DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 31 vom 4. August 1977
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Todesfälle
durch Sorbit-Infusionen
Sorbitgaben bei Fruktose-Sorbit-Intoleranz
und bei Fruktose-1,6-Diphosphatasemangel sind lebensgefährlich
Michael Schulte und Widukind Lenz
Patienten mit Fruktose-Sorbit-Intoleranz sind selten. Durch die breite Anwendung von fruktose- und sorbithaltigen Infusionslösungen sind diese Patienten in besonderem Maße gefährdet. Über zwei Todesfälle wird berichtet, da diese Gefahr anscheinend noch nicht ausreichend bekannt ist.
Fruktose-Intoleranz ist eine seltene autosomal-rezessiv erbliche Stoffwechsel- krankheit. Bei Patienten, die an dieser Krankheit lei- den, kommt es im Fall mas- siver Fruktosegabe und nach intravenöser Zufuhr von Sorbit zu Ikterus mit erhöhten Transaminasen, zu Gerinnungsstörungen und zu tubulärer Nierenin- suffizienz. Nach neuesten Erfahrungen sind Patien- ten mit Fruktose-1,6-Di- phosphatase-Mangel in gleicher Weise gefährdet.
Zwei Todesfälle in einer Familie mit Fruktose-Intoleranz, die nach An- wendung sorbithaltiger Infusionslö- sungen aufgetreten sind, veranlas- sen uns, vor Sorbitgaben bei dieser Stoffwechselkrankheit erneut zu warnen.
Die Fruktose-Intoleranz ist eine sel- tene autosomal-rezessiv erbliche Stoffwechselkrankheit, der ein Man- gel des Enzyms Fruktose-1-Phos- phat-Aldolase zugrunde liegt. Bei der erblichen Fruktose-Intoleranz kann Fruktose —, in der Nahrung als Bestandteil des Rohrzuckers (=
Saccharose = Rüben- oder Rohr- zucker) und als Monosaccharid in Fruchtsäften (Obst, Karotten) ent- halten —, nicht verwertet werden.
Fruktose-Zufuhr führt zu Hypophos- phatämie, Hypoglykämie, Fruktos- urie, Bluterbrechen, Koma und Schock.
Bei massiver Fruktosegabe kommt es zu Ikterus mit erhöhten Transami- nasen, Gerinnungsstörungen und tubulärer Niereninsuffizienz. Als Be- lastungstest wird Fruktose in gerin- gen Dosen (oral: 0,5-1,0 Gramm
Fruktose/kg Körpergewicht oder in- travenös: 3-10 Gramm/m 2 Körper- oberfläche) zur Diagnose des Stoff- wechseldefekts gegeben, wobei schwere Reaktionen auftreten kön- nen. Der in manchen Infusionslö- sungen enthaltene Alkohol-Sorbit ist bei Fruktose-Intoleranz lebens- gefährlich, da er vollständig in Fruk- tose umgewandelt wird. Die in der Tabelle aufgeführten Infusionslö- sungen enthalten Sorbit oder Fruktose.
Die Symptome nach intravenöser Zufuhr von Sorbit sind die gleichen wie nach Fruktose. Auch nach Sor- bit kommt es zu einem exzessiven Anstieg von Fruktose-1-Phosphat, das die Freisetzung von Glukose aus Glykogen verhindert und auf Leber- zellen und Nierentubuli toxisch wirkt.
Um diese Gefahr deutlich zu ma- chen, sollte man von Fruktose-Sor- bit-Intoleranz sprechen. Abgesehen von Todesfällen nach Fruktose-Zu- fuhr (1 bis 3) wurden drei Todesfälle
• Textfortsetzung auf Seite 1950
1947
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Tabelle: Infusionslösungen, die Fruktose oder Sorbit enthalten*)
Fruktose Sorbit Fruktose Sorbit
I. Aminosäurelösungen Aminofusin Päd(P) Aminofusin (P) Aminofusin L (P) Aminosteril KE päd (F) Deltaminon (D)
Kristalline L-Aminos.-Lösg.
F Vitrum (Ka)
L-Amino-Omnifundol (Bio) L-Amino-Omnifundol cum alcohole (Bio)
L-Amino-Omnifundol forte (Bio) L-Amino-Omnifundol mite (Bio) Parentamin 3/300 (S-W) Schiwasol F (Schi) Schiwasol FA (Schi) Schiwasol L 600 (Schi) Ami nosol-Fruktose-Aethanol Vitrum (Ka)
II. Kalorische Lösungen Analgofusin (P)
Kalorische Lösung ALX salvia (Boe) Kalorische Lösung spez. salvia (Boe) Omnifundol cum/sine alcohole (Bio)
HI. Kohlenhydratlösungen Fructosteril
Laevulose-Lösung (F) Laevulose-Infusions- Set-Braun (B M) Laevulose-Lösung 5,25% salvia (Boe) Laevulose-Lösung 10% salvia (Boe) Laevulose-Lösung 20% salvia (Boe) Laevuloselösung Biotest 5 u. 10% (Bio)
Sorbit-Lösung 5%-Serag (S-W) Parenteral HL 5 (S-W)
Triofusin 500/1000 (P) IV. Elektrolytlösungen Eufusol LE (Schi) Aequifusine (Ham) Biosteril B (Bio) Biosteril HL 5 (Bio) elomel B salvia (Boa) elomel RS salvia (Boe) Eufusol B (Schi) Eufusol HEL 5, HEL 10, LE 10 (Schi)
Eufusol NS (Schi) Jonosteril Bas (F) Pädisolut (D) Subtolyt (Dub)
Tutofusin B (P)
Tutofusin H L 5/H L 10 (P) Tutofusin NS (P)
Tutofusin OP S (P) Biosteril L 5/L 10 (P) elomel S 5 salvia (Boe) Eufusol (Schi)
Eufusol BK (Schi) Eufusol L 5 (Schi) Eufusol L 10 (Schi) Holofusine mit
Laevulose/Glukose (Ham) Infusions-Set
Sterofundin L-5 (B M) lonaka A/B (Dub) Jonosteril L 5 (F)
Parenteral L 5/L 10 (S-W) Serolyt mit Laevulose (Dub) Tutofusin AZ (P)
Tutofusin Tris (P) Biosteril BAS (Bio) elomel 5 salvia (Boe) Tutofusin Alk (P) Biosteril ASP (Bio) elomel 4 salvia (Boe)
V. Onko- und Osmotherapeutika Gelifundol (Bio)
Schiwadex 40, mit 20% Sorbit (Schi) Schiwadex 40, salzfrei (Schi) Dextran-Lösung 40 salvia mit 20% Sorbit (Boe) Rheomacrodex 10%
mit Sorbit 20% (Kn) Eufusol S 40 (Schi) Tutofusin S 40 (P) VI. Leberschutzlösungen Hepasteril A (F)
Hepasteril B (F) Hepasteril B comp. (F) Hepasteril B comp. forte (F) Hepatosolut-BAS (D) Schiwasol CH (Schi) Schiwasol LS (Schi) Tutofusin LC (P) VII. Sonstige Eufusol PER (Schi)
Vertrieb durch:
(Bio) = Biotest, (B M) = Braun Melsungen, (Boe) Boehringer Ma., (D) = Delta-Pharma, (Dub) = Du- bernard, (F) = Fresenius, (Ham) = Hameln, (Ka) = Kabi, (Kn) = Knoll, (P) = Pfrimmer, (Schi) = Schi- wag, (S-W) = Serag-Wiessner.
*) Quelle: Rote Liste 1974, etwa 80 Lösungen
1948 Heft 31 vom 4. August 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
bei Insektenstichen
20g
Fen stil
• Zur lokalen Behandlung Juckreizes bei Hauterkrankungenbei Sonnenbrand
20 g
Fenistil
•Zur lokalen Behandlung
/
Juckreizes bei Hauterkrebei juckenden Dermatosen
FenistifGel
Immer wenn es juckt und brennt: FenistitGel
Zusammensetzung 100 g Gel enthalten 0,1 g Dimetindenmaleat, Excipientes.
Indikationen
Zur lokalen Behandlung des Juckreizes bei Haut- erkrankungen wie chroni-
ekzem; Urtikaria und andere allergisch bedingte Dermatosen; Insekten- stiche; leichte Verbrennun- gen (1. Grades), Sonnen- brand.
Kontraindikationen Nicht bekannt.
Hinweis
Fenistil ® Gel ist nicht zur Anwendung auf großen, insbesondere entzündeten Hautflächen vorgesehen;
dies gilt speziell für Säug- linge und Kleinkinder.
Dosierung
Mehrmals täglich bei Bedarf dünn auf die betrof- fenen Hautstellen auftragen und leicht verreiben;
normalerweise erübrigt sich ein Verband. Even- tuell notwendige Verbände müssen gut luftdurchlässig
Handelsformen und Preise Tube zu 20 g DM 4,30 Tube zu 50 g DM 8,55 Anstaltspackungen
/A Zyma-Blaes AG
München
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Eine Lebervenenverschlußkrankheit auf toxischer Basis ist nach dem Ge- nuß verschiedener Pflanzenalkaloi- de (Jamaika) sowie nach einer Be- handlung mit Arsphenamin, Urethan und ionisierenden Strahlen bekannt geworden. Außerhalb der Karibik sind diese Leberveränderungen, die auf Pyrrolizidin-Alkaloide von Sene- cio- und Crotalariapflanzen (Busch- tee) zurückgeführt werden, kaum beobachtet worden.
In Großbritannien erkrankte jetzt eine 26jährige Patientin, bei der ein jahrelanger Abusus von Matä (Para- guaytee) bestand, an einer Leber- venenverschlußkrankheit mit Aszites und Hepatomegalie, der sie vier Mo- nate nach Diagnosestellung erlag.
Das Krankheitsbild kann offensicht- lich auch im Rahmen einer Behand- lung einer Leukose mit Zytostatika auftreten. Zwei Patienten waren zu- nächst mit Zytosinarabinosid und später mit 6-Thioguanin behandelt worden, bevor eine vergrößerte druckschmerzhafte Leber, Aszites und ein Kollateralkreislauf beobach-
In einer prospektiven, randomisier- ten Doppelblindstudie wurde der Einfluß einer Antibiotikaprophylaxe bei 400 konsekutiven Elektiveingrif- fen an Magen, Galle und Kolon ana- lysiert. Dabei zeigte sich, daß eine prophylaktische Antibiotikagabe die Rate an Wundinfektionen signifikant zu senken vermag. Vier Behand- lungsschemata wurden angewandt:
3 g Cefazolin vor der Operation, 3 g während der Operation, 3 g nach der Operation und überhaupt kein Anti- biotikum. Durch die präoperative Antibiotikagabe ließ sich die Zahl der Wundinfektionen bei Magen- operationen von 22 Prozent auf 4 Prozent, bei Gallenwegsoperationen von 11 Prozent auf 2 Prozent und bei
tet wurden. Da beide Substanzen auch bei gutartigen Erkrankungen eingesetzt werden, sollte auf diese seltene Komplikation geachtet wer- den. Von Naiman liegen inzwischen 4 weitere Fälle einer Venenver- schlußkrankheit bei Kindern mit akuter myeloischer Leukose vor, die mit 6-Thioguanin und Daunomycin sowie Zytosinarabinosid behandelt worden waren. Ein weiterer Fall konnte unter eine Azathioprinmedi- kation beobachtet werden.
McGee, J. O'D., Patrick, R. S., Wood, C. B., Blumgart, L. D.:
A case of veno-occlusive disease of the liver in Britain associated with herbei tea consump- tion.
J. Clin. Path. 29 (1976) 788-794
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Griner, P. F., Elbadawi, A., Packman, C. H.:
Veno-occlusive disease of the liver alter che- motherapy of acute leukemia. Report of two cases.
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Department of Medicine, University of Roche- ster School of Medicine, Rochester, N. Y.
Marubbio, A. T., Danielson, B.:
Hepatic veno-occlusive disease in a renal transplant patient receiving azathioprine.
Gastroenterology 69 (1975) 739-743
Dickdarmoperationen von 16 Pro- zent auf 6 Prozent senken. Die Gabe eines Antibiotikums postoperativ er- gab eine ähnliche Infektionsquote wie bei den nicht behandelten Pa- tienten (15 bzw. 16 Prozent). Intra- operativ gewonnene Proben von Blut, Eingeweiden, Muskulatur und Fettgewebe ließen wirksame Anti- biotikaspiegel in kontaminiertem Gewebe nachweisen.
Stone, H. Harlan, Hooper, C. Ann, Kolb, Laura, D., Geheber, Carol, E., Dawkins, E. Janelle:
Antibiotic prophylaxis in gastric, biliary and colonic surgery.
Ann. Su rg . 184: 443-452 (1976)
Joseph B. Whitehead Department of Surgery, Emory University School of Medicine, 69 Butler St., S. E. Atlanta, Georgia 30303.
Sorbit-Infusion
• Textfortsetzung von Seite 1947 nach Sorbit-Infusionen (4) mitge- teilt. In einigen Kliniken werden sor- bithaltige Infusionen deshalb nicht mehr verwandt.
In jüngster Zeit wurde auch bei ei- nem Patienten mit einem weiteren Stoffwechseldefekt, dem Fruktose- 1,6-Diphosphatase-Mangel, über ei- nen Todesfall nach Sorbit berichtet (1). Tödliche Wirkung von Fruktose- Zufuhr ist bei diesem Stoffwechsel- defekt ebenfalls bekannt (5).
Man sollte erwägen, Patienten mit Fruktose-Sorbit-Intoleranz und mit Fruktose-1,6-Diphosphatase-Man- gel einen besonderen Paß auszu- stellen, in dem die Stoffe aufgeführt werden, die für sie lebensgefährlich sind.
Literatur
(1) Steinmann, B., und Gitzelmann, R.: Frukto- se und Sorbitol in Infusionsflüssigkeiten sind nicht immer harmlos, Int. J. Vit. Nutr. Res., Suppl. 15 (1976) 289-294 — (2) Gitzelmann, R.:
Diabetische Enteropathie, Hypoglykämien, Ed.
by Belser, F. G., Froesch, E. R., Verlag H. Hu- ber, Bern 1974, Seiten 120-130 — (3) Dubois, R., Loeb, H., Dorns, H. A., Gillet, P., Bartmann, J., et Champenois, A.: HeIv. paediat. Acta 16 (1961) 90 — (4) Heine, W., Schill, H., Tessmann, D., Kupatz, H.: Letale Leberdystrophie bei drei Geschwistern mit hereditärer Fruktoseintole- ranz nach Dauertropfinfusionen mit sorbithal- tigen Infusionslösungen, Dtsch. Gesundh.- Wes. 24 (1969) 2325 — (5) Bakker, H. D., De Bree, P. K., Ketting, D., Van Sprang, F. J., Wad- man, S. K.: Fructose-1,6-Diphosphatase Defi- ciency: Another Enzyme Defect Which Can Present Itseif With The Clinical Features Of Tyrosinosis Clin. Chim. Acta, 55 (1974) 41-47
Anschrift der Verfasser:
Dr. med. Michael J. Schulte Professor Dr. med. Widukind Lenz Institut für Humangenetik
Vesaliusweg 12-14 4400 Münster
FÜR SIE GELESEN
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1950 Heft 31 vom 4. August 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT