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■ Problematisches Lithium

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B R E N N P U N K T

20 Physik Journal 13 (2014) Nr. 10 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

D

er Urknall gilt heute zwar als allgemein akzeptiertes Modell zur Entstehung des Universums, bis in die 1970er-Jahre war es je- doch sehr umstritten. So prägte der britische Astrophysiker Sir Fred Hoyle die Bezeichnung „Big Bang“

nur, um den Ansatz, das Uni- versum sei aus einem singulären Ereignis entstanden, lächerlich zu machen. Die Wende brachten erst Beobachtungen, insbesondere der 3-K-Hintergrundstrahlung durch Wilson und Penzias, die sich als Nachhall des Urknalls interpre- tieren lässt. Weitere Hinweise auf die erste Phase des Urknalls lie- fern die Inhomogenitäten in der Hintergrundstrahlung, die durch die Satelliten COBE und WMAP vermessen wurden. Ein drittes wichtiges Indiz ist die Produktion der ersten leichten, „primordialen“

Elemente von Helium bis Lithi- um, die im rasch expandierenden Universum zwischen der dritten und zehnten Minute in einer Folge schneller Fusionsprozesse zwischen Protonen und Neutronen entstan- den sind. Danach war die Dichte so weit gesunken, dass die Teilchen entkoppelten und keine weiteren Kernreaktionen mehr stattfinden konnten. Da in der Natur keine stabilen Atomkerne mit Masse 5 und 8 existieren und Dichte und Temperatur für komplexere Kern- reaktionen zur Überbrückung dieser Lücken nicht ausreichen, war die Synthese schwererer Elemente in dieser Phase weitgehend unter- drückt. Erst 400 Millionen Jahre nach dem Big Bang war die Dichte in Sternen der ersten Generation hoch genug, damit diese schwerere Elemente wie Kohlenstoff und Sau- erstoff produzieren konnten.

Die beobachteten Häufigkeiten der primordialen Isotope 1H, 2H,

3He, 4He sowie 6Li und 7Li gelten als wichtiges Indiz für die Verläss- lichkeit der Big-Bang-Theorie und werden zur Bestimmung der Dichte von Materie (Baryonen) im Uni- versum genutzt. Die Vorhersagen

zu ihrer Entstehung im kosmolo- gischen Standardmodell hängen nicht nur von den Annahmen zu Dichte und Temperatur im sich rasch ausdehnenden frühen Uni- versum ab, sondern insbesondere auch von der genauen Kenntnis der Fusionsreaktionen bei diesen Be- dingungen (Abb. 1). Entsprechende Rechnungen ergeben zwar konsis- tente Resultate für die Wasserstoff- und Heliumisotope, aber starke Dis- krepanzen zwischen vorhergesagten und beobachteten Häufigkeiten der beiden Lithium-Isotope 6Li und 7Li.

Dieses „Lithium-Problem“ hat das französische Astronomen-Ehepaar Monique und FranÇois Spite zum ersten Mal aufgrund der beobach- teten Lithiumhäufigkeiten in alten („metallarmen“) Sternen unserer Galaxis postuliert [1], bevor andere Messungen und Beobachtungen es bestätigt haben. Demnach wird viermal weniger 7Li beobachtet als vorhergesagt, aber tausendmal mehr 6Li, was weitgehende Diskus- sionen über die Implikationen für das Standardmodell nach sich zog [2].

Bevor man jedoch grundsätz- liche Annahmen über die Gültig- keit eines Modells infrage stellt,

sollte man die messbaren Parame- ter überprüfen. Die wichtigsten sind hier die Reaktionsraten der verschiedenen Kernprozesse, die zum Aufbau von 6Li und 7Li führen.

Dazu gilt es, die Instabilitätslücke bei Masse 5 mit Fusionsreakti- onen zwischen Wasserstoff- und Helium-Isotopen zu überbrücken.

Gegenwärtig basieren die Modell- rechnungen auf den Reaktionen

2H(α,γ)6Li sowie 3He(α,γ)7Be mit nachfolgendem 7Be-Zerfall als die wichtigsten Quellen für 6Li und 7Li (Abb. 2). Hinzu kommen andere Pro- zesse wie 3H(3He,γ)6Li, 3H(α,n)6Li oder 3H(α,γ)7Li für 6Li bzw. 7Li, die allerdings bedingt durch den Mangel an Tritium (3H) wesentlich schwächer sind [3]. Die Reaktions- raten hängen von der eigentlichen Stärke der Reaktion, also dem Wir- kungsquerschnitt, und der Häufig- keit der fusionierenden Isotope ab.

Die Wirkungsquerschnitte von

2H(α,γ)6Li und 3He(α,γ)7Be waren für die Energien, die den Tempe- raturen in den ersten Minuten ent- sprechen, weitgehend unbekannt und basierten nur auf theoretischen Vorhersagen. Da die Wirkungs- querschnitte extrem niedrig sind, ist eine verlässliche Messung unter

Abb. 1 Im Standard-Big-Bang-Modell haben sich die primordialen Isotopen- häufigkeiten in den ersten zehn Minuten des Universums sehr unterschiedlich

entwickelt. Die Häufigkeit von 6Li sollte um einen Faktor 4000 kleiner sein als die von 7Li und deswegen unterhalb der Beobach tungsgrenze liegen.

Problematisches Lithium

Erstmals gemessene Wirkungsquerschnitte bestätigen die Diskrepanz zwischen vorhergesagten und beobachteten Lithiumhäufigkeiten bei der primordialen Nukleosynthese.

0

–5

–10

0 1

H

4He

D

3He

7Be

7Li

6Li

3H n

2 3 4

log (Massenanteil)

log (Zeit in Sekunden)

Prof. Dr. Michael Wiescher, Depart- ment of Physics, University of Notre Dame, Notre Dame, IN 46556, USA

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B R E N N P U N K T

© 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 13 (2014) Nr. 10 21 Laborbedingungen in Beschleuni-

ger-Experimenten sehr schwierig, denn der von der kosmischen Strahlung hervorgerufene starke Untergrund behindert den Nach- weis der emittierten γ-Strahlung.

Erst im vergangenen Jahr wurde die Reaktion 3He(α,γ)7Be erstmals verlässlich über einen weiten Ener- giebereich gemessen und theore- tisch interpretiert. Dadurch ließ sich die zugehörige Unsicherheit bei der 7Li-Produktion erheblich re- duzieren [4]. Nun ist es am LUNA- Beschleuniger im italienischen Gran-Sasso-Labor gelungen, auch die Reaktion 2H(α,γ)6Li zu vermes- sen [5]. Das Labor liegt tief unter der Erde in einem Autobahntunnel, wobei das fast 2000 m hohe Gran- Sasso-Massiv als Abschirmung für die kosmische Strahlung dient.

Trotz der starken Abschirmung der Detektoren war der γ-Untergrund immer noch erheblich höher als das γ-Signal von der Kernreaktion.

Die Auswertung erforderte des- wegen eine komplexe statistische Analyse des gemessenen Gamma- Spektrums, um signifikante Aussa- gen über den Wirkungsquerschnitt machen zu können. Die Ergebnisse bestätigen die bisherigen theore- tischen Vorhersagen zum Wir- kungsquerschnitt und reduzieren gleichzeitig die kernphysikalischen Unsicherheiten, die nun noch in

den Raten der verschiedenen Ab- baureaktionen der beiden Lithium- Isotope bestehen. Das Lithium-Pro- blem bleibt somit bestehen, seine grundsätzliche Lösung könnte aber auch woanders liegen.

Auch wenn über den Einfluss von Elementarteilchen oder auch Dunkler Materie auf die Prozesse zur Lithium-Produktion spekuliert wurde [6], deuten Beobachtungser- gebnisse von Lithium-Häufigkeiten im interstellaren Staub von metall- armen Galaxien wie der kleinen Magellanschen Wolke auf andere Erklärungen hin. Die dort vor- handenen 7Li-Häufigkeiten stim- men gut mit den Vorhersagen des kosmologischen Standardmodells überein [7]. Für die Abweichungen in den stellaren Häufigkeiten könnten deswegen wohl auch bis- lang nicht klar identifizierte stellare Nukleosynthese-Prozesse in der ersten Generation von Sternen ver- antwortlich sein, da diese, bedingt durch ihren primordialen Kern- brennstoff, anders brennen müssten als heutige Sterngenerationen.

*

Vielen Dank für Diskussion und nützliche Hinweise gehen an Brian Fields von der University of Illinois, Urbana Champaign, und Frank Strieder von der South Dakota School of Mines and Technology.

Michael Wiescher

[1] M. Spite und F. Spite, Nature 297, 483 (1982)

[2] B. D. Fields, Ann. Rev. Nuclear Particle Sci. 61, 47 (2011)

[3] M. S. Smith, L. H. Kawano und R. A.

Malaney, Astrophys. J. Suppl. 85, 219 (1993)

[4] A. Kontos, E. Uberseder, R. deBoer, J.

Görres, C. Akers, A. Best, M. Couder und M. Wiescher, Phys. Rev. C 87, 065804 (2013)

[5] M. Anders et al. (LUNA Coll.), Phys.

Rev. Lett. 113, 042501 (2014)

[6] R. H. Cyburt, J. Ellis,B. D. Fields, F. Luo, K. A. Olive und V. C. Spanos, J. of Cosm.

& Astropart. Phys. 5, 14 (2013) [7] J. C. Howk, N. Lehner, B. D. Fields und

G. J. Mathews, Nature 489, 121 (2012)

Abb. 2 Zum Aufbau der primordialen Isotope nach dem Urknall trägt ein komplexes Reaktionsnetzwerk bei.

7Be

6Li 7Li

(4He, γ)

(4He, γ)

4(He, n) (d, γ)

(3H, γ) (p,

4He)

(p, 4He)

4He

p (n, γ) t (p, γ)

(p, γ)

(d, n) (d, n)

(d, p)

(d, p) (n, p)

(n, p)

d

n

3He

F

ür Mikroorganismen ist es lebensnotwendig, sich an äu- ßeren Feldern zu orientieren – eine Eigenschaft, die man „Taxis“ nennt.

So können Bakterien entlang eines chemischen Gradienten schwim- men und damit ihre Nahrungs- aufnahme verbessern (Chemo- taxis). Sie verwenden dazu auf molekularer Ebene einen Sensor für die Stoffkonzentration. Andere Mikroorganismen, wie Algen oder Pantoffeltierchen, schwimmen gegen die Gravitation nach oben (negative Gravitaxis), wo sie eben- falls ein besseres Nahrungsangebot,

mehr Sauerstoff oder mehr Licht für die Photo synthese vorfinden.

Allerdings ist derzeit immer noch unklar, ob die Mikroorganismen einen speziellen Sensor für die Richtung des Gravitationsfeldes besitzen. Rein physikalische Prin- zipien reichen eigentlich schon aus, damit sie den Weg „nach oben“

finden [1].

In einer Zusammenarbeit von Experiment und Theorie haben sich Forscher um Clemens Bechin- ger (Stuttgart) und Hartmut Löwen (Düsseldorf) mit einem dieser phy- sikalischen Prinzipien genauer be-

schäftigt und kürzlich gezeigt, dass die Form eines Mikro schwimmers maßgeblich sein Schwimmverhal- ten im Gravitations feld beeinflusst [2]. Insbesondere demonstrieren sie sehr eindrucksvoll die negative Gravitaxis mit einem formanisotro- pen Schwimmer in Gestalt eines L.

Künstlich fabrizierte Mikro- schwimmer haben den Vorteil, dass man ausgeklügelte Sensoren für das Schwerefeld ausschließen kann. Ihr Verhalten ist daher mit rein physikalischen Mechanismen zu erklären. Zudem erlauben es künstliche Mikroschwimmer auch,

Die Körperform macht‘s

Formanisotropie kann für die Orientierung von Mikroorganismen im Gravitationsfeld sorgen.

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