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«Diabetologie grenzenlos»

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Academic year: 2022

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Das metabolische Syndrom und der Typ-2-Diabetes sind heute weitverbrei- tet. Im mittleren und höheren Erwach- senenalter sind 30 bis 50 Prozent aller Menschen betroffen. «Vor diesem Hin- tergrund kommt der Primärprävention eine wichtige Rolle zu», erklärte Prof.

Dr. Hans Hauner, Regensburg. Fett- und Zuckeraufnahme sollten gesenkt und der Verzehr von pflanzlichen Le- bensmitteln wie Vollkornprodukten gesteigert werden. «Allein durch diese Massnahme können rund 80 Prozent

aller Typ-2-Diabetes-Erkrankungen ver- mieden werden», so Hauner. Da unter modernen Lebensbedingungen oftmals immer weniger Zeit für die Essens - vorbereitung aufgewendet wird, ist es wichtig, dass auch Lebensmittel indus - trie und Gastronomie gesunde Lebens- mittel anbieten. Der von der Tech - nischen Universität München (TUM) geführte Cluster «enable» hat sich die- ses Ziel gesetzt und verfolgt die Ent- wicklung gesünderer Convenience- Produkte und Fertiggerichte.

Aktuelle Behandlungsstrategien Die Individualisierung der Therapie ist von grosser Bedeutung. Im aktuellen Konsensusstatement der American Diabetes Association (ADA) und der European Association zum Studium des Diabetes (EASD) aus dem letzten Jahr spielen moderne orale Antidiabetika und GLP-(«glucagon-like peptide»)-1- Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) eine immer grössere Rolle. Entgegen frühe- ren Therapieempfehlungen ist mittler- weile auch eine dreifache orale Thera- pie beziehungsweise die Kombination zweier oraler Antidiabetika mit einem GLP-1-RA denkbar. Bei nicht erreichtem individuellem HbA1c-Ziel sollte mit einer Insulintherapie begonnen werden.

Zukünftig werden bei den oralen Anti - dia betika die SGLT-(«sodium-depen- dent glucose transporter»-)Hemmer eine immer grössere Rolle einnehmen. In einer ersten Endpunktstudie zeigte Em- pagliflozin einen signifikanten Vorteil hinsichtlich der Mortalität und weite- rer Endpunkte.

Doch durch den chronisch progredien- ten Verlust an Betazellen kann die Insu- lintherapie lediglich hinausgezögert werden. Ultralang wirksame Insulin - analoga wurden inzwischen entwickelt.

Diese Insuline versprechen vor allem im Rahmen eines Starts im Sinne einer basal unterstützten oralen Therapie (BOT) eine noch grössere Sicherheit, da im Vergleich zu den bisherigen lang wirksamen Insulinanaloga der ersten Generation die Hypoglykämierate nochmals reduziert ist. Humaninsuline kommen aufgrund der ungünstigen Pharmakokinetik zunehmend weniger zum Einsatz. Dieser Trend wird durch weitere in der Entwicklung befindliche lang beziehungsweise noch kürzer wirk- same Insu linanaloga verstärkt werden.

Bei der im Verlauf der Krankheitspro- gression notwendigen Intensivierung

BERICHT

«Diabetologie grenzenlos»

Münchner Symposium betont Individualisierung und interdisziplinären Ansatz der Diabetestherapie

Auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung «Innere Medizin fachübergreifend – Diabetologie grenzenlos» wurden aktuelle Aspekte des Diabetes mellitus dargestellt.

Claudia Borchard-Tuch

ARS MEDICI 192016

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Bei Diabetes mellitus sollten Fett- und Zuckeraufnahme gesenkt und der Ver- zehr von pflanzlichen Lebensmitteln wie Vollkornprodukten gesteigert werden.

Die Individualisierung der Therapie ist relevant. Moderne orale Antidiabetika und GLP-1-Rezeptor-Agonisten spielen eine immer grössere Rolle.

Ultralang wirksame Insulinanaloga versprechen vor allem im Rahmen eines Insulinstarts im Sinne einer basal unterstützten oralen Therapie (BOT) eine noch grössere Sicherheit.

Bei der im Verlauf notwendigen Intensivierung der Insulintherapie etabliert sich zunehmend die schrittweise Hinzunahme von kurz wirksamen Insulinen im Sinne einer BOT-plus-Strategie.

Bei der Behandlung des Typ-1-Diabetes spielen vor allem Entwicklungen aus dem Bereich der Diabetestechnologie eine wichtige Rolle.

Diabetes mellitus erhöht das Risiko für eine maligne Erkrankung, insbeson- dere von Darmkrebs.

Diabetes mellitus erhöht das Risiko für Gefässerkrankungen. Die Radiologie liefert nicht invasiv objektivierbare und reproduzierbare Befunde des gesamten Gefässsystems. Darüber hinaus stellt die interventionelle Radiologie eine wesentliche Säule der Gefässbehandlung dar.

MERKSÄTZE

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der Insulintherapie spielt die konven- tionelle Insulintherapie (Mischinsulin) eine immer geringere Rolle. Es etabliert sich zunehmend aufgrund der höheren Flexibilitat und Sicherheit die schritt- weise Hinzunahme von kurz wirksa- men Insulinen im Sinne einer BOT- plus-Strategie. Weitere wichtige Inno- vationen für die Praxis sind diverse neue Tools, zum Beispiel der soge- nannte BeAM-Wert – die Differenz zwischen «Bedtime»-Blutzucker und Blutzucker am Morgen (Nüchternblut - zucker). Der BeAM-Wert dient als Entscheidungshilfe bei der Therapie - intensivierung. Er ermöglicht es zu er- kennen, ob bei erhöhten oder wieder ansteigenden HbA1c-Werten bei BOT- Patienten die basale Therapie durch Titration des Nüchternblutzuckerwer- tes weiter optimiert werden kann bezie- hungsweise wann die Therapie um ein prandiales Insulinanalogon ergänzt werden sollte. Wird hierdurch das Therapieziel nicht erreicht, sieht das Konsensusstatement der ADA/EASD einen schrittweisen Ausbau hin zu einer kompletten intensiviert konventionel- len Insulinstrategie mit dreimaliger Gabe eines kurz wirksamen Insulins vor.

Bei der Behandlung von Patienten mit Typ-1-Diabetes spielen neben dem Einsatz der bereits oben genannten Insulin analoga vor allem Entwicklun- gen aus dem Bereich der Diabetestech- nologie eine wichtige Rolle. So wird zum einen die klassische Blutzucker- messung zunehmend durch Glukose- Sensormesssysteme ersetzt. Weiterhin steht eine neue Generation von Insulin- pumpen zur Verfügung. Zum Teil können diese an einen kontinuierlich messenden Glukosesensor gekoppelt werden, der dann aktiv stabilisierend in die Therapiesteuerung eingreifen kann.

In greifbare Nähe ist damit die Einfüh- rung einer künstlichen Bauchspeichel- drüse gerückt. In diesen Systemen reagiert ein spezieller Algorithmus automatisch auf wechselnde Blut - zuckerspiegel und moduliert dement- sprechend die Insulinabgabe. Die ers- ten Generationen eines solchen «Clo- sed-loop»-Systems werden jeweils aus extern arbeitenden Systemen bestehen, also einer konventionellen Insulin- pumpe und einem subkutan/interstitiell messenden Glukosesensor und dem über eine Software realisierten Algorithmus.

Diese notwendige Software ist mittler- weile derart optimiert, dass sie bereits in die Insulinpumpe integriert werden kann, der Computer dient dann ledig- lich zur detaillierten Analyse der Daten.

Diabetes

und maligne Erkrankungen Der weltweit sprunghafte Anstieg des Diabetes mellitus, verursacht vor allem durch veränderte Lebensstilgewohn- heiten, wird auch zu einer deutlichen Erhöhung von Krebserkrankungen bei Typ-2-Diabetikern führen. Wichtigste Zielorgane sind Leber, Verdauungstrakt, insbesondere Darm und Bauchspei- cheldrüse, und weibliche Geschlechts- organe. Gemeinsam ist wahrscheinlich allen die Stoffwechselentgleisung mit der Folge immer wieder erhöhter Zu- ckerspiegel im Blut. Dadurch kommt es auch zur Insulinresistenz, welche mit einem über komplexe Abläufe aus- gelösten wachstumsfördernden und die Tumorbildung fördernden Milieu einhergeht.

Besondere Bedeutung kommt dem Darmkrebsrisiko zu, das gerade bei Diabetikern mit erheblichem Über - gewicht deutlich erhöht ist. Liegt zu- sätzlich noch ein familiäres Darm- krebsrisiko vor, ist diese Konstellation besonders gefährlich. Für die Entste- hung von Leberkrebs spielt eine zuneh- mende Verfettung (nicht alkoholische Fettlebererkrankung, NAFLD) und spätere Entzündung der Leber bis hin zur Leberzirrhose eine entscheidende Rolle. Neben Virusinfektionen wie Hepatitis B und C gehört die NAFLD zu den wichtigsten Ursachen des Leber- krebses. Vor diesem Hintergrund müs- sen die Patienten mit Risiko identi - fiziert und auf die Vorsorgemöglich - keiten hingewiesen werden.

Interdisziplinäre Gefässmedizin aus Sicht des Radiologen

Diabetes mellitus erhöht das Risiko für Gefässerkrankungen. Gefässerkrankun - gen stellen eine therapeutische Heraus- forderung dar, der sich verschiedene Disziplinen im Idealfall gemeinschaft- lich stellen. Neben der Behandlung der die Gefässveränderungen begünstigen- den Grunderkrankung gilt es dabei ins- besondere, die Komplikationen, die meist erst später im Krankheitsverlauf auftreten, rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Der Radiologie fällt da -

bei eine zweifache Aufgabe zu. Sie lie- fert nicht invasiv objektivierbare und reproduzierbare Befunde des gesamten Gefässsystems, von den intrazerebralen Gefässen über die Aorta, die Visze ral- und Kardialgefässe bis hin zu den peripheren Gefässen, und meist auch die zugehörigen morphologischen und funktionellen Informationen (z.B. Hirn - perfusion beim Schlaganfall oder Herz- infarkt). Darüber hinaus stellt die inter- ventionelle Radiologie eine wesentliche Säule der Gefässbehandlung dar. So - genannte minimalinvasive Techniken, das bedeutet im Wesentlichen das Auf- dehnen von verengten oder verschlos- senen Gefässen mittels Ballonkatheter und Stents, kommen dabei in allen Gefässgebieten zum Einsatz. Über die letzten zehn Jahre haben sich dabei die Ergebnisse zum Einsatz dieser Techni- ken konsolidiert, was sich auch in den Empfehlungen nationaler wie inter - nationaler inter disziplinärer Experten- gremien niederschlägt.

In den meisten dieser Empfehlungen wird der interdisziplinäre Charakter der Gefässmedizin betont. Nur im Zu- sammenspiel von Angiologie, Gefäss- chirurgie und Radiologie sowie der assoziierten Gebiete wie Kardiologie, plastische Chirurgie oder Neurologie gelingt somit die optimale Behandlung

des Gefässpatienten.

Claudia Borchard-Tuch

Quelle: Pressekonferenz im Rahmen der Fortbildungsver- anstaltung «Innere Medizin fachübergreifend – Diabeto- logie grenzenlos», München, 19. Februar 2016.

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ARS MEDICI 192016

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