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Archiv "Register in der Krebsepidemiologie" (19.03.1987)

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Register in der

Krebsepidemiologie

Epidemiologische Krebsursachenfor- schung kommt ohne Experimente an Mensch und Tier aus, ist dafür aber auf die Verfügbar- keit präzisen Daten- materials angewie- sen. Dabei handelt es sich nicht nur um Erkrankungsdaten, wie sie in Krebsre- gistern gesammelt werden, sondern auch um Informatio- nen über der Krank- heit vorausgegange- ne Expositionen ge- genüber potentiell karzinogenen Risiko- faktoren.

A

uf dem Gebiet der epide- miologischen Krankhei- tenursachenforschung in der Bun- desrepublik Deutschland stehen Be- darf und Möglichkeiten in scharfem Widerspruch zueinander. Gerade in letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen die mögliche Karzinogenität bestimmter Stoffe in die breite öf- fentliche Diskussion gerät (erinnert sei an Dioxin und Formaldehyd), und die Befürchtung, daß von einer noch weitaus größeren Zahl von Substanzen eine Krebsgefahr für

Nikolaus Becker

den Menschen ausgeht, ist gewisser- maßen „allgegenwärtig". Niemand würde bestreiten, daß eine intensive Forschung auf diesem Gebiet drin- gend geboten ist. Anders als in an- deren Ländern (zum Beispiel den skandinavischen und angelsächsi- schen) ist die Epidemiologie, die in diesem Zusammenhang in erster Li- nie angesprochen ist, hierzulande aber praktisch nie in der Lage, auf eine solche Frage eine befriedigende Antwort zu geben. Dies liegt nicht an einer Insuffizienz des Fachgebie- tes, sondern ist Folge der in der Bundesrepublik praktizierten re- striktiven Zugangsbestimmungen zu den erforderlichen Datenquellen.

Äußern sich Epidemiologen den- noch zu den angesprochenen Fra- gen, dann auf der Basis von Resulta- ten aus anderen Ländern, in denen diese Forschung möglich und erfolg- reich ist.

Die Anstrengungen, die gegen- wärtig zur Verbesserung dieser Si- tuation beispielsweise durch die Ein- richtung einiger weiterer Krebsregi- ster unternommen werden, bedeu- ten indessen fatalerweise alles ande- re als eine Verbesserung. Zum Bei- spiel ist in Baden-Württemberg im Sommer 1985 ein Modellversuch an- gelaufen, in dem erprobt werden soll, inwieweit die anonyme Regi- strierung von Krebsneuerkran- kungsfällen durchführbar ist. Eine Versuchsphase ist auf zwei Jahre an- gesetzt und wird mehrere Millionen DM kosten. Für die epidemiologi- sche Krebsursachenforschung ist ein Institut für Dokumentation, Information und Statistik (Direktor: Professor Dr. Gustav Wagner), Deutsches Krebsforschungszen- trum, Heidelberg

anonymes Register aber, und das steht schon heute fest, absolut un- brauchbar.

Frage nach den

Ursachen entscheidend

Wie kann es geschehen, daß Anspruch und Wirklichkeit derartig auseinanderklaffen? Ein grundle- gender Irrtum, der hinter der Emp- fehlung anonymer Krebsregister steht, besteht darin, daß man in ih- nen allein die Datenbasis für geogra- phisch-pathologische Deskriptionen sieht. Wenn in der Diskussion um den Krebsatlas (1) Krebsregister ge- fordert wurden, dann doch wohl si- cherlich nicht, um mit exakterem Datenmaterial ganz analoge Unter- suchungen nochmals anzustellen.

Register werden vielmehr gefordert, weil man über eine Beschreibung der Krebslandschaft hinaus nach den Ursachen fragt, die hinter diesen geographischen Verteilungen stehen (10). Der entscheidende Punkt für die gesamte Datendiskussion hin- sichtlich Ursachenforschung ist dann aber die Tatsache, daß die Methode dieser Forschung grundverschieden von derjenigen beschreibender Ver- fahren in Krebsatlanten und un- gleich präziser ist. Sie erfordert dementsprechend ganz andersarti- ges und auch wesentlich präziseres — und das heißt in diesem Fall perso- nenbezogenes — Datenmaterial.

Am ehesten läßt sich die Vorge- hensweise der epidemiologischen Ursachenforschung vergleichen mit einem am Menschen kontrolliert durchgeführten Experiment, das je- doch nicht wirklich stattfindet, son- A-736 (58) Dt. Ärztebl. 84, Heft 12, 19. März 1987

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Epidemiologische Krebsursachenfor- schung muß mit mehreren Datenquel- len arbeiten, die prinzipiell alle

personengebunden sein müssen.

dem lediglich anhand eines dafür geigneten Datenmaterials rechne- risch simuliert wird. Daß so etwas überhaupt geht, liegt daran, daß man die tagtäglich zwangsläufig stattfindende Berührung aller Men- schen mit tausenden natürlicher oder künstlicher Stoffe als ein stän- dig ablaufendes gigantisches Experi- ment ansehen kann. Hieraus bezie- hungsweise aus den darüber vorlie- genden Informationen müssen dann diejenigen Daten herauspräpariert werden, die für die Beantwortung einer speziellen Fragestellung erfor- derlich sind. Die Leistungsfähigkeit des Konzepts hat jahrzehntelange epidemiologische Forschung dieser Art vorwiegend in den skandinavi- schen und angelsächsischen Ländern hinlänglich gezeigt.

Bedingung für den Erfolg ist, wie gesagt, daß die Daten für die Si- mulation ebenso präzise sind wie die eines echten Experiments: Für eine spezifische Fragestellung muß eine spezifische Personengruppe (häufig 1000 bis 1500 Personen) zusammen- gestellt werden, die in einer nach Dauer und Intensität individuell be- kannten Weise Kontakt mit dem je- weiligen Risikofaktor hatte; diese Daten simulieren die Applikation beim Experiment. Außer diesen Ex- positionsdaten müssen in einem zweiten Schritt Informationen über die Folgen der „Applikation" ge- sammelt werden: Fakten über die Erkrankungen oder über die Todes- ursachen (sogenannte „Follow-up- Studien"). Man sieht, daß epide- miologische Ursachenforschung mit mehreren Datenquellen arbeiten muß, die prinzipiell alle personenbe- zogen sein müssen: Zum einen mit Daten über die Exposition, zum an- deren mit Daten über die Folgen ( „Outcome"). Folgen sind entwe- der Erkrankung (erfaßt in Krebsre- gistern) oder Tod (erfaßt in der To- desursachenstatistik).

Das Krebsregister ist somit ein- gebettet in eine Kette von Daten- quellen, und man kann über seinen Umfang und seine Ausstattung nicht sinnvoll diskutieren, wenn man sich nicht über seine Funktion im Ablauf epidemiologischer Studien im klaren ist. Überdies geraten in der Diskus- sion um die Einrichtung von Krebs-

registern die Probleme mit anderen Datenquellen leicht in Vergessen- heit. Berufskrebsstudien können beispielsweise nur durchgeführt wer- den, wenn Expositionsdaten bezüg- lich des Arbeitsplatzes zur Verfü- gung stehen, die aber ohne Einver- ständnis beziehungsweise aktive Mitarbeit der betreffenden Arbeit- geber nicht zu bekommen sind. Die- se Schwierigkeit ist bisher in der Dis- kussion um die Möglichkeit epide- miologischer Forschung hierzulande noch nicht ein einziges Mal einge- bracht worden. Ein anderes Pro- blem hinsichtlich der Folgedaten be- trifft die Todesursachenstatistik, in der brauchbare Daten bereits vorlie- gen, gegenwärtig aber aus rechtli- chen Gründen nicht genutzt werden können.

Expositionsdaten und Expositionsregister

_am Bezüglich geeigneter Exposi- tionsdaten ist zunächst auf die Frage einzugehen, wieso deren Erhebung überhaupt ein Problem ist. Auf den ersten Blick sollte es doch wohl nicht allzu schwierig sein, zum Beispiel 1500 Personen ausfindig zu machen, die in einem angebbaren Ausmaß mit einem eventuellen Krebsrisiko- faktor zu tun hatten, wobei sich die Hürde des Datenschutzes durch de- ren vorherige Zustimmung zur Teil- nahme an einer solchen Studie leicht überwinden ließe. Das ist zwar im Prinzip richtig, geht aber an der Sa- che vorbei. Bei der Frage nach einer möglichen Krebsgefährdung durch bestimmte Stoffe spielt nämlich der Zeitfaktor eine entscheidende Rol- le. Tumoren haben Induktionszeiten von 10 bis 30 Jahren, können also erst entsprechend lange nach dem ersten Kontakt mit dem inkriminier- ten Stoff erwartet werden. Eine klä-

rende Antwort bezüglich einer mög- lichen Krebsgefährdung wird jedoch in der Regel möglichst sofort erwar- tet, zumindest aber nicht erst nach einer Wartezeit bis über das Jahr 2000 hinaus, wie es bei Beginn einer

„prospektiven" Follow-up-Studie in der Gegenwart zwangsläufig wäre.

Man ist folglich gezwungen, sei- ne Daten aus einer Zeit einzuholen, die um die genannte Zeitspanne zu- rückliegt ( „retrospektive" Follow- up-Studie). Gelingt es, aus geeigne- ten Informationsquellen nachträg- lich ausreichend viele Personen aus- findig zu machen, die bereits in den 50er oder 60er Jahren exponiert wa- ren, dann können aus den bis heute aufgetretenen Tumoren sofort Rückschlüsse auf die eventuelle Karzinogenität des betrachteten Agens gezogen werden. Da die da- mals im Berufsleben stehenden Per- sonen nicht selten aus Altersgrün- den bereits verstorben sind, ist diese Vorgehensweise aber in hohem Ma- ße auf das Studium von Akten aus der damaligen (Exposition) und aus der heutigen Zeit (Erkrankung be- ziehungsweise Todesursache) ange- wiesen. Eine Zustimmung der be- troffenen Personen kann natürlich gerade bei den für die Fragestellung entscheidenden Fällen (nämlich den an Krebs Verstorbenen) heute nicht mehr eingeholt werden.

Inwieweit die Durchführbarkeit solcher Studien für die Krebsfor- schung relevant ist, läßt sich am Bei- spiel beruflicher Krebsrisikofakto- ren zeigen. Im Abschnitt III „krebs- erzeugende Arbeitsstoffe" der

„MAK-Liste" (4) werden in der Rubrik A 13 beziehungsweise 44 Stoffe und Stoffgruppen genannt, die nachgewiesenermaßen beim Menschen krebserregend sind oder aufgrund von Tierexperimenten als solche anzusehen sind. Weitere 66 Stoffe und Stoffgruppen sind in der Rubrik B aufgeführt, für die eine A-738 (60) Dt. Ärztebl. 84, Heft 12, 19. März 1987

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Gegen betriebsinterne Krebsregister gibt es eine Reihe von Einwänden.

endgültige Klärung noch aussteht, das heißt ein dringender, nicht zu- letzt epidemiologischer Forschungs- bedarf besteht.

Die Dringlichkeit der Berufs- krebsproblematik und die Schwie- rigkeit der nachträglichen Datenbe- schaffung haben in Schweden und in Finnland dazu geführt, sogenannte

„Expositionsregister" einzuführen (7). Durch Gesetz wurde jeder Indu- striebetrieb verpflichtet, jährlich an das Register zwei Listen einzurei- chen: die eine Liste verzeichnet die als möglicherweise karzinogen ein- gestuften Substanzen, die in dem Betrieb Verwendung finden, die an- dere Liste führt diejenigen Arbeiter auf, die mit diesen Substanzen in Berührung kommen. Auf diese Wei- se kann einmal rasch ein genügend großes exponiertes Kollektiv für ei- ne epidemiologische Studie zur Kar- zinogenität der Substanz zusammen- gestellt werden, und zweitens kann das gesamte Register routinemäßig am Krebsregister vorbeigeführt wer- den, wodurch möglichst frühzeitig diejenigen Substanzen identifiziert werden können, bei denen sich eine erhöhte Krebsinzidenz zeigt.

Industrielle Expositionsregister müssen jedoch nicht unbedingt das ganze Land abdecken; sie können für Forschungszwecke schwerpunkt- mäßig auf einzelne Regionen be- schränkt sein oder sogar nur einzel- ne Großbetriebe erfassen.

Folgedaten:

Betriebliche und staatliche epidemiologische

Krebsregister

Um eine Aussage über das mit einem bestimmten Faktor zusam- menhängende Krebserkrankungsri- siko machen zu können, bedarf es außer den Expositionsdaten weiter- hin Informationen über die gesund- heitlichen Folgen der Exposition, das heißt also hier über spätere

Krebserkrankungen. Im einfachsten Fall werden solche Daten gleich dort gesammelt, wo die Expositionen ge- häuft auftreten: im Falle beruflicher Krebsrisiken also am Arbeitsplatz.

Ein derartiger Versuch zur Überwachung der Krebsinzidenz auf Betriebsebene wird schon seit 1956 von dem amerikanischen Chemie- konzern du Pont mit einem betriebs- internen Krebsregister unternom- men (8). Man versucht so, die ver- schiedenen Produktionsbereiche hinsichtlich ihrer Krebsinzidenz zu überwachen und gegebenenfalls Sonderentwicklungen frühzeitig zu erkennen; ferner können Arbeiter beziehungsweise Arbeitsplätze mit bekannter Karzinogenexposition be- züglich der Tumorinzidenz beobach- tet und schließlich das Krebsgesche- hen ganzer Betriebseinheiten mit dem der Gesamtbevölkerung vergli- chen werden.

Ein konzeptioneller Nachteil solcher betriebsinterner Register be- steht darin, daß in solchen Registern die Krebsinzidenz in der Regel un- terschätzt wird. Krebsfälle werden nämlich nur unter den noch aktiven Mitarbeitern ermittelt. Viele Krebs- erkrankungen bei vorzeitig oder aus Altersgründen ausgeschiedenen Per- sonen werden unentdeckt bleiben, wenn die Register die ehemaligen Mitarbeiter nicht prinzipiell bis zum Lebensende weiterverfolgen. Au- ßerdem ist bekannt, daß ein Ver- gleich der Krebsinzidenz der aktiven Mitarbeiter mit der der Allgemein- bevölkerung meistens zugunsten des Betriebs ausfällt (sogenannter

„healthy worker effekt") und des- halb kein adäquates Maß für das re- ale Krebsrisiko darstellt (6). Ein an- derer Einwand basiert auf der Be- fürchtung, daß die vom Arbeitgeber gesammelten Krankheitsdaten sei- ner Mitarbeiter zu deren Ungunsten verwendet werden könnten.

Beide Einwände entfallen bei staatlich organisierten Krebsregis- tern, die vollständig erfassen kön- nen, und deren Betreiber keine wirt-

schaftlichen Interessen gegenüber den im Register geführten Personen haben. Außerdem sollte nicht über- sehen werden, daß berufliche Krebs- risikofaktoren nur einen Teil aller Krebsrisikofaktoren stellen, und Krebsregister einer breitangelegten Krebsforschung dienen sollten. Ihr Einsatz im Rahmen der epidemiolo- gischen Krebsursachenforschung läßt sich kurz folgendermaßen be- schreiben:

Für die Gruppe der exponierten Personen, die durch gezielte Daten- selektion ermittelt wurde, muß fest- gestellt werden können, wer davon in den Jahrzehnten nach der ersten Exposition im Krebsregister als Fall auftaucht. Da infolge der individuel- len Datenerhebung bezüglich der Exposition die namentliche Identität aller Studienteilnehmer bekannt ist, muß nur noch jeder Datenjahrgang des Krebsregisters nach diesen Per- sonen durchsucht werden. Das be- deutet aber, daß die Brauchbarkeit eines epidemiologischen Krebsregi- sters für die Ursachenforschung da- mit steht und fällt, ob das Register personenbezogen geführt wird oder nicht. Ein anonymes Krebsregister ist also für die Ursachenforschung sinnlos und reine Geldverschwen- dung.

Auch über den Umfang von Krebsregistern läßt sich aus dem Prinzip epidemiologischer Studien eine Aussage machen. Da Studien für eine bestimmte Fragestellung nicht selten multizentrisch sein müs- sen und außerdem bei jahrzehnte- langen Latenzzeiten Wanderungsbe- wegungen der Mitglieder der expo- nierten Gruppe wahrscheinlich sind, sollten Krebsregister landesweit oder zumindest für großräumige Ballungszentren flächendeckend sein.

Als Beispiel für ein gut funktio- nierendes Krebsregister kann das dänische in Kopenhagen genannt werden (3). Es sammelt flächendek- kend alle Krebsfälle in Dänemark, wobei der Registrierung und späte- ren Wiederauffindung der Fälle die bei uns umstrittene Personenkenn- ziffer zugute kommt Im Rahmen von Studien gelingt die Identifizie- rung der Krebsfälle im Register zu- meist innerhalb eines Tages. Es be- Dt. Ärztebl. 84, Heft 12, 19. März 1987 (63) A-741

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darf wohl kaum der Erwähnung, daß unter so günstigen Voraussetzungen Krebsursachenforschung sehr effi- zient betrieben werden kann.

Folgedaten:

Todesursachenstatistik und Todesursachenregister

Ä

Bei Betrachtung nur der Sterb- lichkeit, das heißt der Häufigkeit der in einer Studie aufgetretenen Todes- ursachen, führt das Follow-up zu- nächst in die Einwohnermeldeämter um festzustellen, wer von der Stu- diengruppe noch lebt und wer ver- storben ist. Von den Verstorbenen konnten dann in der Vergangenheit von medizinischen Einrichtungen auf dem Wege der Amtshilfe bei den Gesundheitsämtern die Todesursa- chen erfragt werden. Dieser Weg war mühselig und erforderte jahre- lang „Spurensicherung". Inzwi- schen ist auch er weitgehend verbaut worden. Die Vielfalt der Einwände, die vom Datenschutz über Bundes- gesetze (Bundesstatistikgesetz) und Landesgesetze (zum Beispiel Bestat- tungsgesetze) bis zur ärztlichen Schweigepflicht reichen, macht im Interesse einer effizienten medizini- schen Forschung eine durchgreifen- de bundeseinheitliche gesetzgeberi- sche Klarstellung erforderlich (5).

Grundsätzlich könnte auf der Basis der amtlichen Todesursachen- statistik ein ebenso einfaches Ver- fahren zur Ermittlung von Todesur- sachen etabliert werden, wie es bei Krebsregistern bezüglich der Er- krankungsdaten geschildert wurde.

Ein solches nationales „Todesursa- chenregister" für den Zweck medi- zinischer Forschung wurde in den USA als „National Death Index"

eingerichtet (9). In ihm wurden die regional geführten Todesursachen- statistiken zentral zusammengefaßt, so daß dort wie in einem personen- bezogenen Krebsregister für eine Namensliste aus einer epidemiologi- schen Studie innerhalb weniger Tage festgestellt werden kann, welche der betreffenden Personen bereits ge- storben sind und welche Todesursa- chen angegeben wurden. In der Bundesrepublik ließe sich ein analo-

ges Todesursachenregister ebenfalls leicht installieren, indem die in den statistischen Landesämtern der zehn Bundesländer und Berlins (West) ohnehin schon auf Datenverarbei- tungsanlagen vorliegenden Mortali- tätsdaten routinemäßig personenbe- zogen an eine Zentralstelle weiter- gegeben und damit für die medizini- sche Forschung zugänglich gemacht würden.

Folgerungen

iiimankifflang

Während in anderen westlichen Ländern die epidemiologische For- schung großzügig gefördert wird, ist sie in der Bundesrepublik durch juri- stische Beschränkungen nahezu zum Erliegen gebracht worden. Um die- sem Zustand abzuhelfen, sind als Minimalvoraussetzung verschiedene politische Entscheidungen erforder- lich:

C) In den Ländern müssen Krebsregister eingerichtet wer- den, die personenbezogen und möglichst flächendeckend alle Neuerkrankungsfälle an Krebs registrieren und der epidemio- logischen Forschung zur Ver- fügung stehen. Der Daten- schutz, dessen Wichtigkeit nicht heruntergespielt werden soll, kann durch technische Maßnahmen sowie durch die Einrichtung von Ethikkommis- sionen, die über die Datenwei- tergabe wachen, gewährleistet werden.

() Eine Absprache zwischen Bund und Ländern muß si- cherstellen, daß die Register- daten der Länder in einer Bun- desbehörde ebenfalls perso- nenbezogen zusammengefaßt und für die Forschung bereit- gestellt werden.

C) Es muß bundeseinheitlich gesetzlich geregelt werden, daß die medizinische For- schung Zugang zu den Daten der Todesbescheinigungen er- hält. Eventuell kann dies durch eine Änderung des Bun-

desstatistikgesetzes erreicht werden.

® In Absprache zwischen Bund und Ländern müssen bei einer Bundesbehörde die in den Ländern gesammelten Da- ten der amtlichen Todesursa- chenstatistik in einem zentra- len personenbezogenen Todes- ursachenregister zusammenge- führt und für die medizinische Forschung zur Verfügung ge- stellt werden.

Literatur

1. Becker, N.; Frentzel-Beyme, R.; Wagner, G.: Krebsatlas der Bundesrepublik Deutschland, Zweite Auflage, Springer, Berlin—Heidelberg—New York—Tokyo 1984 2. Becker, N.: Epidemiologie — die Wissen-

schaft vom Auftreten von Krankheiten beim Menschen, Med. Welt 36 (1985) 851-857

3. Clemmesen, J.: Statistical Studies in the Aetiology of Malignant Neoplasms I, Re- view and Results, Munksgaard, Kopenha- gen 1985

4. Deutsche Forschungsgemeinschaft: Maxi- male Arbeitsplatzkonzentrationen und Bio- logische Arbeitsstofftoleranzwerte 1984, Verlag Chemie, Weinheim 1984

5. Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin:

Memorandum zur Verbesserung des Zu- gangs zu Sterbeunterlagen und Mortalitäts- daten in der Bundesrepublik Deutschland, ASP 6 (1985) 125-127

6. Hernberg, S.: „Negative" Results in Co- hort Studies — How to Recognize Fallacies, Scand J. Work Environ. Health 7 (1981) Suppl. 4, 7-11

7. Herva, A.: The Finish Register of Em- ployees Occupationally Exposed to Carci- nogens, in: Prevention of Occupational Cancer — International Symposium, Inter- national Labour Office, Geneva 1982 8. Pell, S.: A Cancer Epidemiologic Surveil-

lance Programm in a Large Chemical Com- pany, in: Prevention of Occupational Can- cer — International Symposium, Internatio- nal Labour Office, Geneva 1982

9. U.S. Department of Health and Human Services: The National Death Index, Public Health Service, Office of Health Research, Statistics and Technology National Center for Health Statistics 1981

10. Wagner, G.: Krebsregister — notwendig, wenn auch nicht unproblematisch, Klinik- arzt 13 (1984) 753-762

Anschrift des Verfassers:

Dr. Nikolaus Becker Institut für Dokumentation, Information und Statistik Deutsches Krebsforschungs- zentrum

Im Neuenheimer Feld 280 6900 Heidelberg 1

A-742 (64) Dt. Ärztebl. 84, Heft 12, 19. März 1987

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