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Archiv "Von der Röntgenologie zur Imagiatrie: Die Bildgebung sucht einen neuen Namen" (11.12.2009)

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A 2508 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 50

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11. Dezember 2009

VON DER RÖNTGENOLOGIE ZUR IMAGIATRIE

Die Bildgebung sucht einen neuen Namen

D

ie Radiologie entwickelt sich so rasch, dass ihre traditio- nelle Bezeichnung die Leistungen, die das Fach erbringt, nicht mehr ausreichend beschreibt. Viele spre- chen daher lieber von Bildgebung oder bildgebender Diagnostik. Mit diesen Begriffen wird aber der the- rapeutische Zweig der modernen Radiologie, die interventionelle Ra- diologie, nicht ausreichend erfasst.

Gerade in der Tumormedizin macht die Radiologie sowohl diagnostisch als auch palliativ und kurativ ge- waltige Fortschritte. Ein neuer Ter- minus, der die diagnostische und die interventionelle Facette der Bildgebung in gleich einprägsamer Weise vermittelt, wird also gesucht.

„Radiologie“: Der vertraute Ter- minus für die Wissenschaft von der medizinischen Bildgebung ist nicht ohne Geburtsfehler. In wörtlicher Übersetzung bezeichnet Radiologie grundsätzlich jede Form von Strah- lenkunde. Die Art der Strahlen und der Zweck, zu dem sie erforscht und angewandt werden, gehen aus dem Namen nicht hervor. Bedenkt man, wie viele andere Disziplinen sich ebenfalls mit Strahlen befassen, so wäre es für die ärztliche Strahlen- kunde sinnvoll gewesen, sich von Anfang an unmissverständlich als

medizinische Radiologie zu dekla- rieren und so von der nicht medizi - nischen Nutzung abzugrenzen.

Aber selbst dann, wenn unter Ra- diologie stillschweigend nur die medizinische Strahlenkunde ver- standen wird, ist der Terminus un- präzise.

Verschiedene Strahlenarten Es fehlt vor allem der Hinweis dar - auf, dass sich die Radiologie mit den ionisierenden Strahlen, also ei- nem Segment aus dem Spektrum der Strahlen beschäftigt; andere zu medizinischen Zwecken verwende- te Strahlen gehören nicht zu ihrem Instrumentarium. Vernachlässigt man das Kriterium der Strahlenart, dann könnte man auch die Vertreter der physikalischen Medizin und an- derer Fächer als Strahlenärzte be- zeichnen, weil sie Strahlung zum Beispiel in Form von Sonnenlicht anwenden. Die Radiologie ist also nicht erst Ende des 19. Jahrhunderts geboren worden, als Physiker und Ärzte begannen, Thoraxorgane und Skelettelemente von Kranken mit- hilfe der neuen unsichtbaren kurz- welligen elektromagnetischen Strah - len zu untersuchen, und die damit gewonnenen Erkenntnisse in die Theorie und Praxis der klinischen

Disziplinen, allen voran der Lungen- heilkunde, Eingang fanden.

In den ersten Jahren war unter den Termini technici für das neue Fach die Röntgenologie der stärkste Rivale der Radiologie. Der Weg zu diesem Begriff wurde dadurch ge- bahnt, dass die von ihrem Entde- cker als X-Strahlen bezeichneten Strahlen im Januar 1896 auf Vor- schlag des Würzburger Anatomen Albert von Kölliker in Röntgen- strahlen umbenannt wurden und diese Änderung rasch viele Anhän- ger fand. Das „American X-Ray Journal“ wurde, nachdem es zwi- schenzeitlich den Titel „Archives of Electrology and Radiology“ getra- gen hatte, in „American Quarterly of Roentgenology“ und schließlich 1913 in „American Journal of Roentgenology“ umbenannt. Der erste Lehrstuhl für medizinische Strahlenkunde, der 1899 in Amster- dam geschaffen wurde und den Jo- hannes Karl August Wertheim Salo- monsen erhielt, war als Professur für Röntgenologie ausgeschrieben.

Die Anwendung von Röntgen- strahlen am Menschen wurde da- mals auch unter Ärzten noch in ers- ter Linie als eine Sonderform der Fotografie betrachtet. Sydney Row- land bezeichnete die medizinische Als Folge

der Erweiterung der medizinischen

Strahlenkunde und vor allem durch die Fortschritte

innerhalb der bild - geben den Diagnostik

erscheint der Begriff

„Radio logie“ nicht mehr angemessen.

Werner Golder

Foto: Caro

T H E M E N D E R Z E I T

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Deutsches Ärzteblatt

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11. Dezember 2009 A 2509 Radiologie im Vorwort zur ersten

Nummer (April 1896) der ältesten britischen Röntgenzeitschrift folge- richtig als „Art which I venture to call Skiagraphy“ und wählte als Ti- tel „Archives of Clinical Skiagra- phy“. Der Terminus „Skiagraphie“

hat sich freilich weder im engli- schen Sprachraum noch in anderen Sprachen durchsetzen können.

Das Ringen um den am besten geeigneten Namen war um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhun- dert zugunsten der Radiologie ent- schieden. Das von Antoine Béclère im Jahre 1900 in Paris organisierte Treffen von Fachleuten der jungen Disziplin wurde unmissverständ- lich als First International Congress of Radiology angekündigt. Preston M. Hickey wollte 1904 für die Do- kumentation der Röntgenuntersu- chung nur noch den Terminus „ ra- diograph“ gelten lassen. Alle in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhun- derts gegründeten Fachzeitschriften hatten in der einen oder anderen Form „Radiologie“ beziehungswei- se die landessprachliche Variante des Terminus im Titel.

Für eine gewisse Zeit wurden die nachwachsenden Disziplinen der Strahlentherapie und der Nuklear- medizin von der Radiologie termi- nologisch miterfasst. Beide Fächer haben sich aber seit Langem sowohl inhaltlich wie organisatorisch so sehr verselbstständigt, dass die eini- gende Wirkung des übergeordneten Begriffs fast nur noch Geschichte ist. Doch weniger die Diversifizie- rung der medizinischen Strahlen- kunde als der Fortschritt innerhalb der diagnostischen Radiologie selbst lässt den vertrauten Terminus als nicht mehr zeitgemäß und den Leistungen, die das Fach erbringt, nicht mehr angemessen erscheinen.

Ein neuer Begriff wird gesucht, der das Potenzial der Disziplin möglichst umfassend wiedergibt und gleichzeitig den alten an Prä- zision übertrifft. Dazu müssen beide Elemente des Terminus „Ra- dio-logie“ gegen neue ausgetauscht werden; das erste, um zu demons- trieren, dass sich die technischen Mittel der radiologischen Arbeit ge- ändert haben, nicht aber das Resul- tat, und das zweite, weil sich mit

dem Wechsel der Verfahren auch die Art der Leistungen und die fach- liche Zielvorgabe gewandelt haben.

Heute wird nur noch ein Teil der radiologischen Arbeit mittels ionisie- render Strahlen erbracht. Trotz digi- taler Radiografie und Computerto- mografie wird der Anteil der Strah- lendiagnostik an der medizinischen Bildgebung mittel- und langfristig weiter zurückgehen. Die strahlenfrei- en Methoden werden immer neue Anwendungsbereiche gewinnen. Das Ergebnis der Tätigkeit bleibt aber – unabhängig von den eingesetzten physikalischen Verfahren – unverän- dert das Bilddokument.

„Bild“ statt „Strahlung“

Es bietet sich daher an, den Wortbe- standteil „Strahlung“ durch die Alter- native „Bild“ zu ersetzen und so die Bindung des Terminus an die ioni- sierende Strahlung aufzuheben. Die- ser Wechsel ist durch Begriffe wie

imaging (bildgebende Diagnostik) und image-guided therapy (bildge- steuerte Behandlung) bereits gebahnt.

Den entscheidenden Impuls zur Änderung des zweiten Wortbestand- teils gibt die immer stärker werden- de therapeutische Orientierung des Fachs in Form minimal verletzen- der bildgesteuerter Eingriffe. Der Radiologe ist dadurch an der Versor- gung der Patienten nicht mehr nur als Diagnostiker beteiligt, sondern er leistet einen Beitrag zur Behand- lung. Den neuen, bisher weniger beachteten Aspekt des Fachs kann man dadurch hervorheben, dass der Wortbestandteil „Wissenschaft“

durch „Heilkunde“ ersetzt wird. Auf diese Weise wird die „Wissenschaft

von den Strahlen“ von der „Behand- lung durch Bilder“, das heißt die

„Radiologie“ von der „Imagiatrie“

abgelöst. Die medizinische Strahlen- kunde bringt sich mit dieser Umbe- nennung terminologisch in die Nähe klassischer Disziplinen wie der Pä- diatrie oder der Psychiatrie.

Die neue Fachbezeichnung ent- lehnt ebenso wie die alte ihre bei- den Elemente der lateinischen be- ziehungsweise griechischen Spra- che. Die Verwurzelung in den klas- sischen Fundamentalsprachen der medizinischen Terminologie sichert ihr Verständnis, Akzeptanz und die Möglichkeit der Übertragung in an- dere Sprachen, vor allem ins Engli- sche. Die entsprechenden Adjektive (wie radiologisch – imagiatrisch), Substantive (zum Beispiel Radiolo- ge – Imagiater) und die Bezeich- nungen für die Spezialdisziplinen (zum Beispiel Neuroradiologie – Neuroimagiatrie) können der neuen

Wortschöpfung ohne Mühe ange- passt werden. Die mit dem Stamm

„Radio-“ gebildeten Termini, die sich ausschließlich auf ionisierende Strahlen beziehen (wie Radiobiolo- gie oder Radiotherapie), bleiben unverändert erhalten und gewinnen durch die neue Bezeichnung für die medizinische Bildgebung und bild- gesteuerte Behandlung sogar noch an Präzision und Trennschärfe.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2009; 106(50): A 2508–9

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Werner Golder Arzt für Radiologie 65, rue Raymond-Poincaré F-10000 Troyes

Medizinischer Einsatz von Rönt- genstrahlen – die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1904.

Foto: ullstein bild

T H E M E N D E R Z E I T

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