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A1624 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 23⏐⏐9. Juni 2006
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anz oben auf der Beliebt- heitsskala für Städterei- sen, kürte das britische Magazin „Elle“ Helsinki zur interessantesten Hauptstadt;für die belgische Zeitschrift
„Feeling“ ist sie gar die schön- ste in Europa. In der Tat: Mit der Wahl als „Europäische Kulturhauptstadt“ im Jahr 2000 beendete die finnische Hauptstadt ihren Dornrös- chenschlaf. Dabei bleibt die Hosentaschen-Metropolis trotz aller Zukunftsorientierung und Kreativität geradezu liebevoll provinziell.
Verkehrsstaus sind hier (noch) unbekannt. Obwohl Helsinki über ein ausgezeich- netes Nahverkehrssystem ver- fügt, wird der überschau- bare Stadtkern sicher und be- quem zu Fuß „erobert“. Soll- te es Fragen geben, helfen die grün gekleideten „Scouts“
gerne weiter. Selbst „geführt“
darf man in Helsinki Un- gewöhnliches erwarten: Ein
„Zeitsprung“ mit historisch gekleideten Guides lädt in das 18. Jahrhundert, und waschechte Hauptstädter zei- gen gerne „ihr“ Bar- und Nachtleben, von der aus Eis-
quadern gebauten Bar im Nachtclub „Uniq“, wo die Drinks bei minus fünf Grad Celsius garantiert kalt sind (es gibt Decken und Stie- fel, um sich selbst warm zu halten), bis zu Helsinkis heißesten Karaoke-Spots. Sie schwingen mit Gästen das Tanzbein zum Country Dance oder zum finnischen Tan- go, dessen Titel wie „Schnee- flocken“ (Lumihiutaleita) und
„Fallende Blätter“ (Syystehdet lentää) Natur, Kultur, Iden- tität und Mentalität wider- spiegeln – das Ganze bei ei- nem traditionell finnischen
„Olvi“-Bier, dem legendären
„Finlandia“-Vodka oder aus Obst und Beeren gekeltertem Wein und Sekt wie „Kaval- jeeri“ oder „Elysée“.
An der Schnittstelle zwi- schen den östlichen und west- lichen Machtsphären gele- gen, haben die 500-jährige gemeinsame Geschichte mit Schweden und die 100-jährige Zugehörigkeit zum russi- schen Zarenreich mit finnisch- schwedischer Zweisprachig- keit und der mit einer wun- dervollen Ikonostase aus- gestatteten Uspenski-Kathe-
drale unübersehbare Spu- ren hinterlassen. Vom einst verschlafenen Holzhausstädt-
chen entwickelte sich Hel- sinki zu einem Architektur- juwel, dessen verschiedene Baustile weiterhin nachvoll- ziehbar bleiben.
Die „Tochter der Ostsee“
ist vom Meer umgeben. Fang- frischer als auf dem Markt- platz Kauppatori kann Mee-
resgetier deshalb kaum an- gelandet werden. Mehr als 50 000 Kilogramm Hering wechseln hier zur „Helsinki Herring Fair“ im Oktober den Besitzer – roh, mariniert, gepökelt, gebraten oder ge- grillt. Der Kauppatori selbst ist das Herz Helsinkis und Open-Air-Theke für saftige Beeren und aromatische Pil- ze, duftendes Brot und rote Tomaten, Rentier-Felle und Jagdmesser. Eingefleischten Helsinkiern ist das fast zu touristisch. Sie schwören auf den mit Bio-Lebensmitteln und umweltfreundlich produ- zierten Waren werbenden Hakaniemi-Markt in einer Ju- gendstil-Halle im Arbeiter- viertel der Stadt.
Über allem jedoch wacht der majestätische Kuppelbau des Doms – kupfergrün und leuchtend weiß. Auf dem mo- numentalen Senatsplatz er- richtete der deutsche Archi-
tekt Carl Ludvig Engel, ein Kommilitone von Schinkel, die Tempel und Paläste für Gott, Geist und Kaiser und schuf ei- nes der weltweit schönsten stil- reinen neoklassizistischen Ge- bäudeensembles.
Helsinkis Flaniermeile Es- planade mit ihren Szene-Cafés
Helsinki
In mediterraner Sommerlaune
Die nördliche europäische Hauptstadt ist nicht kühl, sondern cool; Helsinki setzt neue Maßstäbe.
Helsinkis Esplanade wird straßenseitig zur Flaniermeile und zeigt sich im Innersten als Oase.
Reise
Fotos:Christian Michael
Der grandiose, 1852 fertig gestellte Dom beherrscht den Senatsplatz.
wie dem „Vanha“ oder der al- ten Dame „Café Ekberg“ auf dem Bulevardi ist geradezu prädestiniert für einen guten Einkauf, zumal das Preisni- veau in Finnland in den ver- gangenen Jahren merklich ge- sunken ist. Nicht nur Bekann- tes wie „Marimekko“, „Iit- tala“, „Arabia“ und „Lappo- nia“ ist aufgrund seines zeitlo- sen und funktionalen Designs so aktuell wie eh und je; auch Newcomer von „Lustwear“
bis „IVANAhelsinki“ drän- gen auf den Markt. Helsinkis neuer Design-Distrikt trägt dem Rechnung und vereint Inneneinrichter, Mode-Bou- tiquen, Ateliers, Studios, Gale- rien, Cafés und Restaurants in der Nachbarschaft von Diana- puisto, Punavuori und Espla- nade. Selbst Hotels spielen in der Design-Liga, wie das neue, dem Thema „Finnische Ka- levala-Mythologie“ folgende Boutique-Hotel „Klaus K“.
Was Finnland unter Natio- nalromantik versteht, offen- bart die Jugendstilarchitektur des monumentalen Haupt- bahnhofs. Liebhaber dieses Stils werden an den Stadtteilen Katakanokka und Eira ihren Gefallen finden, während in Käpylä noch immer die tradi- tionelle Holzbauweise leben- dig ist. Ungleich anderen ins Rotlicht-Milieu abgedrifteten Bahnhofsvierteln lockt Helsin- ki mit nationalen Symbolen, vom Nationaltheater bis zum Ateneum, dem besten Kunst- museum der Stadt.An der park- ähnlichen Töölönlahti-Bucht ragt die berühmte, vom finni- schen Design- und Architek- tur-Großmeister Alvar Aalto entworfene und in blendend-
weißem Carrara-Marmor er- richtete Finlandia-Halle auf, Wirkungsstätte des Philhar- monischen Orchesters unter Esa-Pekka Salonen.
Zur Zeit des Helsinki-Festi- vals im August und Oktober ist in der grünen Oase am Festivalzelt ganz Helsinki
„aus dem Häuschen“. Ab dem 1. Mai, wenn mit dem Vappu-Fest ausgelassen der Frühling begrüßt wird, über die Mittsommerfeier bis zur Krebs-Saison, in den langen Sommertagen und hellen -nächten sind die Terrassen der Cafés der Renner, und Helsinkis Nähe zur Natur spielt eine besondere Rolle.
Mehr als die Hälfte der Stadt- fläche besteht aus Wald – da- bei sind Parkanlagen, wie der Central Park und der zu lan- gen Spaziergängen einladen- de Friedhof in Hietamiemi noch nicht einmal mit gezählt.
Einen atemberaubenden Blick über die Stadt erlauben die „Ateljee-Bar“ im Hotel
„Torni“, das Restaurant im zehnten Stock des Sokos Hotel
„Vaakuna“ und die 72 Meter hohe Plattform des Olympi- schen Turms in der Nähe des
Sibeliusparks. Nicht Schwin- delfreie müssen keinesfalls auf berauschende Eindrücke ver- zichten: Eine Fährenfahrt vom Marktplatz zur Seefestung Suomenlinna, die von der UNESCO zum Weltkulturer- be erhoben wurde, erlaubt ei- nen schönen Blick auf das Pan- orama der neoklassizistischen Gebäude am Wasser, auf lu- therische und Uspenski-Ka- thedrale sowie die großen Kreuzfahrt- und Fährschiffe.
Wer Zeit hat, schnappt sich sein Fahrrad oder nutzt als Tourist eines der kostenfreien leuchtend-grünen City-Bikes und radelt entlang der Kü- stenlinie oder entdeckt die finnische Kultur und Ge- schichte im Freilichtmuseum Seurasaari. Möglich ist auch ein Angeltörn in das fischrei-
che Schärenarchipel vor Hel- sinkis Toren oder im Oktober und November gar die Elch- jagd im Nuuksio National- park, wenn 66 000 Tiere erlegt werden müssen, um die Natur vor Schaden zu bewahren.
Wie passend, dass sich deren Fleisch auch auf dem Teller gut macht. Der rustikale Charme im Restaurant „Lappi“ schafft die richtige Atmosphäre für ein Wildgericht oder Rentier- Menü, das neue „Fishmarket“
muss seinen Namen nicht er- klären, während „Saslik“ die Gaumen mit russischer Welt- klasse-Küche erfreut.
Kein Finnland-Aufenthalt ohne Sauna-Besuch. Traditio- nell pflegt im Sörnäinen- Distrikt die gemütliche Koti- harju-Sauna das holzbefeuer- te Stövchen, lockt am Flugha- fen die Kuvsijärvi-Sauna mit exotischem Rauch und Blick aufs Meer, während die Sau- na-Bar in Eerikinkatu – no- men est omen – das Ange- nehme mit dem Nützlichen verbindet und Helsinkis wun- derbar restaurierte Yrjönkatu- Schwimmhalle „nackte Tatsa- chen“ im romantischen Rah- men neoklassizistischer Ar- chitektur schafft.
Dabei darf dann auch der eine oder andere Gedanke den daheim Gebliebenen gewid- met werden: Wählt man als Souvenir die echt finnischen Salmiakbonbons, das schmel- zend-zarte Fazer-Schokola- den-Konfekt oder doch lieber den kultigen Koskenkorva Vi- ina Brännvin? Christian Michael
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Allgemeine Auskünfte:Finnische Zentrale für Tourismus, Lessing- straße 5, 60325 Frankfurt/Main, Telefon: 0 69/50 07 01 57, E-Mail:
finnland.info@mek.fi, Internet: www.visitfinland.de.
Helsinki im Internet: www.hel.fi/450/historia.html, www.hel.fi/
tourism, www.helsinki.net.
Anreise mit dem Flugzeug:Air Berlin (www.airberlin.com) fliegt von Düsseldorf; Blue1 (www.blue1.com) von Berlin-Tegel und Ham- burg; Finnair (www.finnair.com) von Berlin-Tegel, Düsseldorf, Frank- furt, Hamburg, München und Stuttgart; Finncomm (www.fc.fi) von Düsseldorf und Stuttgart; germanwings (www.germanwings.com) von Köln-Bonn sowie Lufthansa (www.lufthansa.de) von Frankfurt und München nach Helsinki.
Anreise mit dem Schiff:Finnlines fährt von Travemünde nach Hel- sinki und Superfast Ferries von Rostock nach Hanko. )
Reise-Tipps
Helsinkis Marktplatz ist das Herz der Stadt und verspricht ein far- benprächtiges Erlebnis.
V A R I A