Theodor Zachariae.
Von Wilhelm Printz.
Die „Allgemeine Deutsche Biographie" verzeichnet eine
Anzahl Träger des Namens Zacharias, sämtlich aus Mittel¬
deutschland; ob ihre Verwandtschaft ermittelt ist, weiß ich
nicht. Karl Salomo Zacharias (1769—1843), der Heidel¬
berger Staatsrechtslehrer, erhielt ein Jahr vor seinem Tod
den in der Erstgeburt vererblichen Adelsstand mit dem Zu¬
namen VON LiNGKNTHAL. Sein einziger Sohn Karl Eduard
(1812—1894), bekannt vor ahem durch Forschungen über
byzantinisches Recht, kaufte nach frühem Verzicht auf seine
Lehrtätigkeit das Rittergut Großkmehlen a. Th. bei Ortrand
(Prov. Sachsen). Hier wurde als vierter Sohn unser Theodor
Zacharias am 3. Februar 1851 geboren. Er besuchte die
berühmte Landesschule zur Pforte; von seinen Mitschülern
gedachte er im Alter des etwa zwei Jahre älteren Wilamowitz,
erinnerte sich auch noch an Nietzsche und Deussen. Er hat
dann in Leipzig und Göttingen klassische Phüologie studiert
und bei Sauppe mit der Dissertation „De dictione Babriana"
(Göttingen 1875) promoviert, aber neben Ritschl fesselten ihn
Curtius und Brockhaus, neben Sauppe hörte er bei Benfey,
und drei Oxforder Jahre bei Max MtJLLKR brachten die Ent¬
scheidung für Sanskrit. Er habilitierte sich 1879 in Greifs¬
wald und erhielt 1883 den Professortitel. Erst 1890 wurde er
in Halle Extraordinarius neben Pischel mit dem Auftrag, ver¬
gleichende Sprachwissenschaft zu lehren, was ihm doch nach
seiner wissenschaftlichen Entwicklung gar nicht lag. 1895
wurde dann hierfür Bechtel als Ordinarius berufen, aber für
Zacharias fand sich kein Ordinariat, auch nicht als 1902
W. Pmntz, Theodor Zachariae. 339
PiscHBL nach Berhn ging. Erst 1921, kurz vor der Emeritie¬
rung, kam die Ernennung zum Ordinarius. Zacharias hat
diesen Mißerfolg in der akademischen Laufbahn mit Gelassen¬
heit ertragen und glücklichere Fachgenossen nicht mit Neid
betrachtet. Es war ihm freilich, mindestens in den letzten
Jahrzehnten, die Gabe des lebendigen, fesselnden Vortrages
nicht vergönnt, er erwartete vom Hörer Interesse an der
Sache, am Inhalt, nicht an der Form. So hat er wohl manchen
Fernerstehenden enttäuscht. Um so mehr baben wir dankbar
seiner gelehrten Arbeit zu gedenken. In der Kenntnis der
einheimischen Sanskrit-Lexikographen steht er einzig da.
Er hat Öäävata (1882), Hemacandra's Anekärthasamgraha
(1893) und MaAkha (1897, Epilegomena 1899) herausgegeben,
er hat in den „Beiträgen zur indischen Lexikographie" (1883)
Grundlegendes zur Textkritik wie zur Bewertung der KöSas
gesagt und 1897 mit seinem Beitrag zum „Grundriß der
indo-arischen Philologie" eine heute noch nicht überholte
Gesamtdarstellung gegeben. Daneben hat er eine Reihe von
Aufsätzen zur klassischen Dichtung veröffenthcht.
Etwa in den letzten drei Jahrzehnten ist er auf Grund
erstaunlicher Belesenheit in alten Reisewerken usw. den An¬
fängen der Sanskritkunde vom 16.—18. Jahrhundert nach¬
gegangen. Noch sein letzter gedruckter Beitrag in der Fest¬
schrift für M. Winternitz gehört hierher. Verstümmelte
indische Wörter hat er gedeutet, Beschreibungen von Bräu¬
chen ausgewertet, die literarische Abhängigkeit mancher
jener alten Schriften dargelegt.
Von hier ist es nur ein Schritt zu dem Arbeitsgebiet, auf
dem Zacharias die meisten Aufsätze veröffentlicht hat, der
vergleichenden Märchenkunde. Hier ist er der ebenbürtige
Nachfolger seines Lehrers Benfey: den gesammelten Auf¬
sätzen von Reinhold Köhler und Theodor Benfey durfte
er 1920 die eigenen „Kleinen Schriften" (1920)*) anreihen.
1) Daselbst Bibliographie der nicht wiedergedruckten Aufsätze.
Dazu seitdem ZU 4, 5, 7; WZKM 35, 37; GGA 1921, 1927, 1929; ZW
33—36, N. F. 3—4 und Beiträge zu den Festschriften H. Jacobi,
W. Geiobb, M. Wintbbmitz.
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340 W. PaiNTz, Theodor Zachariae.
Belesenheit, Scharfsinn und Sorgfalt, die in diesen Arbeiten
zu Tag treten, brauchen nicht mehr gerühmt zu werden. Der
damals fast siebzigjährige Gelehrte hat aber die Feder nicht
aus der Hand gelegt, das Interesse für seine Wissenschaft ist
bis zuletzt wach geblieben.
Wer ihn persönlich gekannt hat, dem wird seine Lauter¬
keit, seine Güte und sein bescheidenes Wesen unvergeßlich
bleiben, unvergeßlich die blitzenden Augen in dem schmalen,
von kurzem Vollbart umrahmten Gesicht, die hagere, vom
Alter kaum gebeugte Gestalt. Er hat ein schlichtes, arbeit¬
sames Leben geführt, seine Freude war es, andern zu helfen.
Nicht nur den Fachgenossen, denen er brieflich (mit schöner
klarer Handschrift) und mündlich aus der Fülle seines Wissens
spendete. Er und seine Gattin haben in Ermanglung eigener
Kinder vielen Waisen der FnANCKK'schen Stiftungen Gutes
erwiesen. Kränklichkeit der Gefährtin, die nach schweren
Leidenswochen im Januar 1933 verschied, hat die letzten
Jahre verdüstert, vermochte aber seine tapfere Haltung nicht
zu brechen. Freilich sah er zuletzt müde und gezeichnet aus
und im Frühling 1934 beschäftigte ihn nur noch der Gedanke,
alles geordnet zu hinterlassen. Am 5. Mai ist er sanft einge¬
schlafen.
Bücherbesprechungen.
K. A. C. Crkswkll, f. S. A., Hon. A. R. I. B. A., Early
Muslim Architecture, Umayyads, Early 'Abbäsides &
Tülünides. Part One Umayyads A. D. 622—750.
With a Contribution on the Mosaics oj the Dome of the
Rock and of the Great Mosque at Damascus by Marguerite
van Berchem. Oxford. At the Clarendon Press:
MCMXXXII. Written under the Patronage of His
Majesty Fuad I, King of Egypt. (XXV, 414 S.,
81 Taf.) 2». £ 10.10.
Captain Creswell' s Buch ist ein Pracht werk und Stan¬
dardwerk allerersten Ranges. Es trägt die Widmung: To His
Majesty Fuad I, King of Egypt, whose enlightened encourage¬
ment has given a new life to the arts in Egypt and whose
generous support is assured for all intellectual and scientific
research. Der Dank der Wissenschaft aher Länder gebührt
daher nicht nur dem Verfasser für seine jahrelange, mühevolle
und entsagungsreiche Arbeit, sondern auch dem König von
Ägypten, der schon seit vielen Jahren Wissenschaft und
Volksbüdung in seinem Lande eifrig fördert und seinen vielen
Verdiensten durch die Unterstützung dieses monumentalen
Architekturwerkes ein neues, sehr großes Verdienst hinzu¬
gefügt hat.
Captain Creswell hatte, wie er in der Vorrede ausführt,
seit langer Zeit die Absicht, eine Geschichte der muslimischen
Architektur Ägyptens zu schreiben, da gerade dort eine so
vollständige und ununterbrochene Reihe großartiger Bau¬
denkmäler des Islams sich findet. Er sah aber bald ein, daß
die Entstehung und Geschichte dieser Denkmäler nur im
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