Alan J. Nussbaum: Head and Horn in Indo-European. Berlin 1986. XIII, 305 S. 4° (Untersuchungen zur Indogermanischen Sprach- und Kulturwissen¬
schaft. NF 2.) ISBN 3-11-010449-0.
Die vorhegende Arbeit stellt die überarbeitete und erweiterte Fassung einer Studie dar, die schon vor beinahe einem Jahrzehnt in Aufsatzform als 'graue Literatur' erschienen ist: On the formation and derivational history of Greek xepaf and related words for 'head' and 'horn' in Greek and Indo-European, in Band 3
(1977) S. 328-404 der von C. Watkins von der Harvard-Universität (Cam¬
bridge, Mass.) herausgegebenen, aber leider nur einem beschränkten Kreis
zugänglich gemachten Indo-European Studies (diese bibliographischen Angaben fehlen in der vorliegenden Publikation). Der Autor vertritt die Meinung, daß die
in den indogermanischen Einzelsprachen weit verbreiteten Benennungen für
'Kopf und 'Horn' mit dem traditionellen Wurzelansatz ''ker(ä)- (so bei
J. Pokorny: Indogermanisches Etymologisches Wörterbuch. Bern 1948, 574 ff.,
modemer '*ker{hi)-) auf in der Gmndsprache formal festgelegte und voneinander abgegrenzte Bildungen zurückgeführt können.
Die bekanntesten Bildungen von dieser Wurzel in den wichtigsten idg. Einzel¬
sprachen sind: Im Hethitischen karawar 'Hom', kar in kitkar 'zu Häupten'; im Arischen ai. siras. Gen. sir^nds 'Kopf, sfnga- 'Hom', awest. arü- 'Horn'; im Grie¬
chischen (wo die größte Vielfalt zu beobachten ist) xap in hom. eni xap 'auf dem Kopf, xapä 'Kopf, xepai; 'Hom', xpa?- in xpaojieöov 'Saum, Rand', ion. x6par|
bzw. att. xöppr) 'Schläfe, Haupt', xpävoi; 'Helm', xapi<; 'Seekrebs', xopuöog 'Hau¬
benlerche' u.a. (das kulturgeschichtlich wichtige xctpaßoi; 'Meerlixebs', dann Bez. eines SchilTstyps, woraus lat. carabus da. wird vom Vf in einer Fußnote als 'mediterranes' Wort abgetan und nicht weiter behandelt); im Lateinischen cere¬
brum 'Him', cervix 'Nacken', crabro 'Homisse', cervus 'Hirsch' (auf die Frage, ob gall. -lat. cervesia, cervisia 'hirschfarbenes, braunes Getränk, Bier' tatsächlich hierher gehört, geht Vf leider nicht ein) ; im Germanischen ahd. homuz 'Homis¬
se', himi 'Him', hom 'Horn', hrind 'Homtier', hiruz 'Hirsch'; im Baltischen lit.
Sirie 'Wespe', apr. sirwis 'Reh'; im Slavischen rass.-ksl. sbnsenb 'Homisse, Bremse'; im Keltischen breton. feem'Scheitel', mir. com'Trinkhom', kymr. carw 'Hirsch' usw.
Es ist nun in der Tat unbefriedigend, daß die beiden Bedeutungen 'Kopf und
'Hom' anscheinend regellos der Anit-Form ''leer- oder der Set-Form *lcer3-
zugeordnet werden müssen. Zum Beispiel stimmen die traditionell gleichgesetz¬
ten Formen ai. siras- 'Kopf und gr. XEpag 'Horn' zwar formal (Set-Wurzel '*1cen-) überein, weichen aber semantisch ab. Im Gegensatz dazu stimmen gr.
*xepaF6<; (in homerisch xepaoq 'gehömt') und awestisch srü/sruuä- 'Horn' semantisch überein, enthalten aber unterschiedliche Wurzelformen.
Vf glaubt daher folgende semantisch und morphologisch fixierte Ableitungen von einer Wurzel "'^er- ansetzen zu müssen: £(e)r-no{o)-, k(e)r-{e)w- und £{e)r-
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(e)A2- 'Horn' gegenüber Icr-{e)h2- 'Kopf mit fcr-Ä^ 'Schädelknochen' und
icrhiS(e)n- sowie krhiOa 'Kopf. Noch komplexere BUdungen wären schließlich ic(e)rhiS(e)r(o)- 'Kopfbedeckung' und krh2S-(e/o)r- 'Hornisse'.
Daß von einer gemeinsamen Wurzel ausgehend in den verschiedenen idg. Ein¬
zelsprachen mit HUfe der bekannten Suffixe Wörter mit verschiedenen, in den
Einzelsprachen jeweUs unterschiedlichen Bedeutungen gebUdet werden
können, ist indes eine gewöhnliche Erscheinung. Deswegen und wegen der
Banalität des semantischen Übergangs von 'Kopf und 'Horn' (Grundbedeutung
'Oberstes am Körper') ist zu bezweifeln, daß dieses Schema in der vom Vf
angestrebten Striktheit haltbar ist. Besonders gUt dies fiir ker-h^-s, angeblich 'Horn' (gr. xepa«;), versus icr-h^-os/es-, angeblich 'Kopf (ai. siras), die doch als Fortsetzer eines gemeinsamen (proterodjmamischen) Paradigmas interpretiert werden können. Die Bedeutung des vorliegenden Werks hegt somit in der philo¬
logischen Behandlung v. a. der griechischen Belege sowie allgemein in der for¬
malen Gliederung des vielschichtigen Materials.
Johann Tischleb, Gießen
ZoFiA SzTETYLLO: Les Timbres Ceramiques (1965-1973). Warschau 1976. IIIS,
mit 393 Abb. (Nea Paphos. 1.)
Bedeutende polnische Ausgrabungen in Paphos, Zypern, standen unter der
Oberleitung von K. Michalowski bis zu seinem Tode, praktisch seit vielen Jah¬
ren vor Ort unter der Leitung von W. A. Daszewski, der regelmäßig profunde Vorberichte vorgelegt hat und unlängst mit einem Buch über das BUdprogramm eines Mosaikfußbodens im 'Haus des Aion', Neupaphos, an die deutsche Öffent¬
lichkeit getreten ist: Dionysos der Erlöser. Griechisehe Mythen im spätantiken
Cypern. Mainz: von Zabem 1985. (Kulturgeschichte der antiken Welt. Son¬
derbd.)'. Darin gibt es eine knappe Einfiihmng in die Ortsgeschichte und Uire Problematik, die auch fiir die übrigen von ihm und seiner polnischen Grabungs¬
mannschaft zutage geförderten Mosaiken in der 'Theseus- Vüla' sowie für die
Topographie schlechthin und einzelne Denkmälergmppen nützhch ist. Zu die¬
sen zählen die hier zu besprechenden Amphorenstempel.
Ich darf einleitend darauf verweisen, daß die zeitweilige Hauptstadt von
Gesamtzypem, Nea-Paphos, die archäologische Forschung seit jeher angezogen hat und insofem die polnische Mission dort nicht allein arbeitete. K. Nikolaou hat zahlreiche öffenthche Gebäude und eine außerordentlich reich ausgestattete
VUla mit vorzüglich erhaltenen Mosaikböden ausgegraben, die heute zu den
Touristenattraktionen von Paphos zählen^. Leider ist der Ausgräber vor
' Vorberichte: W. A. Daszewski in: RDAC 1968, 33 ff".; 1970, 112 ff".; 1972, 204 ff.; 1976, 185 ff".; 1984, 294 flf.; ders., LaMosaique de Thesee. In: Nea Paphos 2. 1970. — Es werden folgende Abkürzungen benutzt: AA = Archäologischer
Anzeiger; PP = Parola del Passate; RDAC = Report ofthe Department of Anti¬
quities, Cypms.
^ K. Nikolaou: The Topography of Nea Paphos. In: Melanges offerts ä K.
Michalowski. Warszawa 1966, 561 ff ; ders., Three New Mosaics at Paphos. In:
Colloquio Intemazionale sid Mosaico Antico, Ravenna 1980. Ravenna 1984,
219ff.
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Abschluß seiner endgültigen Publikation verstorben. Es bleibt zu hoffen, daß seine Ehefrau Ino Nikolaou, als Archäologin seine langjährige Mitarbeiterin, Gelegenheit erhält, die Vorarbeiten ihres Mannes zur Veröffentlichung zu brin¬
gen. Schließlich ist von A. H. S. Megaw die byzantinische Festung von Paphos archäologisch gründlich untersucht worden, die das auffallendste alte Denkmal des Stadtgebietes unweit des Hafens ist". Zyprische Archäologen arbeiten zur Zeit in weiteren römischen Villen und in der Felskammemekropole der Stadt.
In Altpaphos, dem Vorläuferort der Neugründung, mit dem berühmtesten
aller Aphroditeheiligtümer der griechischen Welt, hat es im vorigen Jahrhun¬
dert zahlreiche Schürfungen gegeben, dann mehrjährige englische Ausgrabun¬
gen und schließhch seit 1966 deutsch-schweizerische unter Leitung von F. G.
Maier''. Neupaphos erlebte als Hauptstadt Zyperns seine Blüte in ptolemäi¬
scher und römischer Zeit. Die Araber eroberten den Ort und legten dorthin eine starke Garnison. Der in der Apostelgeschichte geschilderte Auftritt des Paulus vor dem römischen Statthalter erfolgte möglicherweise in dem Vorläuferbau der palastartigen Villa neben dem 'Haus des Aion', die seit Jahren das Kemstück der polnischen Ausgrabungen bildet (s. S. 26, Plan). Das Bauwerk gehört in der
Hauptsache dem 3. und 4. Jh. n.Chr. an. Ein älteres Gebäude an derselben
Stelle könnte der Amtssitz des im Neuen Testament genannten hohen Reichs¬
beamten gewesen sein. Unter anderem beweisen hellenistische Henkelstempel die ältere Nutzung des betreffenden Terrains.
Mit dem Band von Frau Sztetyllo tritt zu den bisherigen Veröffentlichun¬
gen über Paphos eine Detailstudie hinzu, die einen Fundstoff zum Gegenstand hat, der mehr die Fachwelt als ein größeres Publikum interessiert. Dieser Band eröffnet zugleich die Reihe der Schlußpublikationen von Neupaphos. Klassische
Archäologen und Althistoriker werden die Mehmng der Zeugnisse aus dem
Bereich des Weinhandels begrüßen. Auch der Erforscher hellenistischer Ver¬
hältnisse im Ptolemäerreich kann einen Zugewinn an Information verzeichnen.
Für den Orientalisten liegen derartige griechische Gefäßstempel am Rande sei¬
nes Arbeitsgebietes. Die verwendete Sprache der Publikation ist in bewährter polnischer Tradition Französisch, während Daszweski auch bewundernswer¬
tes Englisch und Deutsch schreibt*.
Das Material ist übersichtlich vorgelegt und ausgewertet worden. Die histo¬
rische Einordnung erfolgte anhand rhodischer Namens-Stempel in zeithcher
Reihenfolge. Gmppe I 300-300 v.Chr.; H 220-180; Hl 180-50; IV 2. Hälfte des 2. Jhs. v.Chr.; V Ende des 2. Jhs. — 1. Jh. v.Chr. Den Hauptteil des Werkes
nimmt der Katalog ein, in dem jedes Stück mit Photo, Beschreibung, Lesung
und Parallelliteratur erscheint. Es ist eine Bibliographie beigegeben sowie ein Herkunftsverzeichnis nach Grabungsstellen, in dem eine größere Zahl von Ober¬
flächenfunden ohne chronologischen Aussagewert auffällt. Namensindex und
Index der Embleme beschließen das Buch (bes. häufig die rhodische Rose, Kery-
" A. H. S. Megaw in: RDAC 1971, 117ff.; 1982, 210ff.; 1984, 333ff.
* F. G. Maier: Archäologie und Geschichte. Ausgrabungen in Alt-Paphos. Kon¬
stanz 1973. (Konstanzer Universitätsreden. 7.) und zahlreiche Vorberichte, manchmal parallel an mehreren Stellen, z.B. RDAC und AA; vgl. zuletzt F. G.
Maier-V. Karageorghis: Paphos. Nicosia 1984.
* Es besteht Anlaß, auf die vorzügliche kollegiale Zusammenarbeit zwischen der polnischen und der deutschen Zypemforschung hinzuweisen.
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keion, Weintraube und Herme). Da nicht die Personen, deren Namen auf den
Stempeln erscheinen, sondem die gestempelten Gefäße Neupaphos — unter
anderem die ptolemäische Garnison — erreichten, haben erstere in einer zj^pri- schen Prosopographie nichts zu suchen (richtig verfuhr I. Michaelidou-Niko-
LAOU: Prosopography of Ptolemaic Cypms. Göteborg 1976, mit etwa zwei Dut¬
zend namentlich überlieferten Paphioten). Die Namen der Stempel helfen vor
allem die Verhältnisse in den Urspmngsgebieten der Amphoren, und das heißt
mit Hilfe des in ihnen transportierten Weins die Geschichte des Weinhandels besser zu durchschauen (s.S. 25, Bibliographie, vor allem die gmndlegenden Arbeiten von V. Grace). Was diesen Zweig der Forschung betrifft, ist eine Bele¬
bung zu verzeichnen: G. Jöhrens arbeitet an der großen Menge der im Heraion
von Samos ausgegrabenen Gefäßstempel, S. Lagona hat kürzlich einige Hen¬
kelstempel aus dem äolischen Kyme vorgelegt (PP 39 [1984], 453-456). Was
Zypern angeht, werden von Frau Nikolaou, die in ihren epigraphischen Be¬
richten in den RDAC auch solches Material bekanntmacht, Amphorenstempel aus der 'Villa des Dionysos' in Paphos zur Publikation vorbereitet. Laufend kommen gestempelte Henkel aus anderen Grabungen auf der Insel hinzu". Zu
vergleichen sind femer: Y. Calvet: Timbres amphoriques de Salamine. In:
RDAC 1978, 222ff. und V. Grace: Kouriaka. In: Studies pres. in memory of
P. Dekaios. Nicosia 1979, 178ff.
Frau SzTETYLLO kann auf Erfahmng mit griechischen Amphorenstempeln
zurückblicken; denn sie hat auch das einschlägige Material aus Alexandrien bearbeitet'. Die von ihr in dem besprochenen Buch vorgelegten Amphorenstem¬
pel aus Neupaphos fielen bei den polnischen Ausgrabungen der Jahre 1965 bis
1973 an (118 Stücke). In die Studie sind weitere Amphorenstempel aus Nea-
Paphos einbezogen worden, die sich in der Privatsammlung von G. Eliades
befinden (273 Stücke). Da die Ausgrabungen fortgeführt werden, fallen weitere Stempel an, die ebenfalls von Frau Sztetyllo veröffentlicht werden".
Die Dokumentation läßt ein Vorherrschen rhodischer Amphoren vor anderen Liefergebieten erkennen und stellt somit einen handelsgeschichtlich bedeutsa¬
men Befund darf. Die Relation zwischen rhodischen Importen (347 Stück) und
solchen aus anderen griechischen Gebieten ergibt folgende Vergleichswerte:
Knidos 12, Chios 4, Kos 3, Thasos 1, 'Grappe des Zenon' 1, Pamphylien 1 und weitere nicht näher bestimmbare Stücke. Auf DetaUs kann ich mich aus Platz¬
gründen nicht einlassen. Es ist wiederholt ausgesprochen worden, daß im wirt¬
schaftsgeschichtlichen Sinne der Wert eines derartigen Fundstoffes nicht hoch
' Verstreut in den Grabungsberichten. I. Nikolaou hat die wenigen gestem¬
pelten Amphorenhenkel, welche bei meinen Ausgrabungen in Tamassos angefal¬
len sind, zur Veröffentlichung fachkundig vorbereitet, vgl. vorerst: H.-G. Buch¬
holz: Schriftzeugnisse aus den Ausgrabungen in Tamassos. In: A. Heubeck-G.
Neumann: Res Mycenaeae. Akten des 7. int. Mykenologischen Colloquiums in
Nümberg 1981. Göttingen 1983, 63fi"., bes. 71 und Abb. 7.
' Timbres Amphoriques grecs d'Alexandrie. In: Etudes et Travaux 8 (1975), 160-235.
* RDAC 1984, 31 Iff.
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genug veranschlagt werden kann. Ich denke dabei an Äußerungen des Altmei¬
sters der Wirtschaitsgeschichte des Hellenismus: Michael Rostovtzeff'.
Hans-Günter Buchholz, Gießen
Wolfram Hoepfner: Das Hierothesion des Königs Mithradates I. Kallinikos von
Kommagene nach den Ausgrabungen von 1963 bis 1967. Tübingen: Wasmuth
1983, 96 S., 40 Taf., 6 Faltpläne. (F. K. Dörner: Arsameia amNymphaios. 2.) (Istanbuler Forschungen. 33.)
Im Südosten Anatoliens existierte zwischen griechisch-römischer und persi¬
scher Welt ein Pufferstaat, das Königreich Kommagene. Es ist vor ahem kultur¬
historisch wegen der Symbiose westlicher und östhcher Elemente von höchstem Interesse. Forschungen in Kommagene (IstForsch 10. 1939), von R. Naumann
gemeinschaftlich mit F. K. Dörner durchgefiihrt, setzten einen Anfang des
deutschen wissenschaftlichen Engagements in dieser Gegend. Des letzteren
spätere Entdeckungen fiihrten zur Vorlage eines großen Buches in Gemein¬
schaft mitTn. Goell: Arsameia amNymphaios (IstForsch 23. 1963)'. Im Jahre
1951 wurde das Hierothesion, eines der drei zentralen Heiligtümer des komma- genischen Herrscherkults, entdeckt, s. IstMitt 16 (1966), 130flf.; 19/20 (1969/
70), 255ff.; Antike Welt, Sonderausg. 'Kommagene' 1975. Später hat hier
hauptsächlich W. Hoepfner, der Verfasser der zu besprechenden Studie, die
Ausgrabungen geleitet. Von ihm gibt es Vorberichte: AA 1965, 188fr.; 1966,
528 fi".
Hoepfners archäologische Untersuchungen galten dem Zentrum der Kult¬
anlage (S. 5 Abb. 2; S. 9 Abb. 4; S. 77 Abb. 36, Pläne; BeUagen am Ende des Bandes). Er hat hier Schichtenbeobachtungen durchgeführt (Pläne 4-6) und als Architekt besonders im Feld der Bauforschung klärend gewirkt. Kleinfunde haben nicht in gleicher Weise Bearbeiter gefunden. So ist denn auch in einem Anhang auf nur acht Seiten von G. HtiBNER eine geringe Anzahl solchen Fund¬
materials weiterer Forschung zugänglich gemacht worden: Beispielsweise han¬
delt es sich um hellenistische Steinschalen, Tonkrüge und -näpfe und große Vor¬
ratsgefäße sowie einige Metallfunde (Taf 33-35). Aus den Danksagungen ergibt
sich, daß J. W. Hayes, Toronto, ein überaus kundiger Keramikfachmann, bei
der Bestimmung der datierenden Tonware beratend mitgewirkt hat. Die das
chronologische Gerüst stützenden Gefäßbruchstücke umfassen hauptsäcldich die Zeit vom 3. bis zum 1. Jh. v. Chr. , mit einer Häufung im 1. Jh. , vorausgesetzt,
° M. Rostovtzeff: TTie Social and Economic History of the Hellenistic World.
1-3. Oxford '1941/Nachdr. 1972, Index 1703 s.v. Jar handles, stamped; 1748
s.v. Wine trade, bes. 743f mit 1647 Anm. 10; 1252«".; 1485f Anm. 93 und 97.
' Zu Funden aus dem Ort und seiner Umgebung z. B. U. Moortgat-Cor¬
rens: Ein RoUsiegel aus Arsameia. In: ZA 23 (1965), 6ff. — Rezensionen von
DöRNERs Arsameiawerk z. B. A. M. Mansel in: Türk Tarih Kurumu BeUeten 29
(1965), 199«".; R. Koerner in: DLZ 87 (1966), 327f ; E. Will m: Gnomon 40 (1968), 494 flf. — Knapper Überblick: Dörner in: Der Kleine Pauly. Bd. 1. Mün¬
chen ^1979, 609 f s.v. Arsameia. — Von mir zusätzlich benutzte Abkürzungen:
AA = Archäologischer Anzeiger; DLZ = Deutsche Literaturzeitung; IstForsch = Istanbuler Forschungen; IstMitt Istanbuler Mitteilungen.
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das vorgelegte Material ist repräsentativ. Chronologische Kontrollen sind wohl
während und nach der Grabung durch einige Münzfiinde ermöglicht worden. Es
wurden übrigens kaiserzeitliche und mittelalterhche Nachfolgebauten mit fun¬
damental unterschiedlicher Funktion erfaßt (76 ff. ; Pläne: Abb. 36 und 40), aber die datierenden Funde aus ihnen vermissen wir in der Publikation weitgehend.
Neben etwas Bauplastik (Textabb. 7.15-17.19-21.26; Taf. 12.14-17) wurden Fragmente von Kolossalstatuen und von Skulpturen bescheidenerer Abmessun¬
gen vorgelegt (Taf. 20-28). Ein Spezialist hat sich dafür als Bearbeiter nicht gefunden. So ist denn der Benutzer in der Hauptsache auf die erwähnten Photos,
einige skizzenartige kleine Zeichnungen und den Fundkatalog angewiesen
(Abb. 11.22-25). Immerhin hat sich Hoepfner selber mit knappen Ausfüfirun- gen der Sache angenommen. Seine auch bei früheren Arbeiten bewährte Stärke sind Rekonstruktionszeichnungen. Das gilt nicht allein von der zeichnerischen Rekonstruktion reliefverzierter Kapitelle (28f Abb. 15 und 16), sondem auch von der Großplastik und ihrer Aufstellung (22 Abb. 12; S. 48 Abb. 24). Gerade
mit den Zeichnungen, die einen Eindmek von den wesentlichen Partien der
Gesamtanlage und dieser selber vermitteln (Abb. 28-31), schuf der Autor Vor¬
aussetzungen fiir die zusammenfassende Interpretation (S. 51fr.).
Angedeutet sei, daß die Architekturkenntnis dieses Gebiets und darüber hin¬
aus, insbesondere was Einzelelemente angeht, um'eine größere Anzafil soge¬
nannter sjTischer Wulstbasen (Abb. 3.18.37-39, Taf 10.11)^, iun Säulenreste dorischer (Abb. 10) und korinthischer Ordnung (Abb. 15.16.20), Mosaikfußbö¬
den (Taf 6.7), Dachziegel korinthischen Typs (Abb. 14, Taf 16d) und vieles
mehr bereichert wird. Hoepfner hat sich auch Gedanken darüber gemacht, wie
in der Praxis „östliche Ideen und westliche Bauelemente" zusammengekommen
sind (63 ff.). Er meint, daß neben einheimischen Handwerkem wie Maurem,
Steinmetzen, Ziegelherstellem, Tischlern und Scfimieden an einer so gewaltigen architektonischen Konzeption wie der untersuchten auch ausländische Speziali¬
sten entscheidend mitgewirkt haben müssen, nämlich fremde Architekten,
Kapitell- und Inschriften-Fachleute, Bildhauer, Stukkateure und Mosaikleger.
Zu der hellenistischen Kultanlage 'Eski Kaie' ('Alte Burg') fiihrt eine Prozes¬
sionsstraße mit reliefgescfimückten Stationen hinauf (Rekonstmktionszeich- nimgen: Abb. 29-31; Plan: Abb. 32). Der persische Gott Mithras beherrscht das
BUdprogramm, so wie der Name des Königs Mithradates aufihn Bezug nimmt.
Der Ausgräber neigt der Vermutung von F. K. Dörner zu, daß das Ganze
„keine Zisteme, keine Grabanlage, sondem eine Stätte der Mitlirasverehmng"
gewesen ist (54). Dann wurde allerdings unter Antiochos I. (69-38 v.Chr.) die vorgefundene Bausubstanz erheblich verändert, was auf Wandel des Kultes und
rehgiösen Hintergrandes hindeutet. Hoepfners Verdienst hegt darin, daß er
mit der Bauleistung der beiden Könige zugleich auch die dahinter stehenden Ideen anzusprechen suchte.
An der letzten Kehre des Prozessionsweges, bevor man die monumentale
Freitreppe erreicht, trägt 'Sockel III' das Relief des Herakles und Antiochos; in unmittelbarer Nähe enthält dessen ausfiihrliche Inschrift' im griechisch-heUeni-
* Vgl. zu diesen: B. Wbsenbebg: Kapitelle undBasen. Düsseldorf 1971, 89fr.
102 fi". Abb. 1790". 224 fi".; H.-G. Buchholz: Archaeology in Cypms. 1960-1985.
Nicosia 1985, 246 mit Anm. 22.
" 58 Anm. 52 ist d^(pi<poXi<; in aji(piuoA.i<; zu berichtigen.
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stischen Sinne Angaben über Theorie und Praxis des Herrscherkults* sowie
Bestimmungen für Wettspiele und Staatsbauten. Das alles läßt erkennen, daß
die Oberschicht des Königreiches Kommagene griechisch sprach und dachte.
Hans-Günter Buchholz, Gießen
Robert Fleischer: Der Klagefrauensarkophag aus Sidon. Tübingen: Wasmuth
1983. 88 S., 48 Taf. (Istanbuler Forschungen. 34.)
Nach der monographischen Behandlung der sogenannten 'Satrapen'- und
'Alexandersarkophage' aus der Königsnekropole von Sidon (I. Kleemann in:
IstForsch 20 [1958] und V. v. Graeve in: IstForsch 28 [1970])' liegt nun auch die abschließende Behandlung des dritten, des sogenannten 'Klagefrauensarko¬
phags' mit umfassender Bilddokumentation vor (Photograph: W. Schiele).
Die neuen Detailaufnahmen kommen der weiteren Beschäftigung mit dem
Monument zugute. Dem Verlag wird die sorgfältige Betreuung und gediegene
Ausstattung des Bandes verdankt. Seit 1986 ist noch B. Schmidt-Doumas: Der
lykische Sarkophag iunzugetreten (IstMitt, 30. Beiheft; überarbeitete Frankfur¬
ter Diss. 1982).
Die bisherige Forschung im engeren Sinn und das weitere Umfeld sind in dem zu besprechenden Buch gebührend berücksichtigt (vgl. Abkürzungsverzeichnis [S. 11], Register und Anmerkungen [79-85]). Die zitierte Literatur reicht bis zur Wende der 70er/80er Jahre, in den Nachträgen gelegentlich bis 1982 (77 f). Der kenntnisreiche Verfasser wartet sogar mit Arbeiten auf die sich damals in der Planung bzw. Entstehung befanden. Er befleißigt sich äußerster Korrektheit, wenn er beispielsweise vermerkt, J. Borchhardt habe vor ihm diese oder jene Beobachtung gemacht oder die Wiedergabe einer bestimmten chronologischen
Liste erfolge in Absprache zwischen ihm und H. Gabelmann (Die Inhaber des
Lykischen und des Satrapensarkophags. In: AA 1982, 493ff.).
Die vorliegende Studie gliedert sich in: Fundsitutation (Iff.), Beschreibung
(Id.), Auswertung (23ff.) und Zusammenfassung (73ff.). In wohltuender
Knappheit fmden wir bei Fleischer ein Referat von der Auffindung der Nekro¬
pole etwa anderthalb KUometer östlich der Phönikerstadt Sidon durch
0. Hamdy Bey über die schrittweise erfolgte Erforschung von Abfolge und
Chronologie der einzelnen Bestattungen bis hin zur Zuweisung des Klagefrauen- sarkophhags an Straten I. von Sidon (Abdaätart 1., 372-359/358 v. Chr.). Diese Zuweisung steht u.a. bereits bei F. Studniczka (Jdl 22 [1907], 188f Abb. 33):
„In meiner jüngsten Besprechung dieses Denkmals glaube ich endgültig gezeigt zu haben, daß es von Anbeginn fiir einen sidonischen Herrn, wahrscheinlich fiir
* Zum hellenistischen Herrscherkult: E. Kornemann in: Klio 1 (1902),
51 ff.; Ch. Habicht: Gottmenschentum und griechische Städte. München 1956;
H. Doerrie: Der Königskult des Antiochos von Kommagene im Lichte neuer
Inschriften-Funde.Göttmgen 1964.
' Von mir benutzte Abkürzungen: AA = Archäologischer Anzeiger; AM = Mit¬
teilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische AbteUung;
AntK = Antike Kunst; BMusBeyr = Bulletin du Mus6e de Beyrouth; IstForsch =
Istanbuler Forschungen; IstMitt = Istanbuler MitteUungen; Jdl = Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts.
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König Straten I. den Philhellenen gearbeitet war". Es dürfte jedenfalls auch aus stüistischen Gründen unbestritten sein, daß wir ein Meisterwerli aus der ange¬
gebenen Zeit vor uns haben. Zur gleichen Datierung des Klagefrauensarko¬
phags auf Grund einer neueren sidonischen Inschrift vgl. vor allem M. Dunand
m: BMusBeyr 18 (1965), 107 und ders. in: BMusBeyr 49 (1975/76), 496f.,
Anm. 4 (von Fleischer und Gabelmann berücksichtigt), dazu jetzt auch
J. Borchhardt: Die Dependenz des Königs von Sidon vom persischen Großkönig.
In: Beiträge zur Altertumskunde Kleinasiens. Festschr. für K. Bittel. Mainz 1983, 105 ff., bes. 117 mit Anm. 90.
Mit der Studie Tribune d'Echmoun, ein griechischer Reliefzykhis des 4. Jhs.
V. Chr. in Sidon. In: AntK, 13. Beiheft 1984, hat R. Stucky ein weiteres Denk¬
mal vorgestellt, das — durch die andere Thematik: eingeschränkte — Vergleiche
mit dem Reliefschmuck des Klagefrauensarkophags zuläßt und wohl wenig jün¬
ger als dieser ist, s. seine Ausführungen zur Datierung (29 ff. ) und den Abschnitt
„griechische Bildhauer in Phönizien" (31 ff.).
Fleischers Beschreibung des Klagefrauensarkophags samt Auswertung
sind durchdacht, sprachlich und sachlich präzise und dem Kunstwerk angemes¬
sen, jedenfalls angenehm zu lesen. Zu dem lesbischen Kymation (23) äußerte
sich ebenfahs Stucky (a.O. 42). Zur Hauptsache, dem namengebenden Bhd"^
schmuck, sagt Fleischer: „Der gruppenmäßige Zusammenhang unserer Kla¬
gefrauen erschheßt sich auf den ersten Blick" (39f.). So sah bereits P. Wolters mit dem Hinweis auf ein Sepulkralrelief aus Athen, daß hier wie dort Dreier¬
gruppen sitzender Trauernder mehr als nur einander thematisch ähnlich sind
und einen Hinweis auf die Abhängigkeit des sidonischen Monuments von der
attischen Kunst bedeuten (AM 18 [1893], Iff., bes. 5 Anm. 2 Taf. 1).
Früheren Deutungen der dargestellten Frauen (Griechinnen aus dem Harem
des Grabherrn, Klageweiber, mythologische Figuren) stellt der Autor seine Deu¬
tung entgegen: „aus griechischer Sicht sind unsere Frauen kaum näher zu
bestimmen" (43); aus semitischer Sicht ist jedoch an den Mythos 'Klage um Eschmun' zu denken: „. . . so wäre — griechisch ausgedrückt — die gewöhnliche
Totenklage um den Aspekt der Heroisierung und Apotheose des Grabherm
bereichert" (44).
Lesenswert sind die klärenden Ausfuhmngen zum Sarkophag: „Bauwerk oder
Tmhe?" (66 ff.), wo sogar 'Hausrat' von S. Laser in meiner Archaeologia Home¬
rica. Göttingen 1967 ff. herangezogen vmrde (71 Anm. 601).
Als Kunstwerk ist der Klagefrauensarkophag wie die übrigen sidonischen
Sarkophage Objekt der klassisch-archäologischen Forschung. FreUich wird
jedem Bearbeiter Vertrautheit mit dem vorderasiatischen Umfeld abverlangt.
Doch dürften den Orientalisten mehr als das Monument die historischen Zusam¬
menhänge interessieren, in die es gehört. Darin liegt freUich nicht das Hauptan¬
liegen des hier zu besprechenden Buches, doch werden dem Leser zahlreiche Hinweise geboten (5f40ff.61ff.73ff.77f.).
HANS-GtiNTER Buchholz, Gießen
Marc Lebeau: La ceramique de l'äge du Fer H-H ä Teü Abou Danne et ses rapports avec la ceramique contemporaine en Syrie. Paris: Editions Recherche sur les
CivUisations 1983. 209 S., 13 Tabellen auf 181 S., 62 Kt., 144 Taf ISBN
2-86538-053-X.
27 ZDMG 138/2
Zeitschrifb der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 2 (1988)
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In den Jahren 1975-1978 und 1980 grub eine Gruppe belgischer Archäologen unter Leitung von R. Tbfnin auf dem Teil Abou Dannö, einem Siedlungshügel
25 km östlich von Aleppo, eine Hangsondage (4 x ca. 70 m) und eine kleine
Fläche von ca. 450 m^ aus. Der Verf. beschäftigt sich mit der Keramik der
Schichten II d und II c, beide eisenzeitlich. Es handelt sich fast ausschließlich um Scherben. Die Darstellung seines Vorgehens ist ungewöhnlich ausführlich und unnötig langatmig. Ungewöhnlich ist es auch, daß er darauf verzichtet, explizit auf die Formenwelt der vollständigen Gefäße zu schließen. Sein Ziel ist es, die
Datierung der beiden Schichten zu präzisieren, kennzeichnende Formen der
mittleren und jüngeren Eisenzeit (äge du Fer II-III) herauszuarbeiten und zu klären, ob ein Keramik-Korpus (corpus c6ramique) — er hätte besser sagen sol¬
len: Scherben-Korpus —, das nur einen begrenzten Umfang hat, aber genau ana¬
lysiert ist, klare historische Folgerungen erlaubt (S. 27). Material aus dem nord- palästinensisehen Küstengebiet, aus dem Libanon, Südostanatolien und Syrien zieht er zum Vergleich heran.
Aus der großen Menge von Scherben, die bei der Grabung anfielen, sonderte
Verf. Rand- und Bodenscherben, verzierte Scherben und solche mit Henkeln
oder Henkelansätzen aus, insgesamt 3400 Stücke, von denen 802 abgebildet sind. Seine Differenzierung der Tonware ist recht ungewöhnlich. Er unterschei¬
det: „types physiques" (S. 34 ff.), „classes formelles" (S. 58ff.) und „types for- mels" (S. 64 ff.). Es sind 21 „tj^pes physiques", die insgesamt 303 „types for-
mels" bilden. Die Zusammengehörigkeit von bestimmten Rand- und Boden-
„Typen" wird kaum erörtert. Der Leser bekommt darum nur pauschale Vorstel¬
lung von den Gefäßformen und ihrer Größe. Tonqualität, Magerung, Brennver¬
fahren werden nie, die Oberflächenbehandlung wird nur in besonderen Fällen berührt.
Vom gleichen Gliederungsschema ausgehend vergleicht der Verf. das Material vom Teil Abou Dannö mit der Keramik anderer Fundstellen seines Arbeitsge¬
biets (S. 94ff.). In einer Zusammenfassung (S. 136ff.) erklärt er, die für die Arbeit gesteckten Ziele seien erreicht. Der Leser ist davon kaum überzeugt.
Vorliegende Arbeit steht auf dem halben Wege zwischen einer Materialsamm¬
lung und einer wirklich wissenschaftlichen Abhandlung. Das Buch stellt eine wirklich bemerkenswerte Mischung dar: Es ist in der Gesamtanlage naiv, doch prätentiös in der Diktion. Es bedient sich in sinnloser Weise gewisser Arbeits¬
weisen der Statistik. Meist sind die kritischen Bereiche der kleinen Mengen nicht verlassen. Über die Rolle der Keramik innerhalb der Kultur hat der Verf offenbar bislang nicht weiter nachgedacht.
Rolf Hachmann, Saarbrücken
Piotr Bienkowski: Jericho in the Late Brome Age. Warminster, Wilts.: Aris
& Phhhpps 1986. XII, 190 S., 62 Abb. ISBN limp 0-85668-320-5.
Nach ersten, aber ergebnislosen Sondagen von Ch. Warren im Jahre 1868
und nach E. Sellins und C. Watzingbrs Grabungen in den Jahren 1907-1909
grub Sir John Garstang von 1930-1936 in Jericho. Von 1952-1958 nahm
dann Kathleen Kenyon die Grabungen wieder auf, doch berührten ihre
Arbeiten die Spätbronzezeit nur in einer winzigen Fläche. Aus diesem Grunde haben die Grabungen Garstangs fiir das Verständnis der Spätbronzezeit auch heute noch große Bedeutung, obwohl seine Schichtenzuweisungen verwirrend sind, zumal sie oft unzuverlässig erscheinen.
Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 2 (1988)
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Im Grunde sind es die alttestamenthchen Nachrichten über Jericho, die Verf.
veranlaßten, sich mit den spätbronzezeitlichen Funden und Befunden der Gra¬
bung Garstang, den veröffentlichten und den unveröffentlichten, auseinander¬
zusetzen. Er zieht aber auch die Ergebnisse der anderen Grabungen und die
zahllosen Interpretationsversuche in seine Untersuchungen ein. Dabei vermei¬
det er es indes klug, auf die alttestamentlichen Nachrichten auszugreifen. Da deren Wahrheitsgehalt umstritten ist, könnten sie das Verständnis der archäo¬
logischen Befunde nur verunklaren. Verf. versucht die Stratigraphie der Bau¬
ten der Bronzezeit zu ordnen, um das, was spätbronzezeitlich sein könnte, aus¬
zusondern. Er untersucht die Kleinfunde, um durch spätbronzezeitlichen Fund¬
material die Datierung vermutlich spätbronzezeitlicher Bauten abzusichern, und er beschäftigt sich mit dem Fundgut in den mittelbronzezeitlichen Gräbem,
die in der nachfolgenden Epoche wiederbenutzt wurden. Über Garstangs und
Kenyons Auffassungen hinaus kommt er zu einleuchtenden eigenen Ansichten
vom spätbronzezeitlichen Jericho. Abschließend erörtert er die Stellung Jeri¬
chos in der Kulturgeschichte Palästinas und die Verbindungen zwischen Palä¬
stina und Ägypten.
Von besonderem Interesse — zumindest fiir den Alttestamentler — sind des
Verf. Bemühungen zu klären, ob das spätbronzezeitliche Jericho befestigt gewe¬
sen sei. Er kann keinerlei Spuren einer Befestigung nachweisen und meint: „It would seem, . . ., that a tiny unwalled Jericho fits the pattem in LB Canaan extremely weh" (S. 124f ). Schon um 1300 v.Chr. scheint diese kleine unbefe¬
stigte Ortschaft dann aufgelassen worden zu sein. Eine Wiederbesiedlung fand erst im Verlaufe des 11. Jahrhunderts statt. Diese Tatbestände kann der Verf.
überzeugend darlegen, und damit ist dann auch die Frage der Historizität der alttestamentlichen Nachrichten — negativ — geklärt.
Ebenso wie die Frage der spätbronzezeitlichen Befestigung Jerichos behan¬
delt Verf. auch andere Theorien, die früher heftig diskutiert worden sind, mit Distanz und nüchtemer Sachlichkeit: „. . . nothing can be linked specificahy to the Hyksos in Palestine" (s. 132). „. . . the Hyksos were not a specific ethnic group — they were Asiatics, possibly Palestinians, who came eventually, .... to rule the Egyptian Delta" (s. 133). Das und vieles andere leuchtet ein.
Mit mhiger Sachlichkeit berichtet Verf. auch sonst über die Beziehungen zwi¬
schen Ägypten und Palästina, insbesondere über die Art der ägyptischen Prä¬
senz in Asien (S. 1370".). In gleicher Weise berührt er die Handelsbeziehungen zwischen Palästina und Zypem und das schwierige Problem der Verbreitung der mykenischen Ware.
Er ist über die neueste Literatur informiert, hütet sich aber, jeder neuen,
modemistischen Theorie nachzulaufen. Aus seiner ganzen Darstellung wird
deutlich, daß er sich über die Aussagefähigkeit und die Aussagemöglichkeiten
der archäologischen Quellen sehr gründliche Gedanken gemacht hat. Seine
Arbeit ist in ihrer Wohlinformiertheit, in ihrer Ausgewogenheit und ihrer
Knappheit ein Lichtblick in der zeitgenössischen Publizistik.
Rolf Hachmann, Saarbrücken
Ze'ev Herzoo: Das Stadttor in Israel und in den Nachbarländern (Übers, von
Moshe Fischer). Mainz: von Zabem 1986. X, 176 S., 116 Abb., 148,- DM.
ISBN 3-8053-0572-9.
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Vorhegende Arbeit ist in erster Linie ein Corpus der Stadttore, die in Israel (Palästina), Anatolien, Jordanien und Syrien im Zusammenhang von archäolo¬
gischen Grabungen als Tor erkannt werden konnten. In chronologischer Rei¬
hung — mit dem Chalkolithikum beginnend und mit der Eisenzeit endend — und
in geographischer Ordnung — von Anatohen über Jordanien, Israel und Syrien fortschreitend — werden alle Tore nach einheitlichen Regeln beschrieben und im Maßstab 1:300 in schematischen Zeichnungen dargesteUt. Verf. geht von einer typologisehen Ordnung seines Materials aus. Diese muß er allerdings in vielen Fällen durch eine gründliche, allerdings in Worten knapp gehaltene Analyse des
Grabungsbefundes herstellen, denn stratigraphisch ganz exakte Grabungen
waren im ganzen Vorderen Orient vor dem Zweiten Weltkrieg selten und vor
dem Ersten Weltkrieg ganz rar. Das Ziel der Arbeit des Verf. geht indes über eine Tor-Typologie weit hinaus: Er will die Funktion des Stadttores — über die als Verteidigungsanlage hinaus — in allen ihren Aspekten klären.
Die höchst unterschiedliche, auch ungleichwertige Dokumentation des Quel¬
lenmaterials erschwert in vielen Fällen das Verständnis des Baubefundes. Doch hat der Verf., der bei E. Heinrich in Berlin Baugeschichte und bei Y. Aharoni Archäologie studiert hat, einen klaren Blick und findet den kritischen Ansatz, um sich durch mehrdeutige Befunde und spitzfindige Interpretationen „am Grü¬
nen Tisch" zu einsichtigen Erklärungen vorzuarbeiten. Oft klaffen Quellenlage und -interpretation weit auseinander, und in solchen Situationen spricht er die Situation offen an und beschönigt nichts.
Der Verf. ist bemüht, sein Buch durch eine umfangreiche BUddokumentation leicht lesbar zu machen. Ihm gelingt das wenigstens zu einem großen Teil. Daß man dennoch einen sehr großen TeU der verstreuten Literatur zur HUfe nehmen muß, die sich indes nur in ganz wenigen Bibliotheken beieinander findet, ist ein
Tatbestand, mit dem man bei allen zusammenfassend auswertenden Arbeiten
zur Vorderen Archäologie rechnen und mit dem man leben muß.
Klug vermeidet Verf. es, sich mit solchen Fragen zu befassen, die sich aus sei¬
nem Material nicht beantworten lassen, bzw. deren Beantwortung für das von
ihm behandelte Problem nicht so wesentlich sind. Das gUt etwa fiir die verwor¬
rene Chronologie der Bronze- und Eisenzeit in Palästina. Klar wird trotzdem, das es in der Auffassung des Verf. aus der frühen Mittelbronzezeit des Landes bislang keine Siedlungen mit Befestigungsanlagen und Toren gibt.
Die Befunde der Archäologie werden durch ägyptische und mesopotamische bUdliche Darstellungen von Toren ergänzt. Verf. erörtert mit ihrer HUfe die
Frage des Oberbaus der Tore. Schriftliche QueUen — insbesondere Texte der
Bibel — ergänzen dieses Bild und geben vor allen Dingen Aufschluß über die zivi¬
len Aufgaben der Stadttore im politischen, juristischen und religiösen Bereich.
Neben den zahlreichen verstreut veröffentlichten DetaUuntersuchungen zur
Archäologie des östlichen Mittelmeerraumes sind Bücher wie dieses ganz beson¬
ders wichtig: sie fordern die Zusammenschau in einer Wissenschaft, die sich
immer mehr in Einzeluntersuchungen zu verlieren droht und der es darum
immer schwerer fällt, historische Zusammenhänge zu erkennen.
Rolf Hachmann, Saarbrücken
JtiRGEN Tubach: Im Schattendes Sonnengottes. Der Sonnenkult in Edessa, Harrän und Hofrä am Vorabend der christlichen Mission. Wiesbaden: Harrassowitz
1986. XVIH, 546 S., 12 Tf.
Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 2 (1988)
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Die Bonner Diss, von 1982 untersucht die Stellung des Sonnengottes in den Panthea von Edessa (s. 63-125), Harrän (S. 129-209) und Haträ (S. 213-487) hn 2./3. bis 6. Jh. n.Chr. Abkürzungsverz. (S. 489-500), Bibhographie (S. 501- 529 [zu den drei Orten; kein Lit.-Verz. zur vorliegenden Arbeit]) und Indices (Numinum divinorum; nominiun; geographicus; rerum, S. 531-546) beschließen das Buch. — T. bestreitet, daß der Aufstieg des Sonnengottes arabischem Ein¬
fluß zu verdanken ist. Er fiihrt ihn auf Astronomie, Horoskopastrologie und
Neuplatonismus zurück. Das ist ein emstzunehmender Diskussionsbeitrag. Daß
T. seine These, die er nicht systematisch darstellt (nach 50 überflüssigen Seiten
zur Geschichte und Kulturgeschichte Mesopotamiens von den Achaemeniden
bis zur islamischen Erobemng folgen S. 51 f wenige Bemerkungen zur „Thema¬
tik"; ein Kapitel „Ergebnisse/Zusammenfassung" fehlt), bewiesen habe, kann Rez. nicht sagen. Die Eigenart Edessas und Hoträs als arabo-aramäische Kultu¬
ren (d.h. arabische Staatenbildungen im syrischen Raum), die Frage nach ara¬
bischem Erbe und übemommenem syrisch-hellenistischem Kulturgut ist nicht
in seinen Blick gekommen. Während in Fußnoten und Exkursen (deren Bezug
zum Thema nicht immer ersichthch ist) zum TeU Überholtes und längst Wider¬
legtes kolportiert wird, ist mit der vorislamisch-arabischen Religion und Kultur ein im Rahmen der Fragestellung wesentlicher Quellenbereich unbearbeitet gelassen, in dem sich astrale Bezüge einiger Götter seit der LH. des 1. Jt. v. Chr.
nachweisen lassen. — Die Transkriptionen des Syrischen und Akkadischen sind iiüconsistent, z.T. falsch. Hagar und Gerrha sind identisch (zu S. 33; cf. D. T.
Potts in: Proceedings ofthe Seminar for Arabian Studies 14 [1984], 87-91);
„Thamüd und Safa" sind keine Ethnien (S. 44 Anm. 205); W. Caskel war nicht der letzte, der sich zur Inschrift von en-Nemära geäußert hat (S. 246 Anm. 46;
cf. nur I. ShahId in: JSS 24 [1979], 33-42; A. F. L. Beeston in: BSOAS 42
[1979], 1-6; H. I. MacAdam in: Al-Abhäth 28 [1980], 3-16); und die Opposition
„beduinische Araber — heUenisierte Städter" (passim) wird der Komplexität der
Beziehungen zwischen Stämmen und Städten in den arabischen Staaten nicht
gerecht. — F. Altheim — R. Stiehl: Die Araber in der Alten Welt. 3. Berlin 1966, 125-135, bleibt aktuell. T. stellt demgegenüber eine streckenweise nützliche Materialsammlung bereit, die freilich kritischer Benutzer bedarf.
Ernst Axel Knauf, Heidelberg
Horst Klengel: Hethitische Gelübde und Traumtexte sowie Rituale und Festbe¬
schreibungen. Berlin: Akad.-Verl. 1986. X, 50 Bl. 4° (KeUschrifturkunden aus
Boghazköi [KUB]. 56.) ISBN 3-05-000 142-9.
Die Edition der in Berlin befindlichen heth. Keilschrifttexte schreitet weiter¬
hin zügig voran: H. Klengel legt hier insgesamt 59 weitere — meist verhältnis¬
mäßig umfangreiche — Fragmente vor. Von diesen sind die Nummem 1-11
schon von Christel Rüster in: Gelübde der Puduhepa. Hrsg. H. Otten u. V.
Souöek. Berlin 1965. (Studien zu den Bogazköy-Texten [StBoT]. 1.) in Auto¬
graphie vorgelegt worden. Zum Puduhepa-Komplex werden außerdem noch
einige andere, in diesem Heft erstmals edierte Fragmente (Nr. 14, 15, 16, 19, 25, 37 (?), 38) gehören. Weitere, hier gleichfalls zum erstenmal vorgelegte Gelübde¬
fragmente sollen in der englischen Fassung der Arbeit von J. de Roos über die hethitischen Gelübde (vgl. einstweUen dessen Hettitische geloften. Amsterdam
1984) bearbeitet werden. — Eine kleinere Anzahl von Fragmenten wiedemm
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wird in den Bereich der seinerzeit von V. Haas: Der Kult von Nerik. Rom 1970, bearbeiteten Texte gehören, so die hier als Nr. 16 (?), 32, 44,47,48 und 49 edier¬
ten Stüclie. Inwieweit die iiier vorgelegten Texte die heth. Sprachwissenschaft bereichem, wird sich erst bei Vorliegen der Arbeit von de Roos voll ermessen lassen. An Onomastischem ist einstweilen zu registrieren: Der angebliche Göt- temame Halmutili (so Index pag. IX) in 51 11 6 ist sicher ''Hal-pu-ti-li zu lesen, also identisch mit dem schon von E. Laroche: Recherches sur les noms des dieux hittites. Paris 1946/47, S. 73 registrierten Halputili „[dieu] de Halpa (Alep)";
vgl. bes. ■'U.GUR '^''^Hal-pu-ti-li-in KUB XXII 51 Rs. 14). Neu sind die GN
"^Har-sa-as-wa 56 IV 10 (neben ''Anziliwad Bergname Z>aAagenannt) ; '^Pa-ta-ra- la-as (neben "^UMMEDA und "^Ta-ru-um-ma-as) ; '^Pu-ut-par 46 Vs. 15; ^Ta-ha-an- ti-u 33 IV 3 (dieser Text, koUationiert mit einer größeren Anzahl von Bmchstük- ken, jetzt bei 1. Singer in: StBoT 28 [1984], 68). An bisher unbelegten Perso¬
nennamen sind der "'Mu^'^-uk-lcar-ra 19 II 29 sowie der unvollständige Pi-iz-zu- x-x-x^'^ 2 II 5 (im Index pag. X als Pizzur . . . notiert; nach den erkennbaren Zei¬
chenresten scheint es indes nicht ausgeschlossen, daß es sich um einen weiteren Beleg flir den von E. Laroche: Les noms des Hittites. Paris 1966, Nr. 1039 regi¬
strierten Pizzumuri handelt) zu erwälmen. Besonders wichtig ist indes der 'Hi-li- es-du 19 II 8: Offenbar handelt es sich hierbei um das feminine Pendant zu mas¬
kulinem "'Hi-la-as-du-us (KeUscfirifttexte aus Boghazköi [KBo] XVIII 155 Z. 6)
der zu heth. hila- '(Vieh)-hof gehören wird (vgl. auch den GN Hila KBo XX 5
Vs. 11); das unklare Morphem -sdu- findet sich auch sont in PN, s. Rez. in: Fest¬
schrift für G. Neumann. Innsbmck 1982, 443. —
Neu smd schließlich auch der Flußname SipuAl IV (Z. 13 '^8i[-, Z. 14 '^Se-i- pu-us; vergleichbar der ON Sipuwa, S. 360 bei G. del Monte: Repertoire Geo¬
graphique des Textes Cuneiformes. Wiesbaden 1978) sowie der spracfüich interes¬
sante Qellname (Akkusativ) ^''A-ku-wa-ni-ga-aniil I 4': Wie die sich unmittel¬
bar aufdrängende Segmentiemng akuwa-niga- nahelegt, dürfte es sich hier nicht
um ein Toponym, sondern um den Namen einer (weiblichen) Quellgottheit
(genauer: um den Genius einer bestimmten QueUe) handeln, vgl. die femin. PN auf -niga- (Typus Samna-niga, Hassusar-nigausv/., Diskussion bei Laroche op.
cit. S. 306 flf.). Bezüglich seines Vorderglieds hingegen ist man an aku- 'Stein', akuwant- 'steinig' erinnert.
Johann Tischler, Gießen
Alfonso Archi: Hethitische Briefe und Texte verschiedenen Inhalts. Berlin:
Akad.-Verl. 1987. X, 50 Bl. 4" (KeUschrifturkunden aus Boghazköi [KUB].
57.) ISBN 3-05-000458-4.
Die Edition der in Berlin befindlichen heth. Keilschrifttexte sclireitet weiter¬
hin zügig voran. Kaum ein Jahr nach Erscheinen von Heft 56 legt Archi, dem
wir bereits die Edition der Orakeltexte in den Heften 49, 50 (1979) und 52
(1983) verdanken, hiermit eine Sammlung recht unterschiedlicher Texte vor:
Bei etwa einem Viertel der 127 hier vorgelegten Fragmente handelt es sich —
dem Titel des Heftes entsprechend — um Briefe (womit nunmefir alle in Berlin lagemden Briefe ediert sind). Weitere zwei Viertel sind der Vervollständigung der Edition der Berliner Texte mit Bo-Nummem (Signaturen der Vorkriegsgra¬
bungen) zwischen 1 und 100 gewidmet — erst jetzt sind nun also wenigstens die
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ersten 1000 Nummem veröffentlicht (zur Erinnemng: Insgesamt gibt es
10343 Bo-Nummem, von denen nunmehr etwa die Hälfte publiziert ist, vgl. die Statistik von A. Kammenhuber in: Festschrift P. Meriggi. Hrsg. 0. Carruba.
Pavia 1979, 333-346). Diese Texte sind naturgemäß von völlig unterschiedli¬
chem Charakter, es handelt sich um Rituale, Orakel, Gelübde, Opfersprüche usw. Zur Vervollständigung des Bandes wurden schließhch im restlichen Viertel Textfragmente mit höheren Nummern hinzugefügt.
Der onomastische Gewinn ist wiedemm beträchtlich. So sind an bisher unbe¬
kannten Götternamen zu registrieren: Hallarassa (Zugehörigkeitsbildung zu
belegtem Hallara); Halzukki; Huwa; Gulse (in Nr. 42, nicht 21, wie im Index fälschlich angegeben!; vgl. die Gulses-Gottheiten, dazu Carruba in: Studien zu den Bogazköy-Texten [StBoT]. 2. Berlin 1966, 28 ff.); Kunissili; Miyanna (wohl
zum Obliquusstamm von miyatar 'Wachstum', vgl. Miyatan-zipa 'Genius der
Fmchtbarkeit'); Mizzulla; Muwatti (vgl. PN Muwatalli usw.); Pipira; Dammas-
sara (so Dmckfehler im Index) meint '^Dam-na-as-sa-ra 76 IV 9; Tesninna;
Tiyallamma; Zilium (so im Index) ist im Auslaut unvollständig C^Zi-li-ivu^b 59 H 11) und daher sicher in Ziliwu[riz\i ergänzen (vgl. die schon aheth. Belege '^Zili- puri neben '^Züipu.ra und "^Zilipuru, s. Neu, StBoT 26 [1983], 351).
An neuen Personennamen sind Ammadana (?, ]"'Am-ma-da-na(—)na[ 8
Rs. 12); Pahripitanna; Pihazuna; Pittipara (?, Y'Pi{-i\t-f'i-pa-rafnia 1, 13); Sala- AN-IGI; üS-fci'-LUGAL-mo (123 Vs. 2) und Zipulissa (?, ^Zi-pu-lis-sa^za 102 IV 24) zu registrieren.
Auch eine große Anzahl neuer Ortsnamen finden sich im vorliegenden Band, nämlich Anasepa (wie das Hinterglied -sepa zeigt, handelt es sich hierbei eigent¬
lich um den Genius eines Ortes, vgl. die parallelen Verhältnisse beim GN/ON Asga-sepa) ; Arussana {"^^A-ru-us-sa-na 87 II 12, wohl = Arusna, Repertoire Geo¬
graphique des Textes Cuneiformes [R6p. Geogr.]. 6. Wiesbaden 1978, 41);
Atranta; Harwasiya (?, Har-wa-si-ya-as 108 II 3, wegen der Form ^^^Har-ri- ya-si-y[a in Zeile 7 doch wohl mit dem ^^^Ha-a-ri-ya-sa in KUB LI 23 Vs. 12, Rep. G6ogr. 87 identisch) ; ffitoZwAa (^^^Hi-e-la-[ 82, 2; ^^^Hi-la-lu-haS4: III 17:
Da das Vorderglied dieses Namens doch wohl zu hila- 'Hof Einzäunung' gehö¬
ren wird, erhebt sich die Frage nach der Art der Beziehung zum ON Raluha R6p.
Geogr. 138, belegt nur Ablativ ^^^I-la-a-lu-u-ha-az KUB XVII 21 II 24: Da ein
Lexem oder Suffixkonglutinat -luha nur in diesen beiden Namen vorkonunt,
werden die ON HüaluhannA Raluha wohl identisch sein. Dafür spricht auch, daß beide Orte im nördhchen Grenzgebiet hegen. Es ergibt sich also der für die heth.
Sprachwissenschaft wichtige Befund einer Anlautsschwankung H- ^ 0, wofür
es ansonsten nur wenige oder unsichere Beispiele gibt, vgl. heth. '^alanduwa- :^halentuwa- oder luw. hilu- :ilu-); Kapusku; Kaumar; Kiziuwar; Mali; Misturha;
Ninas ("^^Ni-na-as 120 Vs. 6 in sehr flüchtiger Schrift, also vielleicht das
bekannte Ninasa gemeint); Pahasunuwa; Sahanuya ("^^Sa-ha-nu-ya 87 II 3,
wohl identisch rniV^^^Sa-ah-ha-ni-yaYXB VI 45 II 30); Saparassana (^^^Sa-pa-
ra-as-sa-na-as 87 II 11: Ein weiterer Beleg dafür, daß der Rep. G6ogr. 346
gebuchte 'Saparaskuna' falsch gelesen war); Taparkar; Taspina; Tattimma;
Tawastiya; Dites C^'^Di-te-is 120 Rs. 14, vgl. ^^^Ti-it-ti-i[s KBo XIX 31 I 19,
R6p. G6ogr. 430); Tedumna; Tunteraha; Uluna (^^^^V-lu-ü-na 108 II 18; wohl
nur zufällig anklingend ^^^Ul-lu-um(-ma), dies Graphie fiir Ulanm, Rep. Göogr.
452); Urimma; Wannada (^^^Wa-an-na-da 108 III 14; wohl identisch mit
{^^^Wa-an-na-an-daKUB XXXI 65 b, 7, s. Rep. G6ogr. 474); Zihnuwa; Zuluza.
Schheßhch sind hier als bisher unbelegt die Bergnamen Mahhara; Pahasu-
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nuwa (auch als ON); Tuwaya (-'"* ^''^Tu-wa-ya-an^ 88 I 6) und Urauna (bisher nur als ON belegt, s. Rep. G6ogr. 459) zu notieren.
Johann Tischler, Gießen
The Facsimik Edition of the Nag Hammadi Codices. Introduction. Leiden 1984.
Mit diesem Band ist die 12bändige Faksimile-Ausgabe der 1945 bei Nag Ham¬
madi gehindenen koptischen Bibliothek abgeschlossen, deren 1. Band (Codex
VI) 1972 erschienen war. Damit ist zugleich die Arbeit des 1970 vom ägypt. Kul¬
turministerium in Zusammenarbeit mit UNESCO berufenen Intemational Com¬
mittee for the Nag Hammadi Codices und des von ihm eingesetzten Technical
Sub-Committee beendet, das von Dezember 1970 bis September 1974 die Auf¬
gabe hatte, die Seiten und Fragmente der 13 Codices zu ordnen bzw. zusammen¬
zusetzen, damit die Handschriften nach ihrer Publikation in Faksimilebänden
allen Wissenschaftlem zum Studium und zur Bearbeitung bereit stünden.
Bereits 1961 hatte ein dreiköpfiges Vorkomitee ein Inventar des Fundes erstellt und Empfehlungen fiir seine Pubhkation erarbeitet.
Während die Addenda u. Corrigenda (103-130) u. die Tafelbeschreibung
(131-133) der beigegebenen 28 Tafeln Nachträge u. Verbessemngen zu den 11
früheren Tafelbänden bringen, werden in der Einleitung verschiedene Fragen
zusammenfassend behandelt: Pundgeschichte, Umfang des Fundes, die ver¬
schiedene Zählung der 13 Codices, kodikologische Fragen (die Herstellung der
Codices aus Papymsrollen u. -lagen, die KoUemata, Bucheinbände) und eine
Bibliographie in Auswahl.
In der Fundgeschichte fehlt jeghcher Hinweis auf die vom Institute for Anti¬
quity and Christianity 1975 durchgefiihreten Nachgrabungen (Vorbericht: J. M.
Robinson: The First Season of the Nag Hammadi Excavation 27. Nov. -19. Dez.
1975. In: Göttinger Miszellen 22 [1976], 71-79) an den Stellen, die von dem Fin¬
der als genauer Fundplatz der HSS genannt worden waren, die aber nicht die
Richtigkeit der Aussagen bestätigten: „Thus the excavation produced no
archaeological confirmation ofthe precise site ofthe discovery" (Robinson, aO.
75). Es ist sehr schade, daß nicht geklärt werden konnte, ob die HSS 1945 in
einem Grab, einem Versteck oder einer Hausmine gefunden wurden. Dadurch
bleibt auch offen, ob der Fund einer Einzelperson oder einer Gemeinschaft gehört hat und ob die HSS eine Grabbeigabe waren oder vor Nachstellungen versteckt wurden. Da der ungefähre Fundort rd. 9 km westlich des pachomiani¬
schen Klosters von Pbow liegt, wird die Bibliothek neuerdings auch in Verbin¬
dung mit dem Mönchtum gebracht, was aber wegen der ungeklärten Fundver¬
hältnisse nicht beweisbar ist.
Robinson überspielt diese Tatsache durch die SchUdemng (5-11) des
Schicksales der HSS nach ihrer Auffindung durch Fellahen bis zu dem Zeit¬
punkt, an dem sie nach Kairo in den Besitz der Altertümerverwaltung gelang¬
ten. Er stützt sich dabei 30 Jahre nach der Auffindung der Codices auf Inter¬
views des Finders und seiner FamUienangehörigen, die seitdem ihre Aussagen mehrfach änderten, wie in den Einleitungen der FaksimUe-Bänden und in ande¬
ren Berichten R.s nachzulesen ist. Dies und die Ergebnisse der erfolglosen
Nachgrabungen haben R. Kasser und mich dazu veranlaßt, die Richtigkeit der
Einzelheiten des Fundberichtes anzuzweifeln (vgl. 3 A. 1).
Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 2 (1988)
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Dieses Manko fällt nicht ins Gewicht angesichts der Tatsache, daß einer der wichtigsten koptischen Handschriftenfiinde, auch Dank des verlegerischen Risi¬
kos des Verlages Brill, nun in ausgezeichneten Tafelvorlagen allen Wissen¬
schaftlem zugänglich gemacht worden ist. Er hat schon zu einem Aufschwung in der Koptologie geführt, die seitdem an verschiedenen Universitäten zu einer selbständigen Disziplin geworden ist, und hat auch einen anderen Verleger zur
Veröffentlichung der 1930 in Äypten gefundenen manichäischen Bibliothek in
FaksimUe-Bänden angeregt.
Martin Krause, Münster i.W.
Helga Rebhan: Geschichte und Funktion einiger politischer Termini im Arabi¬
schen des 19. Jahrhunderts [1798-1822). Wiesbaden: Harrassowitz 1986. XIII, 205 S. 8° 68,- DM.
Begriffs- und terminologiegeschichtliche Untersuchungen sind in der Islam¬
kunde immer noch recht selten. Auf dem Gebiet, das die Erlanger Dissertation
von Prau Rebhan behandelt, gab es Vorarbeiten über Einzelfragen, aber die
Behandlung des Gesamtkomplexes der politischen Terminologie anhand eines
breitgestreuten Materials über mehr als 80 Jahre hinweg stellt eine Pionierar¬
beit dar. Ausgewertet wurden die Bücher von Autoren wie al-öabarti, Rifä'at at- Tahtäwi und Hair ad-Din at-Tünisi, Enzyklopädien wie die Dä'irat at-Ma'ärif,
Dokumente, Wörterbücher und vor allem Zeitungen. Die Arbeit besteht haupt¬
sächlich aus Einzeluntersuchungen zu Begriffen aus den folgenden Bereichen:
Volk, Nation, Vaterland, Recht, Gesetz, Verfassung, Staatsformen, politische Vertreter und Regiemngsinstitutionen, Parteien und politische Strömungen,
Sozialismus und Revolution. Ein gewisses Problem, das aber nicht der Verf.
anzulasten ist, stellt die Frage nach der Vorgeschichte der behandelten Begriffe im frühen Islam und im Mittelalter dar. Die Verf. kann dabei hin und wieder auf Artikel aus der EI zurückgreifen (z.B. zu milla, umma, qaum, Sari'a). TeUweise sind diese Darstellungen aber schon veraltet, und in vielen FäUen muß sie sich als Notbehelf mit einem Blick in die Korankonkordanz und in den Lisän al-'arab begnügen. In ihrer Zusammenfassung stellt die Verf fest, daß die von ihr behan¬
delten Begriffe zunächst aus den europäischen Sprachen entlehnt wurden (z.B.
münarhi, münarki, münarSiki), dann aber durch Lehnübersetzungen, Lelmprä¬
gungen, Neologismen (mulükiya, für „Monarchie" bald ungebräuchlich gewor¬
den, malakiya) oder Erbwörter (malaka, saltana, beide für „Monarchie" heute ungebräuchlich) ersetzt wurden. Als Lehnwörter haben sich nur Herrschafts¬
und Adelstitel (qaisar, bärün) und die Wörter barlamän und dimuqräfiya gehal¬
ten. — Die untergegangenen Prägungen nehmen sich heute teilweise ausgespro¬
chen merkwürdig aus. Die Republikaner mfen im Arabisch des beginnenden
19. Jahrhunderts tahyä al-maSyaha, ein Jesuitenblatt versucht, für „Demokra¬
tie" das Wort ra'ä'iyazu lancieren, die Protestanten heißen hizb al-mu'tazilaund der Radikale usüli.
Die Arbeit ist nicht nur von ihrer FragesteUung her interessant, sondern dürfte auch bei der Lektüre von politischen Texten aus dem letzten Jahrhundert gelegentlich sehr nützlich sein. Sie ist nicht ganz frei von kleineren Irrtümem;
einige davon sind im folgenden berichtigt. S . 15: där al-isläm ist eher mit „Gebiet des Islam" als mit „Haus des Islam" zu übersetzen. 17: In Qur'än 26/105 ist die
als qaum Nüh bezeichnete Gmppe weit davon entfemt, „Anhängerschaft" zu
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sein, sie bestreitet ja gerade Noahs Prophetenschaft. 23: In der Übersetzung von at-Tahtäwis Definition heißt es, müla sei „eine Gemeinschaft von Leuten, die in einem Land leben, die eine Sprache sprechen . . . und die meistens einem Gesetz und einem Staat unterworfen sind". So würde die Definition auch auf die Kopten allein zutreffen. Richtig muß es heißen „die Gemeinschaft von Leuten . . ."
(jamä'at an-näs as-säkina fi baldatin wähidatin . . .). 28: Daß umma bis 1882 sowohl im traditionell religiösen als auch in einem säkularen Sinne verwendet wird, wird als „Resemantisierung seiner Bedeutungen im Koran" bezeichnet, wo
umma auch schon religiöse und ethnische Gruppen bezeichnet. Wenn ich das
Wort „Resemantisierung" richtig verstehe, soh das heißen, daß im Arabischen
des 19. Jahrhunderts mit der zweifachen Verwendungsweise die koranische
Verwendung wiederbelebt wurde. Aber auf S. 24 war doch festgestellt worden, daß auch während des Mittelalters umma auf nicht religiös definierte Gruppen angewendet worden war, etwa auf die Deutschen, die al-Qalqaäandi als min akä¬
bir umam al-ifran^ bezeichnet. 51: „Die Historiker Ibn al-Atir und Ibn Muslima"
sind Magdaddin Ibn al-Atir, der Autor der Nihäya fi garib al-hadit, nicht der des Kämil, und der Prophetengenosse Habib Ibn Maslama, ebenfaUs nicht Histori¬
ker, sondem Überlieferer einiger weniger Traditionen. 56: In der Definition des absoluten Monarchen heißt es fa-takünu ra'yuhü Sari'ata l-mamlakati wa-hukmu- hü qänünahü. Als Übersetzung von Jvukm ist hier „Anordnung" oder „Befehl" bes¬
ser geeignet als „Herrschaft". 75: Lies ulü statt ülü. Zur Schreibung des kurzen Vokals mit wäw&. zuletzt Wernee Diem in: Orientalia N.S. 48 (1979) 226 § 27.
79: Als türkisches Äquivalent zu mollis al-mab'ütin kann meb'usan-i meclisi nicht stimmen, richtig ist entweder meb'usan-i millet meclisi oder meclis-i meb'u- san. Auch mun'akid-i meclisi S. 161 Anm. 215 klingt falsch. 86: Lies mala' statt malä'. 87 und 201: Es ist eher maSwarat al-hamsimi'a als maSwarat al-hamsumi'a zu lesen. 92: Die gemeinsame Bedeutung von ^ädala und näza'a, die im Zusam¬
menhang mit den Termini mu^ädala und munäza'a wichtig ist, ist nicht „j-n zum Feind haben", sondem schon im klassischen Arabisch „mit j-m streiten, dispu¬
tieren". 95: In der Übersetzung des Textes von Abü s-Su'üd ist wa-hunäka hizbun tälitun mutawassifun bain al-hizbain ausgefallen, wodurch der Sinn stark leidet.
99: in a'dä' al-ma^lis al-mutahazzibün li-l-hurriya sollte mollis nicht mit „Sit¬
zung", sondem mit „Parlament" o. ä. übersetzt werden. 190: Die Titel von Kar¬
pat bis Krieken sind alphabetisch falsch eingeordnet, sie gehören auf S. 189 hinter al-Karmali. 19: Lies Säti' al-Hu^ri st. Säti' AL-IJu§Ri. 134 Anm. 44:
Lies Chelhod st. Cheljod. 136 Anm. 100 und 189: Lies Jeffery und Baroda
st. Jeffrey und Borada. 138 Anm. 177 und öfter: Lies Mottahedeh st. Moo-
TAHEDEH. 173 Und Öfter: Lies al-Bäküra st. al-Baküra. 175 Nr. 36 und 145 Anm.
119: Lies Gökbilgin st. Gökbilgim. 188: Lies Haywood und Lexicography st.
Heywood und Lexicographie.
Tilman Seidensticker, Gießen.
Fedwa Malti-Douglas: Stmctures of Avarice. The Bukhalä' in Medieval Arabic Literature. Leiden: BriU 1985. XI, 183 S. 8" 60,- hfl.
Das Buch von Frau Malti-Douglas behandelt die beiden K. al-Buhalä' von
al-öähi? (160/776-255/868-9) und al-Uatib al-Bagdädi (392/1002-463/1071) unter mehreren Aspekten. Die m. E. wichtigsten Teile sind die, die den äußeren
Aufbau und den Inhalt der Anekdoten getrennt und auch im Vergleich behan-
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dein; sie sollen unten etwas ausfuhrlicher besprochen werden. Die verbleiben¬
den Abschnitte behandeln Methodologie (Definition der Begriffe „adab" und
„Anekdote"; zur strukturellen Narrativistik), die Biographien der beiden Auto¬
ren, Humor im allgemeinen und im besonderen (ausfuhrliche Analyse zweier
Anekdoten) und schließlich „Contexts and Conclusions".
Der mit „Organization" betitelte Abschnitt III behandelt den äußeren Aufbau der beiden Bücher. Der erste der 32 Abschnitte des öähi?schen Werkes ist die Einleitung, die symmetrisch angeordneten Abschnitte 2, 15-16 und 30-31 brin¬
gen nichtanekdotisches Material und die verbleibenden Abschnitte 3-14, 17-29 und 32 Anekdoten. Diese unterteUt die Verf. danach, ob sie erstens in Abschnit¬
ten olme erkennbaren Zusammenhang stehen, ob es sich zweitens um einzelne
oder mehrere Anekdoten über ein einzelnes Individuum handelt oder ob drittens
in einem Abschnitt Anekdoten über verschiedene Personen mit irgendeiner
Gemeinsamkeit zusammengestellt sind. Dabei stellt sich heraus, daß diese drei
Arten von Abschnitten sich zwanglos abwechseln. Daß diese lockere Folge
absichtlich gewählt wurde, um nicht durch eine schematische Anordnung zu
ermüden, und daß die symmetrische Anordnung der nichtanekdotischen
Abschnitte ebenfalls kein Produkt des Zufalls sind, hat die Verf. m.E. richtig gesehen. Das Wort von einer „absence complete de composition", das W. Mar- 9AIS über das Buch des öähi? gesprochen hat, scheint somit nicht ganz zuzutref¬
fen. Eine viel hausbackenere Gliederung hat al-IJatib al-Bagdädi gewählt. Zu Beginn fuhrt er religiöses Material über öeiz und Geizhälse vor, läßt Anekdoten
folgen und schließt mit Ermahnungen und Warnungen an Geizige.
In den Abschnitten IV und V widmet sich die Verf. nacheinander der Anek¬
dote bei al-öähi? und al-Hatib, und zwar mit HUfe einer weiterentwickelten und
angepaßten Form der Methode, die Vladimir Propp vor bald 60 Jahren im
Umgang mit russischen Volksmärchen entwickelt hat. Die Anekdoten werden in
einige wenige morphologische Kategorien aufgeteUt: Die Objekt-Anekdote (Sparsamkeit, die sich durch übertrieben vorsichtigen Umgang mit einer Sache äuJßert), die Gastfreundschafts-Anekdote (Geizhals kommt in den Zwang, Gast¬
freundschaft zu zeigen, und sucht sich dem irgendwie zu entziehen), die Täter- Opfer-Anekdote (der Geizhals spart auf Kosten eines anderen), die Kollektiv- Anekdote (ganze Gruppen von Geizhälsen sind gleichzeitig Täter und Opfer) , die Bahil'Opfer-Anekdote (Geizhals wird zum Opfer seines Geizes) und die Predigt- Anekdote (Geiz äußert sich in verbalen Bekenntnissen).
Unterschiede zwischen den beiden Werken zeigen sich in der verschieden gro¬
ßen Repräsentation und auch in der unterschiedlichen Ausgestaltung dieser
Kategorien. Die Zahl der beiden Werken gemeinsamen Kategorien beträgt vier
(die Predigt-Anekdote kommt bei al-Hatib praktisch nicht vor) ; davon ist der Aufbau der Täter-Opfer-Anekdoten gleich. Bei den übrigen drei Kategorien
(Objekt-, Gastfreundschafts- und BahU^Opfer-Anekdoten) gibt es Unterschiede:
In allen drei Kategorien ist bei al-Hatib eine Tendenz zu einer abstrakten, nicht
körperlichen Handlung und zur Vermeidung von Listen zu beobachten, eine
Tendenz zu einer mehr psychologischen DarsteUung der geizigen Handlungs¬
weisen und folglich einem Schwerpunkt auf der emotionalen Reaktion des Geiz¬
halses (S. 104). Einen Grund dafiir nennt die Verfasserin nicht, obwohl sich das Phänomen vieUeicht erklären läßt. Die Tatsache, daß etwa die Hälfte der „Anek¬
doten" bei al-IJatib voUständig aus Poesie besteht (so die Verf. auf S. 101), wird dabei eine RoUe spielen. Das läßt sich vieUeicht am ehesten an einem konkreten Beispiel wahrscheinlich machen. In der Gastfreundschafts-Anekdote bei al-öä-
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hi? kann der, der sich unangenehmerweise in die Rolle des Gastgebers gestellt sieht, seine Pflicht zur Gastfreundschaft nicht einfach verweigern, sondem muß zu einer List greifen. Bei al-^Jatib kommt es schon einmal vor, daß der Geizhals eine Bewirtung mndheraus ablehnt. Die von al-Hatib so häufig zitierte Poesie ist nun im wesentlichen hi^ä', also Poesie, die es darauf anlegt, in wenigen Zeilen jemand anderem eins auszuwischen. Zu behaupten, daß jemand das „hospitality taboo" verletzt habe, gehört zu den Standardmitteln des hi^ä' von den ältesten Zeiten an. Ob dieser Erklämngsversuch zutrifft, müßte relativ leicht festzustel¬
len sein. Die poetischen „Anekdoten" müßten dann die oben als allgemein Ha- tibsche Tendenzen bezeichnete Eigenheiten in höherem Maße aufweisen als die
Prosastücke bei al-Hatib. Eine andere Beobachtung im Vergleich beider Kor¬
pora ist, daß al-öähi? die Möglichkeit, den Geizhals in den verschiedenen über¬
haupt denkbaren Situationen vorzufuhren, systematischer ausschöpft als al-^Ia- tib. Hier gibt die Verf. eine — wie ich meine — überzeugende Erklämng. Al-öähi?
war ein philosophisch gebUdeter Autor, der seine Anekdoten selbst formulierte und gestaltete (S. 106-107, auch 49), während der muhaddit ai-ljatih sein Mate¬
rial zusammentmg, aber nicht formte. — Schwer naehzuvollziehen ist der Ver¬
such der Verf, eine Korrelation zwischen den oben aufgezählten Unterschieden
in der Ausgestaltung der einzelnen Kategorien bei beiden Autoren und dem
AnteU dieser Kategorien am jeweiligen Gesamtwerk festzustellen. Sie behaup¬
tet, daß die Objekt- und die Gastfreundschafts-Anekdoten, in denen Kriegslisten ja eine große Rolle spielen, bei al-öähi? die größten Gmppen seien, während sie bei al-Hatib relativ klein seien. Tatsächlich ist bei al-öähi? die Täter-Opfer-
Anekdote mit 25% häufiger als die Gastfreundschafts-Anekdote, die nur 22%
hat; mit 35% ist der AnteU der Gastfreundschafts-Anekdoten bei al-ljatib doch größer als bei al-öähi? (wo sie 22% hat) und auch noch größer als seine Gmppe der Objekt-Anekdoten (32%). (Ich beziehe mich dabei auf die Prozentangaben
aus der Zusammenfassung von S. 102). Richtig ist die Feststellung, daß die
Täter-Opfer-Anekdoten, die nach den Worten der Verf. am wenigsten auf
Kriegslisten aufbauen, bei al-Hatib (mit 41%) die größte Gmppe ausmachen.
Das läßt sich m.E. wiederam mit dem hohen AnteU von Poesie erklären. Die in der Poesie häufig angeprangerten Leute zum Beispiel, die ihre Feuer nachts möglichst klein halten oder ganz löschen, wären laut Definition Inventar einer
„Täter-Opfer-Anekdote". Im übrigen ist man bei den Prozentzahlen fiir die ver¬
schiedenen Kategorien darauf angewiesen, der Verf die Korrektheit ihrer
Einordnungen, die ich mir gelegentlich schwierig vorstelle, zu glauben, wobei es ein leichtes gewesen wäre, in der Konkordanz zwischen Anekdotennummem und Seitenzahlen in den beiden Anhängen durch einen Buchstaben anzugeben,
in welche Grappe jede Anekdote aufgenommen ist.
Stmctures of Avarice ist ungeachtet der oben vorgebrachten Einwände ein
Buch, daß der Beschäftigung mit der arabischen Prosa als Kunstform mit
Sicherheit erheblichen Auftrieb geben wird.
Tilman Sbidenstickeb, Gießen
Bücherbesprechungen
David S. Powers: Studies in Qur'än and Hadith. The Formation of the Islamic Law of Inheritance. Berkeley and Los Angeles: Univ. of Cahfomia Pr. 1986.
XIII, 263 S. ISBN 0-520-05558-6.'
Diese gründliche Arbeit von David S. Powers gehört zu den seltenen, daher
willkommenen Untersuchungen über die frühe Rechtsgeschichte, über die Ent¬
stehung von Rechtsnormen im ersten/zweiten Jhd. d.H., welche teils im Ein¬
klang mit, teils im Gegensatz zu den wenigen Rechtsbestimmungen des Korans sowohl in der hadit- als auch in der Rechtsliteratur auf uns gekommen sind. Der Verf. spricht zunächst von einem „proto-islamic law of inheritance", welches
bereits zur Zeit Muhammad's als die am Koran orientierte Gesetzgebung galt
und als solche das vorislamische Stammesrecht ersetzte, um in der Periode der
„formation of the islamic law of inheritance" die Gmndlagen für den 'Um al- farä'id zu schaffen.
In seinem durchaus logischen Aufbau konzentriert sich das Buch auf die ein¬
schlägigen, zugleich oft umstrittenen, vom fiqh nur teilweise vorbehaltlos akzep¬
tierten Koranverse über das Erbrecht. In diesem speziellen Zusammenhang behandelt der Verf. auch das zentrale Problem von näsih/mansüh mit einer diffe¬
renzierten DarsteUung des hierbei relevanten, bzw. repräsentativen hadit-Mate- rials mit einer kurzen Analyse der asbäb al-nuzül, die — vide er meint — für die
Untersuchung der frühen Jurispmdenz kaum verwendbaren Stoff liefem.
In einem vielversprechenden Auftakt zu seinem Buch bietet der Verf. nicht nur eine neue Lesart von Sur. 4,12, sondern auch eine Neuinterpretation des umstrittenen Begriffes kalälatun im genannten Vers. Er liest: wa-in käna ratlun
' In dieser Besprechung werden die folgenden Werke abgekürzt zitiert:
Abbott, Nabia : Studies in Arabic Literary Papyri. II: Qur'änic commentary and tradition. Chicago 1964
Abü Ya'lä : Musnad. Bd. 1. Ed. Husain Sälim Asad. Beimt/Damas-
kus 1984
al-Baihaqi : al-Sunan al-kubrä. Bd. 6. Haidarabad 1352 H.
Ibn Hagar : Tahdib al-Tahdib. Haidarabad 1325 H.
ders. : Fath al-bäri bi-Sarh al-Buhäri Ed. Muhammad Fu'äd
'Abd al-Bäqi und MuyiBB AL-DiN al-IJatib. Kairo
o.J.
Ibn Hanbai : Musrmd. Ed. Ahmad Muhammad Säkir. Kairo 1949-
1956
Ibn Mäga : al-Sunan. Ed. Muhammad Fu'äd 'Abd al-Bäqi. Kairo
1952
Mälik b. Anas : al-Muwafta'/Riwäyat Yahyä b. Yahyä. Ed. Muhammad
Fu'äd 'Abd al-Bäqi. Kairo 1951
Muslim b. al-Haggäg: al-Sahih. Ed. Muhammad Fu'äd 'Abd al-BäqI. Kairo
1955
al-Säfi*i : Kitäb al-Umm. Büläq 1321 H.
Sahnün b. Sa'id : al-Mudawwana al-kubrä. Kairo 1323 H.
al-Tirmidi : al-öämi' al-§ahih. Bd. 3. Ed. Muhammad Fu'äd 'Abd
AL-BÄQi. Kairo 1937
Wright, W. : A Grammar of the Arabic Language. Bd. 1. Cambridge
1971"
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