Hans Werner Henzes im Staatstheater Darmstadt auf- geführte Oper „Elegie für jun- ge Liebende“ ist ein transpa- rentes Zauberspiel. Theater, das die Selbstinszenierung ei- nes skrupellosen Egozentri- kers inszeniert, der sich mit seinen ihm blind ergebenen Jüngern und Jüngerinnen in einen exklusiven Berggasthof in greifbarer Nähe des verei-
sten Hammerhorns zurück- zog, um sich für sein Werk neu inspirieren zu lassen.
Ohne seine „Musen“, oh- ne die alles Ungemach von ihm abhaltende Sekretärin, Carolina von Kirchstetten, ohne den ihm seine täglichen Injektionen verabreichenden Leibarzt Dr. Reischmann, ohne die widerspruchslos fol- gende junge Gespielin seiner alten Tage, Elisabeth, kann Georg Mittenhofers großer Geist nichts „Ewiges“ schaf- fen. Bis eines Tages das „un- präparierte“ wirkliche Leben in Gestalt des Studenten Toni in die Scheinwelt des Mei- sters einbricht: Elisabeth und Toni verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Mittenho-
fer will Großmut walten las- sen, bittet die beiden aber um einen letzten „Liebesdienst“, dessen Erfüllung ihm für sein
„Werk“ unerläßlich er- scheint: ein Strauß Edelweiß von der gefährlichen Ham- merhorn-Wand! Die besorg- te Frage des Bergführers Jo- seph, ob etwa einige seiner Leute unterwegs seien, die man warnen müsse, verneint Mittenhofer: „Nicht, daß ich wüßte“ und gibt damit das Liebespaar dem sicheren Tod preis.
Doch ficht den großen Mann das „Unglück“
kaum an, bringt es ihm doch genau die zur Voll- endung des Werks noch fehlende Inspiration: aus dem Gedicht „Die Lie- benden“ läßt Mittenho- fer über Nacht seine
„Elegie für junge Lie- bende“ werden. Henzes 1961 als Auftragswerk der Schwetzinger Fest- spiele uraufgeführte Oper ist unter Georg Kardos’ feinsinniger Stabführung zu einer weiteren Bereicherung des Darmstädter Spiel- plans geworden. Philippe Ar- lauds vorzügliche Regie un- terstreicht das Absurde des Werks. Hubert Bischof, der mit voluminösem Baßbariton den Dichterfürsten singt und spielt, wartet mit einer neuen Charakterstudie auf, überzeu- gend in theatralischer Pose und in unkontrollierten Aus- brüchen. Sängerisch gleich- falls hervorragend ist Eli- sabeth Hornung als „Jünge- rin“ Caroline, Hans-Joachim Porcher als Doktor Reisch- mann. Stimmlich zufrieden- stellend, doch darstellerisch leider einige Wünsche offen- lassend, agiert das von Doris Brüggemann und Andreas Wagner verkörperte Liebes- paar. Britta Steiner-Rinneberg
A-1829 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 26, 27. Juni 1997 (69)
V A R I A FEUILLETON
Hans Werner Henzes „Elegie“
Der Gigant
und seine Jünger
Gregor Mittenhofer (Hubert Bischof) als skru- pelloser Exzentriker Foto: Cornelia Illius