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"The Picture Survives" : Zur Geschichte der Kriegsberichterstattung : Korea - Vietnam - Afghanistan - Globaler Krieg gegen den Terror

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“THE PICTURE SURVIVES”

Zur Geschichte der Kriegsberichterstattung

Korea - Vietnam - Afghanistan - Globaler Krieg gegen den Terror

DISSERTATION

ZUR ERLANGUNG DES AKDADEMISCHEN GRADES DES DOKTORS DER PHILOSOPHIE

AN DER UNIVERSITÄT KONSTANZ FACHBEREICH GESCHICHTE UND SOZIOLOGIE

VORGELEGT VON:

PHILIPP FRAUND

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS)

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“THE PICTURE SURVIVES”

Zur Geschichte der Kriegsberichterstattung

Vietnam - Afghanistan - Globaler Krieg gegen den Terror

DISSERTATION

ZUR ERLANGUNG DES AKDADEMISCHEN GRADES DES DOKTORS DER PHILOSOPHIE

AN DER UNIVERSITÄT KONSTANZ FACHBEREICH GESCHICHTE UND SOZIOLOGIE

VORGELEGT VON:

PHILIPP FRAUND

TAG DER MÜNDLICHEN PRÜFUNG: 18. 02. 2009

REFERENT: HERR PROFESSOR DR. RAINER WIRTZ REFERENT: HERR PROFESSOR DR. LOTHAR BURCHARDT

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and Military at War; Lawrence 1998, S. 73

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(5)

1.1 Quellenlage...12

1.2 Anmerkungen zur verwendeten Literatur...17

2 Globale Berichterstattung zu Kriegszeiten – Der Zweite Weltkrieg als Beispiel...20

2.1 Der Zweite Weltkrieg auf dem Europäischen Kriegsschauplatz...21

2.2 Der Zweite Weltkrieg auf dem Pazifischen Kriegsschauplatz...29

2.3 Totaler Krieg und Totale Berichterstattung...58

3 Exkurs: Zerfall der Anti-Hitler-Koalition und Ausbruch des Kalten Krieges...66

3.1 Die Ära McCarthy als Faktor des Kalten Krieges...74

4 Der „heiße Krieg“ im Kalten Krieg...78

4.1 Korea – Der „vergessene“ Krieg...80

4.1.1 Historischer Kontext...80

4.1.2 Einsatz von Journalisten in diesem „vergessenen Krieg“...89

4.1.2.1 MacArthurs Landungsunternehmen in Inchon...91

4.1.3 Der Krieg in Korea als “forgotten war”...96

4.2 Vietnam – Der „erinnerte“ Krieg...98

4.2.1 Historischer Kontext...100

4.2.2 Der Kampf um die Unabhängigkeit Vietnams...104

4.2.3 Der französische Krieg in Indochina 1946 – 1954...110

4.2.3.1 Wendepunkt „Dien Bien Phu“...117

4.2.4 Das Engagement der USA in Vietnam...126

4.2.5 Die Amerikanisierung des Krieges...134

4.2.5.1 Die Ereignisse im Golf von Tonking und ihre Folgen...134

4.2.5.2 Die „Tet-Offensive“ vom Frühjahr 1968...142

4.2.5.3 Der Fall Vietnams an den Kommunismus...148

4.3 Zwischenfazit ...151

(6)

5.1 Der Krieg um die Falkland-Inseln...153

5.1.1 Historischer Kontext...154

5.1.2 Der argentinische Entschluß zur Invasion auf den Falklandinseln...161

5.1.3 Berichterstattung ...169

5.1.4 Lehren aus diesem Krieg ...175

5.2 Die Operationen “Urgent Fury” (1983) und “Just Cause” (1989) – Formulierung einer eigenen amerikanischen Pressepolitik für Kriegszeiten...177

5.2.1 Die amerikanische Invasion in Grenada – Operation “Urgent Fury”...177

5.2.2 Die amerikanische Invasion in Panama – Operation “Just Cause”...182

5.3 Zwischenfazit ...189

6 Der 11. September 2001 und die Folgen...191

6.1 Berichterstattung über den 11. September...192

6.2 Der “Global War on Terror”...203

6.2.1 Operation “Enduring Freedom” – Krieg gegen Afghanistan...206

6.2.1.1 Historischer Kontext...206

6.2.1.2 Afghanistan vor der sowjetischen Invasion...207

6.2.1.3 Die sowjetische Invasion in Afghanistan...213

6.2.1.4 Der Krieg der Mudjaheddin gegen die sowjetischen Invasoren...217

6.2.1.5 Der Bürgerkrieg...222

6.2.1.6 Der Krieg der USA gegen die Taliban...223

6.2.2 Operation “Iraqi Freedom” – Krieg zur „Befreiung“ des Irak...227

6.2.2.1 Historischer Kontext ...229

6.2.2.2 Der Kampf um die Öffentliche Meinung ...246

6.2.2.3 Der Krieg gegen Saddam Hussein – Operation “Iraqi Freedom”...249

6.2.2.4 Berichterstattung ...254

6.2.3 Zwischenfazit...277

7 Mediale (Kriegs-) Berichterstattung – Anspruch und Wirklichkeit...282

7.1 Das Ereignis in der Erinnerung...283

(7)

7.2.1 Journalismus im Krieg...287

8 Ausblick – Vom Überleben der Bilder...291

9 Literatur und Quellenverzeichnis...296

9.1 Quellen ...296

9.1.1 Edierte Quellen...296

9.1.2 Gedruckte Quellen...297

9.1.3 Ungedruckte Quellen...303

9.1.4 Bildquellen...308

9.1.5 Film- und Videoquellen...309

9.2 Literatur...311

10 Anhang...326

10.1 Verzeichnis der Abkürzungen...326

10.2 Verzeichnis der Abbildungen...332

10.3 Ausgewählte Dokumente...337

10.4 Code of Practice des Rory Peck Trusts vom November 2000...337

10.5 Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Future Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Responsibility, 28. Februar 2003...338

(8)

Nach dem Irak-Krieg 2003 geriet die Kriegsberichterstattung der Medien in das Kreuzfeuer der Kri- tik. Durch die Einführung des Systems der „Embedded Journalists“ hatte die Kriegberichterstattung eine neue Form bekommen und neue Dimensionen gewonnen. Die in diesem Zusammenhang von den Kritikern oftmals gezogene Parallele zu den Propaganda-Kompanien der Wehrmacht war Anlaß, die Entwicklung der Kriegsberichterstattung anhand ausgewählter Kriege aufzuzeigen.

Herrn Prof. Dr. Rainer Wirtz danke ich für die Bereitschaft, dieses komplizierte und langwierig zu bearbeitende Thema als Dissertationsprojekt angenommen und immer wieder mit kritischen wie auch hilfreichen Fragen und Anregungen vorangebracht zu haben. Für seine Bereitschaft, als Zweit- gutachter zu fungieren und in langen Gesprächen manche unklaren Punkte innerhalb des histori- schen Teils der Arbeit auszuräumen, danke ich Herrn Prof. Dr. Burchardt herzlich.

Den Mitarbeitern in den Hauptredaktionen „Aktuelles“ und „Außenpolitik“ des Zweiten Deutschen Fernsehens danke ich für die Bereitschaft, mir immer wieder beratend zur Seite zu stehen. Insbeson- dere Stefan J. Pauli von der Hauptredaktion „Aktuelles“ sei an dieser Stelle herzlich für seine nim- mermüde Hilfsbereitschaft bei der Beantwortung meiner zahlreichen und nicht immer einfachen Fragen zu helfen, gedankt. Auch Paul Amberg, Yvette Gerner, Robert Bachem, Gudrun Kirch, Lia- ne Makhoul, Dietmar Ossenberg, Claudia Ruete, Michael Renz und Elmar Theveßen sei an dieser Stelle für ihre Hilfsbereitschaft in Sachen Materialbeschaffung und Zugang zu Materialien herzlich gedankt. Die kollegiale Zusammenarbeit in diesen beiden Redaktionen gehört zu den schönsten und prägendsten Zeiten meiner Ausbildung.

Großer Dank gebührt ebenfalls dem Generalsekretär der „Commission Internationale d'Histoire Militaire“ (CIHM), Prof. Dr. Piet Kamphuis, der mich mit manch wertvollem Konferenzbeitrag der CIHM-Konferenzen unterstützte. Ferner danke ich Dr. Bianka Adams, Dr. Jeffrey C. Clarke, Dr. Jo- seph P. Harahan, Dr. Edward J. Marolda, Col. Prof. Dr. Allan R. Millett, Dr. Charles D. Melson, Dr.

Charles P. Neimeyer, Dr. Hans Pawlish von der “United States Commission on Military History”

(USCMH), die jederzeit bereit waren, meine Fragen im Bezug auf die Zugänglichkeit mancher Quel- len innerhalb des verschlungenen Dokumentensystems des Pentagons zu beantworten und mir mit vielen guten Hinweisen und hilfreichen Kontakten zur Seite standen. Ohne sie wäre es ungleich schwieriger gewesen, manche Teile dieser Arbeit zu recherchieren.

Aus der Vielzahl von Personen, die von mir in den letzten Jahren mit Fragen zu Details bezüglich

„Medien und Militär“ angefragt wurden, seien noch die Mitarbeiter der Pressestelle des ZDF ge- nannt, die bereit waren, mir binnen kürzester Zeit das nachgefragte Informationsmaterial zuzusen- den. Auch den Mitarbeitern der Dresdner Sprengschule gebührt an dieser Stelle der Dank für die unkomplizierte Hilfe bei der Beantwortung meiner Fragen zu speziellen sowjetischen Munitionsty- pen.

Vielfältige Unterstützung habe ich auch aus dem Kreis der Studienfreunde erfahren. Besonders dan- ke ich Nicole Hahlweg, die jederzeit bereit war, sich meine Überlegungen anzuhören, und mir manch guten Ratschlag erteilte.

Meinen Eltern ist diese Arbeit in Dankbarkeit gewidmet.

(9)

1 Einführung

“At their worst the military wraps itself in the flag and the media wraps themselves in the First Amendment and neither party listens to the other.”

Peter Andrews1

Neben die drei klassischen staatlichen Gewalten – Legislative, Exekutive und Judikative – ist eine vierte Gewalt getreten: die Medien.2 Die Ausübung und Vermittlung moderner Politik ist ohne die Medien nicht mehr denkbar. Sie haben der Politik eine vollkommen neue Arena zur Darstellung ihrer Akteure, ihrer Ziele, Ideen und Visionen gegeben. Ohne die Medien ist auch die Implementation von Politik heute nicht mehr vorstellbar.3 Die Gefahr, daß Medien hierbei im Sinne der Politik instrumentalisiert werden, ist gerade im Zeitalter weltumfassender Kommuni- kation nicht mehr zu leugnen. In den letzten Jahren haben sich alle Medien – freiwillig oder un- freiwillig, wissentlich oder unwissentlich – instrumentalisieren lassen.4 Besonders anfällig für In- strumentalisierung sind die elektronischen Medien. Inbesondere das Fernsehen und das Internet sind an dieser Stelle zu nennen. Diese beiden Medien sind existentiell auf das Vorhandensein von Bildern angewiesen. Bilder – auch die bewegten Videobilder des Fernsehens – sind aber von al- len Informationsträgern das für Manipulationsversuche anfälligste Medium. Als Beispiel hierfür seien die Ereignisse des 11. September 2001 genannt: Beinahe alle Fernsehsender der Welt über- trugen an diesem Tag die Bilder der brennenden und später einstürzenden Doppeltürme des World-Trade-Centers.5 Jede Zeitung brachte am folgenden Tag ein, wenn nicht sogar mehrere Bilder jenes Ereignisses auf der Titelseite6. Damit machten sich die Medien aber selbst – vermut- lich unbewußt – zum Transporteur der perversen Botschaft dieser Bilder und dieses Ereignisses:

Die Rechnung der Terroristen, mit ihrem Anschlag die maximal mögliche mediale Aufmerksam- keit zu erhalten, ging voll und ganz auf.

1 Zitiert nach Paul, Christopher; Kim, James J.: Reporters of the Battlefield. The Embedded Press System in Historical Context; Santa Monica 2004; in: http://www.rand.org/pubs/monographs/2004/RAND_MG200.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), S. 7

2 Vgl. Hallin, Daniel C.: The Uncensored War. The Media and Vietnam; New York, Oxford 1986; S. 3 – 4, im fol- genden zitiert als Hallin: Uncensored War..., siehe hierzu auch Büttner, Christian; von Gottberg, Joachim; Met- ze-Mangold, Verena [Hrsg.]: Der Krieg in den Medien; Frankfurt 2004, S. 7; im folgenden zitiert als Büttner;

von Gottberg; Metze-Mangold: Editorial..., siehe auch Schulz, Andreas: Der Aufstieg der "Vierten Gewalt". Me- dien, Politik und Öffentlichkeit im Zeitalter der Massenkommunikation; in: Historische Zeitschrift 1 / 2000; S.

65 – 97, im folgenden zitiert als Schulz: Vierte Gewalt..., siehe ferner Schildt, Axel: Das Jahrhundert der Mas- senmedien. Ansichten zu einer künftigen Geschichte der Öffentlichkeit; in: Geschichte und Gesellschaft 2 / 2001; S. 176 – 206, im folgenden zitiert als Schildt: Jahrhundert der Massenmedien...,

3 Vgl. Büttner; von Gottberg; Metze-Mangold: Editorial..., S. 7

4 Vgl. Büttner; von Gottberg; Metze-Mangold: Editorial..., S. 7

5 Der Musiksender VIVA entschloß sich aber, keine Livebilder von den Ereignissen in New York zu zeigen, son- dern sendete – analog zu den Gepflogenheiten der ehemaligen Sowjetunion – ein Schwarzbild. Vgl. Lauterbach, Jörn: Der mediale Umgang mit dem Terror. Fernsehsender werfen Programm komplett um - Rekordauflagen bei Zeitungen; in: Die Welt, 13.September 2001, S. 35

6 Sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung brachte an diesem Tag ein Bild auf der Titelseite. Etwas, das in der 50-jährigen der Geschichte der FAZ bis dahin insgesamt nur 30 Mal geschehen war. Vgl.

http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/7/0,3672,7007879,00.html (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), siehe auch Ka- pitel 6 der vorliegenden Arbeit; siehe auch Lauterbach, Jörn: Der mediale Umgang mit dem Terror. Fernsehsen- der werfen Programm komplett um - Rekordauflagen bei Zeitungen; in: Die Welt, 13.September 2001, S. 35

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Am Beispiel des 11. September läßt sich die Zwickmühle, in die die Medien bei solchen Ereig- nissen geraten, aufzeigen: Die Medien müssen, und dies gilt um so mehr für das Fernsehen, aktu- ell von dem Ereignis berichten. Angesichts des Ausmaßes und der Bilderflut, die der Einschlag der beiden Flugzeuge in das World-Trade-Center produzierte, blieb während der diversen Live- sendungen keine Zeit mehr für kritische Reflektionen, Ursachenforschung oder für die Suche nach Sinnzusammenhängen. Aus dem dargelegten Konflikt ergibt sich nun die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen einer aktuellen Berichterstattung. Hier ist insbesondere nach dem Prozeß der redaktionellen Entscheidungsfindung darüber, ob und in welcher Weise aktuell über ein Ereignis berichtet werden soll, zu fragen. Angesichts der Tatsache, daß die wenigsten aktuel- len Berichte im Fernsehen aus Material bestehen, das für den jeweiligen Sender exklusiv gedreht wurde, stellt sich die Frage nach der Qualität des Ausgangsmaterials der Berichte. Hierbei sind besonders die internen Methoden der Qualitätssicherung – analog zum historischen Handwerks- zeug der inneren und äußeren Quellenkritik – zu beachten.

Innerhalb einer Redaktion ist in aller Regel ein Redakteur für die Fertigstellung eines Beitrages verantwortlich. Ihm stehen Materialien von Nachrichtenagenturen, aus dem eigenen Archiv und von den Kollegen vor Ort zur Verfügung. Aus diesen Quellen entsteht dann am Schneidetisch bzw. Schnittcomputer ein Fernsehbeitrag. Dieser Schritt des editorischen Umgangs mit dem Quellenmaterial birgt zugleich die größte Gefahr der Veränderung von kontextuellen und inhaltli- chen Zusammenhängen, die die gesamte Objektivität eines Beitrages und auch die des Reporters in Frage stellen können.

Die Grundfrage allerdings, ob ein Reporter überhaupt objektiv ist bzw. sein kann, soll an dieser Stelle zwar angesprochen, aber nicht diskutiert werden, da diese Frage schon beinahe metaphysi- sche Dimensionen aufweist. Hierbei spielen unter anderem Faktoren wie der berufliche Werde- gang, die Ausbildung, das Wissen und nicht zuletzt die Persönlichkeit des Reporters eine Rolle.

Ferner ist zu fragen, ob sich in den Biographien der Journalisten sowohl Kontinuitäten als auch Diskontinuitäten ausmachen lassen. Diese Frage basiert auf der Annahme, daß die durchschnittli- che Karriere eines Journalisten ca. 40 Jahre im Beruf umfaßt. Im 20. Jahrhundert mit seinen vie- len Kriegen besteht also ein gewisser Anlaß zu vermuten, daß ein Journalist nicht nur einen Krieg, sondern mehrere erlebt hat. Daher erscheint es sinnvoll, der Frage nachzugehen, ob je- mand, der einmal über einen Krieg berichtet hat, dies noch einmal tun wird, oder ob er lieber vom Redaktionsschreibtisch aus den Einsatz der Kollegen koordiniert. Wenn das der Fall ist, dann kann nicht pauschalisierend von dem e i n e n Typus des Kriegsreporters gesprochen wer- den. Es muß auch nach dem Geschlecht des Kriegsreporters gefragt werden. Arbeiten in diesem Metier auch Frauen und – wenn ja – ab welcher Zeit und an welchem Ort sind sie im Einsatz?

Vor allem die Frage des Ortes ist hier interessant: Berichten Frauen auch von der Frontlinie oder sind sie eher in der Etappe zu finden? Vor allem ist aber auch festzustellen, ob der Reporter über eine durch langjährigen Aufenthalt vor Ort oder langjährige Beschäftigung mit dem Berichtsge- biet erworbene Kenntnis verfügt, oder ob er das Thema lediglich bearbeitet, weil er gerade auf dem Dienstplan steht.

Die Gefahr, den Manipulationsversuchen der verschiedenen an einem Konflikt beteiligten Partei- en aufzusitzen, ist groß, wenn sich der Redakteur oder Reporter mit den Gegebenheiten vor Ort nicht auskennt. Wenn aber schon der Journalist vor Ort dieser Gefahr ausgesetzt ist, kann der Zu- schauer daheim überhaupt nicht mehr unterscheiden, ob die Bilder e c h t oder gestellt sind.

Sie wirken auf ihn alle gleich dramatisch.

(11)

Bilder – seien es Photos oder Fernsehbilder – scheinen auf den ersten Blick dem Rezipienten einen authentischen Eindruck des Geschehens zu vermitteln. Auf den zweiten Blick zeigt sich je- doch, daß jene Authentizität trügerisch ist. Zu jedem Bild gehören ein Kommentar oder eine Bildunterschrift, die den Inhalt des Bildes in den Kontext des Geschehens einordnen. Auch wenn die Bilder, die eine Kamera liefert, unter technischen Gesichtspunkten objektiv sind, so sind sie aus zwei Gründen dennoch subjektiv: Zum einen ist der Photograph oder Kameramann, der sein Motiv auswählt; zum anderen erfaßt die Kamera das Geschehen, das sich außerhalb ihres Blick- oder Bildwinkels abspielt, nicht. Der Rezipient erfährt daher nicht, was sich links und rechts ne- ben dem Motiv ereignet hat. Aus diesem Grund kann Bruce Cumings zu Recht die Frage stellen, warum ein geöffneter Verschluß so wenig sieht:

“It took the Gulf War, however, to show us the full totalizing potential of war television: the medium as the only message. Our first global network, CNN, kept its round-the-clock eye open during the weeks long air-war and the hours-long ground war – and yet nothing was seen.

Now and then the insubordinate cameras, such as CNN’s in Baghdad, caught television guided missiles lumbering slowly over the skyline, like telephone poles floated up from the ground and set adrift on mysterious currents, disappearing into the bull’s eye of some “military targets”.

[…] How can an open shutter see so little?”7

So sind zum Beispiel gerade jene Bilder, die den pakistanischen Mob zeigen, wie er nach dem Freitagsgebet in Peshawar amerikanische und israelische Flaggen verbrennt, als Symbol für den Haß auf den Westen ziemlich eingängig. Was aber nie thematisiert wird, sind die Erfahrungen, die die Kameraleute gemacht haben, die diese Bilder lieferten. Die Ausschreitungen begannen – medienwirksam – beim Eintreffen der Kamerateams und endeten beim Erlöschen des Rotlichts auf der Kamera. Die Bilder indes suggerieren etwas vollkommen anderes: Der islamistische Haß auf den Westen bricht sich nun auch in Pakistan, dem engen Verbündeten der USA im “Global War on Terror”8, in aller Öffentlichkeit Bahn.9 So kommt Hans Leyendecker, langjähriger Mitar- beiter des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und Leitender Politik-Redakteur der Süddeut- schen Zeitung, in seinem Buch „Die Lügen des Weißen Hauses“ zu dem Schluß, daß „mit Bil- dern getäuscht, getrickst und betrogen [wird]. [...] Der Kamera ist es gleich, ob sie 24 Bilder Wahrheit oder 24 Bilder Unwahrheit pro Sekunde aufnimmt.“10

Neben den klassischen Formen der Berichterstattung wie Reportagen und Dokumentationen ist die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse das dominierende Element der Berichterstattung im Fernsehen. Reportagen und Dokumentationen brauchen in aller Regel in Vorbereitung und Produktion längere Zeit, so daß diese beiden Formen des Berichtens auch als die „Hohe Schule“

des Fernsehens gelten. Die aktuelle Berichterstattung hingegen wird zumeist als das ungeliebte

„Brot- und Buttergeschäft“ eines Journalisten wahrgenommen. Gilt doch für die meisten Nach- richtenformate die alte Redaktionsweisheit: „Ist der Reporter auch noch so fleißig, es bleibt bei 1 Minute 30.“ Hierbei wird auf die klassische Länge eines Nachrichtenbeitrages angespielt, der idealerweise alle relevanten Informationen in einer Minute und dreißig Sekunden zusammenfas-

7 Cumings, Bruce: War and Television; London, New York 1992, S. 1 – 2; im folgenden zitiert als Cumings: War and Television...,

8 In Zukunft werden die Begriffe “Global War on Terror”, „Globaler Krieg gegen den Terror“ und das Akronym

“GWOT” (GLOBAL WAR ON TERROR) synonym verwandt. Zur Genese des Begriffs “GWOT” siehe Woodward, Bob: Bush at War; New York, London, Toronto 2003, S. 30 – 34; im folgenden zitiert als Woodward: Bush at War...,

9 Vgl. Kröger, Uwe: Die Bilder brauchen Skepsis. Aus der Praxis der Afghanistan-Berichterstattung; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2001; Mainz 2002, S. 79 – 81, hier S. 80, im folgenden zitiert als Kröger: Bilder brauchen Skepsis...,

10 Leyendecker, Hans: Die Lügen des Weißen Hauses. Warum Amerika einen Neuanfang braucht; Reinbeck bei Hamburg 2004, S. 16 – 17, im folgenden zitiert als Leyendecker: Lügen des Weißen Haueses...,

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sen sollte. Bei der Berichterstattung über aktuelle Ereignisse muß zwischen dem Alltagsgeschäft – dem Pflichtteil eines Journalisten – und der Kür unterschieden werden. Das Alltagsgeschäft be- steht beispielsweise in der Berichterstattung über solche vorhersehbaren und planbaren tagesak- tuellen Ereignisse wie zum Beispiel den Parteitag einer politischen Partei. Die Kür hingegen be- steht in der Berichterstattung über aktuelle, aber nicht vorhersehbare und nur teilweise planbaren Ereignisse. Zwei Beispiele mögen diese Situation illustrieren: Die Ereignisse des 11. September 2001 konnten nicht vorhergesehen werden und daher konnte in keinster Weise geplant werden, wie in der Berichterstattung zu reagieren ist. Der Tod des Papstes im April 2005 hingegen war – aufgrund der langen Leidensgeschichte und des immer sichtbarer werdenden körperlichen Ver- falls Johannes Paul II. – vorhersehbar und somit redaktionell planbar. Ein Faktor, der gerne über- sehen wird, ist der Umstand, daß die Produktion von „Fernsehen“ in aller Regel Teamarbeit ist.

So ist der Korrespondent vor Ort ohne Kameramann und Tonassistent ziemlich verloren, da erst diese beiden Kollegen in der Lage sind, die Vorstellungen des Korrespondenten in Bild und Ton umzusetzen. Ohne die Crew des Feedpoints11 nutzen die schönsten Bilder wenig, da sie wohl nie ein Zuschauer zu Gesicht bekommen wird. Dies gilt allerdings nur für die klassischen Fernseh- teams bestehend aus Redakteur, Kameramann und Ton- / Kameraassistent. Der immer beliebter werdende VJ (Videojournalist) ist Redakteur, Kameramann, Tonassistent und Cutter in Personal- union.12

Eine Sonderform der aktuellen Berichterstattung stellt die Kriegsberichterstattung dar. Prinzipiell gelten auch für sie die gleichen Regeln wie für die normale aktuelle Berichterstattung, jedoch ist das Arbeitsumfeld in den meistens Fällen ein vollkommen anderes als das gewohnte. Auch gel- ten hier oft andere Regeln im Umgang mit Kontakten und offiziellen (Presse-)Stellen. Auch das Verhalten im Kriegsgebiet unterscheidet sich grundsätzlich von dem in befriedeten Gebieten.

Ferner ist das Lagebild in einem Krieg meistens extrem verworren, und in vielen Fällen läßt sich heute nicht mehr genau sagen, wo die Frontlinie – wenn es denn überhaupt eine gibt – verläuft.

Obwohl das folgende Zitat auf den Soldaten im Felde gemünzt ist, läßt sich die Aussage auch analog auf den Berichterstatter vor Ort anwenden: “A soldier or sailor isn't told what goes on around him. Headquarters doesn't broadcast a play-by-play description of the game; it's too huge, confused and complex. [...]”13

Medien und Militär scheinen in Friedenszeiten grundsätzlich in einer Art „friedlicher Koexis- tenz“ nebeneinander zu existieren. Der Soldat als elementarer Teil des Militärs ist zugleich auch Teil der Gesellschaft, die – zumindest in demokratischen Gesellschaftssystemen – Kontrolle über die Streitkräfte ausübt. Die Medien wiederum leisten, in ihrer Rolle als vierte Gewalt, einen Teil der Kontrollfunktion der Gesellschaft, indem sie über die Streitkräfte berichten. In aller Regel

11 Unter einem Feedpoint versteht man die Einrichtung, von der aus Beiträge in die Heimatredaktion überspielt werden können. Die Überspielung kann entweder von einer Fernsehanstalt oder von einem Übertragungsfahr- zeug (SNG = SATELLITE NEWS GATHERING) aus erfolgen. Der neueste technische Trend besteht darin, den Beitrag nicht mehr 1:1 auf die MAZ (MAGNETISCHE AUFZEICHNUNG) beim Heimatsender zu überspielen, sondern den Bei- trag als Datei via FTP (FILE TRANSFER PROTOCOL) zu übertragen. Dieses Verfahren ist allerdings – wenn nicht auf File-basierten Formaten gedreht wird – ziemlich zeitaufwendig.

12 Vgl. Miroschnikoff, Peter: Die beste Lebensversicherung ist Teamwork. Aus 30 Jahren Krisen- und Kriegsbe- richterstattung; in: Deutsche Welle [Hrsg.]: "Sagt die Wahrheit: Die bringen uns um!". Zur Rolle der Medien in Krisen und Kriegen (= DW-Schriftenreihe, Bd. 3); Berlin 2001, S. 37 – 46, hier S. 37, im folgenden zitiert als Miroschnikoff: Lebenversicherung…,. Zum Themenkomplex des Videojournalisten siehe ausführlich Streich, Sabine: Videojournalismus. Ein Trainingshandbuch; Konstanz 2008, im folgenden zitiert als Streich: Videojour- nalismus…,

13 Hamm, Bradley; Shaw, Donald L.; Daniel, Douglass K.: World War II, The Asian Theater & The Korean War;

in: Copeland, Douglas A. [Hrsg.]: The Greenwood Library of American War Reporting, Vol. 6; Westport / Conn., London 2005, S. 14, im folgenden zitiert als Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6...,

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werden die Streitkräfte aber nur dann zum Thema in den Medien, wenn sich in ihnen ein Skandal ereignet, wenn seitens der Regierung teuere, in ihrem Sinn aber umstrittene Rüstungsprojekte oder Auslandseinsätze verabschiedet werden.14 Wenn zuvor von einer Art „friedlicher Koexis- tenz“ von Militär und Medien die Rede war, so stimmt dies nur teilweise: Medien werden – gera- de in höheren Stäben und Offiziersrängen – oftmals als “natural enemies”15 wahrgenommen.

Hier brechen alte Konflikte der verschiedenen politischen Lager auf, die das Weltbild und die Denkweisen, die b e l i e v e s y s t e m s , der Angehörigen des jeweiligen politischen La- gers bestimmen. So werden Journalisten von Soldaten oftmals als (links-)liberal, grundsätzlich anti-militaristisch gestimmt und weniger patriotisch gesinnt als sie selbst wahrgenommen.16 Dies führt dazu, daß seitens des Militärs immer eine gewisse Vorsicht im Umgang mit den Medien zu beobachten ist. Diese grundsätzliche Vorsicht führt aber wiederum dazu, daß sich die Medien umso kritischer mit dem Militär auseinandersetzen, je vorsichtiger von dessen Seite agiert wird.

In diesem Zwiespalt zwischen notwendiger Geheimhaltung und dem Recht der Öffentlichkeit auf Information gerät das Militär als Instanz unter extremen Druck der öffentlichen Meinung.

Angesichts dieser Rollenverteilung kann man auch von aktiven und passiven Rollen sprechen:

Zu Friedenszeiten spielen die Medien die aktive Rolle, indem sie das Militär – wie oben geschil- dert – stellvertretend für die Öffentlichkeit kontrollieren. Das Militär hingegen nimmt die passive Rolle ein, indem es auf das Interesse der Öffentlichkeit reagiert. Diese Rollenverteilung ändert sich in Zeiten von Krieg drastisch: Aus der „friedlichen Koexistenz“ wird nun ein Verhältnis ge- genseitiger Abhängigkeit, in welchem beide Seiten auf Gedeih und Verderb aufeinander ange- wiesen sind. Dieses Verhältnis wird von dem britischen Journalisten Philip Knightly so beschrie- ben:

“[...] Correspondents have to choose because the aims of the military and the media are irreconcilable. The military wants to win the war as quickly as possible and preferably, because the face of battle is horrific, away from the public eye. The media wants to observe the military in action, bear witness, and record the first draft of history. [...]”17

Die demokratische Kontrolle der Streitkräfte ist nun nicht mehr so wichtig. Es entsteht eine Art

„Burgfrieden“ als innenpolitischer Konsens, nach dem Kritik am Vorgehen der Streitkräfte zu- mindest unangebracht, wenn nicht sogar unerwünscht ist. So konnte nach dem 11. September 2001 und nach dem amerikanischen Gegenschlag gegen Stellungen der Taliban und der Al Kaida in Afghanistan ein Vertreter des amerikanischen Fernsehsenders Fox-News die Marschrichtung ausgeben, daß „Tote und Verwundete in der Zivilbevölkerung grundsätzlich keinen Nachrichten- wert [haben]“18, ohne daß die Öffentlichkeit empört aufgeschrieen hätte. Vor dem Krieg gegen Saddam Hussein im Jahre 2003 gab der amerikanische Präsident George W. Bush die Parole aus, daß es für den Rest der Welt nur zwei Möglichkeiten des Verhaltens gäbe: entweder für oder ge-

14 Siehe den sogenannten „Folter-Skandal“ von Coesfeld, die Foto-Affäre aus Afghanisten und die Diskussion um die Verlängerung des Mandates für die ISAF-Einsätze in Afghanistan.

15 Zitiert nach Knightley, Philip: First casualty, from the Crimea to Vietnam. The war correspondent as hero, pro- pagandist and myth maker; Baltimore 2004, S. 368, im folgenden zitiert als Knightley: First casualty...,

16 Vgl. Kellner, Douglas: Kriegskorrespondenten, das Militär und Propaganda. Einige kritische Betrachtungen; in:

Korte, Barbara; Tonn, Horst [Hrsg.]: Kriegskorrespondenten: Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft;

Wiesbaden 2007, S. 17 – 38, hier S. 18, im folgenden zitiert als Kellner: Kriegskorrespondenten, das Militär und Propaganda,...

17 Knightley: First casualty..., S. xi

18 Zitiert nach Brender, Nikolaus: Der Umgang mit den Bildern des Terrors; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2001; Mainz 2002, S. 69 – 70, hier S. 70, im folgenden zitiert als Brender: Umgang mit den Bildern des Terrors...,

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gen die Vereinigten Staaten von Amerika zu sein.19 Dieses Diktum schloß, auch wenn das so ex- plizit nie gesagt wurde, die Medien mit ein. Für die amerikanischen Medien schien der Entschluß festzustehen: “[They] wrapped themselves in the American flag and substituted patriotism for impartiality”.20

Wichtig für die Redaktionen der verschiedenen Medien ist im Kriegsfall, möglichst umfassend über den Krieg berichten zu können. Dazu gehört, neben den Meldungen der Nachrichtenagentu- ren21 als geradezu klassische Informationsquellen, auch die Entsendung von Korrespondenten in das jeweilige Kriegsgebiet. Dies geschieht vorwiegend aus zweierlei Gründen: Zum einen zeigt die Redaktion, daß sie in der Lage ist, jemanden dorthin zu entsenden und dann auch von dort wieder in die Redaktion berichten zu lassen.22 Zum anderen gibt man damit dem ganzen Gesche- hen ein Gesicht, an dem sich der Zuschauer orientieren kann. Abgesehen davon, daß mit diesem Gesicht auch das Medium ein „menschliches“ Antlitz erhält, erhöht sich auch der Wert des Me- diums als Marke. Daß ein Fernsehsender heute auch als Marke verstanden werden muß, erklärt sich aus der sich immer weiter diversifizierenden Medienlandschaft. In Zeiten, in denen die ein- zelnen Programme immer austauschbarer werden, muß sich ein Fernsehsender immer stärker als Marke definieren, um den Zuschauer ansprechen zu können. So sind beispielsweise die ständi- gen Verweise der öffentlich-rechtlichen Sender auf ihr weltumfassendes Korrespondentennetz zum einen der Versuch, der Politik klarzumachen, daß dieses Netz nicht umsonst zu haben ist und deshalb der öffentlich-rechtliche Rundfunk als gebührenfinanziertes Modell nicht zur Dispo- sition gestellt werden darf; zum anderen sind sie aber auch der Versuch, durch die damit gezeigte Kompetenz in Sachen Nachrichten und Personal vor Ort so etwas zu schaffen wie ein Etikett für seriöse, fundierte Berichterstattung und Kompetenz in Information.23 Neben der Definition sol- cher abstrakten Begriffe wie „Kompetenz in Information“ sind auch Personen notwendig, um diese Marke mit Leben zu füllen. Daher gibt es für die Hauptnachrichtensendungen Moderato- ren, die immer wieder nur für diese Aufgabe eingesetzt werden. Diese A n c h o r s bilden die Schnittstelle zum Zuschauer. Durch sie wird es dem Zuschauer ermöglicht, eine emotionale Bin- dung zum Moderator und damit auch zur Nachrichtensendung und letztlich auch zum Sender aufzubauen. Gleichzeitig erzeugen sie durch die ihnen zugeschriebene journalistische Kompe- tenz einen Schein von Objektivität, der beim Zuschauer den Eindruck erwecken soll, der Anchor habe all seine journalistische Kompetenz in die Produktion dieser Nachrichtensendung gesteckt.

Wie wichtig diese Anchors mittlerweile sind, zeigt sich beispielsweise am Medienecho auf die personellen Veränderungen in den „Tagesthemen“ und dem „heute-journal“.24 Aber nicht nur die

19 Vgl. Knightley: First casualty..., S. xi

20 Knightley: First casualty..., S. xi

21 Zur Arbeitsweise und zum Selbstverständnis der Nachrichtenagenturen im allgemeinen siehe Segbers, Michael:

Die Ware Nachricht. Wie Nachrichtenagenturen ticken; Konstanz 2007, im folgenden zitiert als Segbers: Die Ware Nachricht...,

22 Vgl. Miroschnikoff: Lebenversicherung…, S. 38

23 In diesem Zusammenhang ist auch die seit einiger Zeit im Fernsehen zu sehende Werbekampagne „ARD + ZDF.

Ihr gutes öffentliches Recht“ zu sehen

24 Nur eine kleine Auswahl der Schlagzeilen über „Tagesthemen“ und „heute-journal“ des Jahres 2007 – ohne je- den Anspruch auf Vollständigkeit: Grimberg, Steffen; Denk, David: Der Tag geht, Kleber kommt; Heute vor 30 Jahren gingen "Tagesthemen" und "heute-journal" zum ersten Mal auf Sendung. Die Nachrichtenmagazine er- klären die Welt - wem man lieber zuguckt, ist Geschmackssache, in: die tageszeitung, 2. Janauar 2008, S. 17;

Tieschky, Claudia; Keil, Christopher: "Am Ende steht für mich Erkenntnisgewinn"; Gespräch mit der neuen

"Tagesthemen"-Moderatorin Caren Miosga über Respekt, Nadelstreifen und Tom Buhrow; in: Süddeutsche Zei- tung, 7. Juli 2007, S. 23; Siepmann, Julia: Eine Journalistin, so bunt und ehrlich wie ihr Kiez; Dunja Hayali - das neue Gesicht des ZDF; in: Welt am Sonntag, 17. Juni 2007, S. B 3; Keil, Christopher: Schnupper, schnup- per; Harald Schmidt (ARD) moderiert mal das "heute-journal" (ZDF); in: Süddeutsche Zeitung, 19. April 2007, S. 16; Leyendecker, Hans: Änderung der Änderung; Die Sprunghaftigkeit der ARD-Hierarchen macht ratlos; in:

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Anchors prägen das Gesicht eines Fernsehsenders. Zu- schauerbindung ist heute für den einzelnen Fernseh- sender überlebenswichtig. Ohne sie kann heute kein Fernsehsender mehr auskommen, da die Möglichkeit des wahllosen Herumzappens dazu geführt hat, daß der Zuschauer immer mehr sein eigener Programmdi- rektor werden konnte. Zur Definition eines Fernseh- senders als Marke gehört aber auch das jeweilige ganz spezifische graphische Erscheinungsbild des Senders.

Dieses verpaßt dem Sender erst die Corporate Identity, anhand derer er in der Vielzahl der heute empfangba- ren Kanäle wiedererkannt werden kann. Ferner muß dabei auch berücksichtigt werden, daß die Markenbil- dung auch zu einem gewissen Teil dem aktuell herr- schenden Zeitgeist geschuldet ist. In Zeiten, in denen ganze

Zeitschriften davon leben, der Leserschaft zu erklären, welcher Prominente welches „Label“ zu welchem Anlaß getragen hat – das also dann folglich „in“ sein muß – können sich wohl auch Fernsehsender nicht diesem Markenfetischismus entziehen. Der Versuch eines Fernsehsenders, sich als Marke zu definieren, ist also auch der Versuch, der programmlichen Beliebigkeit der ungezählten Fernsehkanäle, auf die der Zuschauer heute zu- rückgreifen kann, etwas entgegenzusetzen.25 Wenn dem aber so ist, so muß die Frage gestellt werden, ob bei all diesen Versu- chen, sich als Marke zu definieren, eine ernstzunehmende und seriöse Kriegsberichterstattung überhaupt noch möglich ist.

Im Falle eines Krieges sind die Journalisten vor Ort auf das Wohlwollen des Militärs angewie- sen, wollen sie überhaupt etwas zu berichten haben.26 Das Klischee, das vorwiegend durch den Krieg in Vietnam geprägt wurde, nach dem der Journalist morgens an der Hotelbar noch seinen Kaffee trinken und dann, langsam wach werdend, zum Flughafen fahren kann, um mit der nächs- ten Maschine zur nächstbesten Einheit zu fliegen, um dann am Abend an der Hotelbar seinen Be- richt zu verfassen und danach noch den einen oder anderen Drink zu nehmen, ist heute nichts mehr als ein ziemlich plattes Klischee.27 Das Handbuch “A short guide to news coverage in Viet Nam”28 des damaligen Büroleiters der Nachrichtenagentur AP in Saigon, Malom Browne, für Journalisten in Vietnam zeichnet ein etwas anderes, vermutlich realistischeres, Bild vom Kriegs-

Süddeutsche Zeitung, 5. April 2007, S. 17; Starke, Anna: Die neue Quoten-Frau. So nett, so seriös: Die "Tagesschau"- Sprecher haben eine neue Kollegin. Mit Judith Rakers um 20 Uhr versucht die ARD zum Urmodell nachrichtlich-femi- niner Ernsthaftigkeit zurückzukehren; in: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,542299,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

25 Vgl. Schawinski, Roger: Die TV-Falle. Vom Sendungsbewußtsein zum Fernsehgeschäft; Zürich 20072, S. 17, im folgenden zitiert als Schawinski: TV-Falle…,

26 Vgl. Miroschnikoff: Lebenversicherung…, S. 40

27 Vgl. hierzu die „einschlägigen“ Erinnerungen der lange Zeit in Saigon stationierten Journalisten wie etwa Peter Arnett, Horst Fass oder David Halberstam. Siehe auch Hammond, William M.: Who were the Saigon Corre- spondents, and does it Matter? (With an Appendix on the Embedded Reporters of the Iraq War); in: Ionescu, Mi- hail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Gutenberg to Today (= Acta XIX. International Congress of Mili- tary History); Bucharest 2004, S. 80 – 108, im folgenden zitiert als Hammond: Who Were the Saigon Corre- spondents...,

28 http://www.pbs.org/weta/reportingamericaatwar/reporters/browne/ap_handbook.html (Letzer Zugriff 15. 07.

2008)

Abbildung 1: Der neue Anchor des ZDF "heute-journals" in der Dekoration des Nachrichtenstudios. Das Bild datiert auf den Februar 2003.

Quelle: ZDF-Bilderdienst

Abbildung 2: Das Logo des ZDF im Wandel der Zeiten.

Quelle: ZDF-Bilderdienst

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geschehen in Vietnam. In Wirklichkeit haben beide Seiten diametral entgegengesetzte Interessen:

Der Korrespondent möchte so viel wie möglich, so schnell wie möglich über einen Konflikt be- richten, während die Militärs so wenig wie möglich, so spät wie möglich über den selben Kon- flikt berichten wollen.29

Nicht nur der Gegensatz zwischen „so viel und so schnell wie möglich“ und „so wenig und so spät wie möglich“, sondern auch die schiere Vielzahl an Anfragen an das Militär machen die Zu- sammenarbeit mit dem Militär nicht eben leicht. Wie sehr aber oftmals die Herausgeber und Chefredakteure Teil des Establishments sind und daher ein Interesse an guten Beziehungen zu militärischen Stellen haben, macht zum Beispiel die Rede des Chefredakteurs der britischen Nachrichtenagentur Reuters30 vor seinen Redakteuren und Mitarbeiten am 27. Juli 1939 deutlich.

Er sprach darüber, wie Nachrichten, die Auswirkungen auf die offizielle Sphäre haben, in Kriegszeiten behandelt werden sollten. Seinen Mitarbeitern riet er, sich immer der führenden Stellung, der großen Reputation von Reuters bewußt zu sein und dementsprechend zu handeln.31 In dieser Arbeit soll auch eines der Grundprobleme der Berichterstattung über Kriege themati- siert werden: Der Zwang, eine Nachricht zu bringen – auch wenn es eigentlich gar nichts Neues zu berichten gibt. In den letzen 30 Jahren hat sich das Tempo der Berichterstattung erheblich be- schleunigt. Der Puls der Medien hat sich – analog zum Puls der Zeit – erhöht. Die Schlagzahl, mit der Nachrichtenredaktionen heute arbeiten, ist in einem derartigen Maße gestiegen, daß oft- mals für eine genaue Nachprüfung der Fakten keine Zeit bleibt. Die Redaktion des Medienmaga- zins des NDR-Fernsehens „ZAPP“ konnte dies etwa in ihrer Sendung vom 14. März 200732 am Beispiel der Äußerungen des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck zur CO2-Bilanz der Atomkraft illus- trieren. Während Becks Äußerungen an jenem Tag auf allen Kanälen auf und ab liefen und sei- tens der Nachrichtenredakteure nicht kritisch geprüft wurden, kamen die kritischen Recherchen der Nachrichtensendungen erst mit mindestens eintägiger Verspätung.33 So kommt es, daß Eil- meldungen der Nachrichtenagenturen weitergegeben werden, ohne auf Bestätigung durch andere Agenturmeldungen zu warten.34 Auch der oben beschriebene Reporter vor Ort sieht sich diesem Druck ausgesetzt. Oftmals von der Redaktion eiligst in Marsch gesetzt, steht er vor der Kamera und muß versuchen, die wenigen Informationen, die er hat, zu einem sinnvollen Text zusammen- zusetzen.35

In der modernen Medienwelt ist es so, daß das Medium, wie Bruce Cumings es so treffend for- muliert, selbst oftmals zur eigenen Nachricht verkommt. Die Möglichkeit, sich binnen weniger Sekunden durch die gesamte Welt, von Kontinent zu Kontinent, zu schalten, trägt nur in den sel- tensten Fällen zur Erhellung des Lagebildes bei. Leider ist es allzuoft der Fall, daß der Reporter vor Ort an der Aufgabe, dem Zuschauer das Ereignis in einer Minute und dreißig Sekunden zu

29 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 300

30 Zu jener Zeit (1939) firmierte Reuters noch unter dem Namen Reuter. Die Umänderung des Namens erfolgte erst später.

31 Vgl. Read, Donald: The Power of News. The History of Reuters 1849 - 1989; London, New York 1992, S. 217;

im folgenden zitiert als Read: Power of News...,

32 NDR Sendung ZAPP, Sendedatum: 14. 03. 2007, Sendezeit: 23. 00 Uhr

33 Das „heute-journal“ des ZDF brachte am 15. 03. 2007 einen Bericht zu Becks Äußerung, in dem gezeigt wurde, wie unbegründet und haltlos die Äußerungen Becks sind.

34 Vgl. Segbers, Michael: Die Ware Nachricht. Wie Nachrichtenagenturen ticken; Konstanz 2007, im folgenden zi- tiert als Segbers: Die Ware Nachricht..., S. 134 – 137, der Autor listet hier einige der peinlichsten Fehlmeldun- gen der Nachtrichtenagenturen auf und schildert für einen konkreten Fall das Zustandekommen der Falschmel- dung und deren drastische Konsequenzen.

35 Vgl. Miroschnikoff: Lebenversicherung…, S. 38

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erklären, scheitert. In diesem Fall wird die technische Möglichkeit, den Reporter vor Ort in die Sendung schalten zu können, zur einzigen Nachricht, gleichsam der Devise folgend: Es ist etwas passiert und wir waren mit einem Reporter dabei. In den meisten Fällen handelt es sich dann auch noch um „Fallschirm-Journalisten“36, die aus der heimischen Redaktion kommend, in das Kriegs- oder Katastrophengebiet eingeflogen wurden und mit den lokalen Gegebenheiten wenig bis überhaupt nicht vertraut sind. Diese Unerfahrenheit mit den Gegebenheiten wird dann zum Problem, wenn der Reporter vor Ort nur so kurz wie nötig vor Ort bleibt und dadurch keine Ge- legenheit hat, etwas über die Situation vor Ort zu lernen.37 Dieser Umstand wurde schon vom Büroleiter der Washington Post in Saigon, Peter Braestrup, kritisiert: “Braestrup added that many legitimate reporters were on the scene for only short periods of time, often less than a week. This was just long enough to give their work at home some semblance of cachet but hardly enough for them to learn much about the war.”38

Die Zusammenarbeit von Militär und Medien in Kriegszeiten ist Gegenstand zahlreicher Unter- suchungen und Darstellungen.39 Aus der Vielzahl von Kriegen, die sich seit dem Jahr 1960 ereig- net haben, wurden für diese Arbeit nur die Kriege ausgewählt, die eine Veränderung in der Be- richterstattung und im Verhältnis zwischen dem Militär und den Medien mit sich gebracht ha- ben: der Vietnam-Krieg, der Krieg um die Falkland-Inseln, der Golfkrieg von 1991 und schließ- lich die beiden Kriege in der Folge des 11. September in Afghanistan und gegen den Irak. Außer acht gelassen wurden die unzähligen Kriege in Afrika sowie in Mittel- und Lateinamerika. Le- diglich die im Jahre 1989 erfolgte amerikanische Invasion in Panama soll hier erwähnt werden, da sie für das Verständnis der späteren Pressepolitik des Pentagons von entscheidender Bedeu- tung ist. Korrekterweise muß die Frage nach dem Verhältnis von Militär und Medien in umge- kehrter Reihenfolge gestellt werden. Schließlich berichten ja die Medien über das Militär und bringen ihm dadurch eine gewisse Aufmerksamkeit entgegen. Auch wenn das Forschungsfeld aus dem angelsächsischen Sprachraum kommend mit “Military-Media Relations” bezeichnet wird, so ist in dieser Arbeit doch eher das Verhältnis der Medien zur kriegsführenden Macht als das Verhältnis der kriegsführenden Macht zu den Medien von Interesse. Was zuerst nach Wort- klauberei klingt, wird dann logisch, wenn die Annahme, daß die Medien ja über den Krieg und das Militär berichten wollen, in diese Überlegungen eingeführt wird. Dann nämlich wird klar, daß ein Großteil der Definitionsmacht und Deutungshoheit über die Ereignisse nicht mehr in Händen des Militärs liegt. Damit ist es dem Militär nicht mehr möglich, seine Sichtweise der Dinge ungefiltert an die Öffentlichkeit weiterzugeben. Wenn aber die Deutungshoheit über die Ereignisse in die Hände der Medien übergangenen ist, dann ist es gerechtfertigt, von “Media- Military Relations” zu sprechen.

36 Zititert nach Munz, Richard: Im Zentrum der Katastrophe. Was es wirklich bedeutet, vor Ort zu helfen; Frank- furt, New York 2007, S. 34, im folgenden zitiert als Munz: Im Zentrum der Katastrophe...,

37 Vgl. Cumings: War and Television..., S. 1 – 2 ; Miroschnikoff: Lebenversicherung…, S. 42

38 Zitiert nach Hammond: Who Were the Saigon Correspondents..., S. 80

39 An dieser Stelle seien nur einige Publikationen hierzu genannt, unter anderem Young, Peter; Jesser, Peter: The Media and the Military. From the Crimea to Desert Strike; Basingstoke 1997, im folgenden zitiert als Young;

Jesser: Media and the Military...,; Hudson, Miles; Stanier, John: War and the Media. A random Searchlight;

Phoenix Mill 1997, im folgenden zitiert als Hudson; Stanier: War and the Media...,; Nikiforov, Nikolai Ivanovic:

War and Mass Media. Problem Analysis; in: Ionescu, Mihail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Guten- berg to Today (= Acta XIX. International Congress of Military History); Bucharest 2004, S. 483 – 456, im fol- genden zitiert als Nikiforov: War and Mass Media...,; Rid, Thomas: War and Media Operations. The US Milita- ry und the Press from Vietnam to Iraq; London, New York 2007, im folgenden zitiert als Rid: War and Media Operations...,; Thrall, Trevor A.: War in the Media Age; Cresskill / New Jersey 2000, im folgenden zitiert als Thrall: War in the media age...,

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Diese Änderung der Begrifflichkeit hat nun aber zur Folge, daß sich die klassische Form der Tra- dierung und damit auch die Kultur des Erinnerns ändert. Wurden Kriege früher über die Erinne- rung des Einzelnen und die Lageberichte in den Zeitungen tradiert, so finden Kriege heute – trotz eines erheblichen Aufwandes in der Berichterstattung – weitgehend unter Ausschluß der Öffent- lichkeit statt. Anders formuliert: Trotz der Tatsache, daß immer mehr über Kriege berichtet wird, wird das, was über diese Kriege wirklich bekannt ist, immer weniger. Als im Dezember 2001 die amerikanischen Truppen in Afghanisten gegen die letzen Kämpfer von Taliban und Al Qaida vor- gingen, konnte man den Fernsehberichten lediglich entnehmen, daß die Kämpfe weitergingen.

Dazu sah man feuernde Panzer und Kondensstreifen am Himmel, die angeblich amerikanische Kampfflugzeuge darstellen sollten. Was aber genau vor sich ging, das kann bis heute nicht re- konstruiert werden. Bis zum Fall von Bagdad im April 2003 brachte das ZDF 45 Sondersendun- gen über diesen Krieg.40 Selbst mit Unterstützung eines ehemaligen Generals der Bundeswehr konnte zu keiner Zeit ein genaues Lagebild gewonnen werden.

Ein beliebtes Mittel der jeweiligen Machthaber, zu erreichen, daß weniger berichtet wird, ist die Zensur der Berichte. Folgt man der Definition des Dudens, so ist Zensur eine behördliche Prü- fung mit einem gegebenenfalls einhergehenden Verbot von Druckschriften und anderen Medien.

Dieser Erklärung muß aber für die vorliegende Arbeit erweitert werden, da diese Definition man- che Formen der behördlichen Einflußnahme auf den Journalismus nicht abdecken kann. So nimmt sie beispielsweise von der Möglichkeit der Selbstzensur, der sprichwörtlichen „Schere im Kopf“, keine Notiz, obwohl sie in den letzen Jahren immer wichtiger geworden ist. Unter ande- rem werden die diversen subtilen Methoden der Pressezensur davon nicht erfaßt. Auch wenn das chinesische Staatsfernsehen es wohl nie zugeben würde, ist doch die Tatsache, daß alle Livebil- der des olympischen Fackellaufs durch die Welt mit ungefähr einer Minute Verzögerung ausge- strahlt wurden, um nötigenfalls unliebsame Bilder unterdrücken zu können, eine dieser subtilen Methoden der Pressezensur. Schließlich sieht der Zuschauer so nur Bilder voller Harmonie. Des- weiteren läßt diese Definition die vielfältigen Formen der Behinderung von Journalisten in der Ausübung ihres Berufes außer acht.

Ferner sind die Form und der Grad der Zensur das wohl wichtigste Kriterium bei der Beurteilung des Einflusses der ausgewählten Kriege auf die Geschichte der Kriegsberichterstattung. Der Krieg gegen den Irak im Jahre 2003 brachte eine neue Spezies von Berichterstatter hervor, den

“Embedded Journalist”. Dieser sollte, so die Pläne des amerikanischen Verteidigungsministeri- ums, einer Einheit der US-Streitkräfte zugeteilt werden, er sollte diese Einheit während des ge- samten Krieges begleiten und über sie wie auch über den Verlauf des Krieges berichten. Bald wurde Kritik an diesen Plänen laut. Die Kritiker stellten die Objektivität der “Embedded Journal- ists” grundsätzlich in Frage: Ein Journalist, der einer militärischen Einheit zugeteilt ist, mit ihr lebt und damit auch das Schicksal dieser Einheit teilt, könne – so die Argumentation der Kritiker – niemals neutral und objektiv berichten. Ihm fehle die notwendige Distanz zu den Ereignissen, über die er zu berichten hat. Grundlage der Kritik war die Frage, ob ein Reporter, der vor Ort über einen Krieg berichtet, seiner Arbeit mit der gebotenen Sorgfalt und Distanz nachgehen kann. Eine Zensur im Sinne der Definition des Duden gab es im Irak-Krieg bei den “Embedded Journalists” zumindest auf dem Papier auch, jedoch setzten die Verantwortlichen lieber auf die Schere im Kopf des Reporters, der, da er ja eben mit der Einheit lebt und so zu einem Teil von ihr geworden ist, wohl nichts berichten wird, was seiner Einheit und damit auch ihm schaden könne.41

40 Vgl. Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2003; Mainz 2004, S. 334 – 336

41 Zur Bedeutung der militärischen Einheit für den einzelnen Soldaten siehe Fraund, Philipp: Zur Funktion einer Elite - Das United States Marine Corps als Stifter nationaler Identität; in: Hofmann, Wilhelm; Lesske, Frank

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Das klassische Beispiel dafür, was passieren kann, wenn keinerlei Zensur in einem Kriegsgebiet ausgübt wird, ist der Krieg, der sich von 1960 bis 1975 in Vietnam und Süd-Ost-Asien abspielte.

Dies war der einzige Krieg, über den die westlichen Medien ohne jede Form von Zensur berich- ten konnten. Gleichzeitig steht dieser Krieg im Ruf, der bestdokumentierte Krieg überhaupt zu sein, ein Einschätzung, die sich erstens auf die Intensität der Berichterstattung über die gesamte Dauer des Krieges und zweitens auf die Zahl der Journalisten vor Ort stützt.42 Folgt man den Er- hebungen des Centers of Military History der U.S. Army, waren 5098 Journalisten in Vietnam akkreditiert.43 Damit verbunden war jedoch eine teilweise kritischere und skeptischere Berichter- stattung, als dies den offiziellen Stellen lieb sein konnte. Gleichwohl scheiterte, wie zu zeigen sein wird, die Einführung einer Pressezensur schon zu Beginn des amerikanischen Engagements in Vietnam. Dies führte dazu, daß sich die Legende, die Medien hätten durch ihre Berichterstat- tung maßgeblich zur Beendigung des Krieges beigetragen, bis heute hartnäckig hält. Es wird zu fragen sein, ob diese Legende weiterleben kann.

Zwischen diesen beiden Extremen in der Berichterstattung und Zensur verliefen weitere Kriege und Konflikte, in denen sich die Einschränkungen und Zensurmaßnahmen immer weiter verfei- nert haben. Rekonstruiert man den Verlauf der Einschränkungen und Zensurmaßnahmen in der Berichterstattung über Kriege, so scheint der Schluß nahezuliegen, daß sich diese Maßnahmen von Krieg zu Krieg verschärft haben. Hierbei scheint es sich eher um eine Form von institutio- nellem Lernen zu handeln als um ein zufälliges Produkt. So läßt sich das Diktum des amerikani- schen Militärhistorikers Samuel Eliot Morison “Military men are often accused of planning every new war in terms of the last one.”44 in diesem Fall eher auf die Berichterstattung der Presse anwenden als auf die Planungsstäbe der Militärs. Daraus läßt sich aber der Schluß ableiten, daß die Presse oftmals in die Berichterstattung über einen Krieg so einsteigt, wie sie es im Krieg zu- vor auch getan hat.

Wenn dem aber so ist, dann stellt sich die Frage, ob nur die Militärs Lehren aus den vergangenen Kriegen gezogen haben. Bei einem Blick auf die Umstände der Berichterstattung zeigt sich aber, daß der Lernprozeß der Medien oftmals spät einsetzt und sich nicht so sehr mit den Vorwürfen der Kritiker gegen die Medien befaßt, sondern oftmals nur schaut, wie über den letzten Krieg bei der Konkurrenz berichtet wurde; welche Mittel und Techniken sie eingesetzt hat, um die Bericht- erstattung sicherzustellen. In dieser Art und Weise findet auch innerhalb der Sendeanstalten und Verlagshäuser ein institutioneller Lernprozeß statt, der sich aber von dem der Militärs grundle- gend unterscheidet. Dieser unterschiedliche Lernprozeß hängt unter anderem damit zusammen, daß die Konkurrenzsituation der verschiedenen Medien untereinander viel größer ist als die des Militärs. Ferner besteht zumindest der Verdacht, daß es sich bei den Medien um extrem selbstre- ferentielle Institutionen handelt, die mehr an der „Nabelschau“ untereinander interessiert sind als an der Verbesserung der Berichterstattung. In diesem Fall trifft das alte Credo der Verfechter ei- ner freien Marktwirtschaft, nach dem sich über Angebot und Nachfrage auch die Qualität ändert,

[Hrsg.]: Politische Identität – visuell; Münster 2005, S. 87 – 109, hier S. 88 – 89, im folgenden zitiert als Fraund: Funktion einer Elite...,

42 Vgl. unter anderem die Fragestellung in Shaughnessy, C. A.: The Vietnam Conflict. "America's Best Documen- ted War"?; in: The History Teacher 24 / 2 / 1991; S. 135 - 147 , im folgenden zitiert als Shaughnessy: Vietnam Conflict...,

43 Zahlenangabe entnommen aus Hammond: Who Were the Saigon Correspondents..., S. 81

44 Zitiert nach Morison, Samuel Eliot: The Battle of the Atlantic. September 1939 - May 1943; Boston 1984, S. 3, im folgenden zitiert als Morison: Battle...,

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nicht zu. Es ist vielmehr zu beobachten, daß die Qualität des Fernsehprogramms im Allgemeinen wie auch die Qualität der Kriegsberichterstattung im Speziellen in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Anzahl der empfangbaren Programme steht.

Daher erscheint es notwendig zu sein, die Berichterstattung über Kriege durch den kritischen Blick des Historikers zu würdigen. Der Blick von außen gerade auf das selbstrefentielle System der Medien scheint umso nötiger, je mehr die Medien in der modernen Gesellschaft die Funktion einer Deutungsinstanz wahrnehmen.45 Dadurch, daß die Medien eben diese Funktion wahrneh- men, wird ihnen bzw. den Bildern und Informationen, die sie liefern, eine Objektivität zuge- schrieben, deren Anspruch sie aber in den seltensten Fällen gerecht werden können. Wenn ihnen aber dieses nicht einzulösende Objektivitätsversprechen zugeschrieben wird, dann muß danach gefragt werden, wie es zu dieser Zuschreibung kommt und ob sich die Berichterstattung dieser Erwartungshaltung angepaßt hat.

1.1 Quellenlage

Kriege und Konflikte sind so alt wie die Menschheit selbst.46 In dem Maße, wie sich die Natur, das Erscheinungsbild des Krieges, über die Jahrhunderte geändert hat, scheint sich auch die Art und Weise, wie über Kriege berichtet wird, geändert zu haben.47 Folgt man John Keegan und den Entdeckern der Psychoanalyse um Sigmund Freud, so reicht Krieg bis in die dunkelsten Tiefen der menschlichen Seele, dorthin, „wo das Ich rationale Ziele auflöst, wo der Stolz regiert, Emo- tionen die Oberhand haben und der Instinkt herrscht.“48 Wenn er aber in diesen Ebenen der menschlichen Seele existiert, dann ist der Mensch gewissermaßen genetisch auf Krieg program- miert. So erschreckend diese Vorstellung ist, sie gehört zu den Grundlagen der politischen Theo- rie, aber auch zu den Fundamenten der großen monotheistischen Religionen. Aus dieser Vorstel- lung heraus entwickelten sich auch die ersten Versuche zur Begrenzung und Einhegung des Krie- ges.49 Die Versuche, Krieg zu begrenzen, hatten ihre Ursache vermutlich in dem Schrecken, den

45 Siehe hierzu auch den Titel des Sammelbandes von Korte, Barbara; Tonn, Horst [Hrsg.]: Kriegskorresponden- ten: Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft; Wiesbaden 2007

46 Vgl. Knott-Wolf, Brigitte: Zwischen Sensationsmache und Propaganda. Über Macht und Ohnmacht der Kriegs- berichterstatter; in: Deutsche Welle [Hrsg.]: "Sagt die Wahrheit: Die bringen uns um!". Zur Rolle der Medien in Krisen und Kriegen (= DW-Schriftenreihe, Bd. 3); Berlin 2001, S. 15 – 26, hier S. 15; im folgenden zitiert als Knott-Wolf: Sensationsmache und Propaganda…,

47 Hierzu ausführlich Münkler, Herfried: Die neuen Kriege; Reinbeck / Hamburg 20022, im folgenden zitiert als Münkler: Die neuen Kriege..., siehe auch Black, Jeremy: War in the new Century; London 2001, im folgenden zitiert als Black: War in the new Century..., siehe auch Keegan, John: Die Kultur des Krieges; Reinbeck / Ham- burg 20012, im folgenden zitiert als Keegan: Kultur des Krieges..., siehe ferner Frieser, Karl-Heinz: Blitzkrieg- Legende. Der Westfeldzug 1940; München 19962, im folgenden zitiert als Frieser: Blitzkrieg-Legende..., auch Roth, Günter: Das Verhältnis von Politik und Kriegsführung. Ein Streifzug durch die Militär- und Kriegsge- schichte; in: Militärgeschichtliches Forschungsamt [Hrsg.]: Ideen und Strategien 1940. Ausgewählte Operatio- nen und deren militärgeschichtliche Aufarbeitung (= Operatives Denken und Handeln in deutschen Streitkräften, Bd. 3); Herford, Bonn 1990, S. 11 – 66, im folgenden zitiert als Roth: Verhältnis von Politik und Kriegsfüh- rung..., siehe auch Vegetius, Flavius Renatus: Epitoma rei militaris; Aarau, Frankfurt / Main 1986, im folgenden zitiert als Vegetius: Epitoma..., siehe ferner Fürbeth, Frank: Zur deutschsprachigen Rezeption des "Epitoma rei militaris" des Vegetius im Mittelalter; in: Brunner, Horst [Hrsg.]: Die Wahrnehmung und Darstellung von Krie- gen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit; Wiesbaden , S. 141 – 165, im folgenden zitiert als Fürbeth: Re- zeption der "Epitoma rei militaris"...,

48 Keegan: Kultur des Krieges..., S. 21 – 22

49 Vgl. Keegan: Kultur des Krieges..., S. 22. Zu den theologischen wie auch philosophischen Versuchen, den Krieg einzuhegen, siehe unter anderem Kleemeier, Ulrike: Grundfragen einer philosophischen Theorie des Krieges.

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der einzelne Kriegsteilnehmer erlebt hatte. Dieser Schrecken wurde innerhalb der Familie tra- diert und bildete so den Stoff der ersten Berichte über den Krieg. Der legendäre General des amerikanischen Bürgerkrieges, William Tecumseh Sherman, faßte im hohen Alter das Resümee seiner Erfahrungen mit Krieg wie folgt zusammen: „Ich habe den Krieg satt und bin seiner müde. Sein ganzer Ruhm ist nichts als fauler Zauber ... Der Krieg ist die Hölle“50. Mit der Schil- derung der Schrecken eines Krieges ist zugleich auch eine der großen Hoffnungen aller Kriegsre- porter verbunden: mit der Berichterstattung etwas zu bewegen und zu ändern. Dies setzt aber voraus, daß sich der Reporter immer an der Frontlinie bewegt. Die Frontlinie ist in diesem Fall eine doppelte: Zum einen handelt es sich um die Linie zwischen den beiden Kontrahenten, zum anderen aber um das, was im angelsächsischen Sprachgebrauch als “Frontlines of History” be- zeichnet wird. Diese Frontlinie ist ein rein theoretisches Konstrukt und spielt auf den Umstand an, daß Journalisten oftmals Augen-, aber auch Zeitzeugen historischer Umbrüche und Verände- rungen sind. Es ist daher auch zu fragen, ob das Gefühl, dort zu sein, wo augenblicklich Ge- schichte geschrieben wird, nicht zu einem gewissen Teil die eigentliche Motivation für einen Einsatz an dieser Frontlinie ist – schließlich treffen hier der Hauch von Abenteuer und Gefahr so- wie die Möglichkeit, zu guten und exklusiven Bildern zu kommen, aufeinander. Desweiteren scheint diese „Frontline“ auch eine Art Mythos zu sein, erhöht sich doch die Reputation unter den Kollegen, wenn der Reporter sehr nahe an der „Frontline“ war. Mittlerweile gibt es in Lon- don einen eigenen Club für Kriegsreporter – den “Frontline Club”51.

In diesem Club finden nicht nur Kriegsreporter aus aller Welt einen Ort, um sich, fernab vom Schlachtengetümmel, zu treffen und auszutauschen. Dabei ist Mitgliedschaft im Frontline-Club nicht an eine berufliche Tätigkeit als Kriegsreporter gebunden. Seine historischen Wurzeln hat dieser Club bei den Mitgliedern der mittlerweile nicht mehr existierenden Fernsehnachrichten- agentur “Frontline”52:

“[...] The Club quickly became a centre for a diverse group of people united by their passion for quality journalism and dedication to ensuring that stories that fade from headlines are kept in sharp focus. It exists to promote freedom of expression and support journalists, cameramen and photographers who risk their lives in the course of their work. [...]”53

Die Mitglieder des Clubs sind, wie das Zitat besagt, Anhänger des Qualitätsjournalismus und ha- ben eine lange Erfahrung in der Erstellung und Bearbeitung von Fernsehbeiträgen. Sie wissen daher auch um die Probleme, die sich bei der Bearbeitung eines Beitrages ergeben können.

Meldungen und Beiträge im Fernsehen entstehen heute aus vielen Quellen. Zum einen bestehen sie aus Material, das ein Kamerateam im Auftrag des Senders gedreht hat, aus Material also, des- sen Herkunft und Zuverlässigkeit von der verantwortlichen Redaktion meistens sehr genau ein- geschätzt werden kann. Zum anderen bestehen Fernsehbeiträge aber auch aus Material, das von den großen internationalen Nachrichtenagenturen wie APTN (ASSOCIATED PRESS TELEVISION NEWS) und Reuters stammt. Die Redaktionen können in den meisten Fällen nur auf die Angaben der zu-

Platon - Hobbes - Clausewitz; Berlin 2002, im folgenden zitiert als Kleemeier: Grundfragen...,

50 Zitiert nach Keegan: Kultur des Krieges..., S. 28. General Sherman erlangte seinen legendären, aber auch zwei- felhaften Ruf dadurch, daß er 1864 nach Atlanta marschierte und alles entlang seiner Marschroute, inklusive des Ziels seines Marsches, in Brand steckte und so einen breiten Streifen verbrannter Erde, auch wenn dies damals noch nicht so genannt wurde, zurückließ, vgl. Walter, Dierk: Im Niemandsland. Cold Harbor, 31. Mai bis 3. Juni 1864; in: Förster, Stig; Pöhlmann, Markus; Walter, Dierk [Hrsg.]: Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai; München 20033, S. 201 – 21, im folgenden zitiert als Walter: Cold Harbor...,

51 http://www.frontlineclub.com/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

52 Vgl. http://www.frontlineclub.com/club_aboutus.php (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

53 http://www.frontlineclub.com/club_aboutus.php (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

(22)

liefernden Agenturen vertrauen und sind selbst kaum in der Lage, die Herkunft und Zuverlässig- keit einschätzen zu können. Ein Mittelding zwischen beiden Extremen stellt das Material dar, das über den Pool der EBU (EUROPEAN BROADCASTING UNION)54 mit Sitz in Genf bezogen wird. Materi- al aus diesem Pool stammt von einem der Partnersender der EBU und ist so zumindest besser nachprüfbar als das von APTN und Reuters. Auch der Text, ohne den das Fernsehen lediglich den Informationswert eines Stummfilms hätte, stammt aus den gleichen Quellen. Der Redakteur muß sich also bei der Produktion eines Fernsehbeitrages darauf verlassen, daß die Redaktionen der Nachrichtenagenturen sauber recherchiert haben. Daher sind Fernsehberichte stets mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, spiegeln sie – auch wegen des beschränkten Blickwinkels der Kamera – lediglich einen Teil der Wirklichkeit wider.

Ein wesentlicher Teil dieser Arbeit befaßt sich mit Bildern. Es erscheint an dieser Stelle sinnvoll zu sein, eine Unterscheidung zwischen Fernsehbeiträgen einerseits und Bildern andererseits zu treffen. Dies ist umso notwendiger, da die Geschichtswissenschaft bei der Verwendung von Bild- quellen oder Bildern im allgemeinen große Probleme hat. Bilder werden zwar gerne zur Illustra- tion der eigenen Schriften verwandt, vor der Verwendung von Bildern als Objekt des eigenen Forschens schrecken die meisten Historiker aber zurück. Spätestens nachdem Bogdan Musial für die umstrittene Wehrmachtsausstellung des Hamburger Institutes für Sozialforschung die Ver- wendung falsch zugeordneter Bilder nachgewiesen hat, ist die Angst vor der Verlockung durch die „Macht der Bilder“ deutlich zu spüren.55 Der größte Unterschied von Fernsehbildern zu Standbildern ist, daß erstere bewegt56 und mit einem Sprechertext versehen sind. Begreift man Bild und Text im Fernsehen als Einheit, ist die Bilderflut überwältigend. Bei der Verwendung von Bildern besteht aber das große Problem, daß die Originale in den seltensten Fällen zugäng- lich sind. In den meisten Fällen sind die Aufnahmen dennoch von der einen oder anderen Websi- te downloadbar bzw. in diversen Büchern und Bildbänden verfügbar. Teilweise sind diese Bilder auch in mehreren Publikationen zu finden. Die Bildunterschrift jedoch – die in den meisten Fäl- len dem abgedruckten Bild den Kontext und die Bedeutung zuweist – ist aber vertauscht bzw. in- tendiert einen anderen Zusammenhang. Es wurde daher versucht, immer die originale Bildunter- schrift – soweit rekonstruierbar – zu verwenden. Ist bei einem Standbild die originale Bildunter- schrift noch rekonstruierbar, so ist dies bei den bewegten Bildern des Fernsehens schier unmög- lich: Da Fernsehbeiträge in den Archiven der Fernsehsender immer erst nach Ansicht des Beitra- ges verschlagwortet werden, wird dem Bild automatisch der Sprechertext als Bedeutung zuge- schrieben. Durch diese Zuschreibung besteht aber die Gefahr, den Bildinhalt mit einem vollkom- men anderen Kontext zu überschreiben.

Angesichts dieser Probleme stellt sich die Frage nach der Verwendbarkeit von Fernsehbeiträgen in der Geschichtswissenschaft. Diese Frage wurde in der Geschichtswissenschaft bisher nur im Rahmen der Diskussion um die zeitgeschichtlichen Dokumentationen Guido Knopps wahrge- nommen.57 Problematisch an Fernsehbeiträgen ist, so viel läßt sich schon jetzt sagen, der Um-

54 Bei der EBU handelt es sich um den Zusammenschluß aller öffentlich-rechtlich finanzierten Fernsehsender Eu- ropas. Nähere Informationen finden sich auf www.ebu.ch (Letzer Zugriff 15. 07. 2008). Eine Auflistung aller Mitgliedssender findet sich unter http://www.ebu.ch/en/ebu_members/actives/index.php (Letzter Zugriff 15. 07.

2008)

55 Vgl. Musial, Bogdan: Bilder einer Ausstellung. Kritische Anmerkungen zur Wanderausstellung „Vernichtungs- krieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“; in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 4 / 47 / 1999; S. 563 – 592, im folgenden zitiert als Musial: Bilder einer Ausstellung...,

56 In aller Regel laufen Fernsehbilder mit 24 Halbbildern (Frames) pro Sekunde.

57 Vgl. Fraund, Philipp: Tagungsbericht Sektion „Popularisierung der Geschichte im Fernsehen – Folgen für die Geschichtswissenschaft“ Historikertag 2006 http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1201 (Letzer Zugriff 15. 07. 2008)

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