Leserdienst
Hinweise -Anregungen 86. DEUTSCHER ÄRZTETAG
Dr. Gustav Osterwald
Einzig und allein Sache
der Ärzte: Qualitätssicherung
Im Rahmen der Diskussion über den Tätigkeitsbericht der Bundes- ärztekammer wurde dem Thema
„Qualitätssicherung in der ärztli- chen Berufsausübung" ein eige- nes Referat gewidmet, das der Vorsitzende des Ausschusses
„Rationalisierung und Qualitätssi- cherung der ärztlichen Berufsaus- übung" übernahm, Dr. Gustav Osterwald, Präsident der Ärzte- kammer Niedersachsen. Dies ist ein Hinweis auf die Bedeutung, welche der Thematik und Proble- matik der Qualitätssicherung bei- gemessen werden muß, zumal hier in der letzten Zeit zunehmend auch eine „politische" Dimension nicht zu verkennen ist.
„Qualität ist ein immanenter Be- standteil der ärztlichen Tätigkeit", konstatierte Osterwald. Dies ergibt sich schon aus den ethischen Nor- men des Berufs, die auch im Be- rufsrecht in unterschiedlicher Weise formuliert sind. Schon in der ärztlichen Ausbildung werden die Grundlagen für die Qualität der späteren ärztlichen Berufsaus- übung gelegt; jedenfalls müßten sie dort gelegt werden, wie die Vertretungen der Ärzte gemein- sam mit zum Beispiel der West- deutschen Rektorenkonferenz und dem Medizinischen Fakultä- tentag immer wieder gefordert ha- ben — eine Forderung, die sich in erster Linie an Politik und Gesetz- gebung richtet.
Qualitätssicherung in der Weiter- und Fortbildung ist dagegen Sa- che der Ärztekammern. Ihre Durchsetzung erfolgt durch die Überwachung der Einhaltung der Weiterbildungszeiten und -inhalte, durch die Prüfungen für die Aner- kennung als Gebietsarzt, in der Fortbildung durch die bei den Ärz- tekammern gebildeten Akademien für ärztliche Fortbildung.
Eine wichtige Rolle spielen, wie Osterwald ausführte, die Kassen- ärztlichen Vereinigungen. Wegen des schnellen Fortschritts bei der Einführung neuer Verfahren in Diagnostik und Therapie ist es oft nicht möglich, neue Methoden vor ihrer allgemeinen Anwendung in die Weiterbildungskataloge aufzu- nehmen. Hier wirkt eine „Sofort- hilfe" der Kassenärztlichen Ver- einigungen, die sicherstellt, daß bestimmte Leistungen erst dann zu Lasten der Krankenversiche- rung abgerechnet werden dürfen, wenn die apparativen und perso- nellen Voraussetzungen beim ab- rechnenden Kassenarzt geprüft und anerkannt worden sind. Hier- aus leitet sich übrigens auch die Verpflichtung der Sozialversiche- rungsträger ab, für die dadurch entstehenden Kosten aufzukom- men. Anders ausgedrückt: Qua- litätssicherung ist auch Bestand- teil des Sicherstellungsauftrages der KVen.
Eine weitere Feststellung Dr.
Osterwalds: Qualitätssicherung in der ärztlichen Berufsausübung ist einzig und allein eine interne ärzt- liche Angelegenheit. Sie ist nur dann effektiv, wenn sie freiwillig und in ärztlicher Selbstverwaltung entwickelt, ein- und durchgeführt wird, wobei natürlich die ärztli- chen Selbstverwaltungsgremien eng zum Beispiel mit den Berufs- verbänden und den wissenschaft- lich-medizinischen Fachgesell- schaften zusammenarbeiten. Die- se Zusammenarbeit haben auch der zuständige Bundesärztekam- merausschuß und seine sechs Ar- beitskreise stets gesucht. Die Möglichkeiten zur Koordinierung und Planung bestehender oder beabsichtigter Qualitätssiche- rungsprogramme sollen noch in- tensiviert werden durch die vom Vorstand der Bundesärztekammer
Gustav Osterwald
beschlossene Bildung einer
„Ständigen Konferenz" zu Fragen der Qualitätssicherung, deren Mit- glieder im wesentlichen die Quali- tätssicherungsbeauftragten der Landesärztekammern sein dürften.
Der Ausschuß „Qualitätssiche- rung" will sich, in enger Zusam- menarbeit mit der „Ständigen Konferenz", in nächster Zeit vor- rangig mit einer genaueren Defi- nition des Qualitätssicherungsbe- griffs beschäftigen und daneben neue Methoden und Organisa- tionsformen erarbeiten, um mög- lichst bald weitere Qualitätssiche- rungsprojekte entwickeln und bundesweit einführen zu können.
Für die Ergebnisse der Auswer- tung soll eine zentrale Dokumen- tation geschaffen werden.
Dr. Osterwald gab sodann einen Überblick über heute bereits eta- blierte Maßnahmen der Qualitäts- sicherung. Bei den Kassenärztli- chen Vereinigungen wirken sich - außer den bereits erwähnten
vor- ,
aussetzungen für die Abrechen
=
barkeit bestimmter Leistungen - die Ringversuche zur Qualitätssiche- rung der Laborleistungen aus. An umfangreichen Studien und Pro- jekten, die sich bereits über länge- re Zeit erstrecken und die verwert- bare und zum Teil eindrucksvolle 58 Heft 21 vom 27. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A
Die Information:
Bericht und Meinung ENTSCHLIESSUNGEN DES 86. DEUTSCHEN ÄRZTETAGES Qualitätssicherung
Ergebnisse erbracht haben, nann- te Osterwald die Perinatalstudien in Bayern und in Niedersachsen sowie das Qualitätssicherungs- projekt Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
Für die Zukunft wird die Erkennt- nis wichtig sein, daß bei der An- wendung technischer Methoden die Ausarbeitung von Standards für Zwecke der Qualitätssicherung relativ einfach ist gegenüber gro- ßen anderen Bereichen ärztlichen Handelns, die keine Standardisie- rung zulassen.
Für die nächste Zukunft hält Dr.
Osterwald den Ausbau von Quali- tätssicherungsmaßnahmen beim Röntgen für notwendig, wobei je- doch darauf geachtet werden muß, daß niedergelassene Teilra- diologen ihre Praxis weiterbetrei- ben können. Dann muß die Ent- wicklung auch im Bereich der operativen Fächer vorangetrieben werden; auf diesem Gebiet muß man sich bewußt sein, daß hier die rein ärztliche Tätigkeit nicht iso- liert betrachtet werden kann, son- dern daß man die Hilfs- und Pfle- geberufe und auch die Kranken- hausträger miteinbeziehen muß.
Neue Möglichkeiten eröffnet das Material, das sich inzwischen bei den Schlichtungs- und Gutachter- stellen der Ärztekammern ange- sammelt hat und das in die Fortbil- dung eingeführt werden sollte.
Eine Zusammenfassung der An- forderungen, welche die Ärzte- schaft an die Qualitätssicherung in ihrer eigenen Berufstätigkeit stellen muß, floß ein in die vom Deutschen Ärztetag angenomme- ne Entschließung zu diesem The- ma. Dr. Osterwald fügte noch die Forderung hinzu, den Patienten und der ganzen Öffentlichkeit den Gedanken der Qualitätssicherung nahezubringen und sie zu überzeu- gen, daß die Ärzteschaft ihren ethi- schen und rechtlichen Verpflich- tungen auch in dieser Beziehung gewissenhaft nachkommt — eine wichtige Aufgabe für die publizisti- sche Arbeit derÄrzteschaft. gb
Bedeutung der Approbation
❑ „Der 86. Deutsche Ärztetag stellt noch einmal fest, daß die Ausbildung zum Arzt mit der Approbation abge- schlossen ist. Mit der staatlichen Ap- probation wird bestätigt, daß der Arzt alle zur Ausübung des Berufs erforder- lichen Kenntnisse und praktischen Fä- higkeiten erworben hat. Das Medizin- studium muß dafür alle notwendigen Voraussetzungen einschließlich der praxisbezogenen Lehr- und Lernmög- lichkeiten schaffen einschließlich einer wiedereinzuführenden Medizinal- oder Pflichtassistentenzeit von zwei Jahren.
Ärztliche Tätigkeit am Krankenhaus wird wie in der ambulanten Patienten- versorgung zur Betreuung Kranker ausgeübt. Sie ist Berufstätigkeit und nicht Ausbildung."
Erhaltung
der Zulassungsfreiheit als Kassenarzt
❑ „Der 86. Deutsche Ärztetag wider- setzt sich entschieden allen Bestrebun- gen, das im ganzen bewährte System der ambulanten ärztlichen Versorgung durch die Beseitigung des Sicherstel- lungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen zu zerstören. Die Ablö- sung der bisherigen gesetzlichen Rege- lungen durch ein Vertragssystem wür- de die Therapiefreiheit und Freiberuf- lichkeit der praktizierenden Ärzte des- halb beseitigen, weil die machtvolle Monopolstellung der gesetzlichen Krankenkassen die freie Vereinbarung von Verträgen nicht zuläßt. Die mit der Änderung des Systems letztlich ver- folgte Absicht, den durch das Bundes- verfassungsgericht bisher verbürgten freien Zugang zur kassenärztlichen Tä- tigkeit entscheidend einzuschränken, würde die Existenzmöglichkeiten des ärztlichen Nachwuchses stark beein- trächtigen und zu verhängnisvollen so- zialen Mißständen führen."
Kapazitätsverordnung
❑ „Der
86. Deutsche Ärztetag fordert die Bundesländer auf, die Kapazitäts- verordnungen dahingehend zu novel-lieren, daß durch strengere Maßstäbe für die Relation zwischen Studenten und fachlichen Ausbildungsmöglich- keiten die Vermittlung praxisbezogenen Wissens während der Ausbildung si- chergestellt werden kann."
Begründung: Wegen der zu hohen Zahl von Medizinstudenten gelingt es nicht, während der Ausbildung Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die für die spätere berufliche Tätigkeit uner- läßlich sind. Eine grundsätzliche Behe- bung dieses Mangels konnte auch trotz der bisherigen Änderungen der Appro- bationsordnung für Ärzte nicht erreicht werden. Die ausreichende und patien- tennahe Ausbildung einer Überzahl von Studenten scheitert besonders auch an der Zahl der für die Ausbildung zum Arzt geeigneten und zur Verfügung ste- henden Patienten. Deren Belastbarkeit als Ausbildungsobjekt hat aus humani- tären, ärztlichen und ethischen Grün- den seine engen Grenzen.
Strengere Maßstäbe für die Relation zwischen Studentenzahlen und fachli- chen Ausbildungsmöglichkeiten wür- den nicht nur die Qualität der ärztlichen Ausbildung, sondern auch die der künftigen ärztlichen Versorgung för- dern.
Änderung der
Kapazitätsverordnung
❑ „Damit
die Forderung der Approba- tionsordnung nach Kleingruppen-Un- terricht und Praxisnähe in der ärztli- chen Ausbildung endlich erfüllt wird, fordert der Deutsche Ärztetag die strik- te Anwendung und notwendige Verbes- serung der Kapazitätsverordnung mit dem Ziel,I> daß sich die Kapazitätsberechnung in erster Linie an der klinischen Ausbil- dungskapazität orientiert und
> daß nur Krankenhausbetten in der Kapazitätsberechnung berücksichtigt werden, die voll für die Lehre zur Ver- fügung stehen.
Bei richtiger Anwendung und Verbes- serung der Kapazitätsverordnung wird eine Verlängerung der Ausbildung nicht notwendig."
Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 21 vom 27. Mai 1983 61