• Keine Ergebnisse gefunden

Globale Berichterstattung zu Kriegszeiten – Der Zweite Weltkrieg als BeispielWeltkrieg als Beispiel

„Die Nachrichtenpolitik im Krieg ist ein Kriegsmittel. Man benutzt es, um Krieg zu führen, nicht um Informationen herauszugeben.“

Joseph Goebbels83

Bei der Schilderung der Geschichte der Kriegsberichterstattung gilt es, zwischen literarischen und journalistischen Quellen zu unterscheiden. Die Grenze zwischen literarischer und journalisti-scher Berichterstattung über Kriege wird in der Literatur meistens mit dem Krim-Krieg gezo-gen.84 Folgt man dieser Einteilung, so habe es vor dem Krim-Krieg nur Literatur über Kriege, aber keine Berichterstattung gegeben. Für diese Arbeit ist diese Einteilung allerdings kaum rele-vant, da sich die Kriegsberichterstattung analog zum Krieg in den Jahren vor und während des Zweiten Weltkrieges gewandelt hatte.85 Die Betrachtung der beiden Kriegsschauplätze zeigt, daß diese Schauplätze gar nicht unterschiedlicher hätten sein können: Auf dem pazifischen Kriegs-schauplatz dominierte der Pazifik das Geschehen und nötigte beiden Seiten den verbissenen Kampf um beinahe jede Insel zwischen San Francisco und Tokio auf, während der Feind in Eu-ropa gleich von mehreren Seiten aus angegriffen werden konnte. Dies schlägt sich in der Kriegs-berichterstattung nieder, die sich in ihrer Art und Weise, aber auch in ihren Arbeitsweisen und Arbeitsbedingungen von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz unterschied.

Als am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, war das für alle Redaktionen weltweit ein einschneidendes Ereignis, das sie vor vollkommen neue Herausforderungen – journalistischer wie auch personeller und organisatorischer Natur – stellte. Zum einen ist hier die wirklich globa-le Ausdehnung des Kriegsgeschehens zu nennen, die die Verteilung von Reportern wie auch den Empfang ihrer Berichte und Reportagen über die einzelnen Kriegsschauplätze erheblich er-schwerte. Zum anderen fanden in diesem Krieg ganz neue Arten der Kriegsführung Anwendung, die ebenfalls neue Formen der Berichterstattung notwendig machten. So wie auch die Kriegsfüh-rung eine totale war, so war auch die Berichterstattung eine totale. Total in dem Sinne, daß über sie sämtliche Ressourcen im Staat – materielle, personelle und ideelle – mobilisiert werden soll-ten. Der Krieg sollte auch das zivile Leben durchdringen und die Heimatfront durch die mediale Inszenierung zugleich formieren und festigen. Durch dieses mediale Dauerfeuer war es für den einzelnen fast unmöglich geworden, sich dieser „Berieselung“ und damit dem Kriegsgeschehen als solchem zu entziehen.86 Insgesamt steht der Zweite Weltkrieg auch für einen Krieg, über den

83 Zitiert nach Paul, Gerhard: Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges; Pa-derborn, München, Wien, Zürich 2004, S. 224, im folgenden zitiert als Paul: Bilder des Krieges...,

84 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 20 – 24, siehe auch Beham, Mira: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik; München 19962 ,im folgenden zitiert als Beham: Kriegstrommeln..., siehe ferner Daniel, Ute [Hrsg.]: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. bis zum 21. Jahrhundert; Göttingen 2006

85 Vgl. Paul, Gerhard: Der Krieg der Fotografen. Die fotografische Kriegsberichterstattung im Spanischen Bürger-krieg 1936 - 1939; in: Daniel, Ute [Hrsg.]: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. bis zum 21. Jahrhun-dert; Göttingen 2006, S. 141 – 169, im folgenden zitiert als Paul: Krieg der Fotografen…,

86 Vgl. Paul: Bilder des Krieges..., S. 223 – 225, siehe auch Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S.

169

umfassend in allen Medien berichtet wurde87: “World War II was a cinematic War. From the out-set, governments and national-picture industries used moving images – newsreels, documentar-ies, and feature films – to help mobilize populations for war.”88 Die größte Innovation auf dem Gebiet der Berichterstattung war jedoch die Schaffung der Propagandakompanien auf deutscher Seite.

Daher scheint eine Aufteilung in die beiden Hauptschauplätze des Zweiten Weltkrieges für diese Arbeit sinnvoll, erlaubt diese Einteilung es doch, die Charakteristika und Veränderungen in der Berichterstattung für beide Kriegsschauplätze getrennt herauszuarbeiten. So war etwa die Kriegsführung auf dem Kriegsschauplatz in Europa eine vollkommen andere als auf dem Kriegs-schauplatz im Pazifik. Die Kämpfe waren auf beiden Schauplätzen hart und erbarmungslos, den-noch sind sie, vor allem auf Grund der verschiedenen geographischen Gegebenheiten, vollkom-men unterschiedlicher Natur. Auch der Einsatz der Kriegsmittel war ein vollkomvollkom-men anderer:

Spielte die Marine auf dem europäischen Kriegsschauplatz – von der Kriegsführung mit und gen U-Boote einmal abgesehen – eine eher untergeordnete Rolle, so wäre die Kriegsführung ge-gen Japan ohne die Marine nicht denkbar gewesen.89 Aber nicht nur der Einsatz der Kriegsmittel war ein anderer, auch die Berichterstattung über diesen globalen Krieg unterschied sich in erheb-lichem Maße von der Berichterstattung über den ersten Weltkrieg.90 Die Berichterstattung unter-schied sich zudem auch zwischen den beiden Kriegsschauplätzen erheblich. Diese Unterunter-schiede sind zum einen in der unterschiedlichen Beschaffenheit der Kriegsschauplätze zu suchen und zum anderen auch in den unterschiedlichen journalistischen Traditionen auf allen Seiten. War die Berichterstattung über den Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite in einem Monopol organisiert, dessen Vorschriften sich alles unterzuordnen hatte, so waren waren die Berichterstatter auf ame-rikanischer Seite Journalisten, die für ein bestimmtes Presseorgan arbeiteten und nur die allge-meinen Vorschriften der zivilen und militärischen Behörden zu beachten hatten. Dies hat zu Fol-ge, daß die Berichte der deutschen Seite immer wie von der gleichen Person geschrieben wirken, während die individuelle Handschrift bei den Berichten der amerikanischen Journalisten immer noch erkennbar ist.

2.1 Der Zweite Weltkrieg auf dem Europäischen Kriegsschauplatz

Die revolutionärste Neuerung auf dem Gebiet der Kriegsführung war auf deutscher Seite sicher-lich die planmäßige und gezielte Nutzung der Propaganda. Wurde sie doch als gleichwertiges Kampfinstrument neben dem konventionellen Krieg gesehen. Daraus resultierte eine Verschmel-zung von Kriegsführung und Kriegsberichterstattung.91 Die Zahl der Arbeiten über Josef Goeb-bels und sein „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ (RMVP)92 ist

mittler-87 Vgl. Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 169

88 Chambers, John Whiteclay; Culbert David [Hrsg.]: World War II, Film and History; New York, Oxford 1996, S.

4

89 Vgl. Collins, Ross F.; Washburn, Patrick S.: World War I & World War II, The European Theater; in: Copeland, Douglas A. [Hrsg.]: The Greenwood Library of American War Reporting, Vol. 5; Westport / Conn., London 2005, S. 248, im folgenden zitiert als Collins; Washburn: American War Reporting, Vol. 5...,

90 Vgl. Brocks, Christine: "Unser Schild muß rein bleiben." Deutsche Bildzensur und -propaganda im Ersten Welt-krieg; in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 67 / 1 / 2008; S. 25 – 51, im folgenden zitiert als Brocks: "Unser Schild muß rein blieben"…,

91 Vgl. Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 172; Paul: Bilder des Krieges..., S. 226 – 227

92 Gerhard Paul verwendet die (untypische) Abkürzung RMVuP (Paul: Bilder des Krieges..., S. 226). Der Autor bleibt jedoch bei der allgemein bekannten und akzeptierten Abkürzung RMVP

weile dermaßen vielfältig, daß an dieser Stelle auf eine ausführliche Darstellung verzichtet wer-den kann. Die weitverbreitete Annahme allerdings, daß die alleinige Verantwortung für die deut-sche Propaganda in den Händen Goebbels lag, daß Goebbels dort, „wo Hitler nicht selbst redete, als sein Sprachrohr fungierte“93, kann heute in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten werden.

Zumindest im Bereich Auslandspropaganda hatte das RMVP nicht die Federführung, diese lag beim Auswärtigen Amt – auch wenn Goebbels alles versuchte, dem Auswärtigen Amt dieses Pri-vileg streitig zu machen.94 In einem Punkt war jedoch das RMVP nach wie vor führend: im Ein-satz des Mediums Films als Medium der Propaganda. So formulierte der deutsche Filmkritiker Frank Maraun im November 1939 die folgende Maxime, die für das Bildprogramm der deut-schen Propaganda handlungsleitend werden sollte: „Der Film ist das eindringlichste und erleb-nisstärkste Mittel der Mitteilung, weil das Sehen die befriedigendste und überzeugendste Form der Kenntnisnahme von einem Tatbestand, weil das Augenerlebnis das entscheidende Erlebnis der Wahrnehmung ist.“95

Getreu dieser Maxime wurden für die gezielte Nutzung der Propaganda im Krieg die sogenann-ten Propagandakompanien (PK) geschaffen. Diese Einheisogenann-ten hatsogenann-ten die Aufgabe, das „Zusam-menwirken des Propagandakrieges mit dem Waffenkrieg“96 sicherzustellen. Erste Pläne für Ein-heiten dieser Art wurden im Juni 1935 auf einer Konferenz mit Vertretern des Reichsverteidi-gungsrates erörtert.97 Vor der Einrichtung der PK entbrannte ein erbitterter bürokratischer Klein-krieg zwischen dem RMVP und dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW), die Ausbildungs-inhalte und auch die Kontrolle dieser neuen Einheiten betreffend. Nach den für sie enttäuschen-den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges98 wollten die Militärs diese Art von Aufgaben nur noch von regulären militärischen Einheiten erfüllt sehen, da nach Auffassung des OKW „über soldati-sche Dinge nur soldatisch denkende Männer wirklichkeitsgetreu berichten können“99. Minister Goebbels wollte diese Aufgabe aber nicht in den Händen von Soldaten sehen und bestand daher auf Personal, das über eine gewisse Vorbildung verfügte – also Journalisten, Kameraleuten und Photographen. Die ersten Versuche mit vom RMVP zusammengestellten zivilen Journalisten bei den Herbstmanövern der Jahre 1936 und 1937 verliefen allerdings nicht wirklich erfolgreich.100 Aus diesem Grund forderte das Reichskriegsministerium (RKM) die Eingliederung der Berichter – so der damalige Jargon – in die Wehrmacht. Als sich im Winter 1938 Goebbels für das RMVP und General Keitel für das Oberkommando der Wehrmacht auf das grundlegende „Abkommen über die Durchführung der Propaganda im Kriege“ einigten, wurden die Mitglieder der PK in die militärischen Verbände und Hierarchien eingegliedert. Das Personal wurde von Wehrmacht und RMVP gemeinsam ausgewählt und geschult, die Wehrmacht sorgte für die rasche Beförderung der Berichte und das schnelle Passieren der militärischen Zensur. Das RMVP wiederum sollte dann über die weitere Verwendung des Materials zu entscheiden haben. Die Eingliederung der Propagandakompanien in die Wehrmacht hatte zur Folge, daß ihre Hauptaufgabe zwar aus der

93 Wette, Wolfram: Ideologien, Propaganda und Innenpolitik als Voraussetzungen der Kriegspolitik des Dritten Reiches; in: Deist, Wilhelm; Messerschmidt, Manfred; Volkmann, Hans-Erich; Wette, Wolfram [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 1. Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik;

Stuttgart 1979, S. 25 – 173, hier S. 108, im folgenden zitiert als Wette: Ideologien...,

94 Vgl. Longerich: Propagandisten…, S. 136

95 Zitiert nach Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 169

96 Paul: Bilder des Krieges..., S. 227

97 International Military Tribunal (IMT), Bd. XXXVI; S. 410 - 412, Dokument 405-EC, Bericht über die Zehnte Sitzung des Arbeitsausschusses des Reichsverteidigungsrates vom 26. Juni 1935

98 Zu den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges siehe Beham: Kriegstrommeln..., S. 54

99 Zitiert nach Beham: Kriegstrommeln..., S. 57

100 Vgl. Boll: Propaganda-Kompanien…, S. 7 siehe auch Beham: Kriegstrommeln..., S. 57

Berichterstattung bestand, sie aber über soldatische Grundtugenden verfügen mußten, wollten sie mit der Truppe im Feld überleben. Organisiert waren die Propagandakompanien mit einer Soll-stärke von 250 Mann in Kriegsberichterzügen, die sich jeweils in einen Wort-, Bild-, Film- und Rundfunktrupp untergliederten. Hinzu kamen noch die üblichen Einheiten für Versorgung und Verwaltung. Im Falles eines Krieges sollte jedem Armee-Oberkommando eine PK zugeteilt wer-den: dem Heer also sieben, der Luftwaffe vier und der Marine zwei. Sie sollten aber nicht nur Bilder und Filmmaterial für den Propagandaeinsatz im Reich sammeln, sondern auch die mediale Truppenbetreuung vor Ort, durch Feldzeitschriften und dergleichen, sowie die Feindpropaganda mit Lautsprechern sicherstellen. Diese PK wurden rasch zu einem regelrechten Erfolgsmodell.

Im Frühjahr des Jahres 1943 stieg ihre Anzahl auf 40 Propaganadakompanien mit einer Personal-stärke von ca. 15.000 Mann an – damit hatten die PK schon fast die Stärke einer kompletten Di-vision. Parallel zum Aufbau und Einsatz der Propagandakompanien entstand innerhalb des Wehr-machtführungsstabes (WFSt) eine eigene Propaganda-Abteilung – die Wehrmachtspropaganda-abteilung, die die Aufgabe hatte, den Einsatz der Pk zu koordinieren.101 Wie das OKW die Rolle

„seiner“ Berichter sah, zeigt folgendes Zitat aus einem Propagandawerk des OKW über die Kriegsereignisse des Jahres 1940:

„[...] War der Kriegsberichterstatter früherer Kriege, von wenigen Ausnahmen abgesehen,

„Zivilist“, Angestellter seiner Zeitung und bestenfalls Gast des Stabes des kämpfenden Verbandes, so hat unsere neue Wehrmacht in dem PK-Mann einen vollkommen neuen Typ von Kriegsberichtern geschaffen. Der Kriegsberichter von heute ist Soldat, ausgebildeter Soldat, der mit Pistole, Handgranate, Gewehr, MG genau so umzugehen versteht wie mit Schreibmaschine, Fotoapparat, Filmkamera und Rundfunkgerät; er ist Soldat, der wie alle seine Kameraden auch keine Beziehungen zu seiner „zivilen Stellung“, seiner Zeitung, mehr hat, sondern nur noch Teil seiner neuen Gemeinschaft, der Wehrmacht, ist. Es interessiert ihn nicht mehr, für wen oder welches Honorar – er erhält keines – er photographiert, schreibt, kämpft zu Lande, zur See, in der Luft; er weiß nur: es geschieht für sein Volk. Er bringt für Volk und Vaterland Blutopfer wie jeder seiner Kameraden aus allen Wehrmachtsteilen; er ist Kämpfer, nicht „Journalist“, Soldat, nicht Schreiber oder Photograph. [...]“102

Wenn aber der Kriegsberichter in erster Linie Soldat war und erst in zweiter Linie journalistisch tätig sein durfte, dann war aber auch die Gefahr für den journalistisch tätigen Soldaten die glei-che wie für seine Kameraden. Bis zum Oktober 1943 waren 106 Bildberichter und 62 Filmbe-richter als gefallen oder vermißt gemeldet, 57 waren verwundet worden und 4 in Kriegsgefan-genschaft geraten. Mit einer geradezu perversen Logik wurden diese Verluste als Qualitäts- und Authentizitätsmerkmal – getreu dem damals noch nicht so formulierten Motto Robert Capas: “If your pictures aren't good enough, you aren't close enough”103 – hochstilisiert. Bedingt durch die hervorragende Ausstattung der PK und die große Zahl der Bildberichter kam es bis zum Herbst 1944 zu einer bis dahin noch nie gekannten Bilderflut von beinahe allen Kriegsschauplätzen. Von den Kameramännern der Propagandakompanien wurden pro Woche ca. 20.000 bis 30.000 Meter Film belichtet – bis zum September 1944 hatten sich so ungefähr 5.000.000 Meter Film ansammelt. Davon wurden aber lediglich 6 Prozent in den Wochenschauen verwandt. Das so ge-sammelte Filmmaterial wurde von den zuständigen Stellen im Reichsministerium für Volksauf-klärung und Propaganda zentral entwickelt, bearbeitet und den militärischen Zensurbehörden vorgelegt. Danach wurde das Material selektiert. Dabei und bei Fragen der militärischen Zensur kam es immer wieder zu erheblichen Diskrepanzen zwischen Goebbels und dem OKW bzw. mit

101 Vgl. Paul: Bilder des Krieges..., S. 228 - 229; Boll: Propaganda-Kompanien…, S. 38 – 40; Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 170, 172

102 OKW [Hrsg.]: Die Wehrmacht. Der Freiheitskampf des großdeutschen Volkes; Berlin 1940, S. 312, in kürzerer Form auch bei Paul: Bilder des Krieges..., S. 227

103 Zitiert nach http://www.bundestag.de/dasparlament/2006/51-52/Panorama/001.html (Letzter Zugriff 15. 07.

2008)

Hitler persönlich.104 Wie sehr Goebbels sich der Macht der bewegten Bilder bewußt war und wel-chen Wert er der Wowel-chenschau als Medium beimaß, illustriert folgendes Zitat aus einer Rede Go-ebbels vom 15. Feberuar 1941:

„[...] Mit einem Mal bekam das Volk, das nun in seiner Gesamtheit in Beziehung gesetzt wurde zum Krieg selbst, den Krieg selbst Auge in Auge zu sehen, und zwar so, wie er ist, und ohne Beigabe und ohne jede Hinzufügung, kommentarlos in seiner ganzen grausigen Wirklichkeit.

[...]“105

Die Authentizität, die Goebbels hier so wortreich beschwor, war in Wirklichkeit alles andere als eine wirklich authentische Abbildung der Realität. Die Realität, die in den Wochenschauen vor-gespiegelt wurde, entstand häufig erst am Schneidetisch, wenn Aufnahmen verschiedener Quel-len zu einem einheitlichen Geschehen zusammengeführt wurden – das oftmals nie so stattgefun-den hatte. Die Anweisungen an die Mitglieder der PK verboten eigentlich die Inszenierung von Ereignissen – tatsächlich waren diese Inszenierungen aber ebenfalls Teil der Inszenierung der Wochenschau. Das von den militärischen Zensoren freigebene Material wurde an die Redaktio-nen der vier Wochenschauen von Ufa, Deuling, Fox und Tobis, die alle unter Kontrolle des Deut-schen Nachrichtenbüros standen und ab Juni 1940 zur DeutDeut-schen Wochenschau (DW) zusam-mengefaßt wurden, weitergeleitet. Dort hatten die Redakteure die Aufgabe, die eingehenden Bil-der zu sichten und im Schnitt „dynamisch zu steigern [und] Akzente richtig zu verteilen“106. Der Herstellungsprozeß einer Wochenschauausgabe dauerte in der Regel zwei Wochen. Montags wurden in einer Redaktionsitzung die Themenauswahl und die Struktur beschlossen, Ende der Woche war dann der Rohschnitt fertig. Der Rohschnitt wurde zusammen mit dem Kommentar-text Goebbels zur Abnahme vorgelegt. Goebbels griff häufig in die Kommentar-textliche Gestaltung der Wo-chenschauen ein. Die endgültige Version, die Goebbels Gnade gefunden hatte, wurde dann am Sonntag oder Montag Hitler vorgeführt. Falls dieser Änderungswünsche hatte, wurden diese am Dienstag ausgeführt und die finale Mischung der Audio-Spuren vollzogen. Hierbei konnten die Cutter auf ein umfangreiches Tonarchiv, das Originaltöne von beinahe allen im Kriege verwand-ten Waffensystemen enthielt, zurückgreifen. Dieses Archiv war angelegt worden, nachdem sich das OKW mehrfach darüber beschwert hatte, daß die unter die Aufnahmen gelegten Töne nicht mit dem Originalgeräusch der verwendeten und im Bild zu sehenden Waffe übereinstimmte.

Wurde in der Wochenschau Musik eingesetzt, diente diese in erster Linie zur Untermalung: So wurden häufig beliebte Soldatenlieder unter Kampfszenen gelegt. War dies nicht möglich, so griffen die Cutter und Toningenieure auf freie Kompositionen zurück, die nicht dem Urheber-recht unterlagen107 und unterlegten die Bilder der Wochenschau mit ihnen. Einige Berühmtheit erlangte die Ausgabe der Wochenschau, in der die Landung der deutschen Fallschirmjäger auf Kreta thematisiert wurde. Der Anflug der Flugzeuge auf Kreta und der Luftkampf über Kreta wurden mit dem „Ritt der Walküre“ aus der Wagner Oper „Die Walküre“ unterlegt. Das gleiche musikalische Motiv wurde später bei der berühmt-berüchtigten Helikopter-Szene im Film “Apo-calypse Now” von Francis Ford Coppola verwandt – ob Coppola die Szene aus der Wochenschau kannte, ist leider nicht überliefert.108

104 Vgl. Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 172, 175; Paul: Bilder des Krieges..., S. 229; siehe auch (mit unerträglichem Pathos) Schmidt: Reporter der Hölle…, S. 10 -11; Boll: Propagande-Kompanien…, S. 38;

Beham: Kriegstrommeln..., S. 58

105 Zitiert nach Paul: Bilder des Krieges..., S. 233

106 Zitiert nach Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 175; vgl. Paul: Bilder des Krieges..., S. 233

107 Bei der Recherche konnte nicht geklärt werden, ob die, schon zu NS-Zeiten existierende, GEMA, nicht auch dem RMVP unterstellt war. Wenn dem so war, dann scheint zumindest der Verweis Hoffmanns auf die GEMA-bzw. Urheberrechtsproblematik fragwürdig. Schließlich hätte Goebbels dann ja befehlen können, daß die Wo-chenschau der GEMA keine Abgaben hätte zahlen müssen.

Mittwochs wurden dann von der so fertiggestellen Master-Version ca. 20 Kopien gezogen, die als Vorlage dienten für die Kopierwerke, die die Kopien für das ganze Reich und die Wehrmacht zu ziehen hatten. Bei einer Zahl von 1700 Kopien pro Wochenschau konnte diese Anzahl nicht mehr von einem Kopierwerk in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, dem üblichen Tag für die Programmwechsel in den Kinos, geleistet werden. Um dieses Auftragsvolumen bewältigen zu können, waren sämtliche Kopierwerke Berlins in dieser Nacht nur mit der Erstellung dieser Kopien beschäftigt.109 Die Bilderwelten, die die Kameramänner der PK erschufen, waren aber in ihrer Ästhetik dennoch maßgebend und neu. Viele der faszinierendsten Einstellungen von damals gelten noch heute als genuine Leistung der Kameraleute der PK. Die Leistung der Cutter darf ebenfalls nicht unterbewertet werden: „Mit den Mitteln des Schnitts konnte auf diese Weise au-thentisches Bildmaterial zu einer Scheinwelt montiert werden, die mit den realen Ereignissen kaum noch etwas zu tun hatte, aber gleichwohl ungemein authentisch wirkte.“110

Als am ersten 1. September 1939 deutsche Truppen die Grenze nach Polen überschritten111, war dieser Operation eine groß angelegte Propaganda-Operation des Reichsministeriums für Volks-aufklärung und Propaganda vorausgegangen.112 Dabei konkurrierten das RMVP und das Auswär-tige Amt (AA) um die Vorherrschaft in der Auslandspropaganda. Vereinfacht gesagt, reklamierte das RMVP mit Goebbels an der Spitze die gesamte deutsche Propagandatätigkeit im In- und Ausland für sich, während das AA in der Richtung argumentierte, daß im Auswärtigen Amt alle Kompetenzen, die die Verbindungen mit dem Ausland beträfen, gebündelt seien. Daher läge die Zuständigkeit für die Auslandspropaganda auch nicht beim Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, sondern beim Reichsaußenminister und den nachgeordneten Dienststellen im

Als am ersten 1. September 1939 deutsche Truppen die Grenze nach Polen überschritten111, war dieser Operation eine groß angelegte Propaganda-Operation des Reichsministeriums für Volks-aufklärung und Propaganda vorausgegangen.112 Dabei konkurrierten das RMVP und das Auswär-tige Amt (AA) um die Vorherrschaft in der Auslandspropaganda. Vereinfacht gesagt, reklamierte das RMVP mit Goebbels an der Spitze die gesamte deutsche Propagandatätigkeit im In- und Ausland für sich, während das AA in der Richtung argumentierte, daß im Auswärtigen Amt alle Kompetenzen, die die Verbindungen mit dem Ausland beträfen, gebündelt seien. Daher läge die Zuständigkeit für die Auslandspropaganda auch nicht beim Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, sondern beim Reichsaußenminister und den nachgeordneten Dienststellen im