• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Heinrich Heine: Beweislage weiterhin lückenhaft" (27.03.1998)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Heinrich Heine: Beweislage weiterhin lückenhaft" (27.03.1998)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Heinrich Heine

Zu dem Feuilleton-Beitrag in Heft 1–2/1998 „Heinrich Heines Tod: Ein Winterkrimi“ von Gisela Klinkham- mer:

Unspektakuläre Erklärung

Der aufgeworfene Ge- danke an eine Bleivergiftung ist so abwegig nicht, jedoch ist die mögliche Erklärung weit einfacher und weniger

„kriminologisch“ als eine spektakuläre Mordtheorie.

Es gab seit dem 18. Jahrhun- dert die verschiedensten Mo- defarben (Flohbauchbraun!), die auch bei der Gestaltung der Innenräume Verwen- dung fanden. Eine davon war das sprichwörtlich geworde- ne „bleu mourant“, das ster- bende Blau, das der Volks- mund mit Hell-Lila-Blaßblau treffend umschrieb und das, einer unbewußten Farbpsy- chologie folgend, alsbald nicht nur eine Farbe, sondern auch einen seelisch-körperli- chen Zustand des Unbeha- gens bezeichnete: es war ei- nem ganz „blümerant“ zu- mute. Durch Beimischung des leicht löslichen Bleiweiß oder Kremserweiß, des ba- sischen Bleicarbonats (Blei- hydroxidcarbonat) 2PbCO3• Pb(OH)2 zu blauer Farbe läßt sich eine Farbverbin- dung von hoher Deckkraft und Beständigkeit erzielen.

Allerdings ist diese giftig wie alle Bleiverbindungen, und eine Bleivergiftung entsteht nicht nur durch Aufnahme metallischen Bleis in Form von Rauch, Staub oder Dampf, sondern auch durch Aufnahme organischer oder anorganischer Bleiverbin- dungen durch die Haut oder die Atemwege.

Wir stellen uns vor, daß Heines Schlafraum, seine

„Matratzengruft“, einen mo- dischen Wandanstrich in bleu mourant hatte. Sein Bett, ebenfalls dem Trend der Zeit folgend, stand wandseitig, da das freistehende Schlafmöbel bereits Ende des 18. Jahrhun- derts außer Mode gekommen

oder nur noch bei spätabsolu- tistisch empfindenden Natu- ren in Gebrauch war: so be- stand allnächtlich, tagtäglich die Gefahr und Möglichkeit, durch Abreiben der Wandfar- be bei unwillkürlicher Schlaf- bewegung und durch Einat- men der gelösten Bleiverbin- dung sich im Schlaf und im Wachen zu vergiften.

Eine weitere Möglichkeit zu schleichender, chronischer Bleivergiftung bestand zur damaligen Zeit im üblichen Gebrauch zinnener Haus- haltsgegenstände und -ge- schirre. Zinn selbst ist wohl

„lebensmittelverträglich“, mußte aber wegen zu großer Sprödigkeit bei der Verarbei- tung mit anderen Metallen, in früheren Zeiten vorzugs- weise mit Blei, legiert wer- den. Der Bleigehalt war zwar seit dem späten Mittelalter durch ein Kontrollsystem ge- regelt, doch sehr unterschied- liche obrigkeitliche Vor- schriften ließen auch höhere Bleianteile in den Legierun- gen zu als die gerade noch zulässigen 10 Prozent des Reichs-Probzinns. Die auf vielen Heine-Porträts stark ins Auge fallende blasse Ge- sichtsfarbe wäre also schon durchaus als „Bleikolorit“ im Medizinerjargon zu bezeich- nen, und die in seinem eige- nen Gedicht geschilderten Symptome beschreiben eine chronische Bleivergiftung, abereher eine erworbene als eine von fremder Hand bei- gebrachte. Damit ist für un- ser, bis in den Tod hinein sen- sationslüsternes, Zeitalter der Tod Heinrich Heines zwar von nicht ganz so spek- takulärer, aber wahrschein- lich ähnlicher Art wie der Tod des großen Napoleon, dessen wächserne Blässe auf späten Bildern ebenso auf- fällt wie die Tatsache, daß in seinen Haaren ebenfalls Bleispuren gefunden wor- den sind. Sein Schlaf- und schließlich Sterbezimmer soll auch in jener eleganten, tod- bringenden Modefarbe – bleu mourant – gestrichen ge- wesen sein.

Ute Michaels, Tulpenweg 13, 63755 Alzenau

Beweislage weiterhin lückenhaft

. . . Die Schwachstelle der Hypothese einer Bleiintoxi- kation bleibt die fehlende Antwort auf die Frage, wie das tödliche Gift über 24 Jah- re in Heines Körper gelangte.

Die Forscher räumen selbst ein, daß Lebensgewohnhei- ten oder Umwelteinflüsse, die eine chronische Bleizu- fuhr mit sich gebracht hätten, nicht zu eruieren waren. Sie diskutieren dann eine krimi- nelle Verursachung.

Der einzige Mensch, der in der Lage gewesen wäre, Heine über eine so lange Zeit Gift ins Essen zu mischen, dürfte wohl seine Frau Ma- thilde gewesen sein. Das, was man heute über das Verhält- nis von Heine und Mathilde weiß, ergibt jedoch keine hin- reichenden Anhaltspunkte für derartig finstere Ambitio- nen der Gattin. Außerdem war Heines schwere Erkran- kung natürlich auch eine enorme Belastung für Mathil- de. Vorzeitig ein rasches En- de herbeizuführen wäre für

sie in den letzten Jahren si- cher ein leichtes gewesen.

Mathilde scheidet als Verur- sacherin jedoch vor allem deshalb aus, weil Heine sie erst 1834, also zwei Jahre nach Auftreten der ersten Krankheitssymptome, ken- nenlernte. Die Heirat erfolg- te erst 1841.

Solange also die Frage nach dem „Wie?“ der vermu- teten Bleiintoxikation nicht befriedigend beantwortet wird, bleibt die Beweislage im

„Winterkrimi“ trotz neuer In- dizien noch immer lücken- haft. Eine Lues in Form einer Tabes dorsalis, wie sie früher vermutet wurde, wäre mit den geschilderten Sympto- men gut vereinbar und er- scheint daher weiterhin als ei- ne mögliche Todesursache.

Die amyotrophe Lateral- sklerose hingegen, die in jüngster Zeit ebenfalls in Be- tracht gezogen wurde, kann man aufgrund der frühen und ausgeprägten Augensympto- matik ausschließen.

Dr. med. Ekkehard Schön- brunn, Kardinal-Bertram- Straße 39, 31134 Hildesheim

Medizinethik

Zu dem Beitrag „Medizinethik in der Berufsordnung“ von Prof. Dr. med.

Christoph Fuchs und Thomas Gerst in Heft 43/1997:

Dem Orwell-Staat näher gekommen

Die Herren Fuchs und Gerst haben die Fortschritte in der schriftlichen Ausfor- mulierung ethischer Verhal- tensregeln in der Berufsord- nung seit dem 19. Jahrhun- dert bis heute dargestellt. Die Autoren vergaßen aber den Hinweis, daß damit keine bessere Ethik auf den Weg gebracht ist. Im Gegenteil!

Sie spiegeln den Mangel an innerer Ethik. Es ist nicht Fortschritt, sondern Notwehr.

Im gleichen Heft ein Be- richt aus den USA. Alle Ärz- te sind verpflichtet, Hinweise von Patienten auf sexuelle Übergriffe von Kollegen „in- nerhalb von zehn Tagen“ an-

zuzeigen. Eine amtliche Wei- sung zur Denunziation! Wo bleibt der Aufschrei unserer Standesorganisationen? Ge- setze, Verordnungen und Richtlinien helfen wenig, wenn Charakter gefordert ist.

Im inzwischen Jedermannbe- ruf des Mediziners gibt es nun zu viele, die den Anforderun- gen und Versuchungen cha- rakterlich nicht gewachsen sind.

Paracelsus lehrte noch, Liebe sei unter den Heilmit- teln das größte. Der US-Stu- dent muß nun lernen, woraus ihm ein Strick sexuellen Mißbrauchs gedreht werden kann. Und der Kläger kann damit viel Geld machen. Was bleibt dem jungen Arzt, er wird Medizintechniker.

Und wir alle sind dem Or- well-Staat wieder ein paar Schritte näher gekommen, und keiner hat es gemerkt.

Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich W.

Dold, Mercystraße 44, 79100 Freiburg

(2)

Tuberkulose

Zu dem Beitrag „Keine Entwarnung“

von Dr. Harald Clade in Heft 4/1998:

Wissenschaftliche Erkenntnisse beachten

Herr Dr. Clade hält die Nichtbeachtung der WHO- Therapie-Schemata für die Hauptursache der Resistenz- entwicklung. Die WHO- Schemata stellen auch in der dritten Welt durchführbare Kompromisse dar. Das Pro- blem der INH-Resistenz wur- de früh erkannt und durch Entdeckung der genetisch bedingten Acetylierungsge- schwindigkeit erklärbar. Für eine bakterizide INH-Dosie- rung wäre generell die indivi- duelle Statusbestimmung und Dosisanpassung erforderlich gewesen. Das INH ist das wichtigste, auch entgiftende toxinausschleusende Medika- ment. Neben der Acetylie- rung bot sich die Glukuroni- sierung an. Ein INH-Gluku- ronsäure-Derivat Iso-niko- tinyl-hydrazin-Na-glucuronid (INHG-Na, Fa. Hormche- mie) stellte ein stabiles, voll resorbierbares Molekül dar, dessen chemischer Nachweis Lütjohann 1986 gelang. Es wies keine meßbare Acetyl- INH- und keine Diactylbil- dung auf. Hepato- und Neu- rotoxizität (Musch) entfielen, die DL50erlaubte gegenüber INH eine siebenfach höhere Dosierung. Das Medikament war gegen primär- und sekun- där-resistente Tbc-Stämme und atypische Mykobakteri- en wirksam (Orlowski, 1976).

Das Medikament wurde 1992 wegen zu geringen Umsatzes aus dem Verkehr gezogen.

Rifampicin verliert bei per- oraler Medikation in den er- sten vier Wochen durch First- pass-Effekte bis zu 60 Prozent seiner biologischen Wirksam- keit, was durch i.v.-Gabe ver- mieden werden kann. Die Möglichkeit der i.v.-Applika- tion von RMP wurde von Musch und Schwabe 1982 erstmals in Deutschland auf- gezeigt und praktiziert, eben- so die i.v.-Gluronazid-Na-

Verabreichung. Unterdosie- rung bewirkt Resistenzent- wicklung. Die zusätzliche Kortikoidverabreichung wur- de von Schwabe seit 1968 konsequent durchgeführt und vorgetragen. Es sind also nicht nur die Mißachtung der Vorgaben der WHO, sondern ebenso die Nichtanwendung wissenschaftlicher Erkennt- nisse, die zu Schädigungen bei den Betroffenen führen können.

Prof. Dr. med. Hasso K.

Schwabe, Merler Allee 88, 53125 Bonn-Röttgen

Konfliktberatung

Zu dem Leserbrief „Beratungsstellen nicht länger finanzieren“ von Prof. Dr.

Dr. Udo Köhler in Heft 10/1998 sind uns eine Reihe von Zuschriften zuge- gangen. Hier einige charakteristische Meinungen:

Polemisch

Sicher hat jeder Mensch das Recht, sich seine persönli- che Meinung zu einer ethi- schen Frage zu bilden und diese in sachlicher Form – auch im Hinblick auf einen kontroversen Meinungsaus- tausch – zu äußern. Proble- matisch ist jedoch ein Leser- brief, in dem sich dessen Ver- fasser gegen eine Glaubens- gemeinschaft wendet. Als to- leranter Mensch billige ich je- dem anderen eine geistige und religiöse Freiheit zu und erwarte dies entsprechend zum Beispiel auch für mich.

Aus diesem Grund möch- te ich (polemische) Artikel, in denen von „ideologischer Diktatur“, „absoluter Mon- arch“, „Hohepriester“ etc.

die Rede ist, im Deutschen Ärzteblatt nicht lesen.

Dr. med. Judith Adams, Magdalenenstraße 59, 64579 Gernsheim

Keine Bereicherung

Glücklicherweise bietet das DÄ über medizinische In- halte hinaus auch zu anderen Themen in Leserbriefen Mög- lichkeit zur Meinungsäuße-

S P E K T R U M LESERBRIEFE

(3)

rung. Ihr Leserbrief stellt lei- der keine Bereicherung dar, zumal Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich- keit das Schreiben des Papstes an die deutschen Bischöfe nicht gelesen haben, vielleicht kennen Sie gerade die Über- schrift. Ohne auf Näheres ein- zugehen, was Sie dem Leser zumuten, leistet Ihr Schreiben den betroffenen Familien hin- sichtlich der Problematik um Lösung eines Konflikts kei- nen Dienst. Ihre sachlichen Fehler im Angriff auf die ka- tholische Kirche bedürfen auch keines Kommentars – je- des Wort würde Ihren „Bei- trag“ aufwerten. Leider kann ich nicht erkennen, wes Gei- stes Kind sich hinter Prof. Dr.

Dr. verbirgt . . .

Dr. med. Peter C. Rainer, Heinrichstraße 6, 36037 Fulda

Nichts hinzuzufügen

Professor Köhlers Leser- brief ist nichts hinzuzufügen als der mehr als ärgerliche Zustand, daß unser Staat es nicht schafft, das Verfas- sungsgebot der Trennung von Staat und Kirche de jure und de facto zu vollziehen.

Konrad Adenauer war es seinerzeit recht, Hitlers Kon- kordat mit dem Vatikan bei- zubehalten. Professor Benda kippte zusammen mit vier Kollegen 1975 die Fristenre- gelung, welche, weil vernünf- tig, sich europaweit durchge- setzt hatte. Neuerdings sorgt Seine Heiligkeit mit einem Papstbrief an deutsche Bi- schöfe für neue Konflikte.

Im Parlament gibt es genügend liberale Politiker in allen Fraktionen, welche be- reit wären, den unguten Zu- stand zwischen Staat und Kir- che zu beenden, aber dem im GG nicht vorgesehenen Frak- tionszwang wird gegen Recht und Gesetz Vorfahrt erteilt.

Man weiß: Verfassungs- fragen sind Machtfragen, und das Grundgesetz ist kein be- liebiges Papier – oder doch?

Dr. med. Alfons Werner Reuke, Sommerhalde 42, 71672 Marbach am Neckar

Netzhautablösung

Zu dem Medizinreport „Auch komple- xe Befunde erfolgreich behandelbar“

von Siegfried Hoc in Heft 6/1998:

Anmerkungen

Die ambulante Netzhaut- chirurgie ist nur bei einfacher Lochsituation mit höchstens quadrantenförmiger Abhe- bung ohne Makulabeteili- gung diskutabel. Ausgedehn- tere Netzhautablösungen be- dürfen zur präoperativen Abflachung und verbesserten Lochdiagnostik zwischen den Einfaltungen einer 24stündi- gen Immobilisation mit Tra- gen einer Lochbrille oder ei- nes Binokulus. Durch die ein- setzende spontane partielle Wiederanlegung kann nicht nur die essentiell wichtige Lochdiagnostik verbessert werden, sondern auch der meist vermeidbare invasive Schritt der Punktion der sub- retinalen Flüssigkeit. Nur dann handelt es sich um eine reine episklerale Technik.

Auch nach erfolgreicher Netzhautoperation ist eine vulnerable Phase von bis zu fünf Tagen mit einsetzender Wiederanlegung seit Ein- führung der Methode durch Custodis 1950 bekannt. Durch begleitende Lagerung mit Loch über der Plombenpro- minenz ist erst der Mechanis- mus der Wiederanlegung ge- währleistet.

Wird im Rahmen der Netzhautoperation von innen (Vitrektomie) eine Füllung des Glaskörperraumes mit Gas oder Öl vorgenommen (Endotamponade), besteht die Gefahr eines postoperati- ven Glaukomanfalls. Dabei kommt es auf die Einleitung einer drucksenkenden Thera- pie innerhalb von Stunden an, um eine Erblindung zu ver- meiden. Nach Vitrektomien ist die Komplikationsrate rund zehnmal höher als nach Operation des grauen Stars mit Kunstlinseneinpflanzung.

Außer dem Glaukomanfall können Blutungen, Entzün- dungen, Netzhautlöcher und eine neue Ablösung auftre- ten. Zur Minimierung der ge-

(4)

nannten Komplikationen ist teilweise die konsequente La- gerung des Patienten erfor- derlich, begleitet von engma- schigen Untersuchungen mit und ohne Spaltlampe.

Parallel zur Etablierung der ambulanten intraokula- ren Chirurgie ist eine Verla- gerung des operativen Ver- fahrens der Netzhautwieder- anlegung hin zur Vitrektomie zu beobachten. Der Vorteil der intraoperativen Wieder- anlagerung der Netzhaut wird durch eine höhere Morbidität des Eingriffs im Vergleich zur episkleralen Technik erkauft.

Dazu käme dann noch eine Erhöhung des Risikos durch gelockerte Betreuung des Pa- tienten.

Prof. Dr. med. Stefan Cle- mens, Augenklinik der Ernst-Moritz-Arndt-Univer- sität Greifswald, Rubenow- straße 2, 17489 Greifswald

Betäubungsmittel

Zu dem Medizinreport „Die Schmerz- therapie wird deutlich erleichtert“ von Christine Vetter in Heft 5/1998:

Schulaufgaben nicht gelöst

. . . Bundesweit werden wohl zirka 30 000 Menschen mit Codein und weitere 30 000 mit Methadon behan- delt. Ich behandle rund 250 Personen mit Codein. Es ist für mich nicht möglich, inner- halb von Tagen die Substituti- onskapazität unter den Ge- sichtspunkten des BTM-Ge- setzes von 50 Substitutionspa- tienten zu versechsfachen.

Nach meinen Erfahrungen stehen rund 50 Prozent der Codein-Patienten in Ar- beit . . . Von einer Verbesse- rung der Suchtkrankenbe- handlung kann keine Rede sein . . . Bedenkt man, daß in einer Vielzahl der Fälle das Sozialamt der Kostenträger ist, die Betroffenen sollen jetzt nicht wie bislang drei- oder viermal, sondern zwölf- mal oder sogar täglich im Quartal den Arzt aufsuchen, die Kosten sind budgetiert, so handelt es sich um eine Ge-

ringschätzung „ärztlicher Lei- stung“, wenn dies alles zum Nulltarif gefordert wird.

. . . Dieses Gesetz bewirkt, daß eine gigantisch hohe Zahl von Betroffenen ihren Ar- beitsplatz verlieren, weil sie nicht weiterbehandelt wer- den, der Staat verliert So- zialversicherungsbeiträge wie auch Steuern. Sie werden kri- minell, sie beschäftigen die Strafverfolgungsbehörde so- wie die Justiz. Bedingt durch körperliche Komplikationen, weitere HIV-Infektionen, He- patitis C, wird der Gesund- heitszustand der Betroffenen verschlechtert.

Ein Gesetz, welches in diesem Umfang Arbeitsplät- ze zerstört, die Gesundheit der Betroffenen gefährdet, paßt nicht in eine Zeit, in der ernsthaft über Heroinfreiga- be diskutiert, Fixerräume ge- schaffen und Haschischkon- sum zur Ordnungswidrigkeit erklärt wird. Überflüssig zu erwähnen, Codein ist in EU- Ländern wie Frankreich, Spa- nien, Portugal, England, Ir- land sowie in verschiedenen Ostblockländern rezeptfrei erhältlich, ganz zu schweigen von den Versandapotheken im Internet. Die Auswirkun- gen sind grauenvoll. Ich habe den Eindruck, die Verant- wortlichen haben nicht ein- mal oberflächlich ihre Schul- aufgaben gelöst . . .

Dr. med. Johannes Raida, Rheinstraße 25, 64283 Darm- stadt

Humanitäre Hilfe

Zu dem Tagungsbericht „Helfen woll- ren reicht nicht“ von Josef Kloppen- burg in Heft 6/1998:

Unerwähnt: „Ärzte für die Dritte Welt“

Dieser Artikel hat unsere weit über 1 000 Ärztinnen und Ärzte, von denen jeder vierte bereits mehrfach mit dem Komitee „Ärzte für die Dritte Welt“ in einem huma- nitären Einsatz war, recht ent- täuscht. Obwohl eines unserer sieben Projekte von Pater Bernhard Ehlen, dem Be-

S P E K T R U M LESERBRIEFE

(5)

gründer des Komitees, aus- führlich dargestellt wurde, wird das Frankfurter Komitee

„Ärzte für die Dritte Welt“

mit keinem Wort erwähnt.

Viele von uns haben durch ihre Einsätze – wie ich es im- mer wieder bei meinen eige- nen Einsätzen für das Komi- tee selbst erfahren habe – ne- ben wertvoller medizinischer Hilfe einen überaus sinnvol- len Beitrag zur Völkerver- ständigung und zum Weltfrie- den geleistet. Dafür sind wir dankbar und meinen, daß das Komitee „Ärzte für die Dritte Welt“ (Telefon: 0 69/

71 91 14 56), das auch kurzzei- tige Einsätze von einer Min- destdauer von sechs Wochen ermöglicht, nicht so einfach unter den Tisch fallen sollte.

Dr. med. Elke Göhre, Kö- nigstraße 38a, 14109 Berlin

Weiterer Hinweis

Schön, daß das Thema Humanitäre Hilfe in den ver- gangenen Wochen auch in der deutschen Ärzteschaft ein bißchen mehr Beachtung ge- funden hat und daß das DÄ innerhalb weniger Wochen mehrere Artikel dazu veröf- fentlicht hat. Eine Möglich- keit, sich auf diesem Gebiet fortzubilden, bietet der ein- jährige interdisziplinäre Stu- diengang „Humanitäre Hil- fe“, der an der Ruhr-Uni- versität Bochum angeboten wird. Das sogenannte Net- work on Humanitarian As- sistance (NOHA) wurde 1993 auf europäischer Ebene von ECHO – dem European Community Humanitarian Office – initiiert und legt Schwerpunkte in den Berei- chen Management/Logistik, Epidemiologie/Medizin, Hu- manitäres Völkerrecht, Geo- politik und Anthropologie.

Nähere Informationen sind beim IFHV (Institut für Frie- denssicherungsrecht und Hu- manitäres Völkerrecht), Ge- bäude NA 02/28, Ruhr-Uni- versität Bochum, 44780 Bo- chum, Tel 02 34 / 7 00 73 66, erhältlich.

Kirsten Bradt, Laerheide- straße 10, 44799 Bochum

Stellenabbau

Zu dem „Seite eins“-Beitrag „Alarm- signal“ von Josef Maus in Heft 7/1998:

40 000 arbeitslose Arzthelferinnen

Ihre Überschrift ist noch viel zu schwach. Sie hätten schreiben müssen: Vorsätzli- che Zerstörung von Arbeits- plätzen, ausgelöst durch po- litische Fehlentscheidungen, begünstigt durch Fehlverhal- ten der Krankenkassen. Die von Ihnen genannten Berli- ner Zahlen sind ja nur ein dis- kretes Signal für das, was sich zur Zeit in den niedergelasse- nen Praxen im Bundesgebiet abspielt. Wenn Sie einmal bei der Bundesanstalt für Arbeit nachfragen, werden Ihnen er- schreckende Zahlen vermit- telt. Über 40 000 Arzthelfe- rinnen sind mittlerweise ar- beitslos, Tendenz steigend.

Hierbei wird aber eins immer nicht ausreichend gewürdigt und berücksichtigt: jede Arzt- helferin, die in einer Arztpra- xis fehlt, bedeutet weniger Zuwendung für den Patien- ten; weniger Zuwendung für den Patienten kann zu schnel- leren Einweisungen ins Kran- kenhaus führen. Sie führt zu vermehrten Medikamenten- ausgaben etc. Nach meiner Einschätzung ist vielen soge- nannten Gesundheitspoliti- kern, aber ganz bestimmt Be- tonköpfen – ein gutes Bei- spiel ist Herr Rudolf Dreßler von der SPD, der sich selbst als solcher bezeichnet – über- haupt nicht klar, welche Schä- den sie mit ihrer Politik an- richten. Dies muß einmal sehr deutlich ausgesprochen wer- den. Arzthelferinnen sind ein unverzichtbarer Bestandteil einer jeden gut funktionie- renden Praxis. Es läßt sich in D-Mark nicht messen, was diese Frauen tagaus, tagein in den Praxen leisten. Hier soll- ten Sie noch viel häufiger kla- re Worte finden.

Dr. med. Ernst-Rüdiger Osterhoff, NAV Westfalen- Lippe, Heuerskamp 4, 32361 Preußisch Oldendorf

Neurobiologie

Klare Linie

Thomas Herdegen, Thomas R. Tölle, Mathias Bähr (Hrsg.):

Klinische Neurobiologie. Mole- kulare Pathogenese und Thera- pie von neurobiologischen Er- krankungen, Spektrum Akade- mischer Verlag, Heidelberg u. a., 1997, X, 466 Seiten, gebunden, 88 DM

Die drei Herausgeber schließen mit der „Klinischen Neurobiologie“ eine wichtige Lücke zwischen Grundlagen- wissenschaft und klinischer Neurologie. Das Buch befaßt sich mit der molekularen Pa- thogenese und Therapie neu- rologischer Erkrankungen.

Es ist also kein Lehrbuch der klinischen Neurologie, ande- rerseits aber auch keine Mo- nographie über die Moleku- larmedizin.

In 14 Kapiteln, die jeweils von einem oder zwei Autoren verfaßt wurden, kann sich der Leser einen gründlichen Überblick über die moleku- larbiologischen Aspekte neu- rologischer Erkrankungen verschaffen. Beginnend mit den neurobiologischen Grund- lagen der Funktionen und de- generativen Funktionen des Nervensystems, folgen unter anderem in sich abgeschlosse- ne Kapitel über Myopathien und neuromuskuläre Über- tragungsstörungen sowie ein Überblick über die Neuroim- munologie. Ein eigenes Kapi- tel widmet sich den Sucht- krankheiten sowie den chro-

nischen Schmerzen. Schließ- lich werden in einem weite- ren Kapitel neurobiologische Grundlagen von Lernvorgän- gen sowie klinische Aspekte amnestischer Syndrome ab- gehandelt.

Dem Leser wird in dem Buch der aktuelle Stand des derzeitigen Wissens über die molekularbiologischen Grundlagen wichtiger neuro- logischer Erkrankungen ver- mittelt, die in dieser Ausführ- lichkeit und Präzision in den üblichen Lehrbüchern der Neurologie nicht dargestellt werden.

Obwohl das Buch von zahlreichen Autoren verfaßt wurde, ist es den Herausge- bern geglückt, eine klare Li- nie und eine harmonische Darstellungsweise durchzu- halten. Am Ende jedes Kapi- tels findet der interessierte Leser sowohl Hinweise auf die Spezialliteratur als auch Hinweise auf Übersichtsarti- kel und Monographien. Der Text wird durch anschauliche Grafiken und Illustrationen aufgelockert. Ein Glossar so- wie ein sorgfältig redigiertes Stichwortverzeichnis ermög- lichen auch punktuelles Nach- schlagen.

Der Band sei jedem, der sich mit neurobiologischen Fragen befaßt, uneinge- schränkt zu empfehlen. Das Buch eignet sich auch für Stu- denten zur ergänzenden Lek- türe der Lehrbücher der kli- nischen Neurologie.

Jean-Pierre Malin, Bochum

„Experimente an wehrlosen Patienten. Die Interessen der Forschung und die Würde des Menschen“– so der Titel eines Berichtes von Silvia Matthies, den das Erste Deutsche Fernsehen (ARD)am2. April, 23 Uhr,ausstrahlt.

Die Autorin befaßt sich kritisch mit der sogenannten Bioethik-Konvention, nach welcher der Europarat For- schung an Nichteinwilligungsfähigen ohne unmittelbaren Nutzen für den Betroffenen unter bestimmten Vorausset- zungen gestatten will.

An einem Beispiel aus Schweden, einem Land, das für besondere Humanität steht, soll gezeigt werden, daß dort trotz Menschenrechtsdeklarationen und Ethikkommissio- nen Kariesversuche an geistig Behinderten vorgenommen

wurden. EB

TV-Tip

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Kollegen der Dialyse- abteilung (keine Heilung ih- rer terminal niereninsuffizi- enten Patienten); die Kolle- gin, die schwerstbehinderte Kinder betreut (Progredienz

Bedenkt man, daß in einer Vielzahl der Fälle das Sozialamt der Kostenträger ist, die Betroffenen sollen jetzt nicht wie bislang drei- oder viermal, sondern zwölf- mal oder sogar

Wie furchtbar die Cholera 1832 in Paris wütete, einer Stadt, in der sich damals schon etwa 800 000 Einwoh- ner drängten und die Abwäs- ser meist über unbefestigte Straßen

- keine Mitarbeit; lediglich physische Anwesenheit im Unterrichtraum ( grundsätzlich ohne Hausaufga- ben; fehlerhafte, sehr unvollständige, unordentliche Heftführung, Material

Durch sie können die Schülerinnen und Schüler ihr Verständnis für eine Aufgabenstellung oder ein Problem, sowie die sachliche, terminologisch richtige,

Es gibt meines Erachtens drei Patientengruppen: C) Der große Teil der Patienten weiß um die even- tuellen Gefahren nicht. C) Die Pa- tienten, die sich Sorgen machen, aber aus

Bei Kindern sollte Karil® wegen möglicher Störungen des Knochenwachstums nur über Behandlungszeiträume von einigen Wochen ver- abreicht werden, wenn nicht der Arzt aus

„Ein böses Missgeschick hat vor 6 Wochen mich plötzlich überfallen: Ich konnte plötzlich nicht mehr sehen oder vielmehr sah ich alles doppelt und verfließend, ein Zustand, der