G
erhard Richter ist ein Weltstar. Für seine Bil- der muss man heute auf Auktionen Millionenbeträge bezahlen. Neben Baselitz und Polke gehört er zu den teuer- sten deutschen Malern über- haupt. Mit seinen drei mono- chromen, zwei Meter breiten und 20 Meter hohen, schwarz, rot und goldenen Farbflächen ist er selbstverständlich, staats- repräsentativ zwischen der Kunst im Berliner Reichs- tagsgebäude vertreten.Das New Yorker Museum of Modern Art widmete ihm vor zwei Jahren zu seinem 70. Geburtstag als dem ersten lebenden Künstler eine Mam- mutschau. Beim gerade zu Ende gegangenen, spekta- kulären „Gastspiel“ dieser Kunstsammlung in Berlin re- präsentiert allein Gerhard Richters 15-teiliger Baader- Meinhof-Zyklus „18.X.1977“
aus dem Jahr 1988 den eu- ropäischen Teil der Nach- kriegsmalerei. Gegen diese Wahl lassen sich sicher Ein- wände vorbringen, aber sie belegt den Rang, den der Malerfürst, der 1961 von der
Kunststadt Dresden in die Malereihochburg Düsseldorf und dann in die „Welt“ wech- selte, unstrittig hat.
„Unschärfe“
Für Richter war das maleri- sche Bekenntnis zur Figürlich- keit oder zur Abstraktion im- mer zweitrangig, nie jedoch seine Virtuosität des Farbauf- trags. Seine „inhaltliche“ Zeit- genossenschaft ist von so sub- til bezwingender „Unschärfe“
wie seine Maltechnik, die vor allem in den figürlichen Ar- beiten oft den Vergleich zu unscharfen Fotos provoziert.
Was mit einer großzügigen Spende nach der Flutkatastro- phe begann, hat sich jetzt für die Kunstsammlung seiner Geburtsstadt zu einem regel- rechten Coup erweitert: Mit einer Dauerleihgabe von 41 Werken an die Dresdner Ga- lerie Neue Meister hat Ger- hard Richter der sächsischen Kunstmetropole an der Elbe nicht nur zu einem ganz uner- warteten Glanzlicht, sondern auch zur inhaltlichen Vollen- dung der Neukonzeption der ganzen Sammlung verholfen.
Im wieder erstehenden ba- rocken Zentrum Dresdens wird nun künftig ein Bogen geschlagen von Caspar David Friedrich über die Impressio- nisten und Expressionisten mit den Brücke-Künstlern und
der Dresdner Sezession bis hin zur Kunst in der DDR.
Richters Werke in drei obe- ren Räumen des Albertinum schließen diesen Gang durch die Kunstgeschichte grandios ab. Von „Tote“ (1963), „Se- kretärin“ und „Mustang-Staf- fel“ (beide 1964) über „Mo- torboot“ (1965), mehrere
„Grau“-Bilder aus den 70er- Jahren, das Farbauftrumpfen in „Holländische Seeschlacht“
(1984) oder „Fels“ (1989) bis hin zu den „Abstrakten Bil- dern“ Ende der 90er-Jahre belegt die Werkauswahl ein ganzes Lebenswerk.
Spektakuläre Heimkehr Für ihren Stellenwert bürgt die Tatsache, dass Richter diese Bilder bisher für sich „zurückbehalten“ hat.
Ergänzt werden sie aus den Kollektionen privater Sammler, die anonym blei- ben wollen. Damit hat Dres- den eine repräsentative Breite und exemplarische, chrono- logische Folge zu bieten, mit der sich wohl kein anderes Museum der Welt messen kann. Darunter befindet sich auch der „Fels“ von 1989, den Richter im November 2002 für die Auktion an- lässlich der flutgeschädigten Staatlichen Kunstsammlun- gen Dresden gestiftet hat und mit der diese spekta- kuläre Heimkehr begann.
Weitere Informationen:
www.skd-dresden.de.
Joachim Lange
A
A2900 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 4322. Oktober 2004
Gerhard Richter
Die Virtuosität der Unschärfe
Der Dresdner Maler verhilft der Galerie Neue Meister in der sächsischen Kunstmetropole mit einer Dauerleihgabe von 41 Gemälden zu einem Glanzlicht ihrer Sammlung.
Feuilleton
Motorboot (1. Fassung), 1965, Copyright Gerhard Richter
Mustang-Staffel, 1964, Copyright Gerhard Richter V A R I A