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Arzneimittel für Kinder

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66 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Mai 2017 | www.diepta.de

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evor ein Humanarz- neimittel hierzulande (und in anderen eu- ropäischen Ländern) in den Verkehr gebracht werden darf, muss es in der Regel um- fangreiche präklinische und kli- nische Prüfungen durchlaufen haben, um Wirksamkeit und Si- cherheit zu gewährleisten. Für lange Zeit wurden solche Zulas- sungsstudien jedoch ausschließ-

lich für Erwachsene konzipiert.

Arzneimittelstudien an Kindern und Jugendlichen galten als un- ethisch. Deshalb sind viele der in der Kinderheilkunde gebräuch- lichen Arzneimittel bis heute für eine solche Verwendung nicht untersucht (Off-Label-Use).

Das Fehlen von speziell an die Bedürfnisse von Kindern ange- passten Arzneimitteln ist ein Problem. Denn Kinder sind kei-

ne kleinen Erwachsenen. So er- höhen nichtadäquate Dosie- rungsinformationen das Risiko von Nebenwirkungen. Oder die Behandlung ist aufgrund zu niedriger Dosierung unwirksam.

Auch stehen oftmals kindge- rechte Zubereitungen und Ver- abreichungswege nicht zur Ver- fügung. Auf ärztliche Verschrei- bung in Apotheken zubereitete Arzneimittel können in puncto

Qualität nur schwerlich mit in- dustriellen Produkten mithalten und auch nicht jede Versor- gungslücke schließen. Wichtiger noch: ohne Veränderung der Rahmenbedingungen blieben Kinder und Jugendliche auf Dauer vom therapeutischen Fortschritt weitestgehend ab- geschnitten.

Arzneimittel für Kinder

Viele der zurzeit in der pädiatrischen Heilkunde verwendeten Arzneimittel sind für den Einsatz bei Kindern weder untersucht noch zugelassen. Ein Maßnahmenbündel soll Abhilfe schaffen. Erste Erfolge zeichnen sich ab.

© hilllander / iStock / Thinkstock

PRAXIS POLITIK

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Mai 2017 | www.diepta.de

Fordern und fördern Natio- nal lassen sich diese Probleme nicht lösen. Deshalb hat die Eu- ropäische Union vor zehn Jah- ren mit einer Verordnung, die unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten ist, einen neuen Rechtsrahmen ge- schaffen (Verordnung (EG) Nr.

1901/2006), der dem Off-Label- Use in der Pädiatrie entgegen- wirkt und die Zahl geprüfter und für Kinder zugelassene Arzneimittel erhöhen soll. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht die Verordnung bestimmte Verpflichtungen pharmazeuti- scher Unternehmer („Herstel- ler“) vor. Im Gegenzug, quasi als Belohnung, werden den Herstellern Exklusivitätsrechte bei Erfüllung spezifischer Vor- aussetzungen und Erleichterun- gen eingeräumt, die bares Geld wert sind.

Waren Kinder und Jugendliche aus ethischen Gründen per Ge- setz noch bis 1997 von Arznei- mittelstudien ausgeschlossen, müssen die Hersteller neuer- dings die pädiatrische Popula- tion in die Entwicklung inno- vativer Arzneimittel grundsätz- lich einbeziehen und ein pädia- trisches Prüfkonzept erstellen (Kinderprüfplan-Verfahren).

Gleiches gilt für die Erweite- rung von durch ein Patent (oder spezielles Zertifikat) geschützte Arzneimittel, etwa wenn neue Darreichungsformen oder Ap- plikationswege zugelassen wer- den sollen („fordern“). Aus- nahmen von der Verpflichtung zur Vorlage eines pädiatrischen Prüfkonzepts sieht die EU- Verordnung nur in bestimmten Fällen vor, etwa wenn das be- treffende Indikationsgebiet bei Kindern nicht relevant oder das Arzneimittel wahrscheinlich unwirksam ist.

Eigens für die Beurteilung des jeweiligen Prüfkonzepts bezie- hungsweise die Freistellung von der Verpflichtung zur Durch-

führung pädiatrischer Prüfun- gen wurde innerhalb der euro- päischen Arzneimittelzulas- sungsbehörde EMA ein Aus- schuss, das „Paediatric Com- mittee“, gegründet. Das Votum des Ausschusses hat gravie- rende Folgen für den Antrag- steller: billigt er das Prüfkonzept (bzw. die Freistellung) nicht, erhält der Hersteller keine Marktzulassung für das Arznei- mittel für Erwachsene bezie- hungsweise kann er eine be- stehenden Zulassung nicht in der gewünschten Form abän- dern. Keine Zulassung, kein Umsatz.

Ein Novum ist zudem die mit der oben genannten EU-Ver- ordnung geschaffenen Möglich- keit einer speziellen Zulassung für die pädiatrische Verwen- dung, kurz PUMA genannt – eine Abkürzung, die für „Paed- iatric Use Marketing Authorisa- tion“ steht. Diese besondere Genehmigung soll einen Anreiz für die pädiatrische Entwick- lung (einschließlich kindge- rechter Darreichungsformen) von bereits zugelassenen, pa- tentfreien Arzneimitteln schaf- fen. Denn entsprechende An- träge profitieren nicht nur von einem automatischen Zugang zum zentralen Zulassungsver- fahren und niedrigen Verfah- rensgebühren, sondern garan- tieren dem Zulassungsinhaber auch acht Jahre Datenexklusivi- tät (d. h. kein anderer Hersteller

darf auf klinische Daten für ei- ne generische Zulassung Bezug nehmen) und zwei weitere Jah- re Marktexklusivität. Für lange Zeit muss der Hersteller also keine Konkurrenz fürchten.

Wirtschaftliche Anreize sieht die Verordnung auch für ein gebilligtes pädiatrisches Prüf- konzept für Patentarzneimittel vor und zwar durch eine sechs- monatige Verlängerung des Pa- tents (durch ein Schutzzertifi- kat). Für Orphan Drugs, mithin Arzneimittel für seltene Leiden, wird die Exklusivitätsfrist sogar um 24 Monate verlängert („för- dern“).

Schließlich wurde mit der EU- Verordnung eine Regelung ein- geführt, die Zulassungsinhaber verpflichtet, für Arzneimittel, die schon lange auf dem Markt sind, vorhandene Studiendaten den nationalen Zulassungsbe- hörden zur Begutachtung vor- zulegen, um die Datenlage zur pädiatrischen Verwendung zu verbessern und gegebenenfalls Empfehlungen in Gebrauchs- und Fachinformationen zur Anwendung des Arzneimittels bei Kindern und Jugendlichen aufnehmen zu können.

Eine Zwischenbilanz In den ersten fünf Jahren nach Inkraft- treten der Kinderverordnung wurden für mehr als 2000

„etablierte“ (alte) Arzneimittel mehr als 18 000 Studienberichte veröffentlicht, Informationslü-

cken geschlossen und Transpa- renz geschaffen.

Auch lässt sich ein deutlicher Anstieg der Probandenzahlen in klinischen Prüfungen mit Kinderarzneimitteln feststellen.

Gleichwohl steht einer großen Zahl an beschiedenen Prüfplä- nen (mehr als siebenhundert) eine verhältnismäßig kleine Zahl an für Kinder zugelasse- nen Arzneimitteln gegenüber (gut fünfzig). Noch „übersicht- lich“ ist der Erfolg von PUMA- Zulassungen: am 19. September 2016 erteilte die EMA erst die dritte derartige Genehmigung.

Sialanar® mit dem Wirkstoff

Glycopyrroniumbromid steht nunmehr Patienten ab drei Jah- ren zur Verfügung; es hemmt übermäßigen Speichelfluss auf- grund neurologischer Grunder- krankungen.

Nichtsdestotrotz, ein Anfang für eine bessere Arzneimittel- versorgung von Kindern und Jugendlichen ist gemacht, erste Erfolge zeichnen sich ab. Apo- theken werden aber auch zu- künftig individuelle Kinder- arzneimittel herstellen müssen, um Versorgungslücken zu schließen. ■

Dr. Michael Binger, Hessisches Gesundheitsministerium

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.

Es werden mehr Arzneimittel gebraucht,

die für Kinder zugelassen sind.

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