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Exkurs: Zerfall der Anti-Hitler-Koalition und Ausbruch des Kalten Kriegesdes Kalten Krieges

Waren bei der Potsdamer Konferenz noch alle beteiligten Parteien mit dem Ergebnis soweit zu-frieden, daß man sich auf ein gemeinsames Schlußdokument einigen konnte, endete die Phase der einigermaßen guten Zusammenarbeit bald darauf. Auf der Außenministerkonferenz von Lon-don (11. September bis 2. Oktober 1945) traten die Probleme erstmals offen, sichtbar für die Welt, zu Tage, als man sich auf kein Schlußdokument einigen konnte.

Eigentlich hatte man auf der Londoner Konferenz vor, Friedensverträge mit den ehemaligen deutschen Verbündeten Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland vorzubereiten. Von amerikanischer Seite versuchte man, mit Unterstützung der britischen Regierung, Einfluß auf die Gestaltung der ostmittel- und südosteuropäischen Staaten zu gewinnen. Auf amerikanischer Seite wähnte man sich in einer kraftvollen Verhandlungsposition, glaubte man doch, mit dem amerika-nischen Monopol über Atomwaffen und der Zusage zur Prüfung eines sowjetischen Kreditersu-chens schlagkräftige Argumente zu haben. Doch das Vorhaben erwies sich als beinahe undurch-führbar: Zum einen hatte England bereits 1944 einige Teile dieses Gebietes als der sowjetischen Einflußsphäre zugehörig angesehen, zum anderen konnte man seine eigenen Interessen dort nicht mit Waffengewalt durchsetzten; in allen diesen Staaten stand die Rote Armee, jedoch kein einzi-ger Soldat der Westmächte. Um also irgendetwas zu erreichen, war man gezwungen, die Koope-ration mit Moskau zu suchen. Allerdings konnte man sich keine großen Hoffnungen auf einen Erfolg machen; die Erfahrungen, die man bisher mit der Blockade westlicher Anliegen, diese Staaten betreffend, durch die Sowjetunion gemacht hatte, waren alles andere als ermutigend.

Kurz vor Beginn der Londoner Konferenz, ein Friedensvertrag war noch nicht unterzeichnet, entsandte Moskau Botschafter nach Sofia und Bukarest und erkannte damit die jeweils herr-schende Marionettenregierung faktisch an.277 Daher verpufften die amerikanischen „Argumente“

beinahe wirkungslos und entlarvten sie als “Illusion of Omnipotence”.278

Mit dem so offensichtlichen Scheitern der Konferenz von London wuchsen auch in Washington die Zweifel an der Ehrlichkeit und Kooperationsbereitschaft der Sowjetunion. Um sich einen un-abhängigen Überblick über die Lage in Südosteuropa zu verschaffen, beauftragte der neue Au-ßenminister Byrnes279 den amerikanischen Journalisten Mark Ethridge, Verleger des Louisville

277 Vgl. FRUS 1945, Vol. II, S. 101 – 109, Second Meeting of the Foreign Ministers, Thursday, July 19, 1945; S.

116 – 137, Third Plenary Meeting, Thursday, July 19, 1945; siehe auch: FRUS 1945, Vol. IV, S. 135 – 419, 420 – 557; FRUS 1945, Vol. V, S. 110 – 436, 464 – 606, 809 – 1173, 1174 – 1397. Auf die Problematik der Wahlen in diesem Gebiet soll hier nicht weiter eingegangen werden. Einzelheiten hierzu finden sich bei Wiggershaus, Norbert: Von Potsdam zum Pleven-Plan. Deutschland in der internationalen Konfrontation 1945 - 1950; in:

Foerster, Roland G.; Greiner, Christian; Meyer, Georg; Rautenberg, Hans-Jürgen; Wiggershaus, Norbert [Hrsg.]:

Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945 - 1956, Bd. 1. Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan; Mün-chen, Wien 1982, S. 1 – 118, hier S. 46, im folgenden zitiert als Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 46, siehe hier-zu auch Adams, Bianca J.: TRUST: Guarding the Freedom of Trieste in front of the “Iron Curtain”; in: Ehlert, Hans; Heinemann, Winfried [Hrsg.]: Nationalstaat; Nationalismus und Militär (= Tagungsband XXXII. Interna-tionaler Kongress für Militärgeschichte); Potsdam 2007, S. 477 – 489, im folgenden zitiert als Adams:

TRUST...,

278 Zitiert nach Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 45

279 James F. Byrnes wurde vor der Konferenz von Potsdam Nachfolger von Harold Stettinius im Amt des Außenmi-nisters.

Courier Journal, mit dem Studium der dortigen politischen Verhältnisse. Das Ergebnis dieses Be-richts bestätigte die Beamten des State Departments: „Moskau verhalte sich wie eine imperialis-tische Macht und versuche, mit Hilfe einheimischer Kommunisten poliimperialis-tische und wirtschaftliche Dominanz in Rumänien und Bulgarien zu erhalten.“280

Die Beamten im State Department sahen sich bei diesen Ergebnissen in ihren eigenen Prognosen im Großen und Ganzen bestätigt. Sie warnten man auch davor, die Probleme, die sich in Südost-europa ergaben, isoliert zu betrachten und der Sowjetunion, selbst in für sie wichtigen Gebieten, Einflußsphären zuzugestehen. Dies würde diese nämlich nur noch zu mehr Ansprüchen verleiten.

Pikanterweise machte Byrnes sich beide Empfehlungen, vermutlich durch die Wahlen in Ungarn und Österreich in eine optimistische Stimmung versetzt, nicht zu eigen und verbreitete den Ethridge-Bericht nur im kleinen Kreis und verbot eine Veröffentlichung. Ergab doch, in den Au-gen von Byrnes, die Durchführung freier Wahlen in Ungarn und Österreich die Möglichkeit, die alte Kriegskoalition wieder zu mehr Leben zu erwecken. Er ging – aus heutiger Sicht reichlich naiv – davon aus, daß eine direkte Unterredung, sozusagen von Mann zu Mann, mit Molotov und Stalin, alle Probleme lösen würde.281

Durch einen Brief, den Truman an Byrnes mit der Aufforderung, die Sowjetunion in Zukunft här-ter anzufassen, da deren Führer nur die Sprache der Stärke verstünden, am 5. Januar 1946 schrieb, änderte sich langsam der Kurs der USA gegenüber der Sowjetunion. Truman verlangte in diesem Schreiben, daß die Regierungen in Sofia und Bukarest erst nach einer radikalen Kurs-änderung und Umbildung anzuerkennen seien. Dieses Schreiben schloß er mit dem vielfach zi-tierten Satz: “I’m tired of babying the Soviets.”282

Sichtbares Zeichen für den amerikanischen Politikwechsel war die wirtschaftliche und militäri-sche Unterstützung von Staaten, die durch den Kommunismus bedroht waren, so beispielsweise von Griechenland und der Türkei. Die Frage, die man sich seitens der amerikanischen Regierung stellte, war, inwieweit und unter welchen Bedingungen eine weitere Zusammenarbeit, wenn möglich dauerhafter Natur, im Bereiche des Möglichen sei. Diese Frage war wiederum eng mit der Frage verbunden, welche Antriebskraft und Motivation, ideologisch oder machtpolitisch, hin-ter der sowjetischen Außenpolitik stünden.283 Zu Beginn des Februar 1946 wurde diese Frage durch Ereignisse in der Sowjetunion beantwortet. Die Stimmen, die in der Sowjetunion vor einer Einkreisung durch den kapitalistischen Westen warnten, wurden lauter. Zu ihnen zählten, neben Außenminister Molotov, auch Malenkov, Ždanov und Kaganovic. Am 8. Februar hielt Stalin eine Rede, in der er mit einer Deutlichkeit, die keinen Zweifel mehr zuließ, feststellte, daß das kapita-listische System weiterhin und unverändert der Todfeind der soziakapita-listischen Welt sei.284 Dabei waren die USA und die UdSSR in manchen Teilen gar nicht so unterschiedlich, wie die damali-gen Falken auf beiden Seiten immer glauben machen wollten:

280 Mark Ethridge, zitiert nach Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 47. “[...] It [der Ethridge Bericht] stated frankly that “constant and vigorous intrusion (by the Russians) into the internal affairs of these countries is so obvious to an impartial observer that Soviet denial of its existence can only be regarded as a reflection of the party line.

[...]” Gaddis, John Lewis: The United States and the Origins of the Cold War 1941 - 1947; New York 2000, S.

279 – 280, im folgenden zitiert als Gaddis: Origins of the Cold War...,

281 Vgl. Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 280; Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 47

282 Zitiert nach Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 49; siehe auch ausführlich Gaddis: Origins of the Cold War..., S.

289

283 Vgl. Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 296

284 Vgl.: Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 49; Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 299 - 300

“[...] In one sense the United States and the Soviet Union shared similar characteristics. Both were latecomers to the arena of international politics; both had large populations and industrial resources that spanned entire continents; both had been drawn into continental rivalries that had produced two global wars; both had messianic visions about the nature of political organization and economic development; both had no intention of allowing the traditional European patterns of nationalism and imperialism to define the international system in the last half of the twentieth century. [...]”285

Vielleicht lag aber gerade darin, daß diese Unterschiede nicht so groß waren, das Potential für jene Auseinandersetzung, die die zweite Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts bestimmen sollte.

Wenn aber diese Unterschiede aus heutiger Sicht nicht so groß waren, erscheint aber die Frage nach der Größe der damaligen Unterschiede gerechtfertigt. Hierzu ist ein Blick auf die Weltbil-der, die “believe systems”, so der politikwissenschaftliche Fachausdruck dafür, beider Seiten hilfreich. Der Schlüssel zum Verständnis beider “believe systems” liegt in dem, was Millett und Maslowski mit „den messianischen Visionen über politische Organisation und wirtschaftliche Entwicklung“ umschreiben. Beide Seiten gehen in ideologisch festgefügter Weise davon aus, daß der von ihnen vertretene Weg der einzige, allein seligmachende sei.

In Washington war man sich lange nicht darüber einig, welche Intentionen die Sowjetunion w i r k l i c h hatte, bis der amerikanische Geschäftsträger in Moskau, George F. Kennan, in jenem be-rühmten “Long Telegram” seine Sichtweise der Dinge vorlegte. Kennan führte im Wesentlichen aus, daß die sowjetische Doktrin jede Möglichkeit der Koexistenz zwischen beiden Systemen verneine286, daß Moskau sich erst dann sicher fühle, wenn es über seinen kapitalistischen Rivalen dominiere, und daß die Sowjetische Regierung an die Gewalt als Mittel der Politik glaube und daher nur diese Sprache verstünde.287

Dieses Telegramm löste im politischen Washington ein Erdbeben aus, das nicht nur die Haltung der amerikanischen Außenpolitik, sondern auch die Haltung großer Teile der amerikanischen Be-völkerung erschüttern sollte. Binnen kürzester Zeit machten sich weite Teile der amerikanischen Regierung und Öffentlichkeit Kennans Ansichten zu eigen. Als Truman dann Byrnes noch bat, das amerikanische Volk über die Sowjetunion und ihre Absichten aufzuklären, und dieser darauf-hin am 18. Februar der Nation erklärte, daß die USA einem bewaffneten Konflikt mit der Sowje-tunion im Notfall nicht ausweichen dürften, war damit der neue Kurs gegenüber Moskau formu-liert. Gleichzeitig stand damit aber auch fest, daß die Vereinigten Staaten: “for its policy could no longer stand on the twin pillars of noninvolvement and commercialism and its defense policy on the dual concepts of maritime security and wartime mobilization.”288

Neben dem mageren Ergebnis der Konferenz von London, Kennans “Long Telegramm” und je-ner Byrnes Rede machte noch ein weiteres Ereignis der Welt deutlich, daß die Kriegskoalition nun endgültig auseinandergebrochen war: Churchills Rede in Fulton / Missouri am 5. März 1946.289 Churchill führte bei dieser Rede aus:

285 Millett, Allan R.; Maslowski, Peter: For the Common Defense. A Military History of the United States of Ame-rica; New York 19942, S. 495, im folgenden zitiert als Millett; Maslowski: For the Common Defense...,

286 Kennan schreibt hier im Original: “[...] USSR still lives in antagonistic “capitalist encirclement” with which in the long run there can be no peaceful coexistence. [...]” vgl. FRUS 1946, Vol. VI, S. 697

287 Der Wortlaut des “Long Telegramm” findet sich in FRUS 1946, Vol. VI, S. 696 - 709

288 Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 494

289 Zur Vorgeschichte dieser Rede und auch zum Abstimmungsprozeß mit der amerikanischen Regierung siehe Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 307 - 308

“[...] From Stettin in the Baltic to Triest in the Adriatic, an iron curtain has descended across the Continent. Behind that line lie all the capitals of the ancient states of central and eastern Europe. Warsaw, Berlin, Prague, Vienna, Budapest, Belgrade, Bucharest and Sofia, all these famous cities and the populations around them lie in the Soviet sphere and all are subject in one form or another, not only to Soviet influence but to a very high and increasing measure of control from Moscow. [...]”290

Interessant ist Churchills Wortwahl: Sie zeigt an, daß die Grenzen zwischen den Einflußsphären der Sowjetunion und der Westmächte zu diesem Zeitpunkt alles andere als statisch und unver-rückbar waren. Die Nennung der polnischen Stadt Stettin macht deutlich, daß die DDR damals noch nicht definitiv zum sowjetischen Machtbereich gerechnet werden konnte. Umgekehrt gilt dies auch für Triest, war es doch zu diesem Zeitpunkt keineswegs sicher, ob die Kommunisten in Italien nicht doch noch die Regierung stellen würden.291 Churchills Rede muß zudem als Antwort auf die Rede Stalins vom 8. Februar 1946 gesehen werden, in der er mit einer Deutlichkeit, die keinen Zweifel mehr zuließ, feststellte, daß das kapitalistische System weiterhin und unverändert der Todfeind der sozialistischen Welt sei.292

Die Bedeutung dieser Rede Churchills liegt indes nicht so sehr in ihrer Wirkung nach außen, auf die Öffentlichkeit in Amerika und in der Welt, sondern vielmehr darin, daß die beiden Mächte, die USA auf der einen und Großbritannien auf der anderen Seite, ein weiteres Kapitel in ihren freundschaftlichen Beziehungen aufschlugen. Es ist wahrscheinlich, daß Truman und Byrnes den Inhalt dieser Rede schon vorab kannten und Churchills Ansichten zustimmten.293 Es ist klar, daß ein ehemaliger Premierminister eine Rede, wenn sie solchen Zündstoff enthielt, noch dazu wenn sie in einem Gastland gehalten werden sollte, auch im Voraus mit der amtierenden Regierung sei-nes Heimatlandes abstimmen mußte. In London hatte man dieser Rede zugestimmt und Churchill über das Außenministerium noch mit geheimen Dokumenten zur Vorbereitung seiner Rede ver-sorgt.294

Im Gegensatz zur “Fulton-Speech” ist, wie zu zeigen sein wird, die zweite wichtige Rede des Jahres 1946, die Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart vom 6. September, kein wegweisendes Dokument für den weiteren Verlauf des Kalten Krieges.295 Byrnes befaßte sich in seiner Rede hauptsächlich mit den, aus deutscher Sicht, drängendsten Problemen der Zeit.296 So sprach er unter anderem darüber, daß es notwendig sei, das Niveau der deutschen Nachkriegsindustrie zu erhöhen. Er sprach über Entmilitarisierung, das Problem der Reparatio-nen, das Versagen des Alliierten Kontrollrates in Berlin. Byrnes bekräftigte ferner die Entschlos-senheit der Vereinigten Staaten, so lange wie jede andere Besatzungsmacht auch, in Deutschland zu bleiben:

290 Zitiert nach Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 308

291 Vgl. Heinemann, Winfried: Entstehung und frühe Geschichte der NATO; Unveröffentliches Manuskript (Vor-trag PzBtl 84 Lüneburg, 25. 02. 2002) im Besitz des Autors, im folgenden zitiert als Heinemann: Entstehung...

292 Vgl.: Wiggershaus: Von Potsdam...,S. 49; Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 299 - 300

293 So Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 50; Gaddis hingegen behauptet, daß Churchill zwar ein Exemplar der Rede vorab an Truman sandte, dieser aber die Kenntnisnahme verweigerte, um behaupten zu können, er habe die Rede vorher nicht gekannt, vgl. Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 308

294 Vgl. Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 50

295 Vgl. Gimbel, John: Byrnes’ Stuttgarter Rede und die amerikanische Nachkriegspolitik in Deutschland; in: Vier-teljahreshefte für Zeitgeschichte, 20 / 1972, S. 39 - 62, im folgenden zitiert als Gimbel: Byrnes' Stuttgarter Rede...,

296 Zur Rezeption dieser Rede in Deutschland siehe Speidel, Hans: Aus unserer Zeit. Erinnerungen; Berlin, Frank-furt, Wien 1977, S. 238, im folgenden zitiert als Speidel: Aus unserer Zeit…,

“[..] We have learned, whether we like it or not, that we live in one world, from wich world we cannot isolate ourselves. [...] I hope that the German people will never again make the mistake of believing that because the American people are peace-loving they will sit back hoping for peace in any nation uses force or the threat of force to acquire dominion over other peoples and other governments. In 1917 the United States was forced into the First World War. After that war we refused to join the League of Nations. We thought we could stay out of Europe’s wars, and lost interest in the affairs of Europe. That did not keep us from being forced into a second world war [sic!]. We will not again make that mistake. We intend to continue our interest in the affairs of Europe and of the world. [...] I want no misunderstanding. We will not shirk our duty. We are not withdrawing. We are staying here. As long as there is an occupation army in Germany, American armed forces will be part of that occupation army. [...]”297

Im Hinblick auf die Wirkung der Rede ist die Entstehungsgeschichte interessant: Byrnes benutz-te als Basis für seine Rede ein Memorandum, das der amerikanische Oberbefehlshaber Clay ent-worfen hatte, um seine Politik zusammenfassend darzulegen. Dieses Memorandum schickte er im Juli 1946 zur Prüfung und wahrscheinlich auch zur Genehmigung an das Pentagon. Clay for-mulierte diese Niederschrift, damit er sie unter den Mitgliedern der Militärregierung und der amerikanischen Truppen in Deutschland verteilen konnte. Byrnes schreibt in einem Brief an den amerikanischen Finanzminister Snyder:

„[...] Die Armeeoffiziere, die mit der Verwaltung unserer Zone in Deutschland beauftragt sind, waren höchst erfreut, daß die Regierung ihren Standpunkt bekannt gemacht hat, so daß sie ihre eigene Politik daran ausrichten können. Sie hatten schon seit langem geklagt, außerstande zu sein, die Fragen der von ihnen in der amerikanischen Zone eingesetzten antinazistischen Beamten zu beantworten . Die deutschen Beamten, die von unseren Leuten eingesetzt waren . . . hatten das Gefühl, daß es zwecklos sei, mit amerikanischen Plänen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau . . . und zur Bildung lokaler Regierungen zu rechnen, wenn wir ohnehin weggingen. Täglich wurde gesagt, die Amerikaner werden gehen, während die Sowjets bleiben werden. Wir mußten unsere Einstellung zu diesem Problem ebenso klarstellen wie zu den äußerst wichtigen Grenzfragen, die unsere Entscheidungen in Wirtschaftsfragen beeinflussen werden. [...]“ 298

Byrnes Rede stellt also nicht, wie in der Literatur mehrheitlich zu lesen, die Ankündigung eines grundsätzlich neuen Kurses der amerikanischen Deutschland- und Europapolitik dar. Sie ist auch kein Wendepunkt in der Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen, sondern lediglich als Zeichen für Deutschland und das deutsche Volk gedacht, daß sie nicht ganz vergessen sind.

Byrnes zielte vielmehr darauf ab, der Pariser Molotov-Rede vom 10. Juli 1946 über die Grund-züge der sowjetischen Nachkriegspolitik etwas entgegenzustellen. Noch war das Potsdamer Ab-kommen als Basis für eine Nachkriegsregelung in Deutschland von den USA nicht aufgegeben worden, noch war keine grundlegende Überprüfung der amerikanischen Außenpolitik eingeleitet worden. Die Maßnahmen, die bisher ergriffen worden waren, dienten lediglich dazu, erkannte Schwächen der amerikanischen Außenpolitik zu korrigieren. Eine grundlegende Überprüfung der amerikanischen Außenpolitik fand erst nach jenem September des Jahres 1946 statt. Man konnte daher noch nicht sagen, ob es nicht doch noch zu einer weiteren Zusammenarbeit der vier Mäch-te kommen konnMäch-te. Geht man davon aus, daß sich die alliierMäch-ten Positionen zu einer Deutschland-politik erst nach und nach, so gegen Ende des Jahres 1946, bildeten und jedes Land,

insbesonde-297 Zitiert nach: Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart, 6. September 1946; in: US Depart-ment of State [Hrsg.]: Germany 1947 - 1950, The Story in DocuDepart-ments; Washington D.C. 1950, S. 3 - 8, hier S.

3, S. 7, im folgenden zitiert als: Rede des amerikanischen Außenministers...

298 Zitiert nach Gimbel: Byrnes' Stuttgarter Rede..., S. 44

re Frankreich und England, seinen eigenen Kurs steuerte, dann kann es noch zu keiner genügend großen Konfrontation mit der Sowjetunion gekommen sein, die einen Bruch mit ihr erforderlich gemacht hätte.299

Seit Truman im Januar 1946 erklärt hatte, daß er es leid sei, die Sowjets zu verhätscheln, wandel-te sich die amerikanische Politik langsam, aber swandel-tetig. Die Überzeugung, daß es mit der Sowjetu-nion keine gemeinsamen Interessen mehr gebe und es unmöglich sei, mit der SowjetuSowjetu-nion auf der Basis von Verträgen einen modus vivendi zu finden, setzte sich immer mehr durch. Aus die-sem Grund zog man sich von einer Kooperation mit der UNO allmählich zurück und begann par-allel dazu mit der gezielten Eindämmung des sowjetischen Einflusses. Dies geschah hauptsäch-lich durch Wirtschaftshilfe für Länder außerhalb des gegnerischen Machtbereichs. Das State De-partment folgerte und forderte hierzu in einer Denkschrift, daß der sowjetische Expansionsdrang nur durch bewaffneten Widerstand der Großmächte eingedämmt werden könnte. Daher sollten die USA ihre militärische Potenz weiter ausbauen und ihre Außen-, Wirtschafts- und Militärpoli-tik koordinieren. Schließlich sei eine globale Strategie des Handelns notwendig, da auch die

Seit Truman im Januar 1946 erklärt hatte, daß er es leid sei, die Sowjets zu verhätscheln, wandel-te sich die amerikanische Politik langsam, aber swandel-tetig. Die Überzeugung, daß es mit der Sowjetu-nion keine gemeinsamen Interessen mehr gebe und es unmöglich sei, mit der SowjetuSowjetu-nion auf der Basis von Verträgen einen modus vivendi zu finden, setzte sich immer mehr durch. Aus die-sem Grund zog man sich von einer Kooperation mit der UNO allmählich zurück und begann par-allel dazu mit der gezielten Eindämmung des sowjetischen Einflusses. Dies geschah hauptsäch-lich durch Wirtschaftshilfe für Länder außerhalb des gegnerischen Machtbereichs. Das State De-partment folgerte und forderte hierzu in einer Denkschrift, daß der sowjetische Expansionsdrang nur durch bewaffneten Widerstand der Großmächte eingedämmt werden könnte. Daher sollten die USA ihre militärische Potenz weiter ausbauen und ihre Außen-, Wirtschafts- und Militärpoli-tik koordinieren. Schließlich sei eine globale Strategie des Handelns notwendig, da auch die