• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Erfahrungen mit dem Notarztwagen" (05.02.1976)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Erfahrungen mit dem Notarztwagen" (05.02.1976)"

Copied!
6
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Aufsätze Notizen

THEMEN DER ZEIT

A. Aufgabe des

heutigen Rettungswesens

Oberstes Ziel ist es, Menschenle- ben zu erhalten. Der Laie und der Arzt müssen in einer Notfallsitua- tion wohlüberlegt und schnell han- deln. Das Personal der Rettungs- dienste soll intensiv in der Wieder- herstellung und Erhaltung der vita- len Funktionen ausgebildet sein.

Die Rettungswagen gemäß DIN 75 080 sind mit zwei Rettungssani- tätern zu besetzen. In Einzelfällen wird der Arzt am Einsatzort benö- tigt werden. Dann ist der Notarzt- wagen mit seiner für den ärztlichen Einsatz spezifischen Ausrüstung einzusetzen. Um die medizinische Hilfe durch die oft notwendige technische zu ergänzen, bedarf es der Kombination von Rettungs- dienst und Berufsfeuerwehr (Mün- chen, Frankfurt/M., Hamburg). Der Einsatz des Notarztwagens (NAW) hat zu gewährleisten: respiratori- sche, kardiale und zirkulatorische Reanimation, Erhaltung der vitalen Funktionen und die Vermeidung weiterer Schäden für den Patien- ten.

Sind dem Einsatz des NAW Gren- zen gesetzt, ist der arztbesetzte Rettungshubschrauber (RHS) ein- zusetzen. Mit den gleichen medizi- nisch-technischen Geräten wie der NAW ausgerüstet, ist er diesem an Reichweite und Geschwindigkeit überlegen. Dagegen ist der Einsatz eines RHS bei schlechtem Flugwet- ter, bei Nacht oder mangels eines geeigneten Landeplatzes nicht möglich.

Zum zukünftigen Rettungswesen gehört ein bundesweit einheitliches Notrufsystem. In den ländlichen Gebieten gilt es, den Sekundär- transport von Notfallpatienten von jedem beliebigen Ort aus in die nächste Klinik zu sichern.

B. Der Notarztwagen in Hamburg

Hamburg ist ein Stadtstaat mit 753 qkm Fläche und rund 1,8 Millionen Einwohnern. Es verfügt über 19 staatliche Kliniken, von denen eini- ge Schwerpunktkrankenhäuser sind.

Seit 1968 gibt es in Hamburg ei- Gesundheitsstatistik

640). Sie lautet: „Diese Positions- nummer darf nicht verwendet wer- den, wenn die Schwangerschafts- komplikation oder die sonstige Krankheit, die den Eingriff erfor- derlich macht, bekannt ist." (96) Das kann unter Umständen zu demselben Effekt führen, der vor Jahren bereits einmal bei der Dis- kussion der schwedischen Selbst- mordziffern vermutet wurde (52);

nämlich, daß in die (monokausale) Todesursachenstatistik nicht der Eingriff, sondern die am Anfang der zum Tode führenden Kausal- kette, also die vom Arzt angegebe- ne Indikation zur Abtreibung ein- geht (z. B. Depression, allgemeine Erschöpfung). Da diese Signierre- gel in dem Anhang zur internatio- nalen Klassifikation verbindlich vorgegeben ist, kann es durchaus sein, daß in Ländern mit legalisier- ter Abtreibung die Zahl der Ein- griffstodesfälle in Wirklichkeit viel höher liegt.

Solange keine Kenntnis über die nationalen Verschlüsselungsregeln und keine internationale Standardi- sierung im Detail für die Signie- rung in diesen Zweifelsfällen be- steht, muß die Verallgemeinerungs- fähigkeit auch dieses Teils der Müttersterbestatistik angezweifelt werden. Es dürfte erinnerlich sein, daß bei der Diskussion über die Neufassung des § 218 die niedrige- re Zahl der bei legalen Abtreibun- gen zu Tode gekommenen Frauen eine große Rolle gespielt hat.

Wird fortgesetzt

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Horst Fassl Abteilung für

Medizinische Statistik und

Dokumentation der Medizinischen Hochschule Lübeck

Ratzeburger Allee 160 2400 Lübeck

Erfahrungen

mit dem Notarztwagen

Einjähriger Einsatz „rund um die Uhr" in Hamburg

Manfred Schmidt

Berichtet wird über den Einsatz eines Notarztwagens im Jahr 1972/

73. Dabei werden über 1600 Einsätze ausgewertet. Die meisten der ärztlich indizierten Einsätze betrafen innere Erkrankungen, Unfälle und Verlegungen. Relativ geringfügig war die Zahl der Verkehrsun- fälle. Die Arbeit entstand in der Anästhesieabteilung des Universi- tätskrankenhauses Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. med. Karl Horatz) und in der II. Anästhesieabteilung des Allgemeinen Krankenhauses Sankt Georg (Chefarzt Dr. med. G. Bergmann), beide in Hamburg.

352

Heft 6 vom 5. Februar 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Tabelle 1: Einsatzarten

absolut in v. H.

Verkehrsunfälle 144 8,75

— davon mit Pkw-Beteiligung ( 85) ( 5,2 )

andere Unfälle 118 7,15

innere Erkrankungen 113 6,9

neurologische Erkrankungen 27 1,65

pädiatrische Erkrankungen 28 1,7

gynäkologische Erkrankungen 4 0,25

andere Erkrankungen 27 1,65

Verlegungen 100 6,1

Suizidversuch 37 2,25

Verbrechen 11 0,7

Fehleinsätze 478 29,1

Exitus letales 530 32,2

sonstige Einsätze 26 1,6

Summe 1643 100

Notarztwagen

nen Großunfallwagen, der bei Be- darf mit einem Arzt besetzt wird. Er wird durch den NAW abgelöst, der im März 1972 im Allgemeinen Kran- kenhaus St. Georg in Dienst ge- stellt wurde. Dieses Krankenhaus liegt im Zentrum Hamburgs und hat zusammen mit dem nahe ge- legenen Kinderkrankenhaus 1416 Betten. Das AK St. Georg ist ein Schwerpunktkrankenhaus. Es ver- fügt über zwei Intensivpflegestatio- nen und einen Dringlichkeits-Ope- rationsraum. Der NAW ist rund um die Uhr im Einsatz. Es wurde ein Mercedes-Benz Typ 408 L mit ver- längertem Radstand und erhöhtem Dach (Stehhöhe 1,90 m) ange- schafft.

Die erstmals verwendete „Vleugel- brancard"-Trage ist auf Grund von Forschungen der Technischen Hochschule Delft/Holland gebaut worden. Durch diese Konstruktion gelingt es, die Eigenfrequenz des Systems „Patient auf Trage" (2 bis 3 Hz) — unabhängig vom jeweili- gen Gewicht des Patienten — auf etwa 0,5 Hz zu senken. Die Tragen- halterung kann seitlich versetzt, in Antischocklage verstellt und zum Be- und Entladen gesenkt werden.

Von der Ausrüstung des NAW wer- den das Dräger-Narkosewand-Ein- baugerät, der tragbare Elektrokar- diograph „Visicard", das tragbare Herz-Lungen-Rettungsgerät, Fabri- kat Heilige Typ HLR 50-90 und

das tragbare Herz-Wiederbele- bungsgerät, Fabrikat Mela Typ ET 40 erwähnt. Im NAW sind An- schlüsse für Inkubatoren ange- bracht. Gebrauchsfertige Inkubato- ren werden in den Kliniken und bei der Feuerwehr bereitgehalten.

Wählt man in Hamburg die Telefon- nummer 112, ist man mit der Feu- erwehr-Einsatzzentrale verbunden.

Sie setzt die Krankentransport-, die Rettungs- und den Notarztwagen ein. Erfahrene Beamte entscheiden über den Einsatz der Rettungsmit- tel. Für den Katastrophenfall exi- stiert bei der Hamburger Feuerwehr ein Alarm- und Einsatzplan, der auch den Einsatz von Klinikärzten regelt.

Der NAW ist ständig mit zwei Ret- tungssanitätern der Feuerwehr und einem Anästhesisten oder einem sich in der Anästhesiologie fortbil- denden Arzt besetzt. Die Rettungs- sanitäter haben eine erweiterte Sa- nitätsausbildung durch ein Kran- kenhauspraktikum und eine Ausbil- dung durch den NAW-Arzt absol- viert.

Der Einsatzzentrale der Hamburger Feuerwehr unterstehen 19 Feuer- wachen, eine Rettungswache und drei Rettungswachenaußenstellen.

Die Zentrale kann über ca. 90 RTW, 3 NAW (Ende 1974), 4 NAW (1975), 2 Ambulanzboote im Hafen und über 1 RHS der Bundeswehr verfügen.

C. Die Praxis des

Notarztwagen-Dienstes

Die Rettungsfahrzeuge der Ham- burger Feuerwehr hatten im Jahr 1971 rund 132 000 Einsätze, von de- nen etwa 85 000 zu Unfällen und Notfallerkrankungen erfolgten. Der NAW fuhr in einem Jahr 1643 Ein- sätze. Der Rettungshubschrauber der Bundeswehr ist seit Juli 1973 im Einsatz und in dieser Arbeit nicht berücksichtigt.

Der Notarztwagen im Einsatz Der Einsatzbefehl wird telefonisch gegeben. Die Rettungssanitäter ho-

len

den Arzt vom Klinikgebäude ab. Unterwegs steht der NAW mit der Zentrale über Funk in Verbin- dung. Die Hamburger Feuerwehr setzt den NAW gemäß einer Dienst- anweisung ein. Bei bestimmten In- dikationen fährt er zu Zielen im ge- samten Stadtgebiet. Seit einiger Zeit gibt es einen zweiten NAW in Harburg. Eine sogenannte Checkli- ste zur Bestimmung der Indikation für den NAW-Einsatz (wie in Bre- men angewandt) existiert in Ham- burg nicht.

Auf dem Weg zum Einsatzort nimmt der Arzt bei Bedarf mit der Besatzung des RTW an der Ein- satzstelle über Funk Kontakt auf und informiert sich über das Ge- schehen am Einsatzort. Wenn nötig gibt er Anweisung, auf den NAW zu warten, oder er veranlaßt die RTW- Besatzung, den Patienten in die nächste Klinik zu transportieren.

Im NAW sorgen der Arzt und die Sanitäter für die Herstellung und Erhaltung der Transportfähigkeit des Patienten.

Von den Geräten hat sich beson- ders das Kardioskop „Visicard"

bewährt. Es ist leicht, handlich und dank seines Batteriebetriebes überall zu verwenden. Störungen treten durch Vibration, Wechsel- strom oder die unruhige Hand des Benutzers auf. Die Narkosewand- einheit ist zu selten in Betrieb, um sie zu beurteilen. Das Herz-Lun-

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 6 vom 5. Februar 1976 353

(3)

Summe der Patienten 1059 100

— Herztherapeutika i. v.

Kardiale Reanimation

— externe Herzmassage

— Orciprenalin, Adrenalin i. c.

— Defibrillation

— externer Schrittmacher

334 31,6 170 16 267 25,2

93 8,8

5 0,5

Zirkulatorische Reanimation

— Schockbehandlung

— Acidosebehandlung

Transport auf der Vakuummatratze Jugularis- oder Subciaviapunktion Gaben von

— Sauerstoffzufuhr

336 31,7 265 25

11 1,1 24 2,3 39 3,7

— anderen Pharmaka

— Sedativa, Analgetika 101 9,5

91 8,5 Tabelle 2: Art und Häufigkeit der ärztlichen Maßnahmen

absolut in v. H.

— künstliche Beatmung Respiratorische Reanimation

— Reinigen der Luftwege

— endotracheale Intubation

95 9

381 36 349 33

Verlegungen sind nicht berücksichtigt. Wegen der Häufung von Behandlungsmaßnahmen bei einigen Patienten ergibt die Summe der Prozentzahlen mehr als 100.

Tabelle 3: Unfallarten, Zahl der Patienten

absolut in v. H. in v. H.

Verkehrsunfälle (194) (54,8) 100

— Insassen von Pkw, Lkw 135 38,1 69,6

Summe der Patienten 354 100

— davon mit Foetor alcoholicus 51 14,4

— Fußgänger und Zweiradfahrer

— Insassen von Schienenfahrzeugen

40 11,3 19 5,4 62 17,5 42 11,9 18 5,1 7 2 9 2,5 22 6,2

20,6 9,8 Arbeitsunfälle

Sport- und Haushaltsunfälle Erstickungsunfälle

Elektrizitätsunfälle Ertrinken, Unterkühlungen sonstige Unfälle

Aufsätze • Notizen

Erfahrungen mit dem Notarztwagen

gen-Rettungsgerät wird für länger dauernde Reanimationen einge- setzt. Es erbringt nur bei genügend festem Anschnallen eine ausrei-

chende Blutdruckamplitude in den peripheren Arterien. Die Befesti- gungsgurte sind noch verbesse- rungsbedürftig. Vom Herz-Wieder-

belebungsgerät wird eigentlich nur der Defibrillator gebraucht. Das Gerät ist zu schwer und unhand- lich. Der EKG-Teil wird nur be- nutzt, wenn das „Visicard" defekt ist.

Die Ergebnisse

der Einsätze des Notarztwagens Der Auswertung lag ein „Fragebo- gen für arztbesetzten Unfallwagen"

zugrunde. Auf manchen der ausge- füllten Fragebögen fehlten ver- schiedene Angaben. Einige Eintra- gungen waren unvollständig. In Hamburg war im Berichtszeitraum nur ein NAW im Einsatz.

In der Zeit vom 1. November 1972 bis zum 31. Oktober 1973 wurden von dem NAW 1643 Einsätze gefah- ren, davon 53,6 Prozent im Som- merhalbjahr. Die monatliche Ein- satzfrequenz betrug 137, das Mini- mum waren 118 Einsätze im No- vember und das Maximum 171 im August. An einem Tag wurden durchschnittlich 4,5 Einsätze ge- fahren. An Werktagen war die Ein- satzfrequenz in den Vormittags- und Mittagsstunden mehr als dop- pelt so groß wie in den Nachtstun- den (Tabelle 1).

Das Ausrücken des NAW dauerte im Mittel neun, die durchschnittli- che Einsatzzeit betrug 27 Minuten je Einsatz. Die Mehrzahl der Ein- satzorte waren Wohnungen, Büros und öffentliche Gebäude (mehr als 50 Prozent) und Straßen, Plätze und öffentliche Verkehrsmittel (etwa 30 Prozent).

• Die häufigsten vorläufigen Dia- gnosen (s. Tabelle 1) waren Herz- und Kreislaufversagen (463), äußere Verletzungen, Frakturen, Verbren- nungen (225), Schock (161), Schä- del-Hirn-Traumen (129), Erkrankun- gen, innere Verletzungen (96) und Ateminsuffizienz (80). Von den 1059 behandelten Patienten (ohne Verle- gungen) wurden 325 reanimiert (Ta- belle 2). Bei weiteren 225 indizier- ten Wiederbelebungen kam der NAW zu spät. 25 Reanimationen waren erfolgreich; 14 Patienten wurden noch wiederbelebt, als man

354 Heft 6 vom 5. Februar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(4)

Tabelle 4: Art und Anzahl der Fehleinsätze (FE)

absolut in v. H. in v. H. in v. H.

Rückruf während des Ausrückens

kein Patient am Einsatzort

— bei Verkehrsunfällen

— grober Unfug

RTW übernahm den Transport

189 30,2 40,5 158 25,3 33,7 ( 24) ( 5,1) ( 21) ( 4,5) 98 15,7 20,9 Transport war nicht nötig

oder wurde verweigert Summe

23 3,7 4,9

468 100 97,9

ohne Angaben 10 1,6 2,1

Summe der FE ohne Patienten 478 100

Fahrt als Rettungswagen

— weil kein RTW verfügbar Summe aller FE

147 23,5 ( 3) ( 0,5)

625 100

Der Arzt beendete den Einsatz während des Ausrückens, wenn der Rettungswagen mit dem Patienten die Klinik eher erreichen konnte als der NAW den Einsatzort bzw. den RTW.

Tabelle 5: Ursachen und Anzahl der Exitus letales

absolut in v. H. in v. H.

Verkehrsunfälle 22 4,5

andere Unfälle 40 8,1

interne Erkrankungen 352 71,5

andere Erkrankungen 16 3,3

Suizid 53 10,8

Verbrechen 9 1,8

Summe 492 100 92,8

ohne Angaben 38 7,2

Summe aller Exitus letales 530 100

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Erfahrungen mit dem Notarztwagen

sie in die Klinik einlieferte. Rund 70 Prozent der reanimierten Pa- tienten waren Männer.

Es wurden 100 Verlegungen von Patienten durchgeführt. Sie erfor- derten meist längere Einsatzzeiten.

Der Arzt hatte hauptsächlich die vi- talen Funktionen der Patienten zu überwachen. Seit Juli 1973 sind Verlegungen auch mit dem RHS der Bundeswehr möglich. 29 Pa- tienten wurden infundiert, 23 waren intubiert, 16 waren bewußtlos und zehn wurden beatmet (Tabelle 3).

65 Prozent der verunglückten Pkw- Insassen waren Fahrer. Sicher- heitsgurte wurden nur von fünf Prozent der Verunfallten benutzt.

Nur sieben Prozent hatten Nacken- stützen in ihren Wagen. Bei 25 Pro- zent der Pkw-Benutzer wurde Foe- tor alcoholicus festgestellt (Tabel- le 4).

Im NAW kam kein Patient ad exi- tum. Einige verstarben kurz nach der Aufnahme in die Klinik. Sie sind in Tabelle 5 miterfaßt. Abge- sehen davon, besteht kein Rück- meldesystem, durch das der Arzt über das weitere Schicksal der Pa- tienten in der Klinik informiert wer- den könnte. Die überwiegende Zahl der verstorbenen Patienten erlag einem Herzversagen, welches durch kardio-respiratorische Reani- mation nicht abgewendet werden konnte (Tabelle 5).

Bei den Autounfällen mit Todesfol- ge war eine Beurteilung der Vertei- lung und Benutzung von Sicher- heitseinrichtungen in den Pkw so- wie des Alkoholgenusses der Fah- rer nicht möglich.

Der schlechte Gesundheitszustand der Patienten machte es in rund 200 Fällen erforderlich, den Trans- port und die vorläufige Diagnose der nächsten Klinik über Funk zu melden. Bei 99 der 1159 Patienten, die insgesamt vom NAW-Arzt be- handelt wurden, war ein Foetor al- coholicus festzustellen (8,5 Pro- zent). Zu Sicherheits- und Vorsor- geeinsätzen bei Bränden, Verbre- chen usw. rückte der NAW 23mal aus.

Ein Zusammentreffen mit einem RTW zur ärztlichen Versorgung des Patienten im Rettungswagen gab es bei 26 Einsätzen. 42mal wurden die Patienten den RTW übergeben, da keine Indikation für einen Transport im NAW bestand.

Mehr als einen Patienten zur glei- chen Zeit transportierte der Not- arztwagen bei 25 Einsätzen.

Insgesamt wurden in dem einen Jahr 1159 Patienten durch den Not- arztwagen ärztlich betreut. 69 Pro-

zent waren männlichen und 31 Pro- zent weiblichen Geschlechts. Un- gefähr 46 Prozent der Patienten waren älter als 55 und 79 Prozent älter als 25 Jahre. Bei 180 Patien- ten waren die Angaben über Alter und Geschlecht unvollständig (Ta- belle 6).

D. Diskussion

Die gezielte und schnelle Erstver- sorgung von verunglückten oder lebensbedrohlich erkrankten Per-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 6 vom 5. Februar 1976 355

(5)

Aufsätze ·Notizen

Erfahrungen mit dem Notarztwagen

sonen ist eine Notwendigkeit. Das gilt für Stadt und Land.

Anfangs gab es nur den Transport von Erkrankten. Er wurde von Or- ganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz durchgeführt. Nach dem letzten Weltkrieg wurde der Krankentransport in einigen Ge- meinden (Hamburg) per Dekret der Militärregierung hauptamtlich den Berufsfeuerwehren übertragen. Mit der Zunahme des Straßenver- kehrs verlagerte sich das Schwer- gewicht im Krankentransport auf die Versorgung von verunglückten Personen. Die Zeit und die wirksa- me Erste Hilfe spielten dabei eine große Rolle. Bald sprach man vom Rettungsdienst und der Rettungs- kette. Man muß heute feststellen, daß noch nicht alle Glieder der Rettungskette ausreichend entwik- kelt sind.

Es fehlen noch Rettungswagen ge- mäß der DIN 75 080, Notarztwagen, Hubschrauber, die bundeseinheitli- che Notrufnummer u. a. m. Detail- lierte Forderungen wurden auf den Rettungskongressen des DRK er- hoben. Auch im Verkehrsbericht der Bundesregierung von 1970 wird der Ausbau des Rettungswesens genannt.

Harnburg hat ein gut ausgebautes Rettungssystem, dem viele techni- sche Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Es sind noch nicht alle ge- planten Notarztwagen im Einsatz.

Dafür steht ein arztbesetzter Ret-

Tabelle 6: Wertung der Einsätze

Arzteinsatz erforderlich - Verlegungen

- lebenssichernd bzw.

lebensverlängernd Arztbereitschaft erforderlich Fehleinsätze

Summe aller Einsätze

tungshubschrauber der Bundes- wehr zur Verfügung.

Der NAW-Dienst rund um die Uhr begann in Harnburg im März 1972.

Anfangs war die Fehleinsatzquote noch groß. Wie Bergmann auf dem Kongreß der Deutschen Ge- sellschaft für Anästhesie und Wie- derbelebung (DGAW) 1972 in Harn-

burg mitteilte, betrug die Effektivi-

tät der Einsätze des NAW zu Be- ginn 31 Prozent.

~ Verglichen mit der Effektivität des gleichen NAW im darauffolgen- den Berichtszeitraum waren jetzt doppelt so viele Einsätze ärztlich indiziert. Man hat es gelernt, den NAW gezielter einzusetzen. Vor al- lem gewannen die RTW-Besatzun- gen, die den NAW in der Regel nachfordern, und die Beamten der Einsatzzentrale zunehmend einen besseren überblick. Man gewöhnte sich daran, in geeigneten Fällen auf den NAW zu warten und den Patienten nicht sofort in die näch- ste Klinik zu fahren. Die Rückspra- che mit dem Arzt über Funk erwies sich als nützlich. Im NAW konnte so oft die Transportfähigkeit des Patienten primär hergestellt wer- den und der nachfolgende Trans- port ohne zusätzliche Gefährdung aller Beteiligten und übereilte Hast vonstatten gehen. Viele Patienten mit nicht diagnostizierbarem, laten- tem oder manifestem Schock konnten prophylaktisch oder thera- peutisch mit Plasmaersatz-lnfusio- nen behandelt werden.

absolut in v. H. in v. H.

780 47,5 100 ( 100) ( 6,1) 12,8 ( 97) ( 5,9) 12,4

238 14,5 625 38 1643 100

Für die Zeit von November 1972 bis Oktober 1973 ergibt sich für den ersten Notarztwagen in Harnburg eine Effektivität von 62 Pro- zent.

356

Heft 6 vom 5. Februar 1976

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Am Beginn der Rettungskette steht in der Mßhrzahl der Fälle der medi- zinische Laie. Das erklärt teilweise den hohen Anteil der Fehleinsätze (38 Prozent beim Hamburger NAW). Die Informationen, die die Einsatzzentrale über die Notfallpa- tienten erhält, sind oft unzuläng- lich. Deswegen existiert bei der Hamburger Feuerwehr ein Einsatz- katalog für den NAW-Dienst.

Der Notarztwagen ist neben dem arztbesetzten Rettungshubschrau- ber das am besten geeignete und wirksamste RettungsmitteL Er wird für Unfälle und bei akuten Erkran- kungen eingesetzt. Die Praxis zeigt, daß der NAW und die Ret- tungssanitäter in einem Schwer- punktkrankenhaus stationiert sein müssen. ln den "Empfehlungen für den ärztlichen Einsatz im Rettungs- dienst" der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Wiederbele- bung heißt es u. a., daß eine bun- deseinheitliche Dokumentation der NAW-Einsätze für die Verbesse- rung des ärztlichen Einsatzes im Rettungsdienst erforderlich ist. Die vom DRK durchgeführte "Doku- mentationsstudie Rettungsdienst und Krankentransport" erfaßt auch die arztbesetzten RettungsmitteL Der letzte Erhebungstag dieser

Studie war für April 1974 vorgese-

hen. Man kann von ihr entschei- dende Impulse für den weiteren Ausbau des Rettungswesens er- warten.

ln mehreren Städten hat man schon seit Jahren Notarztwagen im Einsatz. Darunter hat Frankfurt/M.

eine umfassende Dokumentation aufzuweisen. Es ist schwer, ver- gleichende Überlegungen anzustel- len. ln jedem Ort wird eine andere Auswertung vorgenommen. Man kann lediglich die Einsatzfrequen- zen einigermaßen verbindlich mit- einander vergleichen.

Rechnet man zu den Fehleinsätzen auch die Einsätze, bei denen der Notarztwagen eigentlich als Ret-

tungswagen fährt, ergibt sich wohl

für alle Städte eine Fehleinsatzquo- te von 20 bis 40 Prozent. [>

(6)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Tabelle 7: Einsätze des Notarztwagens in verschiedenen Städten

Ort NAW seit Zahl der Einsätze im Jahr

Frankfurt/M (3 NAW) 1967 ca: 1300

Freising 1971 1972: 470

Gummersbach 1963 ca. 140

Hamburg 1972 NAW 1972/73: 1643

(Rettungszentrum) RHS ca. 300

Heidelberg 1964 ca. 120

Köln 1957 ca. 950

Ludwigshafen 1970 1971: 780

Mainz 1965 1968: 220

München 1966 ca. 500

Ulm 1971 NAW ca. 1000

(Rettungszentrum) RHS ca. 150

Notarztwagen

Die Tabelle 7 gibt einen Überblick über den NAW-Dienst und dessen Beginn in einigen Städten (aus der Literatur). Es gab Vorversuche mit einem Clinomobil (Heidelberg, Frankfurt/M.) und mit einem zeit- weilig arztbesetzten Rettungswa- gen (Hamburg).

Eine neue und effektive Einrich- tung ist das Rettungszentrum. Der Einsatz von Ärzten, Rettungssanitä- tern, Notarztwagen und Rettungs- hubschraubern wird von einer Klinik aus geleitet. Das erste Ret- tungszentrum besteht seit 1971 in Ulm.

Die Bundeswehr hat nach Über- windung vieler Schwierigkeiten auch in Hamburg ein Rettungs- zentrum eingerichtet. Bei der Aus- wertung in dieser Arbeit konnte es nicht berücksichtigt werden, denn der RHS und ‚der NAW des Zen- trums wurden erst während bzw.

nach der Berichtszeit in Betrieb genommen. Beim Hamburger RHS zeichnet sich ab, daß die durch- schnittlichen Einsatzzeiten länger und die mittleren Entfernungen deutlich größer als beim NAW sind.

Der Rettungshubschrauber hat mehr Einsätze zu Verkehrsunfällen, weniger zu internen Erkrankungen und mehr Verlegungen als der Not- arztwagen. Der NAW ist somit das bevorzugte Rettungsmittel zu nahen Einsatzorten mit keinerlei Lande- möglichkeiten für den Hubschrau- ber.

Die Bemühungen im Rettungswe- sen müssen weitergehen. Noch ist die bestmögliche Versorgung der Notfallpatienten nicht erreicht worden.

E. Zusammenfassung

Es wird über den Einsatz eines Notarztwagens (NAW) in Hamburg in der Zeit von November 1972 bis Oktober 1973 berichtet. Der NAW ist mit zwei Rettungssanitätern der Berufsfeuerwehr und einem in der Anästhesie tätigen Arzt besetzt.

Die Besatzung und der Wagen sind im Allgemeinen Krankenhaus St.

Georg stationiert. Die Alarmierung erfolgt über Draht auf separater Leitung. Am Einsatzort werden die Einsatzgeräte mit zum Patienten genommen.

In dem Jahr gab es 1643 Einsätze (137 je Monat). Die Einsatzfrequenz lag im Sommer höher als im Winter und in den Tagesstunden an Werk- tagen höher als zu anderen Tages- zeiten bzw. an Wochenendtagen.

Die meisten der ärztlich indizierten Einsätze betrafen interne Erkran- kungen, Unfälle und Verlegungen.

Verkehrsunfälle waren mit 15 Pro- zent nur mäßig beteiligt. Die durch- schnittliche Ausrückzeit betrug 9 und die Gesamteinsatzzeit im Mit- tel 27 Minuten je Einsatz. Die Ein- satzorte waren überwiegend Woh- nungen, Büros und öffentliche Ge- bäude.

Insgesamt wurden 1159 Patienten vom NAW-Arzt untersucht und wenn nötig behandelt. 530 verstar- ben am Einsatzort bzw. kurz nach Einlieferung in die Klinik. 325 Pa- tienten wurden reanimiert, 25 da- von mit Erfolg. Die häufigsten vor- läufigen Diagnosen lauteten: kar- dio-respiratorische Insuffizienz in- klusive Herzinfarkt, Schock, Schä- del-Hirn-Trauma und äußere Ver- letzung, Fraktur und Verbrennung.

Bei den ärztlichen Maßnahmen überwogen die lntubation, externe Herzmassage, Beatmung, Acidose- und Schockbehandlung und Gaben von Orciprenalin.

Bei den Unfällen dominierten die Verkehrsunfälle und hiervon die

Pkw-Unfälle. Der Alkoholgenuß war bei den Unfallpatienten fast doppelt so häufig wie beim gesam- ten Patientenkollektiv. Es erfolgten 100 Verlegungen, bei denen der Arzt hauptsächlich die vitalen Funktionen der Patienten über- wachte.

352 der 530 verstorbenen Patienten erlagen inneren Erkrankungen in- klusive Herzinfarkt. 22 kamen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Ein- schließlich der Fahrten als Ret- tungswagen (RTW) waren von den 1643 Einsätzen 625 = 38 Prozent Fehleinsätze. Zwei von drei Patien- ten waren männlichen Ge- schlechts. Das durchschnittliche Alter der 1159 Patienten betrug 47 Jahre.

• Die Effektivität der Einsätze be- trägt 62 Prozent.

Eine vergleichende Auswertung war nicht möglich, da im Berichts- zeitraum dieser Arbeit in Hamburg nur ein NAW im Einsatz war.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

cand. med. Manfred Schmidt Martini-Straße 52

2000 Hamburg 20

(Abteilung für Anästhesiologie des Universitätskranken- hauses Eppendorf)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 5. Februar 1976 357

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Da ich als Kind viel Zeit im Garten meiner Mutter verbracht hatte, entschied ich mich für eine Lehre als Landschaftsgärtne- rin?. Ich wusste allerdings von Anfang an, dass dies

12 Für Schweden scheint sich dabei zu zeigen, dass der Wettbewerb – gemessen an der Anzahl aktiver Lieferanten und ihren Margen – entgegen ursprünglichen Befürchtungen

September 1972 entschlief im Alter von 91 Jahren nach einem inhaltsreichen Leben, liebevoller Fürsorge und Pflicht- erfüllung und in großer Trauer um seine geliebte Heimat,

Zu Wort kommen dabei mit eigenen Darstellungen, oft noch während der Flucht niedergeschrieben, Frauen und Männer aus den Kreisen Allenstein, Angerapp, Angerburg,

Eindrücke in Bosau (Fortsetzung) — Den Höhe- punkt erreichte ohne Zweifel das Biwak mit seinem Feuer, in dem man sich Kartoffeln rösten konnte. In der Scheune eines Bauern schlief

Im Ruhrgebiet habe er vor sowjetischen Zwangsarbeitern in der Rü- stungsindustrie gegen die Sowjetunion gehetzt, und tatsächlich stimmen in einem einzigen Punkt auch noch heute

Die anschließend gezeigten schönen Farblichtbilder brachten ein Wiedersehen mit dem Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen und besonders den Orten Gotenhafen, Danzig,

Masu- ren und das Frische Haff bei Kahlberg (1945 Fluchtweg der eingeschlossenen Ostpreußen) werden besucht, die Eindrücke von der dichtesten Grenze Europas (40 Kilometer