■ © Deutscher Ärzte-Verlag | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2009; 25 (2)
Bruxismus
D. Brocard, J.-F. Laluque, C. Knellesen und einem Geleitwort von D. Rozencweig, Quintessenz Verlags GmbH, Berlin 2008, ISBN 978–3–938947–76–0, 96 Seiten, 200 Abbildungen, Einband: Broschur, 58,00 €
Seit einigen Jahren schon nimmt das In- teresse an der Diagnostik und Therapie craniomandibulärer Dysfunktionen (CMD) erkennbar zu. Dieses zeigt sich unter anderem an der steigenden An- zahl von Neuauflagen zu diesem Thema.
Hierzu zählt neben dem zuletzt vor- gestellten Buch von Ernst und Freesmeyer der bei Quintessenz erschienene Titel
„Bruxismus“ der französischen Autoren Brocard, Laluque und Knellesen in deut- scher Übersetzung. Das auffällig dünne Buch mit broschiertem Einband, gerin- gem Textumfang und zahlreichen Farb- fotos ähnelt insofern den englischen Vorbildern „Clinical Approach to Tem- poromandibular Disorders“ von Gray, Davies und Quayle (1995) sowie „Tooth Surface Loss“ von Ibbetson und Eder (2002).
Im Gegensatz zu jenen englischen Kollegen beschäftigen sich die französi- schen Autoren aus Bordeaux und Paris aber weniger mit der Diagnostik cranio- mandibulärer Dysfunktionen und den verfügbaren Therapiealternativen, son- dern sie konzentrieren sich allein auf den Bruxismus, seine Ursachen und die restaurative Rehabilitation der von ex- tensivem Zahnhartsubstanzverlust be- troffenen Bruxismus-Patienten.
Der Inhalt ist in insgesamt neun Ka- pitel gegliedert, beginnend mit einer Vorstellung verschiedener „Bruxismus- Definitionen“ und kurzen Abschnitten zur „Ätiologie“, „Anamnese und kli- nischen Untersuchung“ sowie „Diag- nostik“. Anstelle einer Anleitung zur Differentialdiagnostik craniomandibu- lärer Dysfunktionen findet sich hier al- lerdings lediglich eine Unterscheidung zwischen Abrasionen, Erosionen und Attritionen. Die Beschränkung der Diag- nostik erklären die Autoren später, in- dem sie Bruxismus und craniomandibu- läre Dysfunktionen (CMD) als zwei ver- schiedene Erkrankungen mit umfang- reichen Überschneidungen einstufen – abweichend von der zuvor zitierten Lite- ratur. Die craniomandibuläre Dysfunkti-
on (CMD) sei dabei primär durch Schmerzen gekennzeichnet, der Bruxis- mus durch die hyperaktive Parafunk- tion, Sensibilitätssteigerung und – bei Knirschern – konsekutive Zahnhartsub- stanzverluste.
Der Abschnitt „Behandlungsfor- men“ schildert die Initialtherapie mit äquilibrierenden Okklusionsschienen im Sinne der klassischen Michiganschie- ne Ramfjords. Die Hinweise zur zahn- technischen Herstellung beschränken sich auf den Vorschlag der Polymerisati- on im Drucktopf, die basale Abstützung allein auf den Höckerspitzen sowie eine Darstellung der angestrebten Führungs- verhältnisse; der zahnärztliche und zahntechnische Weg dorthin wird nicht dargestellt. In technisch-konzeptionel- ler Sicht zu kurz kommt die Geometrie.
Die Autoren sprechen wiederholt von der Wiederherstellung der „Vertikaldi- mension“, zeigen aber nicht, wie sie die relative Messung der Kieferposition per Kondylenpositionsanalyse durchfüh- ren, oder wie sie die Ergebnisse in „Bru- xismus und Zahnersatz“ in restaurative Therapien umsetzen.
Wiederholt weisen die Autoren – korrekt – daraufhin, derartige Behand- lungen nur unter strenger Indikations- stellung, nur nach Vorbehandlung mit reversiblen Behandlungsmitteln und unter begleitender Verhaltensumstel- lung oder Verhaltenstherapie durch- zuführen. Schon damit wird klar, dass es hier keinesfalls um Maßnahmen der
„ästhetischen“ Zahnheilkunde geht.
Die Einstufung des Verlags in dieser Ru- brik bedarf mithin unbedingt der Kor- rektur – auch um Patienten davor zu schützen, dass Versicherungen dies nut- zen, die Erstattung indizierter Behand- lungen als „rein kosmetisch“ zu verwei- gern.
Die Schlusskapitel „Nachsorge und Perspektiven“ sowie „Schlussfolgerun- gen“ sind eigentlich sehr wichtig, kön- nen bei je einer Textseite aber nur Anstö- ße vermitteln.
Als Schlussfolgerung des Rezensen- ten liegt hier ein umfangreich illustrier- tes Kompendium vor, mit einem maxi- mal komprimierten Text. Die vielen kli- nischen Fotos illustrieren den Inhalt vergleichbar einer Fortbildungszeit- schrift; zusätzliche Illustrationen wür- den das Verständnis der Behandlungs- techniken und Strategien noch besser unterstützen.
Von der Lektüre des Kompendiums werden daher in erster Linie jene Kolle- gen und Kolleginnen profitieren, die mit der Fragestellung und der Behand- lung schwerer Bruxismusfälle vertraut sind. Sie finden zwar keine neuen tech- nischen Informationen, aber eine inte- ressante Darstellung der Tätigkeit eu - ropäischer Kollegen mit ähnlichem Schwerpunkt. Für Einsteiger hingegen fehlt eine ausreichende inhaltliche Tie- fe, um die Vorgehensweise erfolgreich in die eigene Praxis umzusetzen. Dafür ist die Behandlung der Folgeschäden des Bruxismus zu kompliziert. Die Autoren beginnen denn auch das Kapi- tel 3 mit der Feststellung: „Bruxismus- Patienten sind für den Zahnarzt Risiko- patienten.“
M. O. Ahlers, Hamburg (Dtsch Zahnärztl Z 2009;64:147)