Bücherbesprechungen
Wilhelm Schmidt: Der Ursprung der Oottesidee. Eine historisch-kritische
und positive Studie. XI. u. XII. Band. Aschendorff'sehe Verlagsbuch¬
handlung, Münster i. W. 1954, 1955. — Band XI. Die asiatischen Hirten¬
völker. Die primär-sekundären Hirtenvölker der Jakuten und der Sojoten-
Karagassen sowie der Jenisseier und die Synthese der benachbarten
Nicht-Hirtenvölker. XXVII, 734 S. Geb.DM. 50.- BandXII. Syntheseder
Religionen der asiatischen und der afrikanischen Hirtenvölker. Hsg. von
Fritz Bornemann S.V.D. LX, 960 S. Geb. DM. 67.50.
Mit den Bänden XI und XII liegt das Monumentalwerk P. W. Schmidts
JDer Ursprung der Oottesidee abgeschlossen vor, — wenigstens äußerlich
abgeschlossen; denn nur den XI. Band hat Schmidt selbst noch zum Druck
gegeben und fast ganz korrigiert, bevor der Tod ihm die Feder aus der Hand
nahm, der XII. Band hingegen ist von Dr. Fritz Bornemann fertig redigiert
worden nach einem Manuskript, das im großen und ganzen schon 1942 fertig
vorlag, dann aber doch immer wieder von Schmidt ergänzt und umgearbeitet wurde, und das nunmehr gewiß nicht in der Gestalt vorliegt, die er selbst ihm
gegeben haben würde. Der rastlose Gelehrte ist darüber Ende 1954 hinweg¬
gestorben, im Alter von nahezu 87 Jahren.
Der größere Teil des XI. Bandes ist der Darstellung der Religion der
Jakuten gewidmet. Von anderen türkischen oder turkisierten Volkstümern
werden behandelt die von Haus aus tungusischen, aber jakutisierten Dol-
ganen (ganz kurz), ausführlich die Sojoten und Karagassen, sowie schließlich die konventionell zu den ,, Paläoasiaten" gerechneten Jenissejer, die man früher irreführender Weise ,,Jenissej-Ostjaken" genannt hat. Der XII. Band
bietet eine große Anzahl resümierender und zusammenfassender Kapitel
über die Schöpfungsmythen innerasiatischer Hirtenstämme (besonders die
sog. Tauchmotiv-Mythen), über das Höchste Wesen, andere höhere Wesen,
Seele, Bestattung, Jenseits imd (sehr ehigehend) Schamanismus. Urnen
reihen sich an vergleichende Kapitel über die Religion innerasiatisoher und
afrikanischer Hirten. Natürlich gibt es dabei viele Wiederholungen von
Material, das bereits in früheren Bänden des Gesamtwerks geboten worden
ist: Thema und Variationen.
Wie bei den früheren Bänden des Ursprungs der Oottesidee, liegt auch bei
diesen beiden Schlußbänden der Hauptwert in dem dargebotenen Stoff, in
den überaus umfangreichen und genauen Kompilationen aus großenteüs
schwer zugänglichen Quellen tmd in der systematischen und übersichtlichen Art, wie dieser Stoff gegliedert wird. Zur , .Lektüre" geeignet sind diese Wälzer nicht; unentbehrlich aber sind sie für jeden Forscher, der in Zukunft
einzelne Problemkomplexe (wie etwa den des ,, Höchsten Wesens" oder des
Schamanismus) kulturhistorisch oder psychologisch bearbeiten will, tmd der
dann die pedantische Genauigkeit und Ausführlichkeit dieser Materialaufbe¬
reitungen ebenso dankbar anerkennen wird, wie der blosse Leser unter der
Last des Gebotenen stöhnt. Für außerordentlich wertvoll halte ich nament-
lieh die in beiden Bänden erschlossenen eingehenden Mitteilungen über den Schamanismus sibirischer Stämme.
Anders steht es um die theoretischen Voraussetzungen, von denen Schmidt
ausgeht. Wenn man den unermüdlichen Fleiß, die Fülle des Erarbeiteten
und die unwandelbare Überzeugungstreue des jetzt dahingegangenen Ge¬
lehrten Schmidt bewundern muß, so darf doch nicht verschwiegen werden,
daß seine ethnologischen und religionshistorischen Grundanschauungen nach
wie vor kontrovers sind. Schon die ethnologischen Ghederungsprinzipien,
die Zusammenstellung der jeweils behandelten Volkstümer, die Unter -
scheidimg von primären und sekimdären (sowie „primär-sekundären") Hirten u. a m. sind problematisch; dasselbe gilt auch etwa für die Behaup¬
tung ,, älterer" und ,, jimgerer" Versionen sowie Mischversionen des soge¬
nannten jakutischen Nationalepos', über das Schmidt sich eine ganz be¬
stimmte Auffassung gebildet hat. Auch ist zu bedenken, daß uns die Religi¬
onen der sibirischen Eingeborenen nur sehr lückenhaft bekarmt sind, und
daß es sich meist nicht um Texte in Ursprachen, sondern um russische oder
deutsehe Wiedergaben handelt, so daß systematische Zusammenfassungen
schon darum fragwürdig sind. Schließlich bleibt die Frage, ob nicht die Ver¬
suche, mythische Überlieferungen, die (wie alles Mythische) nur selten logisch kohärent sind, logisch zu „integrieren", verfehlt sei, und ob nicht hier des
Guten etwas zu viel getan sei an Systembildung und rationalistischer Kon-
sequenzmacherei. Wiederholt begegnen wir auch einer Neigung des Verfassers, seüie Gewährsmänner zu „korrigieren" (XI 70, 240f.). Der Einfluß christlich theologisierter Denkformen macht sich mitunter geltend in der Darstellung der „Höchsten Wesen" z. B. bei den Jakuten, wobei allerdings die unter¬
laufenden Ausdrücke wie „Allwissenheit" oder ,, Allgegenwart" z.T. wohl
schon in den benutzten ethnographischen Quellen stehen. Im XII. Bande ist
— wie auch schon in früheren Bänden — von ,,Simdenfall-Mythen" die
Rede. Hier wäre m. E. erstens zu prüfen, ob die strulitmellen Übereinstim¬
mungen mit dem biblischen Sündenfall so stark sind, daß die gleiche Be¬
zeichnung wirklich gerechtfertigt ist; zweitens müßte dann, im Falle positiver Antwort, untersucht werden, ob christliche (direkt-missionarische oder indi- rekt-filtrierte) Beeinflussung vorliegt. Die erste Frage hat Schmidt sich gar
nicht gestellt, die zweite beantwortet er zu leichthin in negativem Sinne.
Keinesfalls geht es an, bei missionierten oder offiziell sogar christianisierten
Volkstümern die Frage christlicher Beeinflussung einfach aus dem Spiel zu
lassen. Die Vergesellschaftung mit russischen Kolonisten ist bei allen behan¬
delten sibirischen Stämmen intensiv, besonders bei den Jakuten, von denen
wir ja direkt wissen, daß russische Handelsleute in ihnen aufgegangen sind. —
Merkwürdiger Weise scheint Schmidt die offensichtlich christliche Beem¬
flussung einer Variante des jakutischen Epos entgangen zu sein (XI 245):
Der Spruch ,,Der Vogel hat sein Nest, das Tier hat sein Lager und seine
Höhle, und ich habe keine Wohnimg" entspricht Luk. 9,58.
Eine vollständige Würdigung der in den beiden Bänden vorliegenden
Leistung ist an dieser Stelle nicht möglich. Der Referent möchte nochmals
hervorheben, daß trotz aller möglichen Einwände gegen Schmidts Inter¬
pretationen im einzelnen ,Der Ursprung der Oottesidee' ein unentbehr¬
liches Werk bleibt für jeden Forscher, der religionsphänomenologisch oder
-vergleichend arbeiten will. Die Benützung auoh der beiden Schlußbände
wird erleichtert durch vorzüghche Register.
Wilhelm Emil Mühlmann, Mainz
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T. W. Thackee: The relationship of the Semitic and Egyptian verhol systems.
Oxford, Clarendon Press (1954). XXVI, 341 S., 42 sh.
„Der Versuch. . . einer Gesamtvergleichung dieser Sprachen. . . beschränkt sich auf die Gegenemanderstellung der wesentlichsten flexivischen Formen.
Sehl Resultat ist, daß die ägyptische Sprache in dieser Rücksicht auf einer und derselben Basis mit den semitischen steht, daß aber diese beiden Seiten
der einen, ihnen zu Grimde liegenden, Muttersprache sehr früh, noch lange
vor Fixierung der allermeisten flexivischen Formen, sich voneinander getrennt und die gemeinschaftlichen Basen individuell weiter entwickelt haben". So
formulierte 1844 Theodor Benfey das Ergebnis seines damals notwendig
mit unzureichenden Kenntnissen unternommenen Versuchs, das Verhältnis
zwischen dem Ägyptischen und dem semitischen Sprachstamm zu klären.
Seither sind die Voraussetzungen für eine Behandlung des Problems bei
allen zugehörigen Eüizeldisziplinen ungleich besser geworden. Seine Lösung
steht aber noch aus. Gerade 110 Jahre nach Benfe ys Versuch erschemt das
hier anzuzeigende Buch des Semitisten an der Universität Durham, T. W.
Thacker. Die Abgrenzung des Themas zeigt der Titel an. Die ihm mit Recht
als ausschlaggebendes Vergleiohsmoment dienenden sprachlichen Erschei¬
mmgen sind die Verbalsysteme ; der hamitische Sprachstamm ist in den Ver¬
gleich nicht mit einbezogen. Da trotz der intensiven Einzelforsohung das
Material noch nicht unmittelbar vergleichbar ist, sieht sich Thacker ge¬
zwungen, der eigentlich vergleichenden Untersuchung einen umfänglichen
Teil I mit dem Titel Studies in the vocalization of Egyptian verb-forms voran¬
zustellen, in dem zwar die Frage der Vokalisation im Vordergrund steht, aber darüber hinaus ein durchaus neues Licht auf Erscheinungen der ägyptischen
Wortlehre geworfen wird. Es kann hier wie an anderen Punkten des Buches
nicht Aufgabe des Rezensenten sein, Einzelheiten kritisch darzulegen;
Thackers eigene eingehende Forsehung in dem Material erscheint in so vie¬
len neuen Auffassungen und Betrachtungsmöglichkeiten, daß hier nur weniges
hervorgehoben werden kann und vieles der einzelwissenschaftlichen Aus¬
einandersetzung überlassen werden muß, die allenthalben Anregungen und
neue Gesichtspunkte erhält. Dazu gehört aus dem einleitenden Teil I die
nach grimdlicher Untersuchung erschlossene mögliche Verwendung schwacher
Konsonanten als ,, matres lectionis" auch im Ägyptischen, die Darstellung
der Gesetze der Sübenbildung und Akzentuierung; weniger überzeugend
scheinen mir die Ausführungen über das sog. Aleph prosthetioum und die mit
seiner HUfe erschlossene Überführung der meisten ägyptischen zwehadika-
ligen Verben üi die Klasse der Verba med. y und w. Es ist bedauerhch, daß
zu diesen wie anderen Fragen nicht mehr der 1952 erschienen Orundriß der
akkadischen Grammatik von W. von Soden hat benützt werden können. Das
wirkt sich besonders für den hier sehr kurz behandelten Abschnitt Derived
Themes (S. 86ff.) aus; sowohl von semitischer wie ägyptischer Seite hätte die
Vergleichsbasis nicht unwesentlich erweitert werden können.
Der vergleichende Teil behandelt in neun Unterabschnitten die jeweils
vergleichbaren Formen nach einem festen Schema : Gebrauch — Struktur —
Herkunft für beide Sprachzweige getrennt; dann Vergleich der Ergebnisse.
IDie Unterabschnitte teilen sich auf in Behandlung der flektierten mid nicht-
fiektierten Formen unbegrenzter Anwendbarkeit (universal application) ;
primärer finiter Formen begrenzter Anwendbarkeit (lünited application);
sekundärer finiter Formen in Haupt- und Nebensätzen; Verbalnomina (Sub¬
stantive und Adjektive) ; Ausdruck des Passivs. Es bedarf dieses abstrakten
großräumigen Schemas, um das Vergleichbare an im einzelnen oft verschiede¬
nen Formen sichtbar zu machen. In der Anwendung eines derartigen Ord¬
nungsschemas scheint mir bereits ein großer Gewinn des Buches zu liegen.
Ohne die Ausführung des Schemas hier ün einzelnen wiederzugeben, möchte
ich besthnmte Punkte herausheben, die methodisch bedeutsam erscheinen
oder einzelsprachliche Erscheinungen in ganz neuem Lichte zeigen.
Als inflected form of universal application stehen das semitische Permansiv/
Perfekt und das ägyptische „Alte Perfekt" zusammen. Ihre Struktur und Ge¬
brauch weisen sie als nächst verwandt aus, beide auf einer Grundform
*qätil j *sädm^ fußend. Der Gebrauch als westsemitisches aktives Perfekt
bedeutet eine Spezialisierung und Einengung gegenüber dem dem Ursprung
näher stehenden Gebrauch im Akkadischen und Ägjrptischen. Allerdings
läßt sich das Alter der Form nioht mit gleicher Sicherheit in beiden Spraoh-
zweigen nachweisen. Für das Semitische bringt Thacker die von Driver
zusammengestellten Argumente, die die Form als älteste finite Verbalform
deuten. Diese Argumente gelten aber für das Ägyptische mit seiner anders
verlaufenden Formentwicklung nicht ün gleichen Umfang. Außer der syn¬
taktischen Verwendung als Alterskriterium in der Sprachentwicklung wäre
für eine Einstufung des ,, Alten Perfekts" im Ägyptischen eine vergleichende
Analyse der Endungen der 1. und 2. Person mit den ägyptischen Personal¬
pronominalreihen mindestens ebenso wichtig. Die von Thacker in einem
Anhang gegebene Untersuchung der Endungen betrifft im wesentlichen ihre
Vokalisation und ergibt die überzeugende Feststellimg, daß bei ihren Schrei¬
bungen auffällig häufig Vokalandeutungen anzutreffen sind. Daraus aber
ergibt sich die Frage, warum das Ägyptische gerade bei dieser Form in un¬
gewöhnlicher Ausführlichkeit (z. B. bei der 2. Pers. plur.) den vokalischen
Gehalt der Endungen wiedergibt. Von diesem orthographischen Gesichts¬
punkt her könnte an dem geforderten hohen Alter des ,, Alten Perfekts"
wohl gezweifelt werden. Diese Überlegungen sind nicht nur allgemein für die
Auffassung des ägyptischen Sprachtyps von höchster Bedeutung, sondem
auch für Thackers weitere Darlegung der ägyptischen Verbalformen. Denn
von dieser dem Grundbestand zugeschriebenen Basis *sddm " leitet Thacker
— sieh hier von den Grammatiken grundlegend unterscheidend — eine Reihe
weiterer Formen ab. So die perfektische sdm.f-Form als *sadm + Nomen
(= zwei im Genitivverhältnis stehende Nominalausdrücke), im Gegensatz zu
Gabdiners Ableitung von einem passiven Partizip (S. 233ff.); ferner das
passive perfektische Partizip als adjektivischen Gebrauch der 3. sing. masc.
des ,, Alten Perfekts" mit der Vokalisation ♦iöd-m" (S. 296ff.); ebenso das
passive sdm(w).f von der 3. sing. masc. und das passive sdm.tw- von der 3.
sing. fem. des ,, Alten Perfekts" (S. 310ff.). Auch hier kaim im Rahmen einer
Besprechung keine ausführliche Darlegung anschließen; nur sei für das tw-
Passiv auf die Ausführungen W. Westendorps {Der Gebrauch des Passivs in
der klassischen Literatur der Ägypter, Institut für Orientförschung 18, Berlin
1953, S. 79ff.) hingewiesen, der — auf einer früheren Bemerkung Junkers
fußend — in dem Element twjtj ein sonst nioht belegtes Substantiv allgemei¬
ner Bedeutung ,, Körper, Person o. ä." vermutet.
Anders liegt die Möglichkeit des Vergleichs bei der als „uninflected form of universal application" bezeichneten Verbalform. Auf semitischer Seite wird sie vertreten durch den absoluten Infinitiv des Hebräischen, Ugaritischen
und Phönikischen, mit einem als Imperativ verwendeten Überbleibsel im
Arabischen. Als ihre Grundform wird *qatdl erschlossen, das m einzelsprach-
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lieber Entwicklung Formschema für ein infinitivisches Verbalnomen abgab.
Wegen der Tatsache, daß diese Grundform weder einer Wortklasse (Verb
oder Nomen) noch irgendwelcher grammatischer Kategorie zugerechnet wer¬
den kann und denotes the mere aetion of the verh without any limitation of time,
■person or state, räumt ihr Thacker ein noch höheres Alter als dem Permansiv/
Perfekt ein. Läßt sich im Ägyptischen eine Verbalform mit gleichen Kenn¬
zeichen entdecken ? Thacker glaubt, eine Reihe von Verbalformen auf einen
solchen ,, zweiten Infinitiv" zurückführen zu können, dessen Vokalisation (auf Grund der Schreibungen der Ilae gem.) als *s" = ddm erschlossen wird:
Es sind das die Basen der sdm.Jc'jinjhr.f-Form, der sdm.tj.f j-Form, das soge¬
nannte negative Komplement (erweitert um die Adverbialendung -w) ; ferner
könnte ein selbständiger Gebrauch noch im Mittelägyptischen bei endungs-
und subjektlosen Verbalformen vorliegen (z. B. bei Verbaheüiungen) ;
schließlich könnte dieser Infinitiv noch den durch das Koptische belegten
Infinitivformen der intransitiven Verben (Typ: NCQOT) zugrundeliegen,
deren Vokalisationsschema jedenfalls dem erschlossenen *s" = dam entspricht.
Freilich unterscheiden sich semitische Sprachen imd Ägyptisch hinsichtlich
des Gebrauchs dieses Infinitivs insofern, als er im Ägyptischen weder als
inneres Objekt noch als Imperativ verwendet wird, andererseits die als
irmeres Objekt gebrauchte inflnitivähnliehe Form (Typ der 3 radik. : ädm.t) offensichthch nichts mit dem ,, zweiten Infinitiv" zu tun hat.
Unter den primary finite forms of limited application nehmen die Präfor-
mativkonjugationen auf semitischer Seite und die Mm.f-Formen auf ägypti¬
scher breiten Raum ein, nicht nur wegen des jeweiligen Formenreichtums,
sondern auch wegen der offensichtlichen Mittelbarkeit des Vergleichmög¬
lichen. Denn eine formal dem Semitischen entsprechende, mit Präformativen
gebildete Konjugation hat es im Ägyptischen nie gegeben (S. 224). Das Ver¬
gleichbare liegt im jeweiligen Alter der Formen (jimger als der absolute In¬
finitiv, das Permansiv/Perfekt und der Imperativ), ihrer ursprimghchen An¬
zahl und Bedeutung. Für das Protosemitische erschließt Thacker drei
Grundformen: a) *yaqdttal für die dauernde und unvollendete Handlung;
Td) *ydqtul, jede Handlung bezeichnend, spezialisiert sich auf vollendete
Handlung; c) *yaqtül für Befehl, Wimsch usw. Ihnen entsprechen im Ägyp-
-tischen: a) *s" =d^m = m'f y *s'' = d'' = m'f &hi imperfektische Form;
b) *S^d = m7 das perfektische sdm.f; c) *i"d = w^/, das prospektive sdm.f.
Als Basen der drei parallelen Konjugationen, von denen sie in verschiedener
Weise gebildet süid, nennt Thacker für (b) (als die älteste unter üinen) das
I»ermansiv/„Alte Perfekt"; für das nächstjimgere (a) jeweils eüie Wieder-
bolimg und Dauer ausdrückende Nommalform, die durch Verdoppelung des
2., bzw. 3. Radikals gekennzeichnet ist; für die jüngste (o) einen Imperativ.
Auf diese Weise werden auch diese unmittelbar nicht vergleichbaren Konju¬
gationen als parallele Büdimgen von eüiem gemeinsamen Formbestand aus
vergleichbar.
Die Beispiele mögen zeigen, wie die Vergleichsbasis für die einzelnen
Formenreihen jeweils dem Befmid angemessen neu erarbeitet werden und
welche Fülle neuer Anschauungsmöglichkeiten sich aus Thackers Unter¬
suchungen ergeben. Leider fehlt die übliche Kennzeichnung erschlossener For¬
men durch einen Stern, so daß auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich
ist, welche Form einzelsprachlich sicher belegt ist. Das oben angegebene
Ordnungsschema beinhaltet im weiteren als Vergleichgruppen die Imperative,
den semitischen Energicus zum ägjrptischen sdm-k^jinjhr.f und sdm.n.f, den
42 ZDMG 107/3
Subjunktiv zu den Relativformen, die Infinitive, die Partizipien imd schlie߬
lich die Möglichkeiten, das Passiv auszudrücken. Das Schlußkapitel resu-
naiert die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen, wiederum in dem gleichen
symmetrischen Schema aufgebaut wie jene. Als Tatbestände, aus denen das
historische Verhältnis der beiden Sprachgruppen erhellt wird, wird die nahe
Verwandtschaft der Grundformen herausgestellt, die zugleich auf beiden
Seiten dem ältesten Bestand angehören : Das Permansiv/Perfekt *qdtü und
das ,,Alte Perfekt" *äddm'^; der absolute Infinitiv *qatäl und der ,, zweite Infinitiv" *s"rfäm; die Imperative ^q^t'l und *s^d"m. Aus diesen Grund¬
formen sind auf beiden Seiten selbständig, aber mit einem offensichtlichen Parallelismus in den Ausdruckstendenzen und mit teilweise gleichen Mitteln weitere Konjugationsformen entwickelt worden, die z. T. mittelbar vergleich¬
bar sind (wie Präformativkonjugationen und sdm.f), z. T. nur in einzelspraoh- licher Entwicklung auftauchen (wie auf ägyptischer Seite die sdm.kijin/hr.f- Formen; auf semitischer Seite die Vielheit der abgeleiteten Verbalthemen).
In der Einleitung waren drei Arten der Verwandtschaft als theoretisch mög¬
lich formuliert; am Ende entscheidet sich Thackeb nach Erwägung aller
Gesichtspunkte für die dritte Möglichkeit : The Semitic and Egyptian verbal systems are offshoots of the same parent system. They parted at an early and incomplete stage of development and continued their growth each along its own
lines. Ebebhaed Otto, Hamburg
Chables Pellat: Textes Berberes dans le parier des Ait Seghrouchen de la
Moulouya. Collection do Textes Berberes Marocains II. Institut des
Hautes ißtudes Marocaines. Paris, Editions Larose, 1955. 175 S. 4".
Die vorliegende Publikation linguistisch mid folkloristisch interessierender
Diktate aus dem Munde von Angehörigen des bisher nur wenig behandelten
Nordberber-Stammes der Ait-SeyruSien bildet eine höchst wertvolle Er¬
gänzung der sprachwissenschaftlichen Materialien für die berberische Dia¬
lektologie. Speziell die lautlich ausgezeichnete Wiedergabe des Textlichen liefert eine vortreffüche visuelle Projektion des Hörbildes der genannten
Mundart. Inhaltlich bieten die neuen Texte Bilder aus dem Leben der
Stammesangehörigen (I — X und XXV — XXVII), ansonst überwiegend
Sagen- und Märchenstoffe. Psychologisch haben wir damit Gedankengut
eines an sich traditionsarmen und im Zwang seines Alltags eingeschlossenen
Volksstammes vor uns, wie wir es ja auch sonst bei den Kleinstämmen der
Nordberber gewöhnt sind.
Geschichtlich sind sich die Ait-Seyruääen nach Ausweis ihrer Angaben
heute noch bewußt, daß ihre Vorfahren vorzeiten als sog. ,, Transhumants"
in das Tal des Mulüya — (antik: MoXo^äfl) — eingewandert waren, woselbst
dieselben als Pächter von Ackerboden zum Feldbau übergegangen seien;
durch fortlaufende Abzahlung sollen sie schließlich Grundeigentümer und
damit seßhaft geworden sein. Diese Angaben entsprechen jedenfalls den
landläufig bekannten Tatsachen.
Völlig geschichtsfremd erscheint dagegen die (rein volks-etymologische)
Deutung ihres Stammesnamens „Ait-SeyruSSen", den man auf Grund der
Anklänge der heutigen Sprache als ,, Söhne des Dörre-den-Schakal" erklärt und als Vorgeschichte hierzu eine ziemlich bei den Haaren herbeigezogene
Wunderlegende zugrunde legen möchte. Das Ganze dient bloß dazu, dem
vermeintlichen Namensbestandteil uSsen ,, Schakal" sinngebenden Wert für
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emen vermuteten Ahnennamen „Fais sicher le chacal" zu verleihen (X). Da müßte er aber *'ssyar-uSien geheißen haben.
Historisch dürfte viel eher in diesem zweifellos überlieferten Ahnen¬
namen der gerade unweit jener Gegend bezeugte römische Name Securus
zugrunde liegen. (Cf. R.I.L. Nr. 882, wo ein eingeborener TACNEIDIR
SECURI [Fiilius)] EX [TR(i6i6ws)] MASAISULIS . .. überliefert erscheint.)
Von dieser Basis aus würde sich die Geschichte dieses Stammnamens folgen¬
dermaßen verhalten : Die Nachkommen eines masaisylischen Stammeshäupt¬
lings mit dem römischen Namen Securus hießen damals libysch *securus.i-en d. i. „die Securier" (im Sinn einer römischen „gens Securia"). Die Ange¬
hörigen der dieser Familiensippe zugehörigen Stammesfraktion wurden dann
in weiterer Folge immer nur *Ait-Seyrusen „Sölme der Gens Securia" ge¬
nannt. Mit dem Abreißen aller vorislamischer Tradition standen diese Leute
dann später vor der für sie unmöglichen Aufgabe einer Namensdeutung ihres
Stammes und sie halfen sich nun auf dem Wege nachislamischer Volks¬
etymologie. Soviel hier zur Ergänzung.
Pellat hat der Textsammlung ein sachlich vollständiges und topisch
genaues Glossar angeschlossen, angeordnet na^h der phonetischen Reihen¬
folge der herkömmlichen R. BASSETschen Stammwurzeln. Dadmch ist die
Benützimg des Glossars für Nicht-Berberologen allerdings unmöglich ge¬
macht. Die Feststellung dieser Tatsache soll nun keineswegs eine Kritik
gegenüber der Methode, die Berberwörter sämtlicher Dialekte unter gemein-
berberischen Wurzeln anzuordnen, darstellen, wie das bekanntlich Stumme
getan hat. Nur erscheint es doch notwendig, gewisse Schwierigkeiten zu be¬
denken, wenn es sich um ein ausgesprochenes Dialekt-Glossar handelt wie
hier. In einem solchen Falle würde es sich eher empfehlen, die Einzelnomina in
der Grundform, wie sie dem Dialekt eben entspricht, alphabetisch anzu¬
ordnen und die Verba zwischendurch nach dem ersten Radikal ausgerichtet
mitzuführen. Daneben kann dann immer noch die gemeinberberische Wurzel
angebracht sein.
Im Hinblick auf den rein historischen Wert der Fixierung solcher Wurzeln
erscheint es überflüssig, effektiv nicht-libysches Gut des Dialekts mit zu¬
rechtgestutzten Pseudo-„Wurzeln" ins Glossar einzuordnen, wie z. B.:
[TRFS] „truffes" (S. 112), [KTBR] „octobre" (S. 148), [KYN] „quinme"
(S. 150) u. a. m. Ganz abwegig wirkt in diesem Rahmen eine „Wurzel":
[SBRYR] „fövrier" (S. 143), da man in dem Monatsnamen Sahrair wohl ein
Kompositum *Sehr-brair d. i. „Monat Februar" zu erkennen haben wird. —
Auch zu (fgaun „satt sein; reich sein" (S. 146) brauchte man keine Phantasie¬
wurzel [2WN] zu konstruieren, da es sich hier jedenfalls um eine sekundäre
Verbalbildung denominativer Natur handelt; ein aus früharabischer
Epoche (7.—10. Jh.) her nostrifizierter Nominalausdruck *a-d-sd'bän „einer, der satt ist" (arab. oL^i) bildete im Laufe der Zeit die Lautbasis für einen
sekundären Verbalstamm *'g^aum „reich sein". An solchen Dingen ist uns
nicht gelegen, weil unlibysch.
Mit vollem Recht hat Pellat alle offenkundig arabischen Wortstämme
von der eben genannten libysierenden Wurzel-Konstrulttion ferngehalten
und führt solche einfach in arabischer Schrift an. Das ist, historisch gesehen,
auch der beste Weg. In weiterer Folge müßte mit der Zeit auch das vor¬
islamische Lehngut der Antike (neupunisch, römisch, byzantinisch) im ber¬
berischen Neulibysch von heute bei Anlage von W'urzelglossaren graphisch
ausgeschlossen werden, wie z. B. im Vorliegenden: a-luyzdm „Verrenkung"
42»
(gr. XuYiCT(ji.6i; Verdrehung), adaryal „blhid" (spätgr. aSspxaXo? einer, der nicht sehen kann), ta-imar-t (= ta-gumar-t) ,, Stute, Mula" (byz. t6 das Tragtier) erfordem würden.
Die Analogietypen des neulibyschen Verbums werden bei Pellat zumeist
mit phonetischen Lautformeln bezeichnet, was natürlich auoh angeht, aber
der Erkenntnis historischer Kontinmtät mit den „ursemitischen" Materialien kamn förderlich sein dürfte. So entspräche die Formel „(aju-)" der gewohn¬
teren Bezeichnung I.inf. ; mit „(-aju-)" ist das Verbum ll.-w gekennzeichnet,
während die häufige Formel „(-3//i/u/i-) die zahlreichen Verba Ill.inf. so¬
wie die Il.III.inf. mnfaßt. Unter der Formel „(i/e-B^/R''-'i/3-)" verbergen sich einfach die typischen Eigenschafts- Verba wie izwiy, ihhin, isin usw. So¬
viel mag hier genügen.
Sämtliche eben bemerkten Beanstandungspunkte stellen logischerweise
keine abwertende Kritik an Pellats Publikation dar. Sie richten sich ledig¬
lich gegen die xmbeholfene Methodik der unhistorisch eingefahrenen Ber-
berologen-Tradition, durch welche das auf uns gekommene neulibysche
Spraohgut Nordafrikas mehr verdunkelt als sprachhistorisoh dmchleuohtet wird. Zu der das Bild manches wortarm gewordenen ,,Berber"-Dialekts
trübenden Durchdringung mit volksarabischem Sprachgut kam schließlich
noch die ratlose Scheu europäischer Linguisten vor jedem Blick ins Gebiet
der historischen Semitistik insoweit es sich um das (nur scheinbar) „rätsel¬
hafte" Gebiet der an sich so klar durchsichtigen ,, langue Berbere" handelte.
So lange man aber, außerhalb Frankreichs, weiterhin belieben wird, von
sogenannten „Berbersprachen" zu reden, verbleibt das Neulibysche auch
weiterhin in seiner altgewohnten, vernebelten Isolienmg.
Eknest Zyhlarz, Hamburg
B. B. PiOTRovsKY, P. N. Schultz, V. A. Golovxina, S. P. Tolstov:
Ourartou — Neapolis des Scythes — Kharezm. Traduit du russe par A.
Belkind. L'Orient ancien illustre, publik sous la direction de Ch.
VmoLLEAUD, No. 8. Paris, Librairie Adrien Maisonneuve, 1954. 172 S.,
4 Karten, 32 Abbildungen, kl. 8".
Die unter der Leitung von Virolleaud erscheinende Sammlung L'Orient
ancien illustri, die ähnlich unserem früher bei Himichs (Leipzig) erscheinen¬
den Alten Orient in gemeinverständlicher Form ohne allzu vieles wissen¬
schaftliche Beiwerk ein größeres Publikum über die Ergebnisse und Probleme der altorientalischen Forschung unterrichtet, bietet in ihrem 8. Bändchen
einen knappen, aber vielseitigen Ausschnitt aus den zahlreichen und be¬
deutsamen Funden und Ausgrabungen, die russische Archäologen in der
letzten Zeit in verschiedenen Gegenden der Sowjetunion durchgeführt
haben imd deren Berichte, weil meist russisch geschrieben, in der westlichen
Welt wenig gelesen worden sind. Aus einem größeren russischen Werke über
die alten Kulturen werden hier drei besonders wichtige Artikel in französischer Ubersetzung durch Fräulein Belkind dargeboten.
Der erste Abschnitt von B. B. Piotrovskij behandelt die Erforschung
von Urartu, jenes vorindogermanischen Reiches auf dem Boden des späteren
Armenien, dessen Denkmäler und Urkunden nördlich weit nach Trans¬
kaukasien hineinreichen und deshalb als älteste Kulturdokumente auf heute
sowjetischem Boden immer das besondere Interesse der russischen For-
Bücherbesprechungen 643
schung gefunden haben. Die ersten Seiten geben eine kin-ze Geschichte von
TJrartu und einen knappen Überbhck über die Wiedererschließung der urar¬
täischen Kultur im 19. und 20. Jahrhundert. Dabei werden S. 31f. auch die
neuesten Fimde urartäischer Keilschriften bei Arin-Berd (Öanli-Tapa, im
Süden der sowjetischen Provinz Erivan) aus dem Jahre 1950 erwähnt, die
K. Ohanesjan in den Nachrichten der Armenischen Akademie der Wissen¬
schaften von 1951 zuletzt veröffentlicht hat^. Fast die Hälfte dieses Ab¬
schnitts aber nimmt eine Beschreibung der Ausgrabimgen ein, die Pio¬
trovskij an der Ruinenstätte Karmir-blm- (,, roter Hügel") bei Erivan, der Stätte der urartäischen Stadt Teäebaini^, durchgefühi-t hat und die durch die
Menge und Bedeutung ihrer Funde besonderes archäologisches Interesse
heischen. Tesebaini zeigt in seinen bisher allein ausgegrabenen Magazinen sehr interessante Einblicke in den hohen Stand der urartäischen Zivilisation
auch in dieser nach Norden vorgeschobenen Grenzfestung. Erst durch den
Fall der Burg unter den Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. in Armenien
einbrechenden Skythen wurde dieser kulturelle Hoohstand jäh abgebrochen.
Der zweite Abschnitt führt uns auf die Halbinsel Krim und gehört nicht
eigentlich dem alten Orient an. P. N. Schultz und Frau V. A. Golovkina
geben darin einen hochinteressanten Bericht über die Ausgrabung der sky¬
thischen Hauptstadt Neapolis, die schon früher dem Namen nach bekannt
■war, nunmehr aber dicht östlich von Simferopol räumlich fixiert wurde. Nach anfänglichem Nomadentum waren die Skythen Südrußlands in hellenistischer Zeit zum Teil seßhaft geworden und hatten in Berührimg mit der griechischen
Kultur im 3. Jahrhundert v. Chr. auf der Krim ihre Hauptstadt Neapolis ge¬
gründet, die nach langer Blüte erst durch die Hunnen ihr Ende fand. Eine
trotz griechischer Beeinflussung stark selbständige Kultur taucht hier mit
zahlreichen Fundstücken aus dem Dunkel der Vergessenheit auf, unter
denen das Bas-Relief des schon aus Münzaufschriften bekannten Königs
Skilur mit seinem Sohne Pahak (Abb. 17 S. 73), das des Königs Pahak
(Abb. 18 S. 77) und die Rekonstrulttion des Sarkophags der Königin (Abb. 22
S. 89) besondere Beaohtimg verdienen. In dieser hochentwickelten Kultur
wollen die Verfasser einen der Hauptfaktoren bei der Entstehung der
frühen russischen Kultur erblicken, die also im Lande verwurzelt mid weder
von Byzanz noch von den germanischen Warägern importiert sei.
Der dritte Abschnitt handelt von der Wiedererschließung der besonders
aufsehenerregenden Kultur des alten Chorezm oder, wie die Übersetzung un¬
genau sagt, Kharezm im Süden des Aral- Sees. Er bietet ausgewählte Kapitel
aus einem größeren Werke des erfolgreichen Ausgräbers von Chorezm,
S. P. Tolstov, dessen russisches Original 1948 in Moskau und Leningrad und
dessen deutsche Übersetzung 1953 in Berlin erschienen ist^. Während das
größere Buch ein abgerundetes Bild von Tolstovs Forschungen und ihren
Ergebnissen enthält ■— ein BUd, das freilich nach dem Nachwort (S. 363 der
1 Izvestija Akademii Nauk Armjanskoj SSR, ObSöestvennye naulii, 1951,
Nr. 8, S. 75—88. Vgl. auoh G. A. MelikiSvili im Vestnik drevnej istorii
1953, 3 S. 269 Nr. 138, 4 S. 203 Nr. 164.
2 So die korrekte Form, nicht Tesebani, wie in dem hier besprochenen
IBüchlein immer geschrieben wird.
^ S. P. Tolstov, Po sledam drevnechorezmijskoj civilizacii, Moskau-Lenin¬
grad 1948; Auf den Spuren der altchoresmischen Kultur, Berlin (Verlag
Kultur und Fortschritt) 1953.
deutschen Übersetzimg) durch neue Funde schon wieder zum Teil überholt
ist —, gibt das hier angezeigte Büchlein nur einzelne Kapitel aus dem
reichen Stoffe, die teils solchen des großen Werkes entsprechen, zum größeren
Teile allerdings dort fehlen. Da die chorezmische Geschichte und Kultur
zwar in ihren Anfängen in die Zeit des achämenidischen Persien zurückgeht,
ihre Höhepunkte aber erst im 3. und 4. nachchristlichen Jahrhundert und
im hohen Mittelalter erlebt hat, so kann man sie auch nur mittelbar zu den
altorientalischen Kulturen rechnen.
Vor allem in dem Abschnitt über Urar^u sind mir allerlei Flüchtigkeitsver¬
sehen in der Schreibung der urartäischen Namen aufgefallen, die wohl der
Übersetzerin zur Last fallen und hier nicht alle aufgezählt werden können.
Ungern vermißt man Literaturangaben zum Studium von Einzelfragen. Sie
sind wohl deshalb unterblieben, weil die Spezialliteratur so gut wie aus¬
schließlich ül russischer Sprache geschrieben ist.
Johannes Friedrich, Berlin
Jacqueline Pirbnne : La Qrece et Saba. Une nouvelle base pour la Chronologie sud-arabe. Extrait des Memoires present^s par divers savants ä l'Acadömie des Inscriptions et Belles-Lettres. Tome XV. Paris, Imprimerie Nationale 1955. 108 S., 11 Tafeln, 4».
jyjiie pirenne, eine Schülerin von G. Ryckmans, erweist sich in diesem
Buche als gründliche und verständnisvolle Kennerin des südarabischen Alter¬
tums, der Inschriftenkunde sowohl wie der Archäologie, der Architektur und
der Kunst. Es kommt ihr darauf an zu zeigen, daß einerseits der Übergang
von der älteren Periode der altsüdarabischen Geschichte jünger ist, als man
bisher annahm, und etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. stattfand, und anderer¬
seits, daß in der jüngeren Periode das Griechentum von entscheidendem
Einfluß war. Zu diesem Zweck hat sie ein ungewöhnlich reichhaltiges Material
aus der Kulturgeschichte des Vorderen Orients und seiner Beziehungen zu
den Griechen zusammengetragen und beurteilt. Ich halte es für wichtig, daß
unsere ZDMG von diesem Buche Kenntnis nimmt ; doch kann ich nur dar¬
über kurz referieren, da mir als einem Nichtsabäisten nioht für alle in dem Buche untersuchten Fragen ein selbständiges Urteil zusteht.
Die Verfasiäerin teilt ihr Buch in VI Abschnitte ein. I: XIII*', VIII<= ou V^ siecle ? II : Difficultes creees par le synchronisme assyro-sabeen ; III :
Synchronisme greco-sud-arabe ; IV: Le temoignage de Tarcheologie ; V: Pre¬
sence grecque ; VI : La cohesion historique du synchronisme propose.
Die alte Minäertheorie von Glaser und Hommel, nach der das minäische
Reich viel älter sein sollte als das sabäische Reich, und die früher vielfach
allgemein angenommen wurde, wird hier endgültig abgetan. Die spätere
Chronologie, die in unserer Zeit mehrfach, besonders von W. F. Albright, erörtert worden ist, muß ich beiseite lassen. Albright, der sorgfältige Archä¬
ologe und Epigraphiker, sagt über seine Ausgrabungen in Süd-Arabien
(Zitat nach S. 22 des Buches von M"'' Pirenne) "one of the most difficult problems was that of chronology." Vielleicht werden die vielen thamudischen
Inschriften, die G. Ryckmans auf seiner letzten Expedition gesammelt hat,
neues Lieht auf die südarabische Schriftgeschichte und auf die Chronologie der Inschriften und der Bauten werfen. Auf S. 22 werden von der Verfasserin
die Bustrophedon-Inschriften erwähnt; dabei hätte wohl auch auf die in
Abessinien gefundenen sabäischen Texte in Furchenschrift hingewiesen wer¬
den können.
Bücherbesprechungen 645
Die Verfasserin möchte annehmen, daß die griechische Monumentalschrift
etwa seit dem 5. Jahrhundert ein Vorbild für die sabäische Mommiental-
schrift gewesen ist. Auf die äußere Ähnlichkeit dieser beiden Schriften hat
schon Lidzbabski in seiner Ephemeris I, S. 113 f., hingewiesen. Er sagt aber auch : „Der griechische Geist hat es nun verstanden, auch in der Schrift mit
den einfachsten Mitteln den schönsten Effekt zu erreichen, denn die Buch¬
staben haben sich von den alten nur um ein geringes geändert. Die Striche
sind ein wenig zurechtgerückt und hie und da ist ein hervorragender Stengel
abgehackt; nur bei wenigen Zeichen sind wirkliche Veränderungen vorgegan¬
gen. Die südarabische Schrift hingegen ist erst auf Umwegen zu demselben
Ziele gelangt, imd viele Zeichen haben währenddessen ein anderes Ansehen
erhalten." Über diese Veränderungen berichtet er ausführlich in seinem Auf¬
satze Der Ursprung der nord- und südsemitischen Schrift, in dem vielleicht
jetzt manche Einzelheiten geändert werden können. Es ist aber durchaus
möglich, daß die Südaraber, wie die Verfasserin annimmt, bei der äußeren
ornamentalen Gestaltung ihrer Schrift durch das Vorbild der griechischen
Schrift beeinflußt worden sind.
Die Ausführungen der Verfasserin über den Zusammenhang der Sabäer
mit den Griechen in Ägypten, über die Handelswege der Sabäer und manches,
was damit zusammenhängt, sind so vielseitig, daß hier nioht im Einzelnen
darauf eingegangen werden kann. Auf S. 95, Anm. 1 kündet sie ein späteres
Werk „Sur la paleographic des inscriptions sud-arabes et l'histoire" an, auf S. 101, Anm. 3 „sur les observations chronologiques." Dafür hat sie in dem
hier kmz angezeigten Werk, das durch eine große Anzahl vortrefflicher
AbbUdungen illustriert ist, sehr gute Vorarbeit geleistet. Es sei nur noch eine Kleinigkeit erwähnt: S. 91 und Anm. 2 hält sie die phantastische Vermutung
von Hommel, der arabische Gott Hubal (so ist statt Hudai zu lesen) könnte
Apollon sein und Al-Lat wäre Leto, für möglich ; das ist nach meiner Ansicht, die wohl allgemein geteilt wird, ganz undenkbar.
Die Wissenschaft ist der Verfasserin für ihr mit großer Mühe und Umsicht
erarbeitetes Werk sehr dankbar und wünscht ihren weiteren Forschungen
rocht guten Fortgang; ihrem Lehrer G. Ryckmans hat sie wissenschaftliche Ehre bereitet.
Enno Littmann, Tübingen
Louis Gabdet: La Cit& Musulmane. Vie sociale ei politique, fitudes Mu¬
sulmanes (Directeurs: IStienne Gilson et Louis Gabdet) I. Paris,
Librairie Philosophique J. Vrin, 1954. 405 S., gr. 8".
Dieses mit warmer Sympathie für die muslimische Welt geschriebene
Buch gibt sich als ,,uno nouvelle voie d'approche vers l'Islam concretement vecu dans le coeur des siens" (S. 7), d. h. als ein erneuter Versuch, die un¬
vergänglichen, in Koran, Sunna und Hadit wurzelnden Werte und Faktoren
sichtbar zu machen, die von Anbeginn bis heute als religiöser, sozialer und
politischer Sauerteig in der islamisehen Gemeinde fortwirken. Die Wechsel¬
beziehungen der —■ vom Abendland her unterschiedenen — „religiösen" und
, .weltlichen" Grundlagen werden ebenso untersucht wie das nie aufgegebene Streben nach der Verwirklichung nie erreichbarer Ideale; eine Art politischer Pliilosophie des Islams wird entworfen, wobei die weitgehende Berücksichti¬
gung europäischer Verhältnisse, die das ganze Buch durchzieht, nicht dazu
dient, Gemeinsamkeiten oder Unterschiede hervortreten zu lassen, sondern
die islamisohen Verhältnisse zu konkretisieren. Alles das aber letztlich im Hinblick auf die heutige Zeit : der Verfasser erhofft davon eüien positiven Bei¬
trag zu einer Klärung der zwischen der westlichen und islamisohen Welt
schwebenden Fragen auf der Grundlage gegenseitiger Achtung und Sympa¬
thie, enthält sich aber jeglicher Prognose.
Zu rühmen ist an dem Buche die sorgfältige, übersichtliehe und bis ins
einzelne durchgeführte Gliederung des umfangreichen Stoffes. Die Dar¬
stellung selbst enthält viele ausgezeichnete Formulierungen, ist aber im
ganzen etwas breit und reich an Wiederholungen, die sich allerdings z. T.
daraus erklären, daß bestimmte Phänomene von ganz verschiedenen Seiten
betrachtet und deshalb in verschiedenen Abschnitten und Zusammenhängen erörtert werden mußten. Der 1. Teil ,, Philosophie politique et sociale" (S.
16—104) behandelt den äußeren Rahmen der muslimischen Gesellschaft,
die Begriffe der Autorität, Hierarchie, Gleichheit, Brüderlichkeit, Freiheit, Eigentumsrecht, där al-'adl, der 2. Teil ,,De l'organisation des pouvoirs dans la cite muauhnane id(§ale" (105—88) die drei Gewalten der Legislative, Justiz
und Exekutive, die Grundlagen des islamischen Gesetzes und besonders aus¬
führlich die Kalifatsfrage, der 3. Teil ,,La communaute musulmane"
(189—267) das Einheitsbewußtsein und die konstitutiven Elemente der
umma mit ihren Stammes- und Rassenproblemen, den sozialen Charakter
der religiösen Pflichtenlehre, Kollektivgesinnung, Solidarität, Familien-,
Dorf-, Stammes- und Standesgemeinschaften, der 4. Teil unter dem etwas
gewagten Titel ,,Humanisme Musulman" (269—328) den Begriff des Huma¬
nismus überhaupt und die Möglichkeit seiner Übertragung auf die islamische Kultur, dann die tatsächliche geschichtliche Wirksamkeit eines islamischen
Humanismus in je einer gehobenen und einer volkstümlichen Form, seine
Träger, seine Wertsetzungen und seine bildende Kraft. Ein ausführlicher
Anhang (329—69) ist verschiedenen Einzelfragen gewidmet wie dem Be¬
griff der Demokratie, dem Status der Dimmls, verschiedenen neueren
Reformbestrebungen u. a., den Abschluß bilden vier Indices.
Wie die islamische Gemeinde selbst, so präsentiert sich auch ihr Huma¬
nismus als eine Einheit in Vielfalt, fast unbegrenzt aufnahmebereit und auoh
auf fremde Kultursprachen übertragbar, aber letztlich — genuin arabisch
und vom Persischen und Türkischen in zentrifugalem Sinne beeinflußt. Die
Frage, ob ein solcher Humanismus in den Grundlagen der islamischen Religion
oder in der Mannigfaltigkeit der Kulturen, welche diese Religion durch¬
drungen hat, zu suchen sei, wird mit folgendem Hinweis beantwortet
(S. 277): ,,il semble legitime de parier, dans les cadres historiques de l'Islam, d'une culture ögyptienne, iranienne, andalouse, etc. .. . comme il est legitime de parier, par exemple, d'un humanisme frangais, Italien, anglais, allemand
ou russe. Mais de memo que ces humanismes d'Europe ne sauraient se
comprendre si n'est d'abord posee et ^luoidee la question de l'humanisme chretien (qui les unifia, ä l'origine, dans lern- diversity), de memo serait-il tout ä fait illegitime, en depit de leurs sourees culturelles diverses, de parier
d'humanisme igyptien, iranien, andalou. . . si n'est rösolue d'abord la
question de l'humanisme musulman. Disons meme: la neeessite est plus in¬
stante ici que lä. Car l'Isläm, rappelons-le, n'apporte pas avec lui que des valeurs religieuses au sens oü nous entendons habituellement ces mots, mais egalement des exigences politico- juridiques, le tout donnö en tm bloc." —
Entscheidend für die Frage scheint mir das Verhältnis von Hlm und adab zu
sein, das, soviel ioh sehe, nirgends berührt wird, wie überhaupt diese beiden
\
Bücherbesprechungen 647
Begriffe je für sich einer eindringlichen Analyse wert gewesen wären. Be¬
merkenswert bleibt jedenfalls die These von der Vitalität eines arabischen
Humanismus, die auch schon — freilich nur auf die Araber selbst, nicht auf
die islamische Völkergemeinschaft bezogen — Michelangelo Guidi in
seinem posthumen Buche Storia e Cultura degli Arabi leidenschaftlieh ver¬
treten hatte (vgl. ZDMG 103, S. 211 f.).
Wie andere Schriften Gaedets ist aueh die vorliegende durch einen
-weiten philosophischen und geistesgeschichtlichen Horizont ausgezeichnet.
Wertvoll sind die Stellen, in denen auf die Vertreter der arabischen Moderne
eingegangen wird, Muhammad_'Abduh, 'Abdabeahmän Badawi, Muham¬
mad Haikal, 'Abdalqädib "Uda u. a. — Ein paar kleine Bemerkungen
mögen gestattet sein. S. 61 und sonst (s. Index): su'üblya = „peuples non
arabes" ? — 81: ibäha ist nicht der „freie Gebrauch" selbst (der weltlichen Güter), sondem die göttliche „Erlaubnis" dazu. — 84 Anm. 3: statt ginäyät vielleicht doch §ibäyät zu lesen im Sinne von „außerkanonischen Steuern",
die ja gemeint sind; vgl. Dozy I 226 und de Goeje, Glossar BGA IV 202.
96: die Erfüllung der Kollektivpflicht fard al-kifäya obliegt nur einer ge¬
nügenden Anzahl, nicht der Gesamtheit der Muslime. — 131 Anm. 1 und
376: tawäturät (so!) ist mit ,, connaissances acquises par des chaines de trans- metteurs sürs" kaum treffend definiert. — 151 Anm. 2: ob der erste 'Abbäside
von Kairo wirklich ein Bruder des vorletzten Kalifen von Bagdäd war, sei
dahingestellt; vgl. R. Habtmann, Zur Vorgeschichte des 'abbäsidischen Sehein- Chalifates von Cairo, Berlin 1950). — 171 u. 347 lies wiläya statt waliyya. — 292 lies Farid ad-din (statt nur Farld) 'Attär, 317 Jaläl ad-din (st. Jaläl)
Rümi. — 371: amäna ist nioht ,, Statut de sauvegarde" (das ist amän),
sondern „fidelitö" (so auch S. 280). — 373: ihräm ist der Weihezustand, nicht das „costume sacrö, prescrit au pelerinage" (das ist ridä' und izär).
Albbbt Dieteich, Heidelberg
ÖÄMI 'AT AD-DuwAL al-'Aeabiya. Magallat Ma'Jiod al-Mahtütät al-'Arabiya.
Al-mugallad al-auwal. Al-guz' at-tänl. Rabi' al-auwal 1375/ Nüfimbir 1955 (Ligue des fitats Arabes. Revue de V Institut des Manuscrits Arabes. Vol.l.
Faso. 2. Le Caire: Rabi al awai 1375/ Novembre 1955).
Das erste Heft des 1. Jahrgangs dieser Zeitschrift ist in ZDMG 106 (1956),
S. 219—21, ausführlich angezeigt worden. Das zweite steht dem ersten an
Bedeutung und Umfang nicht nach. In den Berichten über Handschriften¬
sammlungen (S. 163—214) werden Ba§ra, Tetuan, Sohäg (Oberägypten) und
Yemen berücksichtigt. Unter der Überschrift at-ta'rlf bil-mahtütät folgen
z-wei Monographien: Arabische Aristoteleshandschriften von 'Abdabeahmän
Badawi und Samä'-Vermerke in arabisciien Handschriften von Salähaddin
AI.-MUNAÖ61D, dem Herausgeber der Zeitschrift (mit Erläuterung und
Beispielen der verschiedenen samä'-Typen) ; weiter zwei Textveröffentlichun¬
gen: das Barnämag des Ibn Abi r-Babi' (siehe I, 1, S. 91—120) und, von
Lutfi 'Abdalbadi' herausgegeben, ein Auszug aus dem Kitäb Farhat
al-anfus von Muliammad ibn Aijmb ibn Gälib (aus Granada, 6. Jahrhundert
d. H. ; fehlt bei Bbockelmann). Aus den übrigen Teilen des Hefts sind beson¬
ders zu erwähnen: S. AL-MuNAäöiD, Regeln für wissenschaftliche Text¬
editionen (S. 317—37); em Nachtrag zum Verzeichnis der 1954 im Druck
erschienenen Handschriften (S. 340—342); eine Liste von Werken, deren
Herausgabe z. Z. vorbereitet wird, mit den Namen der Bearbeiter (S. 343).
Ebl ausführliches alphabetisches Register führt alle im ersten Jahrgang
erwähnten Handschriften und deren Standort auf. Zwei weitere Register
verzeichnen die wissenschaftUchen Beiträge vmd deren Verfasser.
Rudi Pabet, Tübingen
I. S. Allouche et A. Regbagui: Catalogue des Manuserits arahes de Rabat
Bibliotheque g^nörale et Archives du Protectorat franfais au Maroc.
Deuxieme serie (1921—1953), I. Publications de l'Institut des Hautes-
fitudes Marocaines LVIII. Paris 1954. III, 473 S., 8".
Nachdem die arabischen Handschriften der ,, Bibliotheque Generale du
Protectorat" von Levi-Pbovenqal in seinem Katalog Colleetion des Publica¬
tions de l'Institut des Hautes ^Jtudes Marocaines, Bd. VIII, 1921 beschrieben worden sind, bietet der neue Katalog eine Beschreibung der von 1921 bis 1953 erfolgten Neuerwerbungen, bestehend aus 1189 arabischen Handschriften.
Von den während der Jahre 1929—30 erworbenen Manuskripten hatten
bereits Regis BLAcniiBE und H. P. J. Renaud ein Inventaire Sommaire
(Hesperis, Bd. 12 [1931]) herausgegeben. Es wurde diesem Katalog mit ein¬
verleibt.
Der vorliegende Katalog zerfällt in folgende Abschnitte :
1. Qoran (16 Nr.), 2. Qoran-Lesung (112 Nr.), 3. Qoran-Kommentare
(36 Nr.), 4. Tradition (99 Nr.), 5. Prophetenbiographie (117 Nr.), 6. Theologie (105 Nr.), 7. Mystik (113 Nr.), 8. Gebete mid Rezitationen (159 Nr.), 9. Rechts¬
wissenschaft (311 Nr.), 10. Grammatik (80 Nr.), 11. Lexikographie und
Philologie (31 Nr.), 12. Metrik (13 Nr.), 13. Rhetorik (12 Nr.).
Innerhalb dieser Gebiete werden die einzelnen Werke alphabetisch nach
dem Titel unter Angabe der Nummem aufgeführt. Dieses alphabetische
System hat zur Folge, daß sich ältere oder seltene oder kostbare Hand¬
schriften nicht auf den ersten Blick feststellen lassen, sondern erst in den
einzelnen Abteilungen herausgesucht werden müssen. Nach dem Titel des
Werkes sind die Namen der Verfasser angegeben. Dankenswerterweise wird
meist, aber nicht durchweg auf Beockelmanns Geschichte der arabischen
Litteratur und andere bio- und bibliographische Nachschlagewerke verwiesen.
Konsequenterweise hätten die Verfasser auoh darauf aufmerksam machen
soUen, wenn das betreffende Werk in GAL nicht verzeichnet ist. Ein Stern¬
chen hätte genügt.' Nach dem incipit werden Blattzahl, Masse, Schriftart
und — soweit vorhanden —• Schreiber imd Datum der Handschrift angeführt.
Ein alphabetischer Index der Werktitel und ein zweiter der Verfassernamen beschließen den sorgfältig gearbeiteten Katalog, für dessen Veröffentlichung wir dankbar sind.
Die Handschriften sind nicht alt. In ihrer Mehrzahl sind sie zwischen
1100—1350 A. H. geschrieben; und zwar handelt es sich dabei meist um
maghribinische Abschriften ; sie entstammen durchweg den Bibliotheken der
Zaouia Mä'al-'Ainin ('Ainain) in Fes, dem Palast des Mawlay 'Abdalhafiz
in Tanger und der Bibliothek des früheren französischen Konsuls M. Leriche
m Rabat oder sie sind von marokkanischen Buchhändlern erworben.
Zwei Sektionen habe ich mir genauer angesehen. Die Verfasser scheinen
meist auf Sarkis, wenn das Werk gedruckt, und auf Gal verwiesen zu haben,
wenn das Werk nur handschriftlich vorliegt. Aber auch dieses System ist
^ Vgl. dazu die treffenden Bemerkungen R. Stbothmanns in OLZ 38. Jhg.
<1935), Sp. 522.
Bücherbesprechungen 649
nicht konsequent durchgeführt. Es wäre zweckmäßig gewesen, wenn bei
bereits veröffentlichten Werken der Druck (Ort und Jahr) angegeben worden
wäre. Zinn 'Ilm at-tafslr habe ioh mir folgende Notizen gemacht : Nicht immer
ist auf GAL verwiesen, so Nr. 674 = GAL S II 179, Nr. 1. —. Nr. 677 =
GAL S I 738, Nr. 1. — Nr. 678 = GAL S II 351. — Nr. 679 Die risäla des
Jbn al-Hä^^ über Koran 36, 37 sowie Nr. 692 über tilka hitdüd Alläh fehlen
GAL S II 875; nach Kattäni III 5 hat er einen Tafsir geschrieben, vielleicht sind diese beiden Bisälas Abschnitte daraus. — Nr. 680 statt ij \ lies i^jy> ^\
vgl. Heffening, Islam XXVII, 168; statt ^jl^Jl lies Das Kitäh
at-tihyän fl ädäb hamalat al-Qor'än ist GAL S I 685, Nr. XVII genannt. —
Bei Nr. 691 Tafsir sürat Yüsuf des 'Abdarrahmän b. 'AbdaUäh as-SuhaUi
GAL S I 733 hätte festgestellt werden sollen, ob es sich um einen Auszug aus
seinem at-Ta'rif wal-i'läm handelt. — Nr. 699 Sunan al-muhtadln des Ibn
al-Mauwäq = GAL S II 376. — Nr. 702 garib al Qor'än des Muh. b. Muh.
al-Maggä§i = GAL II N 987 (Muh. b. 'Abdallah Maggäsl(s!), auch vor¬
handen Algier 413).
Zum Fiqh: Hier finden sich naturgemäß viele juristische Werke des
Maghrib; eine ganze Reihe späterer Schriften lassen sich in die GAL nach¬
tragen. Aber in GAL sind vorhanden, trotzdem im Katalog nioht angegeben:
Nr. 1329 al-Itqän wal-ihkäm des Muh. b. Ahmad Maiyära = GAL S II 375. —
Nr. 1343 Ergänze zu GAL S II 348, Z. 2: Masä'il al-ahkäm des Burzuli:
2. Auszug des Wansarisi (ergänze auch GAL G'' II 320: 7. ihtisär ahkäm
€tl-Burzuli. — Nr. 1369 al-Insäf fi't-tanbih = GAL S II 758, Nr. 4. — Da
für Nr. 1372 al-Bah^at fi Sarh at-tuhfa in GAL S II 375 als Titel al-Bahiya
angeführt ist, wurde nicht darauf verwiesen. — Nr. 1376 Von Abü 'Imrän
az-Zanäti stammt auch Dahira fi'l-hatt Paris 2758,9 (GAL S II 1040). —
Nr. 1384 u. 1385 sind bisher unbekannte Arbeiten des Farag b. Qäsim al-
Gamäti, von dem nur eüi Kommentar zum K. al-gumal bekannt war (GAL
S I 171). — Nr. 1386 = GAL S II 363; vorliegende Schrift des Muh. al-
Magili ist unbekannt, ergänze: 3. ta'llf flmä yagibu 'ala 'l-muslimin. —
Nr. 1378 Nisbe des Verfassers as-Sanhagl = GAL S II 962. — Nr. 1389 =
GAL S II 526. — Nr. 1394: Der Kommentar des Ahmad b. Muh. al-Qalsäni
ziw Risäla des Qairawänl = GAL S I 301. —■ Nr. 1395 Tuhfat al-ihwän des
Mixh. b. Süda at-Täwudi war bisher unbekannt, ebenso Nr. 1414 taqyid 'ala
H-gämi' al-mansüb li-HalU; Verfasser in GAL S II 375, 689 — Nr. 1396
Tuhfat al-ashäb des Muh. b. Ahmad Maiyära (GAL G II 264, 461; S II 336)
unbekannt. — Nr. 1417 Takmll al-minhag li-Zaqqäq == GAL S II 376. —
Nr. 1418 Muh. b. A. Binnls = GAL S II 709; vorliegende Sclirift unbekaimt.
Nr. 1438 Häsiya 'alä Sarh Muh. b. Süda zur Lämiyat az-Zaqqäq des 'Ali b.
'Abdassaläm'at-Tasüli = GAL S II 376; ebenso Nr. 1440 Hääiya zum
Kommentar des Muh. b. Maiyära, verfaßt von Ahm. b. 'Ah as-Saddäd =
GAL S II 376. — Nr. 1445 HäMya des Ya'qüb Pasa b. Hidr Bek zur
Wiqäya = GAL S I 647. — Nr. 1446 Glossen des Abü Ya'qüb Yüsuf al-
Faisi zum Kommentar des Sälim as-Sanhüri imd Ibrähim al-Laqäni = GAL
S II 98. — Nr. 1452 al-gawähir al-maknüna = GAL S II 709. —• Nr. 1459
al-durr al-muhtär = GAL S II 428. — Nr. 1460 ad-Durar al-lawämi' =
GAL S II 105. Die Verfasser hätten hier, wie auoh sonst verschiedentlich,
angeben sollen, daß das Werk 1312 in Fäs gedruckt ist. — Nr. 1463 = GAL
S II 890. — Nr. 1475 Verfasser = GAL S II 701, Werk nicht! — Nr. 1477
Verfasser = GAL S II, 337, als Kommentator der Risäla des Qairawäni =
GAL S I 301. — Nr. 1483 = GAL S II 694. — Nr. 1491 Sarh = fath al-
^alll = G AL S II 97; der Kommentar muß in GAL S II 435 nachgetragen
werden. — Nr. 1492 Verfasser = GAL S II 715. — Nr. 1493 = GAL S II
98. — Nr. 1495 = GAL S II 98. — Nr. 1501 = GAL S II 97. — Nr. 1504
Verfasser = GAL S II 435, Werk = GAL S II 98. — Nr. 1505 = GAL S II
98. — Nr. 1512 Verfasser = GAL S II 337, Werk = GAL S II, 97. — Nr
1513 Verfasser = GAL S II 696. — Nr. 1531 Muh. b. 'AI. al-Hasani = GAL
S II 692; Werk fehlt; es ist derselbe Verfasser wie S II, 940. Zu seiner Vita
vgl. al-Ithäf des Abü Zaidän III, 148ff. — Nr. 1532 = GAL S II 98. —
Nr. 1536 Ibn al-Mutaqqina = GAL Sil 675; der hier vorliegende Kommentar
al-fawO'id aS-SinSauriya = GAL S II 676. — Nr. 1552 = GAL S II 886. —
Nr. 1588 al-Mu'äyät = GAL S I 505. — Nr. 1597 'Ar. b. Muh. al-Ahdari =
GAL S II 705. — Nr. 1604 = GAL S I 666; übers. G. FAURE-BiGrrET,
La Tlemsaniya, Poeme sur le droit suceessoral musulman, Valence 1905. — ■
Nr. 1618 = GAL S II 711. — Nr. 1628 Verfasser = GAL S II S 890.—
Nr. 1633 = GAL S II 374. —
Mit Hilfe dieser Handschriften können wir einige maghribinische Schrift¬
steller im Anhang GAL S II 897 ,, Autoren, deren Zeit imd Ort unbekannt
sind", bestimmen und zwar folgende malikitische Juristen (GAL S II 958 ff.) :
959,13 A. b. M. al-Ya'qübi al Malläwi = Abu'l-'Abbäs A. b. M. al-
Buyaqü'bl al-Malwi, lebte im 13. Jhd. d. H. Vgl. Sarkis 1797; er
ist mit dem in GAL S II 885 Genannten identisch; Handschriften von at-Tahrir li-masä'il at-tasyin: Rabat 1191—92; Tuhfat al-qudät bi-ba'd masä'il ar-ru'ät: Rabat 1406—08, letzteres übrigens übers,
von B. Michaux-Bbllairb, L. Murtin et P. Raguignon in:
Arch. Mar. XV, Paris 1909, p. 289—430; I—XXXI.
960,15 'A. b. 'Isä al-'Alami = Abu'l-Hasan 'A. b. 'Isä b. 'A. b. A. as-Sarif al-Hasani al-'Alami. Vgl. Sarkis, S. 195; Rabat 1625.
18 al-'Arbi al-Fäsl = Abü 'AI. Muh. al-'Arbi al-Fäsi. Vgl. Sarkis,
S. 982 qasida fi 'z-zahät, Sarh dazu von seinem Schwestersohn
'Abdal'aziz b. al-H. b. Yü. az-Zaiyäti, Rabat 1483, verfaßt 1042.
24 Ibn Futüh = 'Abdallah Ibn Fattüh b. Müsä al-Bünati = GAL
S I 661; zu seinen al-Watß'iq al-ma^mü'a schrieb Ahmad b. Muh.
b. Härün b. 'At as-Sätibi den Kommentar at-Tuzar vgl. Dibäg
58—61; Rabat 1515; GAL S I 666.
961,32 Abü 'Imrän al-Fäsi, vgl. al-Bayän al-mugrib III 242.
961,34a Al-Mahdi al-Fäsi = Abü <A1. Muh. al-Mahdi b. A. b. 'A. b. Yü.
al-Fäsi, geb. 1033, gest. 1109. Vgl. Kattäni II 316—318. Seine
beiden in GAL S II 961 genannten Werke al-'Iqd al-munaddad
und Simt al-gauhar al-f ähir sind auch bei Kattäni II 317 auf¬
geführt. Er ist auch der Verfasser der Matäli' al-musirrät vgl. GAL
S II 360; Rabat 905; Sarkis 1431.
962,35 M. b. 'Abdalkarim at-Tilimsäni = GAL S II 363; zur Vita vgl.
nooh Sagarat an-nür az-zaklya p. 274; Rabat 1386.
962,42 M. at-Taiyib al-Marini = Abü 'AbdaUäh Muh. at-Taiyib b. Mas'üd
b. Ahmad al-Marmi, gest. 1145. Vita bei Kattäni, Salwat an-anfäs III 122/123. Sein Buch Tdbsirat al-gäfil wa-tadkirat al-'äqil Rabat
1055 (GAL 'ä^il statt 'äqil) ist bei Kattäni Tabsirat al-'äqil UM-
tadkirat al-gäfil betitelt.
963,52 Der Kommentator at-Tasüli ist Abn 'l-H. 'Ali b. Abdassaläm at-
Tusüli, gest. 1258. Vita bei Kattäni, Salwat an-anfäs 1, 238 und bei
Bücherbesprechungen 651
Mahlüf, Sa^arat an-nür az-zalclya p. 397; er kommt noch vor
GAL S II 375, 376; ferner Rabat 1432—34; 1438—39; 1624.
376 'O. al-Fäsi ist Abü Hafs 'Omar b. 'Abdalläh b. 'Omar b. Yüsuf
al-Fäsi, gest. 1188. Vgl. Kattäni I 337—339, Sarkis 1380; Rabat
1399 Tuhfat al-huddäq; Rabat 799 al-Muqtarah fi Sarh abyät Ibn
äl-Farah. Otto Spies, Bonn
Eugen Kusch: Ägypten im BiM. Aufgenommen und erläutert. Nürnberg,
Hans Carl 1955. 40 S., 150 Bildtafehi. DM 29.50.
Die Besonderheit und der Reiz dieses neuen Bildbandes über Ägypten
liegt in der Auswahl und Zusammenstellimg der Abbildungen, die kaum
besser und reichhaltiger hätte getroffen werden können. Der Verfasser hat,
ohne sich nach zeitlichen, geographischen oder tliematischen Gesichtspunk¬
ten festzulegen, aus den Zeugnissen von fünf Jahrtausenden die wirlUich
typischen Züge in eüiprägsamen, hervorragend photographierten Aufnah¬
men herausgehoben. Die Überfülle verschiedenartigster Eindrücke, die
jeden Ägyptenreisenden ebenso bedrängt wie beglückt, ist hier auf eine
"Weise gemeistert worden, die statt eines bloß belehrenden kulturgeschicht¬
lichen Längs- oder eines nur der Unterhaltung dienenden bilderbuchartigen
Querschnittes ein konzentriertes Tafelwerk von eigener Prägung und über¬
zeugender Wirkung hat entstehen lassen.
Aus der Fülle der Büder, die auch Allbekanntes in teilweise neuer Sicht
zeigen, sind als vortrefflich gelungen besonders zu nennen: einige Innen- und
Teilaufnahmen von Gebäuden wie Nr. 10, 11 (Ibn Tülün- und Sultän Hasan-
Moschee in Kairo), 18, 19 (Moschee Qalä'üns und Barqüqiya), 45ff. (Abü
Sergä in Alt-Kairo) und die Säulenstudien 100/101 (Dendera), 114/115
(Kamak), 124 (Der el-Bahri), 139 (Köm Ombo) und vor allem 147 (Abü
Simbel). Durchweg sehr kennzeichnend sind auch die reichlich eingestreuten
Porträts, unter denen die Praohttjrpen des Antiquitätenhändlers auf dem
thebanischen Westufer Nr. 130 und ganz besonders des Ortsältesten von
Chärga (wie wenige gelangen je in diese entlegene Westoase und ihre weitere
XJmgebung!) Nr. 91 hervorzuheben süid. Man vermißt hier ledighch die
Krausköpfe der bronzefarbigen Bischärin bei Assuan, deren altererbte
Tracht neuesten Berichten zufolge nunmehr auch dem heutigen Modernisie-
riuigsdrange zum Opfer fällt. Wesentliches leistet der Verfasser weiterhin
durch die sehr zahlreich aufgenommenen Beispiele der sonst wenig berück¬
sichtigten koptisch-christlichen Kunst (Alt-Kairo, Sinai, Oase Chärga,
St. Simeon bei Assuan) ; hier hätten noch die sehr alten, freilich schwer er¬
reichbaren Klöster der Hll. Antonius und Paulus amRoten Meer (s. Schwein-
rTJKTH, Auf unbetretenen Wegen in Ägypten, 1922, S. 157ff.) Beachtung ver¬
dient.
Die den Abbildungen beigegebenen Texte (S. 11—39) sind mit Bedacht,
Kennerschaft und echter Liebe zum Gegenstande sorgfältig ausgearbeitet;
von einigen wenigen, meist leicht erkennbaren Fehlem abgesehen' sind sie
1 Aufmerksam zu machen ist vor allem auf die Angaben über den Stu¬
dienbetrieb an al-Azhar S. 13, die seit 1930 nicht mehr zutreffen; s. Ref.
über Tradition and Reform at Al-Azhar University in Middle Eastern Affairs
Bd. VII, H. 3, New York 1956, S. 89—94. — Die moderne ägyptische Un¬
sitte, Der el Bahari (für bahri „dem Meer zu gelegen, nördlich") zu schreiben,
scheint unausrottbar zu sein (S. 31b, Abb. 121—124). — Die Namen der
zuverlässig, belehrend und gut. Die Ausstattung des Buches ist vorzüglich;
daß auf farbige Wiedergaben — die der Wirklichkeit des ägyptischen Lich¬
tes doch niemals entsprechen können — verzichtet worden ist, tut dem
Auge wohl. Dem Urteil des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, der
KüsCHS Bildwerk imter die „fünfzig schönsten deutschen Bücher 1955"
aufgenommen hat, ist ohne Einschränkung zuzustimmen.
JÖBG Kbaemeb, Tübingen
Wilhelm von Bode und Ebnst Kühnbl: Vorderasiatische Knüpfteppiche
aus alter Zeit. Vierte, vollständig umgearbeitete Auflage. Braunschweig,
Klüikhardt und Biermann 1955. 4», 167 S., 122 Abbildungen, 4 Farb¬
tafeln.
Obwohl in den letzten Jahren eine ganze Anzahl von Büchern über den
orientalischen Knüpfteppich erschienen ist, wird doch jeder an diesem Ge¬
biet Interessierte es freudig begrüßen, daß endlich, 33 Jahre nach der dritten,
die vierte Auflage des Bode-Kühnbl vorliegt. Die Lebenskraft dieses älte¬
sten wissenschaftlichen Handbuches für den Orientteppich der klassischen
Zeit ist erstaunlich, aber verständlich. Die erste Auflage, die Wilhelm Bode 1902 veröffentlichte, stellte für die damalige Zeit eine großartige Leistung
dar, die unter der geschickten Redaktion Ebnst Kühnbls zweimal (1914
und 1922) dem neuen Stand der Wissenschaft angepaßt wurde. Auch diesmal
ist das vorzüglich gehmgen, obwohl der größere zeitliche Abstand einschnei¬
dendere Änderungen forderte als bei den früheren Neuauflagen.
Diese Änderungen beginnen schon mit der äußeren Aufmachung des
Buches. Der dritten Auflage sah man ihr Erscheinungsjahr (1922) doch sehr
an. Das Papier war schlecht, aus Ersparnisgründen mußten Text und Ab¬
bildungen getrennt werden, trotzdem ließen die Klischees viel zu wünschen übrig. Die neue Auflage stellt, wie die beiden ersten, die Abbildungen wieder
in den Text. Die Klischees, auf gutem Kunstdruckpapier, sind mit wenigen
Ausnahmen ausgezeichnet, die Farbtafeln ein wenig hart. Die Zahl der Ab¬
bildungen ist von 95 auf 122 erhöht, wobei durchweg neue Druckstöcke an¬
gefertigt und bei fast zwei Dritteln andere Vorlagen gewählt wurden als in
der dritten Auflage. Ähnhch wie in dem Buch von M. Campana werden beim
frühen anatolischen Teppich Darstellungen auf europäischen Bildern in viel
stärkerem Maße zur Illustrierung herangezogen als früher.
Schon diese Erweiterung des Abbildungsteils bedingt natürlich Ände¬
rungen des Textes, die aber noch weiter gehen. Die früheren Auflagen be¬
gannen mit dem berühmtesten Stück, dem Wiener ,, Jagdteppich", be¬
sprachen dann die anderen persischen ,, Tierteppiche" des 16. und 17. Jahr¬
hunderts, gingen zu den persischen Teppichen mit Pflanzenmustem über,
Oasen Dachla und Charga sind natih-lich nicht als ,,die Hereinführende"
bzw. „Herausführende" zu deuten (S. 27a, 25b); sie bezeichnen einfach
die „innere" bzw. ,, äußere" Oase, gesehen von dem sehr alten Karawanen¬
weg durch die libysche Wüste aus, vgl. die oaai? 7) s^uT^pw der griechischen
SchriftsteUer (Wiet, EI II, 969). — Saladin war Aiyubide, nicht Fatimide
(S. 39b); Muhammed 'All hatte den Titel eines Paschas, nicht eines Sultans
(! S. 29a). — Weitere Bemerkungen wird der Ägjrptologe beizusteuern
haben; sonstige Einzelheiten wie S. 6, 3 v.u. (hes Septimius Severus) sind
unerheblich.
Bücherbesprechungen 653
besprachen die „Polenteppiche" zusammen mit den Wirkteppichen als
Sondergruppe vmd schlössen an diese die indischen Teppiche an. Die Über¬
leitung zum türkischen Teppich bildete ein Abschnitt über die Teppich-
produktion im Kaukasus. Dann sprang die Darstellung zurück zum anato¬
lischen Teppich des 13. bis 15. Jahrhunderts, auf die die Beschreibung der
XTshakteppiche vmd erst nach diesen die der anatolischen ,,Holbein"-Teppiehe
folgte. Die etwas abseits stehenden, damals noch zögernd nach Ägypten lo¬
kalisierten „Damaskusteppiohe" bildeten den Abschluß. Die neue Auflage
bleibt bei der monographischen Behandlung der einzelnen Gruppen, aber sie
bringt diese in einer anderen Anordnung. Sie beginnt mit den anatolischen
Teppichen der Frühzeit, wobei die in Fostat (Alt-Kairo) gefundenen Frag¬
mente eigenartigerweise nicht herangezogen werden, schließt an diese die
,, Holbein "-Teppiche an vmd wendet sich dann den Ushakteppichen zu. Dann
folgen der kaukasische und ägyptische Teppich. Die persischen und in¬
dischen Teppiche bilden den Schluß. Die neue Anordnvmg stellt also den
türkischen Teppich an die Spitze. Darin drückt sich eine grundlegende
Wandlung in der Bewertung von persischen und türkischen Teppichen aus,
die sich in den letzten zwanzig Jahren mehr und mehr in der Teppichwissen¬
sehaft dmchgesetzt hat. Zugleich verschieben sich damit auoh die Wertma߬
stäbe. In den früheren Auflagen, die vom persischen Teppich der Safawiden¬
zeit ausgingen und diesen als Maßstab nahmen, waren die anatolischen
Teppiche des 13. Jahrhimderts, die „Konyateppiche", verständlicherweise
primitiv" und ihre Muster machten „einen äußerst bescheidenen, unbe¬
holfenen Emdruck" (2. Aufl., S. 105, 3. Aufl., S. 35). Heute, da man sie mit
ihren eigenen Maßen mißt, kommt man zu einer gerechteren Einschätzung
lind erkennt, daß sie „sorgfältig gearbeitet vmd auch koloristisch so wirkungs¬
voll abgetönt" sind, „daß sie nicht mehr als primitive Erzeugnisse angesehen
werden können; dasselbe gilt von der in allen Fällen verschiedenen Zeich¬
nung" (4. Aufl., S. 20). Entsprechend hat sich auch das Urteil über die ana¬
tolischen Tierteppiche des 14. und 15. Jahrhunderts geändert, deren Bedeu¬
tung als Vorstufen der „Holbein"-Teppiche in der neuen Anordnung klarer
zum Ausdruck kommt. Die Verbindvmg von diesen zu den danach besproche¬
nen Ushakteppichen hätte sich deutlicher zeigen lassen, wenn man den aus
der 3. Auflage übernommenen einleitenden Absatz über die neueren Smjroa-
teppiche, die die Tradition der Ushakteppiche weiterführen, an anderer
Stelle gebracht hätte.
Im großen Ganzen folgt der Text der anatolischen Abschnitte mit emigen
Korrektviren und Zusätzen ziemlich genau dem Wortlaut der dritten Auflage.
Das führt zu kleinen Archaismen. Das S. 38 zitierte Buch von Pbisse
d'Avennes war 1902 aktuell, heute dürfte es den wenigsten bekannt sein.
Ebenso gehören „sarazenische Blüten" (S. 44) kaum noch zum modernen
Wortsehatz. Neugefaßt sind die Ausführungen über die „Siebenbürger
Teppiche" und der kvirze Abschnitt über die Teppiche von Ladik (mit dem
aber kavim der bei Samsun liegende Ort dieses Namens gemeint sein kann).
Stärkere Änderungen bedingten die neueren Forschvmgsergebnisse im Ka¬
pitel der kaulcasischen Teppiche, bei denen die Armenien-Diskussion end¬
gültig beigelegt ist, vmd bei den ägyptischen Teppichen, deren Lokalisierimg
nicht mehr bestritten wird. Beim persischen Teppich ist ein Abschnitt über
frühe Stücke (auf Miniaturen) hinzugefügt und die Einteilung stärker ge¬
gliedert, wobei die Gruppierung nach Mustern beibehalten wird. Es werden
Medaillon-, Ranken- xmd Kartuschenmuster, Teppiche mit steigender