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Archiv "Eosinophile und ihre Reaktionen" (05.05.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Eosinophile

und ihre Reaktionen

Rudolf Gross

1. Zahl und Funktion

Die zu rund 70 Prozent zweisegmentierten eosinophilen Leukozyten, im folgenden kurz

„Eos" genannt, machen im Blutausstrich mit ei- nem Durchmesser von 12 bis 17 ft, (also etwas größer als neutrophile Leukozyten) 1 bis 4 Pro- zent oder 100 bis 250/mm3 = 0,1 bis 0,25 x 109/L aus. Wenn spezielle Fragestellungen die Eosino- philen betreffen, empfiehlt sich die direkte Kammerzählung mit einem der zahlreichen Eos- spezifischen Farbstoffe (Literatur unter ande- rem bei 5, 19). Sie erlaubt auch, geringe Ver- mehrungen, etwa in der Verwandtschaft von Al- lergikern nachzuweisen (18). Ausführliche Da- ten über Eos findet man zum Beispiel bei: 1, 5, 8, 10, 14, 20, 22, 29.

Eine spezifische Anfärbung empfehlen wir auch bei der (seltenen) Eosinophilurie, die No- lan und Mitarbeiter (15) für einen wertvollen Marker bei arzneimittelinduzierter, akuter, in- terstitieller Nephritis halten. Eos teilen mit den neutrophilen Granulozyten (siehe Editorial in einem der nächsten Hefte) die Aktivierung des oxydativen Stoffwechsels auf entzündliche Reize und die Fähigkeit zur Phagozytose, mit den ba- sophilen Granulozyten die gehäufte gemeinsa- me Vermehrung (nicht nur bei der chronischen Myelose!) und den Gehalt an Histamin oder (anti-)histaminähnlichen Substanzen sowie an den Aminosäuren Arginin, Lysin und Trypto- phan (5, 14).

Jedem Untersucher ist geläufig, daß bei starker Vermehrung dieser Zellen die Granula weniger zahlreich und zum Teil weniger tingiert sind. Das gilt auch bei der eosinophilen Leuk- ämie, keineswegs aber nur bei dieser. Locharti- ge Defekte in der Granulation sprechen für eine bevorstehende Auflösung der Zellen.

Ob man die sogenannten Charcot-Leyden- schen Kristalle, die man gehäuft in der Umge- bung von Eos findet, als Abbauformen der ge- samten Zellen, von deren Granula oder ihrer Kerne hält, ist meines Wissens noch offen. Über 50 Prozent des gesamten Proteingehalts der Eos entfallen jedenfalls auf die Granula (14).

2. Regulation

Überwiegend wird heute ein eosinotakti- scher Reiz angenommen (Literatur unter ande- rem bei 5), der die Eosinophilen in den Bereich der Abwehrmechanismen stellt. Vor allem sind sie durch ihren hohen Gehalt an Peroxydasen nicht nur — bevorzugt — gegen Metazoen (beson- ders gegen die im Blut und in den Geweben, ge- ring oder überhaupt nicht gegen die im Darmlu- men parasitierenden Formen), sondern auch ge- gen andere Zellen gerichtet.

Interessant sind erst in jüngster Zeit festge- stellte Zusammenhänge zwischen Lymphokinen und Eosinophilen (5, 11, 12, 26), die eine Brük- ke zwischen den drei großen Abwehrsystemen bilden: Lymphozyten und Immunglobuline — Komplementfaktoren — Granulozyten und Mo- nozyten. Eos unterliegen neben den von allen Körperzellen bekannten kleinen Oszillationen einem besonderen zirkadianen Rhythmus (Lite- ratur bei 5) mit Niedrigwerten (bis — 20 Pro- zent) in der Frühe sowie spät nachmittags und einem Maximum (bis + 30 Prozent) um Mitter- nacht. Menstruationsabhängigkeit sowie jahres- zeitliche Schwankungen sind strittig (5). Blut- Eosinophile und Knochenmark-Eosinophile ge- hen nicht parallel. Auch färben sich die jüngsten Elemente dieses Proliferationspools bei den panoptischen Färbungen nach Pappenheim rot- violett bis blauviolett (Vorsicht vor Verwechs- lungen mit Vorstufen von Blutbasophilen!).

3. Eosinopenie

Ein Abfall der Bluteosinophilen wird beob- achtet:

C) bei den meisten akuten Infektionen und bei akuten Schüben chronischer Infektionskrank- heiten;

bei nicht bakteriellen Entzündungen wie dem Lupus erythematodes disseminatus;

®3 unter der Wirkung von folgenden Hormo- nen: ACTH und Kortikosteroide, in geringerem Umfang Adrenalin und andere Katecholamine.

Die letztere Wirkung wird durch alpha-adrener- gische Blockaden aufgehoben;

Dt. Ärztebl. 85, Heft 18, 5. Mai 1988 (41) A-1261

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® unter der Einwirkung von Streß (Literatur bei 14) — mit seinen engen Beziehungen zum Hy- pophysen-Nebennierenrinden-System.

4. Eosinophile Reaktionen

Für diese schlagen wir folgende Untertei- lung vor, die sich uns in jahrzehntelanger Praxis bewährt hat:

1. Einfache Eosinophilie:

Bei dieser häufigen Situation in der Praxis sollten die Eosinophilen bei normaler Leukozy- tenzahl 15 Prozent, in Verbindung mit einer Leukozytose 10 Prozent nicht überschreiten.

2. Hypereosinophile Syndrome:

Hier handelt es sich — in Analogie zu den Neurophilen — um „leukämoide Reaktionen"

ganz verschiedener Ursache, wobei die Leuko- zyten gewöhnlich zwischen 20 000 und 60 000/mm3 (20 bis 60 x 10 9/L), der Eosinophi- lenanteil 60 bis 80 Prozent oder mehr ausma- chen können. Bei der Verschiedenheit der Ursa- chen und der individuellen Reaktion sind diese nicht vorhersehbar und werden deshalb bei Mahmoud und Mitarbeitern (14) als „erratic"

bezeichnet (ein Ausdruck, der besser als das deutsche Wort „sprunghaft" die Situation kenn- zeichnet).

3. Eosinophile Leukosen

5. Ursachen eosinophiler Reaktionen

Unabhängig von den ganz wechselnden Ausmaßen und der Persistenz (zum Beispiel ha- ben entgegen einer weit verbreiteten Meinung nur etwa 20 bis 30 Prozent der M.-Hodgkin-Fäl- le eine Bluteosinophilie und von diesen nur we- nige eine leukämoide Reaktion) begünstigen folgende Ursachen besonders eine Eosinophilie:

Infektionen mit Metazoen, besonders Würmern bei Blut- oder Organbefall. Verschie- dene Autoren (Literatur bei 14) haben deshalb die Neutrophilenreaktion als „phytogen" , die Eosi- nophilenreaktion als „zoogen" bezeichnet. Die sogenannte tropische Eosinophilie mit Lymph- knotenschwellungen und asthmatoider Bronchi- tis dürfte ebenso wie die infektiöse idiopathische Eosinophilie ein Sammelsurium ganz verschiede- ner, ungenügend geklärter Ursachen sein.

49 Eosinophilie bei allergischen Reaktio- nen aller Art, besonders bei atopischen Derma- tosen. Sie sind häufig, aber nicht immer mit ei- ner IgE-Vermehrung verbunden. In diesen Rah- men gehören auch die „postinfektiöse" und

„posttoxische" Eosinophilie, vielleicht auch die bei Tumoren beobachtete Eosinophilie. Bei uns

hatten 13 Prozent von 224 unausgelesenen Kar- zinompatienten eine Blut-, rund 36 Prozent eine Markeosinophilie. Unter diesen Aspekten und bei der Unsicherheit einer Auszählung von 100 Zellen im Blutausstrich kann man einer Bluteo- sinophilie nicht den Stellenwert eines Tumor- markers zusprechen. Für die Praxis gilt: Nicht jede Antigen-Antikörperreaktion führt zur Eosinophilie! Nicht jede Eosinophilie ist durch diesen Mechanismus bedingt!

Eosinophilie bei einigen Kollagenosen.

Hier wäre an erster Stelle das Churg-Strauss- Syndrom (13) zu nennen, bei dem eine syste- mische Vaskulitis und ein Asthma bronchiale fast regelmäßig mit Eosinophilie einhergehen, ferner die Panarteriitis nodosa. Hier möchten wir auch Löfflers Endokarditis mit Eosinophilie einordnen.

43 „Familiäre" und „konstitutionelle"

Eosinophilien mag es geben. Sie sind immer ei- ne Herausforderung an den Differentialdiagno- stiker, zumal auch der Parasitenbefall „fami- liär" vorkommen kann.

6. Hypereosinophile Syndrome und Leukämien

Hier ist die Nomenklatur unter den Häma- tologen strittig. Gibt es eine eosinophile Leuk- ämie? Wir haben die Unterschiede zwischen

„hypereosinophilem Syndrom" (zum Beispiel in 3) und eosinophiler Leukämie 1959 und 1964 ausgearbeitet (5) und sind seither eigentlich da- von nicht abgekommen.

Zunächst ist nach der berühmten Definition von Leiber ein Syndrom keine Einheit, sondern eine „Krankheit im Wartestand", von der wir (das heißt: die medizinische Wissenschaft oder wir selbst), die Ursache nicht kennen. Für viele Syndrome gibt es anerkannt verschiedenartige Ursachen. Ferner: Wenn es myeloische und Ba- sophilenleukämien gibt, warum keine der Eosi- nophilen?

Von der Diagnose einer Eosinophilenleuk- ämie muß allerdings mehr verlangt werden: Alle anderen denkbaren Ursachen müssen nunc et postea mit größter Sorgfalt ausgeschlossen wer- den. Wir haben einen Kranken mit reifzelliger eosinophiler Leukämie über sieben Jahre beob- achtet. Ein erstes Echokardiogramm sprach für Effloreszenzen auf der Aortenklappe, also für eine Löfflersche Endokarditis, zwei weitere (zweidimensionale) dagegen.

Die eosinophile Leukämie erscheint in allen Lehr- und Handbüchern der Hämatologie (und Onkologie) als zwar seltene, aber zweifelsfreie Entität (zum Beispiel 2, 7, 8, 9, 16, 27, 28, 29, A-1262 (42) Dt. Ärztebl. 85, Heft 18, 5. Mai 1988

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30). Daneben gibt es zahlreiche neuere Arbei- ten, die die Eosinophilen-Leukämien nicht nur durch Verlauf und panoptisch erwiesen haben (zum Beispiel 6, 19), sondern auch zytochemisch und mit Zellzüchtung (zum Beispiel 21, 24, 31).

Danach zeichnet sich diese Leukämie durch eine positive Chloracetatesterase-Reaktion und eine positive Luxor-Fast-blue-Reaktion sowie durch eine perizentrische Inversion des Chromosoms 16 aus.

Mit dem Hämatopathologen A. E. Schaefer (23) möchten wir drei Formen unterscheiden:

C) eine akute mit bisherigem Lebensverlauf von maximal drei Jahren;

©

eine starke Eosinophilie bei anderen, in die FAB-Klassifikation einzuordnenden Fällen; bei dieser Situation handelt es sich nicht um eine Eosinophilenleukämie sensu strictiori, vielleicht um die Begleiteosinophilie einer unreifzelligen Leukose;

® eine durch Überwiegen reifzelliger Leukozy- ten gekennzeichnete Form, die eine gute Pro- gnose hat und auf eine milde Behandlung mit Prednisolon oder Puri-Nethol' beziehungsweise Hydroxyurea gut anspricht. Hier ist der Über- gang zur chronischen Myelose fließend, zumal einige Fälle mit Philadelphia-Chromosomen be- schrieben wurden.

Für die Abgrenzung hypereosinophiler Syn- drome von Eosinophilenleukämien gelten un- verändert die folgenden Postulate:

c

sorgfältigster Ausschluß anderer Ursachen eosinophiler leukämoider Reaktionen;

C) Verlaufsbeobachtung;

® möglichst Nachweis von Chromosomenano- malien.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Dr. h. c. Rudolf Gross Herbert-Lewin-Straße 5 • 5000 Köln 41

Rheumatische Arthritis:

Praktisch unheilbar

In einer prospektiven Studie im Zentrum für rheumatische Erkran- kungen in Droitwich (England) wur- de der Folgezustand bei 112 konse- kutiven Patienten mit rheumatischer Arthritis nach 20 Jahren aktiver Be- handlung mit Gold, Chloroquin, Steroiden und in resistenten Fällen mit Penicillamin oder Zytostatika hinsichtlich funktioneller Kapazität, Röntgenmessungen des Gelenk- schadens, Blutsenkungsrate (BSG), Rheumafaktor und Mortalität be- wertet.

Nach 20 Jahren betrug die Leta- lität 35 Prozent; sie war häufig auf die rheumatische Arthritis zurückzu- führen. Die Funktion verbesserte sich in den ersten Jahren der Thera- pie, nahm jedoch nach 10 bis 20 Jah- ren wesentlich ab. Nach 20 Jahren waren 19 Prozent der Patienten schwer behindert. Die Röntgenbil- der wiesen eine im Zusammenhang stehende zunehmende Gelenkde- struktion auf. Die BSG und die Rheumafaktorspiegel änderten sich geringfügig. Fortgeschrittenes Alter, späte Vorstellung und seropositiver Rheumafaktor bei Vorstellung wa- ren schlechte Prognosefaktoren.

So ist nach Meinung der Auto- ren eine Wirkung der „Remis- sion auslösenden" Pharmaka nicht gegeben. Ein frühzeitiger Behand- lungsbeginn kann einen Vorteil darstellen, doch ist die Prognose bei rheumatischer Arthritis nicht günstig. Lng

Scott, D. L., et al: Long-Term Outcome of Treating Rheumatoid Arthritis: Results after 20 Years, Lancet I (1987) 1108-1111 Dr. D. L. Scott, Department of Rheuma- tology, St. Bartholomew's Hospital, West Smithfield, London EC1A 7BE, Großbri- tannien

Ein neuer

Immunoassay

Die Darm-Immunreaktion von Freiwilligen, die eine orale Vakzine Salmonella typhi Ty 21a erhielten, wurde durch einen neuen Immuno- assay, bei dem eine spezifische Anti- körpersekretion durch periphere Blutlymphozyten (PBL) gemessen wird, festgestellt.

Am 7. Tag nach Beginn der Vakzination traten Spitzenwerte von

FÜR SIE REFERIERT

IgA-, IgG- und IgM-Produktion durch periphere Blutlymphozyten auf. Die durch PBL gemessene Spit- zenantikörpersekretion trat einige Tage eher auf als die Spitzenwerte der Serumantikörper. Alle Freiwilli- gen zeigten eine spezifische PBL- Antikörperreaktion, die Serum- oder Darm-Immunreaktionen waren jedoch — falls nachweisbar — höchst variabel. Die durch periphere Blut- lymphozyten gemessenen IgA-Anti- körper-Spitzenwerte korrelierten mit dem Grad des Anstiegs der IgA- Antikörper im Serum (p = 0,00098) und der Darmflüssigkeit (p = 0,0024).

Nach Ansicht des Autors ist der neue Immunoassay ein nützliches Instrument zum Messen der humo- ralen Immunreaktion auf Schleim- hautoberflächen nach lokaler Anti- gengabe. j hn

Forrest, B. C., Indentification of an Intes- tinal Immune Response using Peripheral Blood Lymphocytes, Lancet I (1988) 81-83

Dr. Bruce C. Forrest, University of

Adelaide, Department of Medicine, Royal Adelaide Hospital, North Terrace, Adelaide, South Australia 5000, Austra- lien

Dt. Ärztebl. 85, Heft 18, 5. Mai 1988 (45) A-1265

Referenzen

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