Image psychisch kranker Patienten
Unkenntnis und
Negativassoziation
as Ergebnis der Umfrage war niederschmetternd für uns und muß uns zur Selbstreflexion heraus- fordern“, kommentierte Professor Otto Benkert (Mainz) beim Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in Düsseldorf eine Untersuchung zum Image psychischer Krankheiten in der Allgemeinbevölkerung. Anhand von Fallbeispielen waren rund 2 000 west- und ostdeutsche Bürger mit der Thematik konfrontiert worden. Lediglich die Wahn-Symptomatik/Schizophrenie wurde als ein Pro- blem angesehen, das vom Facharzt behandelt werden sollte. Dieser sollte dann nach Meinung vieler der Be- fragten auch „starke“ Psychopharmaka einsetzen oder am besten die Patienten „fixieren“ oder „wegsperren“.
Depressionen und Angstanfälle stufte dagegen die Mehr- heit der Befragten als Befindlichkeitsstörung ein, die man mit Selbsthilfe – Entspannung, Urlaub, Gespräche – in den Griff bekommen kann.
iese Zweiteilung in „gefährlich“ und „harmlos“
und die Schwellenangst vor der nervenärztlichen Praxis wird durch ein erschreckendes Wissensde- fizit verstärkt. Kaum jemand kannte die unterschiedli- chen Aufgabenbereiche von Psychiatern, Psychologen oder Psychotherapeuten. Ihre Informationen hatten die Befragten weitgehend aus den Unterhaltungsmedien be- zogen, und in Erinnerung waren oft nur negative Aspek- te und spektakuläre Ereignisse geblieben, die mit Sucht, Suizid, familiärem/beruflichem Scheitern oder Gewalt- verbrechen einhergingen. Andererseits tragen die Publi- kumsmedien auch das Ihre zu den Vorurteilen bei. Eine Rhetorikanalyse der Berichterstattung zum Thema Psychiatrie von neunzehn Zeitschriften ergab, daß viel häufiger emotionale Stilmittel verwendet wurden als bei Artikeln über Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
en wundert es da, daß auch Psychopharmaka – meist mit „Beruhigungsmitteln“ gleichgesetzt – mit großen Vorbehalten betrachtet werden.
Akzeptiert werden sie bei Wahnsymptomen und als Schutz der Allgemeinheit. Da andere seelische Erkran- kungen als Folge von Konflikten angesehen werden, lehnt man die etablierte medikamentöse Behandlung weitge- hend ab. Für sinnvoller werden Psychotherapie, Natur- heilverfahren oder alternative Methoden gehalten. Das Informationsdefizit der Bevölkerung über psychische Er- krankungen allgemein und über die jahrelangen Bemü- hungen in Richtung einer humanen Psychiatrie im beson- deren sind für Benkert ebenso deprimierend wie die of- fensichtliche „Sprachlosigkeit“ der biologisch-naturwis- senschaftlich orientierten Mediziner im Vergleich zu den
„rhetorischen“ Therapeuten. Gabriele Blaeser-Kiel
A-268
S P E K T R U M AKUT
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(4) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 6, 7. Februar 1997