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Archiv "Fehlverhalten in der Wissenschaft: Kurze Schockstarre" (03.10.2008)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 40⏐⏐3. Oktober 2008 A2063

S E I T E E I N S

D

erzeit wird in Deutschland über einen Fall mögli- chen Fehlverhaltens diskutiert: In Studien unter Leitung des inzwischen emeritierten Professors Dr. med.

Hans Beger (Ulm) sollen Daten gezielt zugunsten eines Präparats namens Ukrain®bewertet worden sein, schreibt

„Der Spiegel“ (Nr. 39/2008, S. 144). Das Magazin be- zieht sich auf einen vorläufigen Inspektionsbericht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Die Universitätsklinik hat Versäumnisse bei der Durch- führung klinischer Studien mit Ukrain eingeräumt. Das Mittel soll gegen Krebs wirken. Schon 2001 hatten die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und die Deutsche Krebsgesellschaft von der Anwendung des in Europa nicht zugelassenen Präparats abgeraten.

Wie immer der Fall ausgehen mag: Fehlverhalten in der Wissenschaft ist längst nicht so selten, wie viele Forscher, Förderer oder Arbeitgeber gern glauben möchten. Auf 1 000 Wissenschaftler in den USA kom- men pro Jahr 15 Fälle schweren Fehlverhaltens, wie das Erfinden oder Manipulieren von Daten und grobe Ver- letzungen geistigen Eigentums. Dies ist eine sehr kon- servative Schätzung aus einer anonymen Umfrage unter 4 298 Wissenschaftlern, von denen die Hälfte geantwor- tet hat. 8,7 Prozent von ihnen hatten in den letzten drei Jahren mindestens ein gravierendes Fehlverhalten in der eigenen Abteilung beobachtet, davon wurden 37 Prozent nicht gemeldet (Nature 2008; 453: 980–2). Die aufgedeckten Fälle seien also nur die Spitze eines Eis- bergs, stellen die Autoren fest.

„Die Größenordnung schweren Fehlverhaltens dürf- te in Deutschland ähnlich sein“, meint Prof. Dr. phil.

Ulrike Beisiegel, Sprecherin des Ombudsgremiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Beziehe man minderschweres Fehlverhalten beim Zitieren, bei Angaben zu Autoren oder schlechte Betreuung von Mit- arbeitern ein, verletzten vermutlich jährlich zehn Pro- zent der Forscher die gute wissenschaftliche Praxis. Es gebe aber keine konkreten Zahlen. Beim Ombudsgre- mium der DFG gehen jährlich circa 50 Hinweise ein.

Bei etwa der Hälfte werde ein Verfahren eingeleitet, meist bestätige sich der Verdacht, sagt Beisiegel.

Medizin und Biowissenschaften scheinen besonders anfällig für Fehlverhalten zu sein, wie sich 2007 bei der

„Europäischen Konferenz für integres Verhalten in der Wissenschaft“ in Lissabon bestätigte. Die Gründe: För- dermittel fließen kräftig, Hierarchien sind oft ausge-

prägter als in anderen Bereichen, es gibt einen extremen Zeitdruck, und kleine methodische Unterschiede bei Zellkultivierung, Tierversuchen oder klinischen Studi- en lassen sich oft schwer nachvollziehen.

Zur Verantwortung zu ziehen ist immer der, der Feh- ler macht. Die Reputation der Universität Ulm würde nicht schon dadurch beschädigt, dass möglicherweise ein Universitätsmitglied unredlich war, sondern nur, wenn jetzt der Fall nicht rasch aufgeklärt und die Ergeb- nisse transparent gemacht würden. Allgemein aber ver- wundert es, wie kurz die akademische Schockstarre oft nur währt, wenn grobes Fehlverhalten nachgewiesen wird. Die meisten Forscher in den USA fühlten sich be- züglich finanzieller Förderung und Reputation zwei bis drei Jahre nach Aufdecken ihres Fehlverhaltens reha- bilitiert, berichteten sie in Interviews für eine Studie (Science 2008; 321: 775). Es wäre gut, wenn sich die zuständigen Gremien und Fachgesellschaften, auch in Deutschland, über Sanktionierungen zumindest einig würden. Ebenso wichtig aber wie der Umgang mit dem Fehlverhalten Einzelner ist es, Strukturprobleme anzu- gehen, die das Verhalten begünstigen: die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis mit den entsprechen- den Verhaltenskodizes, wie sie die DFG-Richtlinien ge- ben, fest in die Ausbildung zu integrieren und deutlich zu machen, dass das Beschönigen von Daten kein Ka- valiersdelikt ist. Hinweisgeber sollten nicht als Nest- beschmutzer gelten, zumal sie selten schlicht denunzie- ren. Und jene, die Wissenschaft fördern, auch die DFG, sollten dazu beitragen, Forschung zu entschleunigen:

Was heute finanziert wird, kann nicht morgen schon pu- bliziert und übermorgen in der Anwendung sein. Präven- tion besteht darin, die strukturellen Probleme zu lösen.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze Medizin- und Wissenschaftsjournalistin

FEHLVERHALTEN IN DER WISSENSCHAFT

Kurze Schockstarre

Nicola Siegmund-Schultze

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