Der lineare harmonische Oszillator
Als Beispiel f¨ ur ein schwingungsf¨ ahiges System haben wir bereits das mathematische Pendel
1kennen- gelernt. Der Auslenkwinkel ϕ des Pendels schwingt harmonisch um einen Gleichgewichtswert ϕ = 0.
Schwingungen ¨ ahnlicher Art treten in vielen Bereichen der Physik auf und sind von grundlegender Be- deutung f¨ ur das Verhalten der Materie. Zum Beispiel f¨ uhren Atome und Molek¨ ule im Festk¨ orper um eine Gleichgewichtslage Schwingungen aus, die in erster N¨ aherung als harmonisch angesehen werden k¨ onnen.
Wir werden deshalb jetzt die Dynamik solcher harmonischer Oszillatoren genau untersuchen und als Modellsystem eine lineare Feder w¨ ahlen.
1. Der unged¨ ampfte Oszillator
Ein Massenpunkt m wird an einer masselos gedachten Feder befestigt. Wir interessieren uns f¨ ur die Bewegung l¨ angs der Federachse. In der Vertikalen sei stets G = mg = N. Wir legen also die x-Achse in Richtung der Federachse mit dem Freiheitsgrad f = 1 und w¨ ahlen x = 0 als die Gleichgewichtslage.
Wir wollen alle Reibungskr¨ afte vernachl¨ assigen und annehmen, in x-Richtung werde nur von der Feder die Federkraft F = F(x) ausge¨ ubt. Diese Bewegung kann z.B. mit einem Luftkissenfahrzeug realisiert werden.
∼∼∼∼∼ q q r ∼∼∼∼∼ q q - x
k/2 k/2
6
? N ~ G ~ F ~
Die Bewegungsgleichung ist m d
2x
dt
2= F(x) .
Wie h¨ angt die Federkraft F (x) reversibel von der Auslenkung ab? Da F (x → 0) = 0 gelten soll, entwickeln wir F (x) f¨ ur kleine x in eine Taylor-Reihe um den Nullpunkt:
F (x) = F(0)
| {z }
=0
+ dF
dx
x=0
x + 1 2
d
2F dx
2x=0
x
2+ . . . = F(0)
| {z }
=0
+
∞
X
n=1
d
nF dx
nx=0
x
nn! .
Wir nennen die Feder linear, wenn der quadratische und alle h¨ oheren Terme gen¨ ugend klein sind, so dass F(x) =
dF dx
x=0
x =: −kx mit (k > 0)
geschrieben werden kann. Zur Abk¨ urzung haben wir die Federkonstante k = k/2 + k/2 eingef¨ uhrt (siehe Abb.). Wenn die Gleichgewichtslage stabil sein soll, muss bei einer Auslenkung die Kraft F in Richtung Gleichgewichtslage zeigen, also
dFdxx=0
< 0 gelten (daher das Minuszeichen). Offenbar l¨ asst sich dieser lineare Ansatz F (x) = −kx bei allen Kr¨ aften anwenden, die von einem Abstand abh¨ angen – wenn man sich auf kleine Auslenkungen aus der Gleichgewichtslage beschr¨ ankt. F¨ ur eine mechanische Feder ist die Linearit¨ at mit x in guter N¨ aherung erf¨ ullt. Die Bewegungsgleichung f¨ ur m lautet dann
m d
2x
dt
2= −kx oder d
2x dt
2= − k
m x (1)
und ist somit formal identisch mit der Gleichung d
2ϕ
dt
2= − g
` ϕ
f¨ ur das mathematische Pendel bei kleinen Auslenkungen ϕ. Gleichung (1) kann also f¨ ur alle x durch den harmonischen Ansatz
x(t) = x
mcos(ω
◦t + φ) mit der Kreisfrequenz ω
◦= p
k/m = 2πν
◦= 2π
T gel¨ ost werden.
2(2)
1Siehe Erg¨anzungen
”Pendel“ (in Woche 3) und vgl. auch Kap. 16-6 im Halliday.
2Halliday bezeichnetω◦ jeweils einfach mitω, was hier abge¨andert wurde, um im Folgenden eine klare Unterscheidung zwischen der noch unbestimmten Variableωim Ansatz und der gefundenen Eigenfrequenzω◦=p
k/mzu erm¨oglichen.
ν
◦ist die Frequenz und T die Schwingungsdauer der harmonischen Schwingung. Die Amplitude x
mund die Phasenkonstante φ sind wie beim Pendel durch die Anfangsbedingungen festgelegt.
t x
mx T
- q t
oF¨ ur x(t = 0) =: x
◦und
dxdtt=0
=: v
◦erh¨ alt man x
m=
s x
2◦+
v
◦ω
◦ 2und tan φ = − v
◦x
◦ω
◦. (3)
Im Hinblick auf eine mathematisch vereinfachende Behandlung wollen wir uns ¨ uberzeugen, dass Gl.(1) auch mit einer Exponentialfunktion
3z = x + iy = C e
iωt= C(cos ωt + i sin ωt) (4) gel¨ ost werden kann, in der z eine komplexe Gr¨ osse ist. Selbstverst¨ andlich ist die gemessene Auslenkung des Oszillators eine reelle Gr¨ osse, n¨ amlich der Realteil von z: <(z) = <(Ce
iωt) = x. Der Imagin¨ arteil
=(z) = y ist bloss eine mathematische Hilfsgr¨ osse, die hier ohne physikalische Bedeutung ist und nur der einfacheren komplexen Schreibweise von z dient. Wir setzen den Ansatz (4) in Gl.(1) ein und erhalten:
−ω
2Ce
iωt= − k
m Ce
iωt⇐⇒ ω = ± p
k/m = ± ω
◦. Es gibt also zwei L¨ osungen:
z
1= C
1e
iω◦tund z
2= C
2e
−iω◦t.
Da die Gleichung (1) linear ist, besteht ihre allgemeine L¨ osung in der Linearkombination
z = z
1+ z
2= C
1e
iω◦t+ C
2e
−iω◦t(5) mit den beiden Integrationskonstanten C
1und C
2. Diese werden durch die Anfangsbedingungen festgelegt, f¨ ur welche wir wieder x(t = 0) =: x
◦und
dxdtt=0
=: v
◦w¨ ahlen. Die Gr¨ ossen C
1und C
2sind jetzt allerdings komplex! Einsetzen in Gl.(5) ergibt C
1+ C
2= x
◦und iω
◦C
1− iω
◦C
2= v
◦. Daraus berechnet man
4C
1= 1 2
x
◦− i v
◦ω
◦und C
2= 1 2
x
◦+ i v
◦ω
◦= C
1∗und als komplexe L¨ osung von Gl.(1) z = 1
2
x
◦− i v
◦ω
◦e
iω◦t+
x
◦+ i v
◦ω
◦e
−iω◦t=
= 1 2
(
x
◦e
iω◦t+ e
−iω◦t| {z }
2 cos(ω◦t)
−i v
◦ω
◦e
iω◦t− e
−iω◦t| {z }
2isin(ω◦t)
)
= x
◦cos(ω
◦t) + v
◦ω
◦sin(ω
◦t). (6)
Dieser jetzt reelle Ausdruck stimmt mit L¨ osungsansatz (2) ¨ uberein, wenn man ber¨ ucksichtigt, dass gilt x
◦= x
mcos(φ) und v
◦ω
◦= x
msin(φ) ,
(vergleiche Gl.(2) sowie deren einmalige Ableitung). Dann braucht man bloss noch die Formel cos α cos β - sin α sin β = cos(α + β) anzuwenden, um von Gleichung (6) zu unserem ersten, von Beginn weg reellen Ansatz (2) zur¨ uckzufinden. – Beide L¨ osungswege f¨ uhren, wie es auch sein muss, zum gleichen Ergebnis.
3Der letzte Schritt dieser Darstellung verwendet die Eulersche Formel.
4C1∗=a−ibbezeichnet das Konjugiert-Komplexe vonC1=a+ib.
2. Der ged¨ ampfte Oszillator
Wir passen die Bewegungsgleichung unseres Oszillators etwas mehr der Wirklichkeit an, indem wir noch ei- ne geschwindigkeitsabh¨ angige, viskose Reibungskraft
5−bdx/dt ber¨ ucksichtigen. Die Bewegungsgleichung heisst dann
∼∼∼∼∼ q q r ∼∼∼∼∼ q q - x
k/2 k/2
6
? N ~ G ~ F ~
R ~
m d
2x
dt
2= −kx − b dx
dt . (7)
Diese Gleichung kann nicht einfach integriert werden. Wir sehen je- doch: Die L¨ osung muss die Eigenschaft haben, dass ihre zweite Ab- leitung sowohl der ersten Ableitung wie auch der Funktion selbst proportional ist.
Deshalb setzen wir eine komplexe Exponentialfunktion als L¨ osung an:
z = C e
λt, (8)
wobei λ jetzt einen Real- und einen Imagin¨ arteil hat. Einsetzen von Gl.(8) in Gl.(7), die zu allen Zeiten erf¨ ullt sein muss, ergibt
mCλ
2e
λt= −kC e
λt− bCλ e
λtund mit ω
◦2= k
m folgt λ
2+ b
m λ + ω
◦2= 0 . (9) Die charakteristische Gleichung (9) hat zwei L¨ osungen:
λ
1,2= − b 2m ±
r b
24m
2− ω
2◦. (10)
Mit den Abk¨ urzungen b
2m =: δ und r
ω
2◦− b
24m
2=: ω wird λ
1,2= −δ ± iω. (11)
Die Bewegungsgleichung hat die beiden L¨ osungen z
1= C
1e
λ1tund z
2= C
2e
λ2t, die beide f¨ ur sich genommen Gleichung (7) erf¨ ullen. Da Gleichung (7) linear ist, ist ihre allgemeine L¨ osung wieder eine Linearkombination von z
1und z
2:
z = z
1+ z
2= C
1e
λ1t+ C
2e
λ2t. (12) Die Integrationskonstanten C
1und C
2werden mit Gl.(12) (wie im vorigen Abschnitt) durch die Anfangs- bedingungen festgelegt:
x(t = 0) =: x
◦und dx
dt
t=0
=: v
◦⇒ x
◦= C
1+ C
2und v
◦= C
1λ
1+ C
2λ
2⇒ C
1= v
◦− x
◦λ
2λ
1− λ
2, C
2= − v
◦− x
◦λ
1λ
1− λ
2. Damit wird die L¨ osungsgleichung (12) zu
z = v
◦− x
◦λ
2λ
1− λ
2e
(−δ+iω)t− v
◦− x
◦λ
1λ
1− λ
2e
(−δ−iω)toder mit Gl.(11): z = e
−δtv
◦− x
◦(−δ − iω)
2iω e
iωt− v
◦− x
◦(−δ + iω) 2iω e
−iωt= 1 2 e
−δtx
◦− i v
◦+ x
◦δ ω
e
iωt+
x
◦+ i v
◦+ x
◦δ ω
e
−iωtbzw.
z(t) = 1 2 e
−δtB e
iωt+ B
∗e
−iωtmit B = x
◦− i v
◦+ x
◦δ ω , ω =
r
ω
2◦− b
24m
2und δ = b
2m . (13) Die Faktoren B und B
∗sind konjugiert komplex zueinander (2 Integrationskonstanten, wie ben¨ otigt).
5wie sie schon in den Erg¨anzungen
”Einfache Differentialgleichungen“, Abschnitt 4, vorkam
Bei der physikalischen Interpretation dieses Ergebnisses sind je nach Gr¨ osse der Reibungskonstanten b drei F¨ alle zu unterscheiden:
61. Fall:
4mb22< ω
◦2, d.h. ω ist reell, schwache D¨ ampfung, 2. Fall:
4mb22> ω
◦2, d.h. ω ist imagin¨ ar, starke D¨ ampfung, 3. Fall:
4mb22= ω
◦2, d.h. ω = 0, kritische D¨ ampfung.
1. Fall: schwache D¨ ampfung
Wir schreiben die komplexen Amplituden B und B
∗in Gl.(13) in der Form B = x
me
iφund B
∗= x
me
−iφ,
-
= 6
<
x
mφ )
p mit x
2m= x
2◦+
v
◦+ x
◦δ ω
2und cos(φ) = x
◦x
m. (14)
Dann erhalten wir als L¨ osung z(t) = x
m2 e
−δth
e
i(ωt+φ)+ e
−i(ωt+φ)i
= x
me
−δtcos(ωt + φ)
7oder z(t) = x
me
−bt/2mcos t · r
ω
2◦− b
24m
2+ φ
!
= x(t) . (15) F¨ ur b → 0 ¨ ahnelt diese Gleichung der Schwingungsgleichung des unged¨ ampften Oszillators (vgl. Gl.(2)).
t x(t)
x e
m< bt
-x e
m< bt
x(t=0)=x
ov(t=0)=0 Mit b > 0 nimmt die Amplitude mit der Zeit exponentiell ab.
Obwohl nur im Falle einer reinen sin- oder cos-Funktion von ei- ner definierten Frequenz gesprochen werden kann, nennt man ω doch die Kreisfrequenz dieser ged¨ ampften Schwingung. Dieses ω ist kleiner als die Frequenz ω
◦des unged¨ ampften Oszillators.
Die Nullstellen von x(t) haben gleiche Abst¨ ande T = 2π/ω, je- doch liegen die Extrema – anders als bei der unged¨ ampften Schwingung – nicht mehr genau in der Mitte zwischen diesen Nullstellen.
Man ¨ uberzeuge sich, dass man aus Gl.(15) mit den Ausdr¨ ucken aus Gl.(14) f¨ ur die Integrationskonstanten x
mund φ wieder die Anfangswertex(t = 0) = x
◦und v(t = 0) = v
◦erh¨ alt.
2. Fall: starke D¨ ampfung
ω ist jetzt imagin¨ ar. Wir setzen deshalb ω =: iω
0mit reellem ω
0:=
r b
24m
2− ω
2◦und erhalten aus Gl.(13) die L¨ osung x(t) = z(t) = 1
2 e
−δtn
B e
−ω0t+ B
∗e
ω0to
mit B = x
◦− v
◦+ x
◦δ
ω
0, B
∗= x
◦+ v
◦+ x
◦δ
ω
0. (16) Wie die Exponentialfunktionen sind auch die Amplituden B und B
∗reell geworden.
8Die Bewegung ist nicht mehr periodisch.
6Halliday setzt direkt bei dieser Unterscheidung an. Unser Vorgehen (mit dem allgemeinen Ansatz zu Beginn) zeigt einen zweiten Weg auf; um den Vgl. zu erm¨oglichen, stimmen die Bezeichnungen wo immer m¨oglich mit Halliday ¨uberein.
7xmcos(ωt+φ) entspricht dabei der L¨osung f¨ur das ˜x, welches im Ansatz von Halliday (Kap.16-8, Mathebox 16-2) auftritt.
8Entsprechungen im Halliday: ¯x1=B∗/2 und ¯x2=B/2.
x(t)
t
~ e h
1t
~ e h
2t
h
2< h
1, e h
2t stirbt schneller aus
x(t=0)=0 v(t=0)=v
oSowohl e
−(ω0+δ)t= e
λ2twie auch e
(ω0−δ)t= e
λ1t(vgl. die Abk¨ urzungen (11) f¨ ur λ
1, λ
2) nehmen mit der Zeit ab, da ja δ > ω
0ist.
F¨ ur den Spezialfall x(t = 0) = x
◦= 0 und v(t = 0) = v
◦erhalten wir B = −v
◦/ω
0, B
∗= v
◦/ ω
0und damit
x(t) = v
◦2ω
0n
e
(ω0−δ)t− e
−(ω0+δ)to
= v
◦2 ω
0e
λ1t− e
λ2t. λ
1und λ
2sind hierbei negativ mit λ
2< λ
1, e
λ2twird folglich schneller ged¨ ampft.
3. Fall: kritische D¨ ampfung
Die allgemeine L¨ osung (Gl.(13)) kann f¨ ur ω =
r
ω
2◦− b 4m
2= 0
nur dann einen Sinn haben, wenn wir zun¨ achst in den Faktoren B und B
∗den Grenz¨ ubergang ω → 0 ausf¨ uhren (da ω im Nenner der beiden Faktoren steht). Wir fassen deswegen die ω enthaltenden Terme in Gl.(13) zweckm¨ assiger zusammen:
z = 1 2 e
−δtx
◦e
iωt+ e
−iωt− i (v
◦+ x
◦δ) e
iωt− e
−iωtω
.
Mit der Definition des Differentialquotienten gilt dann
ω→0
lim
e
iωt− e
−iωtω = lim
ω→0
e
iωt− e
0ω + e
0− e
−iωtω
= lim
ω→0
e
iωt− e
0ω + e
−iωt− e
0−ω
= 2 d e
iωtdω
ω=0
= 2 it e
iωtω=0
= 2 i t . Damit ist
ω→0
lim z(t) = 1
2 e
−δt{2x
◦− i (v
◦+ x
◦δ) 2 i t} rein reell und somit x(t) = e
−δt{x
◦+ (v
◦+ x
◦δ) t} . Auch hier ergeben sich zwei einander ¨ uberlagerte L¨ osungen, wie es f¨ ur eine lineare Differentialgleichung 2. Ordnung der Fall sein muss.
• oo • // •
Bemerkung : Im aperiodischen Grenzfall ist in Gl.(10) der Term unter der Wurzel null (ω
2◦=
4mb22) und es geht formal eine Integrationskonstante verloren. Mit der Methode der Variation der Konstanten, C = C(t) =:
9x(t), macht man den Ansatz ¯ x = ¯ x(t) e
λtund erh¨ alt damit f¨ ur die Differentialgleichung (7)
mit λ = −b/2m = −δ und ω
◦2= λ
2:
¨ x + b
m x ˙ + ω
◦2x = 0 = ¨ x − 2 λ x ˙ + λ
2x mit x ˙ = ˙¯ x e
λt+ ¯ xλ e
λtund x ¨ = ¨ x ¯ e
λt+ 2 ˙¯ xλ e
λt+ ¯ xλ
2e
λt. Einsetzen in die DGL ergibt
¨ ¯
x e
λt+ 2 ˙¯ xλ e
λt+ ¯ xλ
2e
λt− 2λ x ˙¯ e
λt− 2λ
2x ¯ e
λt+ λ
2¯ x e
λt= 0 = ¨ x ¯ e
λtund es folgt f¨ ur die Funktion ¯ x(t) f¨ ur alle Zeiten t: ¨ x ¯ = 0, d.h. ˙¯ x = konst. =: ¯ x
2und ¯ x = ¯ x
2t + ¯ x
1. Damit ist die vollst¨ andige L¨ osung
x(t) = (¯ x
1+ ¯ x
2t) e
λt= (¯ x
1+ ¯ x
2t) e
−2mb t. (17)
9Diese Umbenennung erfolgt bloss, um die Analogie zur Besprechung der kritischen D¨ampfung im Halliday aufzuzeigen.
Gleichung (17) stimmt mit dem Resultat der obigen, etwas komplizierteren Rechnung ¨ uberein, wenn die Anfangsbedingungen die beiden Integrationskonstanten festlegen;
z.B. sind mit x(t = 0) =: x
◦und ˙ x(t = 0) =: v
◦die Integrationskonstanten ¯ x
1= x
◦und ¯ x
2= v
◦− x
◦λ und damit x(t) = [x
◦+ (v
◦− x
◦λ)t] e
λt= [x
◦+ (v
◦+ x
◦δ)t] e
−δt.
Die Methode der Variation der Konstanten f¨ uhrt demnach zu einer neuen Differentialgleichung, die, wenn man Gl¨ uck hat, eine bekannte L¨ osung besitzt oder gel¨ ost werden kann.
• oo • // •
Wie im Falle der starken D¨ ampfung ist auch die Bewegung bei kritischer D¨ ampfung nicht periodisch;
sie stellt den ¨ Ubergang von der periodischen zur nicht-periodischen Bewegung dar. Deshalb nennt man den Fall der kritischen D¨ ampfung (ω
◦2= b
2/4m
2) auch den aperiodischen Grenzfall. Dieser Fall spielt eine grosse Rolle beim Bau von Messinstrumenten, deren wesentliche Teile in vielen F¨ allen (z.B. beim Galvanometer) ged¨ ampfte, schwingungsf¨ ahige Systeme sind, deren Auslenkung aus der Ruhelage zur gew¨ unschten Anzeige f¨ uhrt. Wie schnell kehrt der Oszillator in die Ruhelage zur¨ uck?
0 2 4
0.0 0.5 1.0 x(t)
t x
oe <bt
(x
ob t ) e <bt x(t=0)=x
ov(t=0)=0
Mit den Anfangsbedingungen x
◦6= 0 und v
◦= 0 erhalten wir x(t) = e
−δt(x
◦+ x
◦δ t) = x
◦e
−δt(1 + δt).
Hier dominiert der zweite Term x
◦e
−δtδt f¨ ur Zeiten t 1/δ.
Der kritisch ged¨ ampfte Oszillator kehrt schneller in die Ruhe- lage x = 0 zur¨ uck als der stark ged¨ ampfte und schwingt im Gegensatz zum schwach ged¨ ampften auch nicht ¨ uber die Ru- helage hinaus. Daher seine Eignung f¨ ur Messinstrumente.
3. Erzwungene Schwingungen und Resonanz
Bei den bisherigen Betrachtungen wurden die Anfangsbedingungen x
◦und v
◦zur Zeit t = 0 gew¨ ahlt;
darauf wurde das System sich selbst ¨ uberlassen. In vielen F¨ allen werden schwingungsf¨ ahige Systeme jedoch st¨ andig von aussen beeinflusst. Welche Bewegung resultiert dann? Wir nehmen an, dass die ¨ aussere Kraft von der Form F = F
mcos(ω
et) ist,
∼∼∼∼∼ r
- x k
- 6
? N ~ G ~
F ~ = −kx F ~
mcos(ω
et)
R ~
wobei ω
eeine beliebige Kreisfrequenz ist. Eine beliebige, aber peri- odische Kraft kann nach dem Fourier-Theorem in sin- und cos-Terme zerlegt werden, so dass wir mit dem Ansatz F = F
mcos(ω
et) die Grundlage f¨ ur den allgemeinen Fall erarbeiten. Die Bewegungsglei- chung unseres Oszillators mit R = −b · v lautet jetzt
m d
2x
dt
2= −kx − b dx
dt + F
mcos(ω
et). (18)
Dies ist eine inhomogene lineare Differentialgleichung, deren L¨ osung von der Form x
inh.= x
hom.+ x
part.ist.
10Die homogene L¨ osung erhalten wir, wenn wir in Gl.(18) die ¨ aussere Kraft F
mcos(ω
et) streichen. Es resultiert die Differentialgleichung des freien Oszillators, dessen Bewegung f¨ ur grosse Zeiten ausstirbt.
11Somit bleibt die partikul¨ are L¨ osung x
part., die man beobachtet, wenn man nach Einschalten der
” St¨ orung“
gen¨ ugend lange wartet.
12Wir interessieren uns nun f¨ ur diese station¨ are L¨ osung. Um x
part.zu erhalten, schreiben wir analog zu den Betrachtungen in Abschnitt 1 die Bewegungsgleichung mit der komplexen Variablen z:
m d
2z
dt
2= −kz − b dz
dt + F
me
iωet(19)
und verstehen unter <(z) die gesuchte reelle L¨ osung x
part.. Offenbar muss z(t) wie e
iωetvariieren; wir versuchen also den
L¨ osungsansatz z(t) = C e
iωet. (20)
10Vgl. Erg¨anzungen
”Einfache Differentialgleichungen“, Abschnitt 1.Achtung:Halliday nennt unserxpart.ebenfallsxinh.!
11Vgl. ebenda, Abschnitt 2, Fall III).
12Ein ¨ahnlicher Fall war das Beispiel zu den Erg¨anzungen
”Einfache DGL“ (Abschnitt 4). Dort blieb nach einiger Zeit (sobald sich das GGW zwischen Reibungs- und Gewichtskraft eingestellt hatte) auch nur die partikul¨are L¨osung ¨ubrig.
Einsetzen in Gl.(19) ergibt
−ω
2eC m e
iωet= −k Ce
iωet− i b ω
eC e
iωet+ F
me
iωetund f¨ ur C die Beziehung
C = F
mm ω
◦2− ω
e2+ i
b ωme, (21) wenn wir wieder ω
◦2= k/m beachten. Die komplexe L¨ osung zu Ansatz (20) lautet also
z(t) = F
me
iωetm ω
◦2− ω
e2+ i
b ωme= F
mm · ω
◦2− ω
e2− i
b ωmeh (ω
◦2− ω
e2)
2+
b ωme2i (cos(ω
et) + i sin(ω
et)) . Daraus folgt als reelle Koordinate
x(t) = <[z(t)] = F
mm · ω
◦2− ω
2ecos(ω
et) +
b ωmesin(ω
et) h
(ω
◦2− ω
e2)
2+
b ωme2i . Dies kann auch in der Form
x(t) = X
m(ω
e) cos(ω
et + ϕ) = X
m(ω
e) (cos(ω
et) cos(ϕ) − sin(ω
et) sin(ϕ))
geschrieben werden. Aus dem Vergleich beider Ausdr¨ ucke erh¨ alt man dann X
m(ω
e) und ϕ und somit das folgende Ergebnis f¨ ur die station¨ are L¨ osung:
x(t) = X
mcos(ω
et + ϕ) mit X
m= F
mq
m
2(ω
◦2− ω
e2)
2+ b
2ω
2e, tan(ϕ) = − b ω
em (ω
◦2− ω
e2) = − 2δω
eω
2◦− ω
e2. (22)
Sowohl die Amplitude wie auch die Phasenkonstante der station¨ aren, erzwungenen Schwingung h¨ angen von b, ω
◦und ω
eab. Wir werden zun¨ achst X
mdiskutieren.
F¨ ur gegebene Werte von b und ω
◦ist X
meine Funktion von ω
e. Sie strebt gegen Null f¨ ur ω
e→ ∞, erreicht einen endlichen Wert F
m/(mω
2◦) bei ω
e= 0 und hat ein Maximum bei der Frequenz ω
e= ω
R. Diese Erscheinung nennen wir Resonanz:
0 2 4
1 2 3
t
Rt
ot
eb klein
b gro ` X
m ,m a xX
m ,m a x 1 26 t
eX (t )
m eF
mt
o2m
Unter dem Einfluss einer periodischen St¨ orung er- reicht die Amplitude eines schwingungsf¨ ahigen Sys- tems sehr hohe Werte.
Die Resonanzfrequenz ω
Rbestimmt man aus der Be- dingung
dXdωme
= 0 zu:
ω
R= r
ω
2◦− b
22m
2. (23)
Ein sehr schwach ged¨ ampftes System (b
2/2m
2ω
◦2) schwingt bei Resonanz praktisch mit der Frequenz ω
◦, also der Eigenfrequenz des unged¨ ampften Oszillators, es ist jedoch immer ω
R< ω
◦. Die Resonanzam- plitude X
m,maxerh¨ alt man, indem Gl.(23) in Gl.(22) eingesetzt wird:
X
m,max= F
mb q
ω
◦2−
4mb22' F
mbω
◦. (24)
Die maximale Amplitude h¨ angt also von der Eigenfrequenz des ged¨ ampften Oszillators ab. Der Resonanz-
effekt ist umso schw¨ acher, je st¨ arker das System ged¨ ampft ist (grosse Werte von b).
Neben dem Maximalwert ist die Breite ∆ω
e(siehe Figur) eine charakteristische Gr¨ osse der Resonanzkurve X
m(ω
e). ∆ω
ewird als die volle Breite der Kurve bei halbem Maximalwert (Abk¨ urzung FWHM =
” full width at half maximum”) definiert. Setzen wir
ω
12
:= ω
R+ ∆ω
e2 , dann soll also X
m(ω
12
) = X
m,max2 sein.
Mit Gl.(24) und Gl.(22) erhalten wir als Bestimmungsgleichung f¨ ur ω
1 2: F
m2b q
ω
2◦−
4mb22= F
mr m
2ω
◦2− ω
21 2 2+ b
2ω
212
oder 2b
m
2ω
◦2− b
24m
2=
ω
2◦− ω
21 2 2+ b ω
12
m
2. (25)
Wir wollen ∆ω
eexplizit f¨ ur schwache D¨ ampfung berechnen, so dass wir in Gl.(25) die N¨ aherungen b ω
12
m
2' b ω
◦m
2und ω
◦2− ω
212
=
ω
◦+ ω
12
ω
◦− ω
12
' 2ω
◦−∆ω
e2
= −ω
◦∆ω
eeinf¨ uhren d¨ urfen. Dann folgt aus Gl.(25)
ω
2◦(∆ω
e)
2= 3b
2ω
◦2m
2− b
4m
4.
Wenn wir den sehr kleinen Term b
4/m
4vernachl¨ assigen, erhalten wir die N¨ aherungsformel f¨ ur die Reso- nanzbreite
∆ω
e'
√ 3b m = 2 √
3 δ . (26)
Bei abnehmender D¨ ampfungskonstante b wird die Resonanzkurve schmaler und h¨ oher, es ist X
m,max∆ω
e' √
3 F
mmω
◦' √ 3 F
m√ mk = konst.
Bei kleinem b ist der Frequenzbereich, in welchem das System auf die ¨ aussere St¨ orung nennenswert anspricht, sehr schmal.
Der Betrag Phasenverschiebung ϕ zwischen der ¨ ausseren Kraft und der station¨ aren Schwingung
0 2
/
/ 2
| |
t
eb klein
b gro`
t
k(vgl. Gl.(22)) h¨ angt wie F
mebenfalls stark von b, ω
◦und ω
eab. Kraft und Erregung sind nahezu in Phase (|ϕ| klein) f¨ ur niedrige ω
e. F¨ ur ω
e→ ∞ sind beide um π phasenverscho- ben, die ¨ aussere Kraft wirkt bremsend. F¨ ur ω
e= ω
◦, also in der N¨ ahe der Resonanzfrequenz, betr¨ agt die Verschie- bung π/2, die ¨ aussere Kraft schaukelt das System auf zu maximalen Schwingungsamplituden. Je kleiner b ist, umso abrupter erfolgt der ¨ Ubergang von kleiner zu grosser Pha- senverschiebung.
Vollst¨ andige L¨ osung der erzwungenen Schwingung
Wie zu Beginn des vorangehenden Abschnittes angegeben, ist die vollst¨ andige L¨ osung der inhomogenen
Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung x
inh.= x
hom.+ x
part.. Die partikul¨ are, station¨ are
L¨ osung x
part.in Gl.(22) ist unabh¨ angig von den Anfangsbedingungen, da die Eigenfrequenz ω
◦nach
langen Zeiten t ausgestorben ist. Die beiden Integrationskonstanten x
mund φ der homogenen L¨ osung
[man nehme z.B. Gl.(15) f¨ ur den schwach ged¨ ampften Oszillator] m¨ ussen aus den Anfangsbedingungen
der vollst¨ andigen L¨ osung bestimmt werden.
Bei schwacher D¨ ampfung ist mit Gl.(15) die vollst¨ andige L¨ osung x(t) = x
me
−δtcos(t p
ω
◦2− δ
2+ φ) + X
mcos(ω
et + ϕ) (27) mit δ = b
2m , ω
◦2= k
m , X
m= F
mp m
2(ω
◦2− ω
2e)
2+ b
2ω
e2, tan(ϕ) = − 2δω
e(ω
2◦− ω
2e)
(x
mund φ geh¨ oren dabei zur homogenen L¨ osung, X
mund ϕ zur partikul¨ aren). Mit – beispielsweise – x(t = 0) = 0 und v(t = 0) = 0 ergibt sich schliesslich f¨ ur die beiden Integrationskonstanten x
mund φ
0 = x
mcos(φ) + X
mcos(ϕ) , 0 = −x
mδ cos(φ) + x
mp
ω
◦2− δ
2sin(φ) + X
mω
esin(ϕ) und damit x
m= −X
mcos(ϕ)
cos(φ) , tan(φ) = −δ p ω
◦2− δ
2·
1 + 2ω
2eω
◦2− ω
e2.
Drei Beispiele mit ω
eω
◦, ω
e= ω
◦und ω
eω
◦sind in den abschliessenden Figuren dargestellt.
Bei starker sowie bei kritischer D¨ ampfung m¨ ussten die Integrationskonstanten analog aus den Anfangs- bedingungen festgelegt werden, wobei Gl.(15) durch eine passende homogene L¨ osung f¨ ur den jeweiligen Fall zu ersetzen w¨ are.
0 50 100
-2 -1 0 1
2 x(t) t = 0.15 te k ,
t b= 0 . 1
0 100 200 300
-40 0
40 x(t) te=tk b= 0 . 0 1 5
t
0 50 100
-0.2 0.0 0.2 x(t)
t t = 3 te k , b= 0 . 1