wurde
1 gefördert vom Land Mecklenburg-Vorpommern, Ulbricht et al. 2017
Ziel: Umsetzung eines Kurzberatungsansatzes in Schwangerschaftsberatungsstellen Mecklenburg-Vorpommerns über sechs Monate
Adressatinnen: Allen Schwangere (Ausschluss Konfliktberatungen) und ggf. deren Partner
Beratungsziele: Steigerung der Motivation zum Rauchstopp, Sensibilisierung für die Thematik Passivrauchen
02 Wie es untersucht wurde
Inhaltlicher Rahmen: Tabakkonsum in der Schwangerschaft
Das Schwierigste: der Einstieg in das Gespräch Dokumentation
Sechs Monate später: telefonische Befragung der
Teilnehmerinnen der Kurzberatung, die ihre Kontaktdaten
W or ks hop
Mit dem Angebot der Kurzberatung adressiert
N= 719
Kein Interesse n= 26 (3.6 %) Kurzberatung erfolgt
n= 693 (96.4 %)
Kontakt- und Erreichungsraten
03 Gewonnene Erkenntnisse
Beratungsaktivität in den Schwangerschaftsberatungsstellen über sechs Monate
Anzahl Beratungen
Jeder Balken repräsentiert eine Beratungsstelle
2 3 4 6 6 8 10 12 12 12 14 14 14
22 26 28 29 30 30 31 33 34 41
62
72 78 86
0 20 40 60 80 100
In 13 SBS1 wurden weniger als 20 Frauen beraten. In vier SBS wurden mehr als 60 Schwangere beraten!
1 SBS= Schwangerschaftsberatungsstellen 03 Gewonnene Erkenntnisse
Charakteristika der beratenen Frauen (n=693) I
85
73
53 42
20
8
0 25 50 75 100
Raucherinnen Rauchstopp vor weniger als 6 Monaten Nie/Exraucherin
Rauchender Partner Rauchen in Wohnräumen in %
03 Gewonnene Erkenntnisse
• Mittelwert Alter= 26.6 Jahre (Spannweite: 14 - 41)
• Partnerschaft: 81.6 % (n=563)
• …davon rauchender Partner in 65.5 % (n = 369)
• Rauchen in Wohnräumen: 20.6 % (n = 136)
• Rauchstatus1:
…53.8 % Nie-/Exraucherin
…30.4 % Raucherin
…15.8 % kürzer als sechs Monate tabakabstinent
• Motivation zum Rauchstopp2
…53.4 % keine
…32.9 % in den nächsten sechs Monaten
…13.7 % in den nächsten vier Wochen
FAZIT 2
• Die Verbreitung des Tabakrauchens unter Frauen, die in die Schwangerschaftsberatung kommen, ist hoch.
• Unabhängig vom Rauchstatus und der Motivation für einen Rauchstopp (!) sind Schwangere aufgeschlossen gegenüber einer Kurzberatung.
• Mehr als die Hälfte der rauchenden Schwangeren ist nicht motiviert für einen Rauchstopp.
04 Was daraus folgt
• Bevölkerungsbasierte und risikogruppenbasierte Ansätze der Ansprache von Familien auf das Thema „Tabakrauchen“/ Reduktion bzw. Vermeidung von Passivrauchbelastung sind geeignet, große Teile der Adressat*innen zu erreichen .
• Voraussetzung für hohe Erreichungsraten ist die proaktive und systematische Ansprache - Selektionsprozesse treten aber auch dann auf.
„Meine Frauenärztin hat mich gefragt ob ich rauche, mehr nicht. Ich hab` schon erwartet, dass sie erklärt, was das mit dem Baby macht. Dafür sind doch Ärzte da, oder?“1
1 aus einem Interview mit einer rauchenden Schwangeren, September 2021
21.10.2021
Nach welchen der folgenden Angebote würden Sie sich erkundigen, wenn Sie Hilfe beim Rauchstopp benötigen oder benötigt hätten?
Sehr
unwahrscheinlich
1 2 3 4 5
Sehr wahrscheinlich
Persönliche Beratung
Gynäkolog*in 23,8% - 9,5% 19,1% 47,6%
Psychotherapeut*in 57,1% 14,3% 9,5% 4,8% 14,3%
Hebamme 14,3% 4,8% 14,3% 14,3% 52,3%
Telefonische Beratung
Telefonisch 57,2% 4,7% 19,1% 9,5% 9,5%
Online bzw. Mobiltelefon Beratung
Foren im Internet 38,1% - 19,1% 23,7% 19,1%
Online Beratung 61,9% 4,8% 19,1% 4,8% 9,5%
App 52,4% 14,3% 19,5% 4,8% 9,5%
Ich freue mich auf Ihre Anmerkungen oder Fragen jetzt oder auch gern zu einem späteren Zeitpunkt…
Sabina Ulbricht
Walther-Rathenau-Str. 48, 17475 Greifswald Telefon: +49 (0)3834-867732,
Email: sabina.ulbricht@med.uni-greifswald.de
Universitätsmedizin Greifswald * KöR Prof. Dr. Sabina Ulbricht Institut für Community Medicine Abteilung Präventionsforschung und Sozialmedizin Walther-Rathenau-Str. 48 *17475 Greifswald https://www2.medizin.uni-greifswald.de/prevention/e