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Zu „Melupum".
Von D. Simonsen.')
Herr Prof. E. Nestle hat oben S. 597—600 anf die Tatsache
aufmerksam gemacht , daß der Terminus Melupum [gewöhnlich :
Melö-pum, auch: Male-pum] verschiedentlich angewandt wird.
Meistens braucht man Melö-pum als synonym mit Cbölem , so
schon in der Massora, wenigstens wie sie uns jetzt vorliegt, bei
B. Salomo Jizchaki (Raschi), seinem Enkel R. Salomo b. Meir u. a.
bis zu Gesenius-Kautzsch.^) Nestle fand aber zu seiner Verwunderung, daß die ersten christlichen Kenner des Hebräischeu in Deutschland, Conrad Pellican und Petrus Nigri, „die auf jüdischem Grunde bauen'
(S. 600), unter Mellupim (resp. Meluppim) unser Schurek ver¬
stehen und den Namen Schurek für unser Kibbuz verwenden.
Er hat übersehen, daß derjenige Gelehrte, der uns am besten über
den Stand jener Dinge zur Zeit der Renaissance Aufklärung geben
kann, Elia Levita „der Deutsche", uns auch hier nicht im Stich
läßt. Elia schreibt in der lehrreichen dritten Vorrede zu seinem
„Massoreth Hammassoreth" (Meyer-Semlersche Übersetzung,
Halle 1772, S. 73): „Wir Deutsche nennen dieses [in]'') did Nbn,
ich weiß aber nicht, wo es herkommt; denn in allen Büchern von der
Grammatik und Punkten findet man nicht, daß es so genannt wird ;
sondern Schurek, und wir [d. h. wir Deutschen] nennen dieses N
Schurek, die Grammatiker aber nennen es drey Punkte oder Kibbutz;
das gewöhnliche*) ist D-DDO yi3''p, einige sagen DID yi3-'p'.*) [1) Dieser Aufsatz deckt sich inhaltlich in allem Wesentlichen mit dem vor-- anstehenden Bacherschen Aufsatze, der wenige Tage früher bei mir eingetroffen war. Ich habe ihn trotzdem gleichfalls aufgenommen, einmal weil mir gerade diese Übereinstimmung der beiden Gelehrten beachtenswert erschien, sodann weil er doch auch allerlei enthält, was boi Bacher fehlt. Der Rodakteur.]
2) 26. Ausg. 1896 § 8 d, wie ich zur Ergänzung von Nestle 1. c. 598 bemerke. Auch bei Gesenius, Lehrgebäude , bei Hupfeld und bei Böttcher hätte If. den Namen gefunden.
3) IN in der ijbersetzung ausgefallen, aus dem Texte zu ergänzen.
4) Genauer: das Ursprüngliche.
5) Obwohl es gar nicht hierber gehört, darf ich vielleicht bemerken, daß die Anwesenheit orientalischer Priester beim Laterankonzil z. Z. Leo's X., von der
in einem sich anschließenden Aufsatze Nestle's gesprochen wird
808 Simonsen, Zu „Melupum'^.
Nigri und Pellican haben also einfach wiedergegeben, was ihre
deutschen jüdischen Lehrer ihnen beigebracht haben , während
Reuchlin (zit. S. 599), welcher hebräische Grammatik unter der
Anleitung von sefardisch-italienischen Lehrern studiert hatte, Schurek
und Kibbuz verwendet, wie jetzt gebräuchlich. Die Scheidungs¬
linie ist also zunächst nicht konfessionell, sondern national zu
ziehen. Auch die deutsche Übersetzung des „Sittenbuches' (Isny
1542) sagt in der angehängten Schreiblebre , daß das 1 sowohl
Melupum [= ü] als Cholem [au] repräsentiert, wenn man Deutsch
mit hebräischen Buchstaben schreibt. ')
In der Polge verschwindet laut Nestle's Nachweis (vgl. Anm. 1)
der Name niENb73 ganz bei vielen christlichen Hebraisten oder wird
als Synonym für Cbölem bei Einzelnen genannt. Bei einer Anzahl
von jüdischen Hebraisten verbält es sich ebenso,-) da ja auch hier
wie bei den Christen der Kimchi-Levitasche Einfluß sich geltend
machte. Da aber bier außerdem die „deutsche" Tradition fort¬
lebte, schwindet der Name Melupum für Schurek nicht ganz. So
spricht der Pole Ahron Moses b. Zewi in seinem m2573 briN (Zolkiew
1765) wohl von Schurek, fügt aber hinzu, daß „wir es mesbU
nennen' und von Kibbuz „das wir Schurek nennen". Auch der
Deutsche Moses Höchheim benutzt in seinen Noten zu D. Kimchi's
Grammatik und in seinem nnin ncU3 (Pürth 1790) die alten in
Deutschland gebräuchlichen Termini, so auch Isak b. Samuel aus
Posen (pn2f n^Tü Prag 1627) und der Niederländer Meir Polak
(pfflbn n^n: iiNn Amsterdam 1812). Schalom Cohen (lifflb nnn
n-'iay Berlin 1802 und oft) hat für i die Namen in biu pillia
ma Nbn, für — yiap ",n pp pniB.
Vielleicht hilft uns das zu allerletzt erwähnte, das von Nestle
ans glicht gezogene Melupum-Rätsel zu lösen, ürsprünglich zählt
man ja nur 7 hebräische Vokale und der Name pnia umfaßte auch
unser Kibbuz, wie umgekehrt auch das in der Massora vorkommende
D-nco yiap oder QirEia ynp unser Schurek mitbezeicbnen konnte.^
(S. 603), in der genannten Vorrede von El. Levita (Meyer-Semlersche tjber¬
setzung S. 66 f.) erwäbnt wird. — Den ev. Verfasser der von Nestle gewünscbten Monographie über Teseo Ambrogio verweise ich betreffs des 1. c. erwähnten „Rabbi"
(= Samuel Zarfati) und dessen Sohn Josef Gallus auf Vogelstein und Rieger, Gesch. der Juden in Eom, II. S. 84/85. Abdias ist wohl Obadja Sforno, Reucblin's Lehrer, und Aron vielleicht der Vater des Rabbiners Abraham b. Aron (Vogel¬
stein und Rieger, 1. c. S. 97). Abraham a balmis ist bekannt genug. Dns Werk
des Albonesius wird von Azarja de Rossi in seinem HN73 benutzt, s.
Cassel, Index zu ed. Wilna 1866 s. v. •'OilND IN-'S^'Ü.
1) Siehe Güdemann: Geschichte d. Erziehungswesens und d. Cultur d.
Juden in Deutschland w. des XIV. u. XV. Jahrh. Wien 1888, p. 281, wo
Melupum zu lesen.
2) M. = Ch. z. B. bei Amheim, Berlin 1872. Eine reichhaltige Aufzählung der verscbiedenen Vokalnamen bei Leon Reggio, Grammatica ragionata della 1.
Ebr. Livorno 1844, S. 8, Anm.
3) Vgl. Bacher's „Anfänge" zitiert von Nestle. Die Angaben Bacher's Uber
Simonsen, Zu „Melupum". 809
Dann kam Joseph Kimchis Einteilung in 10 Vokale, 5 lange und
5 entsprechende kurze. Er selbst schrieb: „Schurek mit Waw' und
.Schurek ohne Waw' (piDT 'o ed. Bacher S. 17 Z. 11; s. Varr.!),
aber die Namen, wie wir sie kennen, Schurek und Kibbuz, setzten
sich im Allgemeinen durch (während bei Chirek der gemeinsame
Name blieb). Der Terminus Kibbuz war jedoch unglücklich gewählt,
weil dieser Name im Gegensatz zu allen andern Vokalnamen nicht
akrophonisch ist, was besonders beim Kinderunterricht eine große
Eolle spielt. Wir sehen , daß deshalb z. B. der obengenannte
Schalom Cohen') eine Form yiap hat, die aber schon der Form
nach gänzlich unhebräisch ist, da man weder im Alt- noch im
Neubebräischen eine Bildung kuttul kennt. Die „Deutschen' —
•wohl deutsche Kinderlehrer — nahmen das, für Cholem im Grunde
überflüssige, mc a.bi2 in Gebrauch, und nach der Bedeutung
dieses Wortes mußte es bei der Namenverteilung für unser Schurek
„das vollmündige' 2) verwandt werden und dann der alte Namen
Schurek, der ja von altersher auch unser Kibbuz mitumfaßte, jetzt
speziell für diesen Laut. Aus Melopum wurde dann akrophonisch
Melupum.^
Der Ausgangspunkt Nestle's war aber, daß in einem jüngst
erschienenen Werke des Herm Lehrers Adler Melupum für unser
Kibbuz gebraucht wird, während Schurek = i ist. Woher die
Terminologie stammt, weiß ich nicht, vielleicht ist sie Adler's Er¬
findung. Jedenfalls läßt sie sich leicht mit Obigem kombinieren,
nur daß man hier von dem Klange des zu wählenden Vokalnamens
ausgegangen ist, indem dieser für Adler's System ausschlaggebend
ist.*) Denn im „Schurek' hört das Kind das gedehnte ü, im Melupum
das kurze ü.
die Terminologie bei Jehuda Hajjüg (S. 600) hätten nieht zitiert werden sollen, obne auf die jetzt aus den arabischen Texten H.'s zu schöpfende Belehrung hinzuweisen.
1) Und schon vor ihm nicht nur Ben-Seeb in seiner oft gedruckten Grammatik """lay "pffib TlttSD, sondern auch z. B. Danz und Simonis.
2) Vgl. de Balmes a-)3N n:pn, Venedig 1573, I. e. v. über DIB NbM.
Ebendaselbst hat er für Kamez Chatuf den Namen DIO NbW y^p-
3) Eigentümlich ist die Mitteilung des portugiesischen Grammatikers David ibn Jachja, daß man „im ganzen Westen der islamischen Länder" Cholem und Schurek in der Aussprache nicht unterscheide. (D'^TT^b ^ITZjb ed. Con¬
stantinopel 8b: Nü37:n D'^b-i-ian ds-'N bN^wiij-' y-iN 3i5>n baa n:m
abinil ya pniani). Für unsere Frage ist diese Erscheinung doch kaum
■von Bedeutung.
4) In so fern geht das Adlersche System auf das Wesentliche der ältesten Vokalbezeicbnung zurUck. — Daß DO in der Bibel immer defektiv geschrieben, dürfte für die von Adler befolgte Terminologie nicht ausschlaggebend sein. Ich mache darauf aufmerksam, weil die Buxtorfsche Konkordanz ein falsches DIO hat.
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810 Nestle, Zu „Melupum".
Zur Ergänzung der dankenswerten voranstehenden Mitteilungen
von Bacher und Simonsen nur noch eine ganz kurze An¬
merkung.
Daß in Gesenius-Kautzsch die von mir S. 598 vermißte Be¬
lehrung zu finden ist, hat schon Simonsen nachgetragen. An die
von ihm ausgesprochene Vermutung, daß Adler einer Termino¬
logie eigener Erfindung sich bediene, konnte ich bei einer
didaktischen Studie eines israelitischen Lehrers nicht denken ; nach
den Nachweisen von Bacher und Simonsen ist wohl kein Zweifel
mehr möglich. Das Bild, das bei Adler die betreffenden Vokale
und ihre Namen einprägen soll , zeigt einen Unterarm mit einer
Uhr in der Hand. Der Arm stellt das ,Wow" dar, die Uhr den
Punkt des „Schuruk". Dann heißt es S. 17 wörtlich : „Die Zeiger
derselben haben an beiden Enden Verdickungen, bilden einen ge¬
streckten Winkel und in dieser Richtung zusammen mit dem gemein¬
schaftlichen Mittelpunkt die drei schräg von links nach rechts
liegenden Punkte des Melupum". Adler braucht also „Melupum"
als anscheinend ganz selbstverständliche Bezeichnung für das , was
wir Qibbus nennen. Wie das möglich ist, ist mir nach den Mit¬
teilungen von Bacher und Simonsen jetzt vollends rätselhaft.
Eb. Nestle.
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Zwei türkische Inschriften.
Von Georg Jacob.
Schon im 53. Bande dieser Zeitschrift tat ich S. 622 eines
Grabsteins bei Brussa Erwähnung, dessen Inschrift ich seiner Zeit
unter ungünstigen Verhältnissen kopierte und von deren Veröffent¬
lichung mich bisher namentlich zwei zweifelhafte Stellen abhielten.
Graf Eberhard von Mülinen, dem ich diese Kopie mitteilte, wußte
meine Zweifel durch überzeugende Konjekturen zu heben und hatte
außerdem die Freundlichkeit mir durch gütige Vermittelung des
türkischen Botschafters zu Berlin eine neue Kopie des Steins zu
beschafifen, so daß der Herausgabe jetzt keine Bedenken mehr ent¬
gegenstehn. Die Vorderseite des Grabsteins zeigt folgendes Gazel
in 7 Kemelversen :
^^^MMÖjJ CiOj^ tO>^jLMj>- jlXj! JAj li^JtXO (ji-äj 1
^a*8l>jJ vi^juäs» jlXJAJj! (».^^
u^.4JLjI l wl. t "l ^L\iXt.< >OJijJ*0 2 I^^BiJ*^ OjAjiaJ »jiSjC ^J^fC jIj! iJoL^
^bCif JiJ ^jJ,! ■')^L«iLj xL! ^^Ljwt xxi^ 3
j^^io^ oJUi Vl^^ ^5Laä*mI (ji-*^
^ ^ojjf «)ÖU> y 4
'^jy^ l5'^' ^jbj^l>^
*)^jS>-»S' [j]iXSieM.:>- ßyoj uJjjjOoLj zJäwc 5
^^moOjJ ci»-»J^ »lXX^Xj!
1) Für tJCi-!^.
3) Für i5Lt5>-.
2) Für i^/umÜLj.
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