• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Unspezifische Mesenchymreaktion und die primär chronischen Mesenchymerkrankungen" (06.03.1992)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Unspezifische Mesenchymreaktion und die primär chronischen Mesenchymerkrankungen" (06.03.1992)"

Copied!
12
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DIE ÜBERSICHT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Unspezifische

Mesenchymreaktion und die primär chronischen

Mesenchymerkrankungen

Einige Generationen vor uns haben sich Pathologen und Kliniker wie Metschni- kov intensiv mit dem Mesenchym (Gefäßwand, Blut- und Lymphzellen, Wand- zellen der Gelenke usw.) befaßt. Von den heute noch lebenden Klinikern hat Wer- ner Hauss ein Leben lang klinischen, mikroskopischen, ultrastrukturellen und Stoffwechsel-Prozessen (mit Einbau von 35 S) seine Forschungen gewidmet. Seine Ergebnisse sind in einer (mehrfach gekürzten) Übersicht zusammengefaßt. Heute hat sich die Medizin mehr an anamnestisch (zum Beispiel Zigaretten) oder kli- nisch (Blutdruck, Cholesterin usw.) leicht faßbaren Risikofaktoren orientiert und darüber eine alte und wichtige pathogenetische Komponente, das Mesenchym, et- was vernachlässigt. Dies vielleicht, weil das (inhomogene) Mesenchym als solches schwer meßbar ist — allenfalls zum Beispiel in den neuesten Parametern der Pro- staglandine. Hauss behandelt in einer Gesamtschau primäre und sekundäre, meist chronische Mesenchymerkrankungen, wie die Arteriosklerose, die thrombo- embolischen Erkrankungen, Gelenkleiden von der Arthritis bis zur Arthrose. Er- krankungen des Mesenchyms bilden aus den genannten Gründen kaum ein Kapi- tel in unseren gängigen klinischen Lehrbüchern. Das mindert aber nicht den Stel- lenwert dieser eben inhomogenen Zellen und Gewebe in der Ätiologie wie in der Pathogenese. Hauss kommt sogar zu therapeutischen Empfehlungen, wie der Un- terdrückung von krankhaften Mesenchymreaktionen mit Prednisolon, Acetylsali- cylsäure, d-Penicillamin, Chloroquin usw. Das Deutsche Ärzteblatt — nicht nur

„Modisches" aufgreifend — möchte diese alten und neuen Beobachtungen wieder zur Diskussion stellen. Rudolf Gross

Werner Heinrich Hauss

I. Das Mesenchym- system

Mesenchymgewebe und Mesen- chymzellen, in Gesundheit und Krankheit von zentraler Bedeutung, sind vielfältig in Form (Tabelle 1) und Funktion (1). Sessile Mesen- chymzellen bauen die Wände des Kreislaufsystems. Bekanntlich wer- den die Substrate durch den arteriel- len Blutstrom lediglich bis in die Ka- pillaren getragen (intravasale Strek- ke des Substrattransportes), dort verläßt ein Teil der Substrate das Blut und wandert fortan in bezie- hungsweise auf mesenchymalen Ge- weben und Zellen, vor allem auf der durch die interstitiellen Mesenchym- zellen gebildeten Matrix. Der Weg des Substrattransportes vom strö- menden arteriellen Blut bis zu den Zellen und des Rücktransportes der Restsubstrate sowie der Zellabbau- produkte zurück in das venöse Blut, also die Strecke des extravasalen Substrattransportes, den ich als Transitstrecke bezeichnet habe, wird allein von den Mesenchymzellen ge- baut und unterhalten.

Mit der Erstellung der Wege für den extravasalen Substrattransport erbringen die Mesenchymzellen eine fundamentale Leistung für den Ge- samtstoffwechsel des Organismus (1): Erst die Ergänzung des intrava- salen durch den extravasalen Sub- strattransport vollendet den Sub-

stratkreislauf und ermöglicht das Le- ben von Vielzellern.

Die hämo- und lymphopoeti- schen Zellen (Blut = flüssiges Me- senchym) leben in drei Komparti- menten: Sie werden in Thymus, Kno- chenmark, Lymphknoten und Milz geboren, in das Blut ausgeschleust und wandern aus zu Kontrollgängen in den Geweben. Metschnikov (2) erkannte als erster, daß die hämo- und lymphopoetischen Zellen neben ihrer Ernährungs- auch eine Ab- wehrfunktion haben. Er entdeckte, daß Leukozyten imstande sind, kor- em. Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik der Westfälischen Wilhelms-Uni- versität Münster und Ehrenvorsitzender des Instituts für Arterioskleroseforschung an der Universität Münster

puskuläre Substanzen, zum Beispiel Bakterien, in ihr Zytoplasma aufzu- nehmen, zu verdauen und auf diese Weise unschädlich zu machen. In der Folge wurde von den Klinikern die von Arneth und Schilling (3, 4) be- schriebenen Blutbildveränderungen bei Infektionskrankheiten insgesamt als Abwehrmaßnahmen gedeutet.

Ein heute konkret erfaßter Teil die- ser Leistungen sind zum Beispiel die immunologischen Reaktionen der B- und T-Lymphozyten.

Während die Reaktion der hä- mo- und lymphopoetischen Zellen auf Noxen als Abwehrmaßnahmen allgemein anerkannt wird, besteht Unklarheit darüber, ob — und wenn ja — wie sich die sessilen Mesenchym- zellen an der Abwehrfunktion betei- ligen.

A1 -792 (56) Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992

(2)

—Gefäßwand

—Knochen

—Knorpel

—Gefäßwandzellen

—Osteozyten

—Chondrozyten

—Thymus

—Knochenmark

—Milz

—Lymphknoten

—Granulozyten

—Lymphozyten

—Makrophagen

—Monozyten

—Thrombozyten

—Erythrozyten

Tabelle 1: Mesenchymale Zellen und Gewebe

gewebsständige Mesenchymzellen mesenchymale Gewebe

—Fibrozyten

—interstitielle M-Zellen

—Synovialzellen

—festes Bindegewebe (Sehnen usw.)

—interstitielles Mesenchym

—Gelenkinnenschicht

—Odontozyten

—Gliazellen

—Mesothelzellen der Körperhöh- len

—Zähne

—perineurales Gewebe

—seriöse Häute

—Fettzellen

—Epithelzellen der Atemwege

—Epithelzellen des Magen- Darm-Traktes

hämo- und lymphopoetische Zellen

—Fettgewebe

—Epithelschicht der Atemwege

—Epithelschicht des Magen- Darm-Traktes

hämo- und lymphopoetisches System

II. Die unspezifische Mesenchymreaktion

(UMR)

1. Einleitung

Ende der 50er Jahre infizierten wir in der Medizinischen Universi- tätsklinik und Poliklinik Münster im Rahmen von tierexperimentellen Studien zur Pathogenese der infekti- ösen und der rheumatischen Erkran- kungen Ratten mit Pasteurella mul- tocida und kontrollierten nach tage- langer Krankheitsdauer den Mesen- chymstoffwechsel in Leber, Milz, Herz, Niere, Haut, Aorta, Rippen- knorpel und Knochen durch Mes- sung der 35 S-Sulfateinbaurate in die aus den Organen von Kontrolltieren und der erkrankten Tiere extra- hierten Sulfomukopolysaccharide (SMPS): Stets war die SMPS- Synthese in den Organen der er- krankten Tiere gegenüber der in den Kontrolltieren signifikant beschleu- nigt (Abbildung la).

Neben Infektionen (durch Bak- terien und Viren) wurden weitere pathogene Faktoren (toxische, me- chanische, thermische, aktinische und chemische Faktoren sowie kom- plexe Schädigungen) und weitere Synthesen der Mesenchymzellen (Synthesen der DNS, der RNS, der Kollagene, der Elastine, der Glyko- proteine und der Gesamteiweiße) kontrolliert: Wir fanden gesetzmäßig nach Einwirkung aller kontrollierten pathogenen Faktoren eine Ände- rung der kontrollierten Synthesen der Mesenchymzellen. Wir haben diese reaktive Änderung des Stoff- wechsels der Mesenchymzellen die unspezifische Mesenchymreaktion (UMR) genannt, weil sie nicht durch einen spezifischen pathogenen Fak- tor, sondern durch eine große An- zahl von heterogenen unspezifischen Faktoren und Ereignissen gesetzmä- ßig ausgelöst wird (5 bis 13).

Physiologische Form der UMR:

Reize und Noxen verursachen je nach Art und Stärke unterschiedli- che Formen der UMR. Handelt es sich um schwache Reize, denen der

Mensch alltäglich ausgesetzt ist, so reagieren die Mesenchymzellen mit einer Beschleunigung ihres Stoff- wechsels, und zwar in einer Weise, bei der sich Synthese und Degradati- on in den Zellen synchron und sy- nerg ändern, was lediglich zu einem beschleunigten Substratdurchfluß führt. Durch adäquate Anpassung der Geschwindigkeiten von Synthese und Degradation gewährleistet die Regulation des Stoffwechsels im ge- sunden erwachsenen Individuum den gleichbleibenden Zustand des Körpers, seines Gewichtes, sowie der makroskopischen, der licht- und elektronenoptisch erfaßbaren, ja so- gar der molekularen, Struktur seiner Zellen und Gewebe: Stets werden am gleichen Ort völlig gleichartige Moleküle ausgetauscht, nur ihre Halbwertszeiten sind unterschied- lich. Diese physiologische Form der UMR ist krankheitsirrelevant, ist von ihr die Rede, muß dies expressis ver- bis angemerkt werden.

Pathologische Form der UMR:

Pathogene Faktoren lösen je- doch Mesenchymstoffwechselstörun- gen aus, bei denen sich Synthesen und Degradationen der Substrate in- adäquat (asynchron und asynerg), al- so pathologisch verändern, was zu strukturellen Veränderungen der Zellen und Gewebe, zu Erkrankun- gen führt (1, 5, 7, 8, 14).

Wird ein Mensch von einem pa- thogenen Faktor attackiert, so beste- hen für das Verhalten des Mesen- chymstoffwechsels folgende Mög- lichkeiten:

) Der pathogene Faktor, zum Beispiel ein lebendiger Krankheits- erreger, wird abgewehrt, ohne daß eine bleibende Störung des Mesen- chymstoffwechsels eintritt.

C) Der pathogene Faktor stört das kybernetische System des Me- senchymstoffwechsels irreparabel, so daß der metabolische Prozeß sistiert und der Tod eintritt.

(5) Der pathogene Faktor stört Dt. Arztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992 (59) A1-795

(3)

Milz Herz Knorpel Haut Aorta 35S cpm/100 tg SMPS a

e 35S cpm/100 gg SMPS 35S cpm/100 lag SMPS

c 35S cpm/100 ug SMPS d

35S cpm/100 ug SMPS 4000-

Leber Milz Herz Niere Muskel Aorta

15000

10000

5000

35S cpm/100 µg SMPS 7000-

6000- 5000 - 4000 - 3000 - 2000 - 1000 - 0

b

Infektion

0

cwi_J•

Leber Milz Herz Niere Knorpel Haut Aorta Knochen

I I 1

15000-

10000 -

5000 -

25000

Atherogene Diät

II 1

Leber Milz Herz Niere Knorpel Haut Aorta

4 15000-

Röntgenbestrahlung 10000-

5000-

Leber Milz Herz Niere Knorpel Haut Aorta Knochen 0

Abbildungen 1a—f: Beschleunigung des Stoffwechsels der Mesenchymzellen in acht verschiedenen Organen, induziert durch die Einwir kung einer Infektion (Pasteurella multocida) und demonstriert an den 'S-Sulfateinbauraten in die SMPS ihrer Proteoglykane (universelle UMR) — SMPS = Sulfomukopolysaccharide

die physiologische Ordnung des Me- senchymstoffwechsels. Dennoch per- sistieren metabolische Vorgänge dank ihrer Rückkopplungssysteme.

Sie sind zwar wiederum in einem sich selbst regulierenden System geord- net, aber mit neuen Sollwerten auf pathologischem Niveau. Klinisch manifestiert sich dieser Zustand, je nachdem, welche Mesenchymzellen betroffen sind, als eine der chroni- schen Mesenchymerkrankungen (Ar- teriosklerose, chronische rheumati- sche Erkrankung oder reaktive chro- nische Organopathie), die zwar mit dem Weiterleben vereinbar sind, aber zu Leiden, zu Leistungsminderung und zu Lebensverkürzung führen.

Höchst aufschlußreich für unse- re Einsicht in die Pathogenese der chronischen Mesenchymerkrankun- gen wäre die Beantwortung der Fra- ge, bei welcher biochemischen Kon- stellation die Regulation versagt und die physiologische in die pathologi- sche Form der UMR umschlägt.

Bekanntlich kommt der einfache Zusammenhang zwischen einer Ur- sache und einer Wirkung im Sinne einer Ursachenkette in der lebenden Welt nicht vor. Jedoch bestehen na- türlich auch in biologischen Vorgän- gen kausale Zusammenhänge, aller- dings komplexere, zum Beispiel im schwer zu durchschauenden Spiel von Noxe und Reaktion. So trifft im

biologischen Leben eine Noxe nie auf einen einzelnen Faktor, sondern stets auf eine Anzahl von Faktoren, die zudem noch in sich selbst erhal- tender Interaktion stehen. Das hat eine Variabilität der Ursachengefüge zur Folge:

- Verschiedenartige Faktoren vermögen dieselben Effekte zu be- wirken,

- ein und derselbe Faktor ver- mag verschiedenartige Effekte aus- zulösen und

- zwischen Schädigungseinwir- kungen und Effekten liegen Zwi- scheneffekte, die in Interaktion tre- tende „konsekutive" pathogene Fak- toren bewirken, die maßgeblichen A1-796 (60) Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992

(4)

Tabelle 2: Pathogene Faktoren, die in tierexperimentellen Studien stets eine Phase II der UMR auslösten (Institut für Arteriosklerosefor- schung der Universität Münster)

Reizungen bzw.

Schädigungen

angewandte Methoden/Auslöser

—Infektionen

—Toxine

—Sauerstoffmangel

—Fremdeiweiß

—mechanische Reize

—Pasteurella multocida, Staphylokok- ken, Streptokokken, Viren

—Endotoxine, Staphylokokken- und Streptokokkentoxin, Diphtherietoxin

—Unterdruckkammer mit Höhenbela- stung

—Albumininjektion

—Muskeltrauma, Überdehnung der Aorta, Druck auf und Stichelung der Arterienwand

—Drosselung der Nierdendurchblu- tung durch Arterienstenosierung und/oder Eliminierung einer Niere, NaC1 und DOCA- sowie Hyperten- sinzufuhr

—Venenstenosierung, Venenobstruk- tion

—Streptotoxin-Diabetes, Alloxan- Diabetes

—Fütterung von Fettgemischen, hyper- kalorische Diät, atherogene Diät

—körperliche Überanstrengung

—emotionale Überbelastung

—Stammhirnreizung

—Lärmbelästigung

—exzessive Bewegung im Laufkäfig, Schwimmen

—Isolierung, Bewegungseinschränkung

—elektrische Hypothalamusreizung

—Beschallung, „weißes Rauschen"

—Serumschock, Arthus-Phänomen

—Crotonöl, Kunststoffe, Scandium- chlorid

—Adrenalin, Noradrenalin, DOCA, Parathormon, Testosteron, Östradi- ol, Thymushormon

—Einatmung von Zigarettenrauch

—Wetterfrontendurchgänge

—Röntgenbestrahlung

—Abschabung des Arterienendothels mittels Spiralenkatheters

—humane Routinechirurgie und expe- rimentelle Tiermodelle

—Blutdruck- Arterien änderung:

Venen

—Diabetes mellitus

—Fehlernährung

—allergische Reaktionen

—körperfremde Stoffe

—Hormone

—Nikotin

—Wettereinfluß

—Bestrahlung

—Ballonisierung

—Operationen Einfluß auf das Endergebnis neh-

men können.

Die UMR ist ein dreiphasiger Vorgang: Eine Noxe (Phase I der UMR) attackiert Mesenchymzellen, die darauf mit Änderungen ihres Stoffwechsels reagieren (Phase II der UMR), was zu funktionellen und strukturellen Folgen der Mesen- chymzellen und des Mesenchymge- webes führt (Phase III der UMR).

2. Phase I der UMR (pathogene Faktoren) Die Bezeichnung pathogener Faktor ist in der ärztlichen Wissen- schaft üblich und eindeutig: Es han- delt sich um Faktoren, die krank ma- chen oder krank machen können.

Der Terminus Risikofaktor wurde in der Framingham-Studie der 60er Jah- re erstmals benutzt und hat sich seit- dem für atherogene Faktoren einge- bürgert. Diese Nomenklaturvariante soll betonen, daß ein Risikofaktor zwar potentiell stets wirksam sein kann, aber de facto keineswegs regel- mäßig ist, eine Einschränkung, die je- doch für alle pathogenen Faktoren gilt. Die Bezeichnungen pathogener Faktor, Risikofaktor, Noxe, Schädi- gung und Stressor sind Synonyma und werden im folgenden so verwendet.

In Tabelle 2 sind einige der vie- len und vielartigen Reize und patho- genen Faktoren aufgelistet, die, wie wir systematisch kontrolliert haben, gesetzmäßig eine Reaktion des Me- senchymstoffwechsels auslösen (5 bis 13). Es handelt sich zum Teil um all- tägliche Reize, zum Teil um Noxen, darunter aus der Umwelt stammende exogene (zum Beispiel Bakterien) und endogene (zum Beispiel Hormo- ne) Faktoren. Manche sind vermeid- bar, andere unvermeidlich, zum Bei- spiel genetische Fehler. Manche at- tackieren alle Zellen des Organismus (zum Beispiel Infekte), andere ledig- lich umschriebene Areale (zum Bei- spiel mechanische Schädigungen).

Alltägliche Reize (zum Beispiel mentale und muskuläre Anstrengun- gen) sind krankheitsirrelevant, star- ke pathogene Faktoren (zum Bei- spiel Viren) lösen Krankheiten aus.

Manche attackieren auch direkt Pa- renchymzellen (zum Beispiel die He-

patitisviren die Leber, die Poliomy- elitisviren die Ganglienzellen). Aber alle Noxen attackieren stets und zu- erst — und das ist meine Magna Char- ta (wie Doerr [14] es treffend formu- lierte) — die Mesenchymzellen, was wir in Tausenden von Experimenten unter Beweis gestellt haben.

3. Phase II der UMR (die Stoffwechselreaktion der Mesenchymzellen) Der Mesenchymstoffwechsel ist ein sich selbst regulierender, ein ky- bernetischer Prozeß, der auf patho- gene Faktoren mit Änderungen rea- Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992 (63) A1-799

(5)

Tabelle 3: Von den sessilen Mesenchymzellen synthetisierte extra- zelluläre Substanzen

ungeformte extrazelluläre Substanzen:

1. Proteoglykane (saure Mukopolysaccharide + Eiweiß) a) Sulfomukopolysaccharide (SMPS)

b) Hyaluronsäure

2. Glykoproteide (neutrale Mukopolysaccharide + Eiweiß) geformte extrazelluläre Substanzen:

1. Kollagene 2. Elastine

Abbildungen 2a + b: Erhebliche Mesenchymvermehrung im Interstitium des Myokards ei- nes Kaninchens, das wochenlang einem renal induzierten arteriellen Hypertonus ausgesetzt war, (a) = normales Herz (linke Bildfolge) (b) = Hypertonie-Herz (rechte Bildfolge)

giert (Phase II der UMR), und zwar reagieren jeweils lediglich diejenigen Zellen, die von dem Faktor erfaßt werden (1).

a) Lokalisierte UMR:

Schädigt ein Risikofaktor ledig- lich einen umschriebenen Gewebe- bezirk, so reagieren nur die Mesen-

chymzellen im betroffenen Areal.

Wird zum Beispiel einer Ratte die kleine Dosis von 25 itg Pyrexal intra- kutan injiziert, so reagieren nur die durch die Injektion betroffenen Mesenchymzellen, wohingegen der Stoffwechsel anderenorts unverän- dert bleibt.

b) Systemische UMR:

Einige Risikofaktoren attackie- ren Mesenchymsysteme, zum Bei- spiel wirkt die arterielle Hypertonie selektiv auf den Kreislauf, die Arte- rien und das Myokard.

c) Universelle UMR:

Viele pathogene Faktoren atta- kieren alle Mesenchymzellen des Or- ganismus, vor allem die Noxen, die auf dem Blut- oder Nervenweg an die Zellen herangetragen werden. In hunderten von Versuchen mit hete- rogenen Risikofaktoren (wie Infekte, Toxininjektionen, Sensibilisierung, Hypoxie, atherogene Diät und Rönt- genganzbestrahlung, Abbildungen la bis f) stellten wir fest, daß sie stets eine UMR in allen kontrollierten Or- ganen, in Aorta, Herz, Nieren, Le- ber, Haut, Muskulatur, Knorpel, Milz, Lymphknoten und Knochen- mark auslösten.

Die Phase II der UMR sessiler Mesenchymzellen nach Einwirkung pathogener Faktoren ist dadurch charakterisiert, daß ihre Aktivität ge- steigert wird. Zu Beginn unserer diesbezüglichen Studien haben wir stets die 35-S-Sulfateinbauraten in die SMPS der Proteoglykane als pars pro toto des Mesenchymstoffwech- sels kontrolliert. Es zeigte sich des weiteren, daß auch alle anderen ge- prüften Synthesen der Mesenchym- zellen, insbesondere die des Kern- stoffwechsels und der extrazellulären Substanzen (Tabelle 3) sich an der UMR beteiligten (1, 5 bis 13): Die Zellen proliferierten beschleunigt, synthetisierten schneller und schleu- sten die produzierten Substanzen vermehrt in die Interstitien aus.

Die hämo- und lymphopoeti- schen Zellen reagierten in Phase II der UMR ebenfalls mit vermehrter Proliferation, vermehrter Ausschüt- tung in das zirkulierende Blut, was zu Veränderungen von Zellzahl und Zellbild im Blut führt, und zwar in A1-800 (64) Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, . März 1992

(6)

a

b Intrava-

sale Strecke

Transit- strecke

Intrazel- lulare Strecke

Intrava-{

sale Strecke

Transit- strecke

Intrazel- lulare Strecke

Abbildungen 3a + b: Elektronenoptische Abbildungen von Kapillaren, Transitstrecken und Heizmuskelzellen im Myokard einer normalen (a) und einer durch Stressorenkombination schwer geschädigten Ratte (b)

einem sensibleren und stärkeren Ausmaß, als die üblich in der Klinik angewandte relativ unempfindliche Routinemethode anzeigt (13).

An welcher Stelle die Risikofak- toren die Mesenchymzellen angrei- fen, ist durch die epochemachende Entdeckung von Goldstein, Ander- son und Brown (15) beantwortet wor- den: Sie greifen die Rezeptoren der Zellmembran der Mesenchymzellen an und leiten die Erregung auf das Zellplasma und den Zellkern weiter.

Wir konnten (16) zum Beispiel den Angriffspunkt der LDL auf die kulti- vierten aortalen Mediazellen von Ka- ninchen demonstrieren, indem wir LDL an Gold als Marker koppelten und elektronenoptisch in den coated pits der Zelloberflächen nachwiesen.

Der Einbruch eines universell wirksamen pathogenen Faktors in den gesunden Mesenchymstoffwech- sel führt nicht nur zu den oben be- schriebenen Veränderungen des Stoffwechsels der Mesenchymzellen und Mesenchymgewebe, sondern er hat einen noch umfangreicheren Einfluß auf den gesamten intermedi- ären Metabolismus. Bekanntlich wird die lebensnotwendige Koopera- tion der Zellen im vielzelligen Orga- nismus nicht, wie vormals angenom- men, lediglich durch Hormone und das vegetative Nervensystem, son- dern durch eine wesentlich größere Anzahl von Regulatoren oder Boten- stoffen, Signalübermittlern, Media- toren und Intermittern geordnet. So beeinflussen zum Beispiel viele Zel-

len ihre Nachbarzellen direkt durch Eigenproduktion von Wirkstoffen (parakrin sezernierte Hormone). Zu den seit langem bekannten Regula- toren, zum Beispiel Adrenalin, Nor- adrenalin, Acetylcholin und Hista- min wurde inzwischen eine kaum mehr übersehrbare Anzahl von ver- schiedenen Zellarten gebildeter Sub- stanzen, zum Beispiel Wachstums- faktoren (PDGB = Platelet derived-

Tabelle 4: Sklerogene Risiko- faktoren

—Alter

—Geschlecht

— arterielle Hypertension

—Diabetes mellitus

—Nikotinabusus

—Fehlernährung

—Hyperlipoproteinämie

—Gerinnungsfaktoren

—Hormone

—mentale Risikofaktoren

—körperliche Fehlbelastung

— Infektionen

— genetische Faktoren

—Verschiedenes

Growth-Factor), MCSF (Macro- phag-Colony-Stimulating-Factor), (IGFs = Insulin-like-Growth-Fac- tors) und (TGF = Transforming- Growth-Faktor), Interferone, Inter- leukine, Cytokine, Tumor-Nekrose- Faktoren, Prostaglandine, HETEs und andere festgestellt, deren Stoff- wechsel und Interaktionen im phy- siologischen Zustand des Organis- mus auch bereits in einem quantita- tiv, qualitativ und zeitlich geordne- ten Regelkreis ablaufen.

Der Einbruch eines pathogenen Faktors stört den Normalzustand auch dieser kybernetischen Systeme, die sich adaptiv auf verändertem Ni- veau, wiederum sich selbst regulie- rend, neu einstellen. In Klinik und Labor gefundene, unnormale Meß- werte veranlassen gelegentlich mit dem Gesamtkomplex nicht genügend vertraute Kliniker oder Naturwissen- schaftler, hierin primär krankheits- auslösende Faktoren zu postulieren, während es sich in Wirklichkeit um Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992 (67) A1-803

(7)

Vormarkierung Y Staph.

I I

-24 0 (Stunden) Zeit Markierte Zellen

100 Blickfelder

0 (Stunden) Zeit

300

200

100

Nachmarkierung Staph.

1 1

Kontrolle Staph.

1. Tag

Staph.

3.Tag

Staph.

12.Tag CIVormarkierung EM Nachmarkierung

Tabelle 5: Anzahl der 3H-thymidinmarkierten Zellen in Aorten und im Myokard von normalen bzw. durch Hypertensin-Infusion, chronischen renalen Hochdruck oder experimentelle Aortenstenose geschädigten Tieren

Zellart Norm-

werte

Hypertensin- infusion (nach 1/2 Stunde)

chronischer renaler Hochdruck

experi- mentelle

Aorten- stenose Endothelzellen

Mediazellen Adventitiazellen

3 12 4

14 136 218

59 235 255

total 19 368 549

interstitielle Mesenchymzellen im Myokard

markierte Zellen/100 Blickfelder

75 328 259

Abbildung 4: Gemittelte Zellmarkierungsraten mit 3H-Thymidin im Rattenmyokard zu ver schiedenen Zeitpunkten nach Staphylolysin-Injektionen. Nachmarkierung = Proliferation sessiler Mesenchymzellen; Vormarkierung = Proliferation sessiler + hämo- und lympho- poetischer Mesenchymzellen

konsekutive Faktoren handelt, die pathogenen und/oder Abwehrcha- rakter haben können.

Des weiteren kommt es in der Phase II der UMR vor allem zur ver- mehrten Einwanderung von Blutzel- len in die Interstitien der Gewebe, die zahlenmäßig die Proliferations- rate der sessilen Mesenchymzellen übertreffen kann (Abbildung 4). Auf diese Weise beteiligen sich die hä- mo- und lymphopoetischen Zellen an der Demolierung der normalen Gewebsstruktur.

4. Phase III der UMR

Die funktionellen und struktu- rellen Folgen der Phase III der UMR hängen natürlich davon ab, welche Mesenchymzellen in welchen Orga- nen von der Noxe befallen sind. At- tackierte sie zum Beispiel nur die Sy- novialzellen in einem Gelenk, so ent- steht ein lokal begrenzter Schaden, eine Arthrose. Der systemisch wirk- same pathogene Faktor Hypertonie attackiert nur die Zellen der Kreis- lauforgane, so daß zum Beispiel eine Arteriosklerose und/oder eine Myo- degeneratio cordis entstehen.

Für eine Entstehung der primär chronischen rheumatischen Erkran- kungen und der primär chronischen Organopathien kommt den univer- sell wirksamen pathogenen Faktoren sowie der Reaktion der interstitiel- len Mesenchymzellen, der Kapillar- zellen und der Zellen des hämo- und lymphopoetischen Systems maßgeb- liche Bedeutung zu. Vermehrte Re- plikation der interstitiellen Mesen- chymzellen und deren vermehrte Ausschleusung von extrazellulären Substanzen vergrößern die Masse der Matrix in den Interstitien, zer- stören die Gewebsstruktur und be- hindern den Substrattransport (Ab- bildungen 2 a + b).

Die Phase III der UMR der Ka- pillarwandzellen verändert deren Struktur und Permeabilität, wie in Abbildung 3a und b dargestellt. Vor allem der Austritt von Albumin aus dem Blut induziert erhebliche mor- phologische Gefäßveränderungen und beachtliche Störungen des Substrattransportes, die bis zur Zell- nekrose gehen können.

A.1 -804 (68) Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992

(8)

Menschliche Lungenfibroblasten Menschliche Lungenfibroblasten

0 14 21

Ex R

672226 735 762 23669 53 537 278913

Kontrolle

1081871 53 537 459941 1062130

Staphylolysin 23669

1002054 717113

23669 53537 279280 LDL

1047329 224116 1018309

23669 53537 Aldosteron

1105586 1233125

53 537 388 554 Angiotensin II 23669

Anzahl der Zellen

o = Kontrolle

• = Staphylolysin o = LDL

= Aldosteron ä = Angiotensin II

A 1200000- 1000000- 800000- 600000 - 400000 - 200000 - 0

0 99 3 19 5 6 97 8 Tage _1.

N Subk Explantatkulturen/

0

1. Tag 2. Tag 4. Tag

•2. Subkulturen

7. Tag 9.Tag Risikofaktor 7

4(

CD PE SI

b

o = Kontrolle

• = Pednisolon o = Acetylsalicylsäure

= D-Penicillamin A = Chloroquin

°h 1- -1- 1 1 1

o 99 3 ® 5 697 8 99

Tage Anzahl von Zellen 800000-

600000-

400000-

200000-

* I\ Subk

Explantatkulturen/

0 14 21

0 7 4,

Ex R

Medikament

CDPE gl (In-vitro-Experimente)

1. Tag 2. Tag 4. Tag 1. 2 Subkulturen

7 Tag 9.Tag Kontrolle (n=15)

Prednisolon (n=9)

278913 250232

672226 607608 23 669 53537

23669 53537

735762 659135 Acetylsalicylsäure (n=17)

D-Penicillamin (n=8)

235486 238840

566 348 589 016 23669 53 537

23669 53537

625 472 632 869 Chloroquin (n=13)

23669 53537 245494 625965 670 221

Abbildungen 5a) Wirkung von anerkannten Risikofaktoren (Staphylolysin, LDL, Aldosteron und Angiotensin II) auf die Proliferation kultivier ter humaner Fibroblasten; b) Wirkung von antirheumatischen Medikamenten (Prednisolon, Aspirin, D-Penicillamin und Chlorquin) auf die Proliferation kultivierter humaner Lungenfibroblasten

Und schließlich beteiligt sich die vermehrte Einwanderung der hämo- und lymphopoetischen Zellen in die Gewebe an der Demolierung der Gewebsstruktur und der Behinde- rung des Substrattransportes, kommt doch die Zahl der emigrierten Blut- zellen der Neubildungsrate der sessi- len Mesenchymzellen etwa gleich, wie Abbildung 4 am Beispiel der Ein- wanderung von Blutzellen in das Myokardgewebe nach intravenöser Injektion von Staphylolysin zeigt.

III. Die primär

chronischen Mesen- chymerkrankungen

1. Einleitung

Arteriosklerose, primär chroni- sche rheumatische Erkrankungen und primär chronische Organo-

pathien bezeichne ich als primär chronische Mesenchymerkrankun- gen. Diese Gruppe von Erkrankun- gen werden in den Lehrbüchern als chronische Organerkrankungen der Gefäße, des Herzens, der Nieren, der Leber, des Pankreas, der Gelen- ke usw. beziehungsweise als chroni- sche rheumatische Krankheiten ein- geordnet, da sie erst durch die or- ganbezogenen klinischen Symptome erfaßbar werden. Sie zeichnen sich alle dadurch aus, daß sie vom Patien- ten unbemerkt oder unbeachtet und vom Arzt im Anfangsstadium nicht erkennbar auftreten und erst im spä- teren Verlauf durch Beschwerden, klinische Symptome und bioptische sowie autoptische Befunde zu dia- gnostizieren sind.

Sie zeichnen sich des weiteren dadurch aus, daß ihre Pathogenese beziehungsweise ihre Ätiologie trotz intensiver Forschung bis heute unge- klärt sind. Bereits vor einem Jahr-

hundert äußerte sich Strümpell zur Pathogenese einer dieser Erkran- kungen, der chronischen Nephritis, wie folgt: „Sucht man in den von An- fang an chronisch verlaufenden Fäl- len nach ursächlichen Verhältnissen, so läßt sich oft gar nichts bestimmtes ermitteln. Die Krankheit scheint sich bei den vorher ganz gesunden Perso- nen ,von selbst' entwickelt zu haben"

(17).

Aufgrund klinischer und tierex- perimenteller Befunde behaupte ich nunmehr, daß für die primär chroni- schen rheumatischen Erkrankungen sowie die primär chronischen Orga- nopathien das gleiche komplexe Kau- salgefüge besteht wie für die Arterio- sklerose, insbesondere daß sie durch die gleichen pathogenen Faktoren ausgelöst werden und daß der krank- hafte Prozeß aller dieser Erkrankun- gen stets mit der Phase II der UMR be- ginnt, die für den weiteren Verlauf ei- ne maßgebliche Rolle spielt.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992 (71) A1-805

(9)

Altersklasse, Arterio- Normale t-Wert Jahre sklerotische Aorten

Aorten

40-50 n = 14

= 210.64 S = 151.68

51-60 n =21

= 193.47 S = 116.21

61 n = 17

= 254.47 S = 293.00

n = 9

= 12.22 3.869 <0,005 S = 3.88

n = 9

= 9.55 4.709 <0,001 S = 4.01

n = 7

= 5.75 2.225 ±0,05 S = 2.22

n = Fallzahl; x = Mittelwert; S = Standardabweichung; t-Wert 35 S cpm/100 pg SMPS

10000- 1000-

100- 10-

normale Aorten (n = 68)

ZZ arteriosklerotische Aorten (n = 52)

0 0-10 10-20 20-30 30-40 40-50 50-60 >60 Jahre

Abbildung 6: Mesenchymstoffwechsel der Wandzellen humaner gesunder und arterioskle- rotischer Aorten, gemessen an den Einbauraten von 35S-Sulfat in die SMPS ihrer Proteogly- kane: Die Einbauraten der sklerotischen Aorten liegen signifikant höher als die Einbauraten der gesunden — SMPS = Sulfomukopolysaccharide

Die Argumente, mit denen ich meine Auffassung von der einheitli- chen Pathogenese der primär chroni- schen Mesenchymkrankheiten be- gründe, sind die folgenden:

• Bei keiner dieser Erkrankun- gen wurde trotz intensiver Bemü- hungen ein spezifischer pathogener Faktor nachgewiesen.

• Die klinische Erfahrung lehrt, daß eine große Anzahl von pathogenen Faktoren, darunter atherogene, Verschlimmerungen und Rezidive aller primär chroni- scher Mesenchymerkrankungen aus- lösen.

01)

Die klinische Erfahrung lehrt des weiteren, daß als Basisthe- rapie die Eliminierung der Risiko- faktoren, optimal durch Bettruhe, wirksam ist.

• In experimentellen Untersu- chungen haben wir gezeigt, daß eine große Anzahl von heterogenen pathogenen Faktoren, darunter auch atherogene Risikofaktoren, eine Phase II der UMR in allen Organen auszulösen in der Lage sind (Abbil- dungen la bis f).

O Arterienwandzellen, intersti- tielle Mesenchymzellen, Synovialzel- len und hämo- und lymphopoetische Zellen antworteten auf Tieren in vi- vo applizierte pathogene Faktoren gleichermaßen mit der Phase II der UMR.

• Kultivierte Fibrozyten, kulti- vierte interstitielle Mesenchymzellen und kultivierte Synovialzellen ant- worteten gleichermaßen wie kulti- vierte Arterienwandzellen auf in vit- ro applizierte pathogene Faktoren, darunter auch atherogene Risikofak- toren (zum Beispiel Staphylolysin, LDL, Aldosteron und Angiotensin II) mit der Phase II der UMR (Abbil- dung 5a) (1).

• Antiphlogistische Medika- mente (Prednisolon, Aspirin, D-Pe- nicillamin und Chloroquin) hemm- ten gleichermaßen die durch Schädi- gung induzierte Phase II der UMR von kultivierten Mesenchymzellen (Fibrozyten, interstitielle Mesen- chymzellen, Synovialzellen und Arte- rienwandzellen) (Abbildung 5b) (1).

Zweifelsohne können durch be- kannte spezifische pathogene Erre-

ger verursachte akute Organerkran- kungen (zum Beispiel akute Myokar- ditis, akute Pyelitis, akute Cholezy- stitis, akute Arthritis, Hepatitis epi- demica, Typhus und andere) in ei- nen chronischen Prozeß übergehen, dessen Ätiologie nach heutigem Ver- ständnis damit geklärt ist. Aber diese Formen der chronischen Organo- pathien sind als sekundär chronische von den primär chronischen, die

„sich von selbst" entwickeln, zu tren- nen.

Bei den primär chronischen rheumatischen Erkrankungen ist die Situation die nämliche. Auch hier entwickelt sich äußerst selten ein chronischer Krankheitsverlauf aus einem akuten Prozeß, zum Beispiel eine chronische rheumatische Ar- thritis aus einer akuten Polyarthritis nach einer durch Streptokokken in- duzierten Angina. Fast immer ent-

steht die chronische Form schlei- chend, deren erste Krankheitszei- chen vom Patienten wenig oder gar nicht bemerkt werden.

Selbst die systemischen chroni- schen rheumatischen Prozesse von lebensbedrohlichem Charakter, zum Beispiel der Lupus erythematodes, entziehen sich der Frühdiagnose be- dauerlicherweise oft durch eine mehr oder weniger lange sympto- menfreie oder -arme Phase.

Von außerordentlicher Bedeu- tung für die medizinische Forschung und für die ärztliche Praxis ist - wie die Anamnesen der Patienten in Dialyse- und Transplantationszen- tren für die chronischen Nephro- patien und Hepatopathien und die Anamnesen in den Rheumazentren für die chronischen Arthritiden und Kardiopathien ausweisen - die Tat- sache, daß die primär chronischen A1-806 (72) Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992

(10)

Formen der Organopathien und der rheumatischen Erkrankungen von wesentlich höherer Prävalenz sind als die sekundär chronischen.

Über diese für alle Mesenchym- erkrankungen gültigen Argumente hinaus haben wir für drei ihrer kon- kreten Formen (die Arteriosklerose, die primär chronische Phlebosklero- se und die primär chronische Kar- diosklerose), die in Tiermodellen be- friedigend imitiert werden können, unsere Auffassung gesichert.

2. Die Arteriosklerose Zunächst haben wir 1961 an nor- malen und arteriosklerotischen hu- manen Aorten erstmals aufgezeigt, daß die Arteriosklerose in einer Ak- tivierung des Stoffwechsels ihrer Wandzellen besteht (Abbildung 6).

Anerkanntermaßen wird sie durch eine große Anzahl von heterogenen Stressoren verursacht (Tabelle 4).

In einer außerordentlich großen Anzahl von Tierexperimenten haben wir aufgezeigt, daß diese skieroge- nen Faktoren gesetzmäßig eine Pha- se II der UMR der Arterienwandzel- len auslösen und daß die Stoffwech- selstörung der Gefäßwand der initia- le pathogene Vorgang des arterio- sklerotischen Prozesses ist. So ist die Proliferationssteigerung der Aorten- wandzellen (Endothelzellen, Media- zellen und Adventitiazellen) bereits eine halbe Stunde nach Applikation eines arteriellen Hochdrucks nach- weisbar und persistiert bei wochen- lang anhaltender renal induzierter Hypertonie (Tabelle 5).

An einer Serie von elektronen- optischen Bildern der durch Hoch- druck geschädigten Koronararterien von Kaninchen haben wir die hi- stologischen Gefäßwandveränderun- gen, angefangen von den Frühverän- derungen in der Subintima bis zur völligen Destruktion der normalen Wandstruktur sowie der Zellverän- derungen, dargestellt (1, 9). Nach unseren tierexperimentellen Modell- und Zellkulturstudien kann keinerlei Zweifel daran bestehen, daß die Phase II der UMR das initiale patho- logische Ereignis der Arteriosklerose ist und daß sie den weiteren Krank- heitsverlauf maßgeblich steuert.

3. Die Phlebosklerose Venenerkrankungen (Phlebo- sklerose, Phlebitis, Varizen, Phle- bothrombose und Spider [Gefäß- spinnen und Hauterytheme]) sind klinisch und experimentell bei wei- tem nicht so intensiv bearbeitet wor- den wie die entsprechenden Erkran- kungen der Arterie. Morphologisch gleicht die Venenwand der Arteri- enwand im Aufbau von mesenchy- malen Zellen (Endothel-, Media- und Adventitiazellen). Der Stoff- wechsel der Venenwandzellen ent- spricht, oblgeich in völlig anderer Umwelt lebend, biochemisch dem der Arterienwandzellen. Jedoch ist ihr Stoffwechsel langsamer. Aber auch reagieren, wie im folgenden ge- zeigt wird, die Venenwandzellen auf pathogene Faktoren mit der UMR.

Wir haben Gruppen von Wister- Ratten durch Erhöhung des venösen Drucks (Druckerhöhung ist ja, wie aus der Arterioskleroseforschung be- kannt, ein pathogener Faktor, der zuverlässig eine Phase II der Gefäß- wand auslöst) geschädigt und an den Wänden der Vena cava, der Vena portae, der Venen des Jejunums und der Bauchwand mittels 3H-Thymi- dinmarkierung die Zellproliferation geprüft. Stets lag die Replikation der Zellen bei den Tieren der geschädig- ten Gruppe signifikant höher als bei den Tieren ungeschädigter Ver- gleichsgruppen.

Des weiteren haben wir Wister- Ratten durch Staphylolysin-Injektio- nen geschädigt und aus ihren Wän- den Zellkulturen angelegt. Stets lag die Proliferation dieser Gefäßwand- zellen signifikant höher als die aus Venenwandzellen ungeschädigter Tiere (18 bis 21). Diese Versuche de- monstrieren, daß die Venenwände wie die Arterienwände auf Risiko- faktoren mit einer UMR und in de- ren Folge mit einer Phlebosklerose reagieren.

Klinisch ist offenbar diese un- komplizierte Phlebosklerose ebenso krankheitsirrelevant wie die unkom- plizierte Arteriosklerose. Jedoch kann dieser Krankheitszustand zu klinisch bedeutsamen, ja tödlichen Krankheitsfolgen führen, zum Bei- spiel zu einer Venenthrombose. Wir haben von 28 Venen (venae femora-

les sinistrae et dextrae, 14 ohne und 14 mit Thrombosen) 18 bis 20 Stun- den nach Todeseintritt Gewebe ent- nommen, von den thrombosierten Venen etwa fünf Zentimeter distal und fünf Zentimeter proximal des Thrombus, von den gesunden Venen an entsprechend gegenseitiger Stel- le. Von den 14 gesunden Venen ka- men 57 Gefäßsegmente, von den thrombosierten Venen 42 Segmente zur Untersuchung (22, 23).

Die statistische Auswertung er- gab den äußerst wichtigen Befund, daß die Mittelwerte der S-Sulfatein- bauraten sowohl vor als auch hinter der Thrombose höher lagen als in den gesunden Kontrollvenen, daß al- so der Krankheitsprozeß nicht auf das Thromboseareal beschränkt war.

Es ist nicht wahrscheinlich, daß ein lokales Ereignis wie die Throm- bose so weit (kontrolliert wurden et- wa zehn cm) und dazu noch gleich- mäßig stark (fünf cm distal und fünf cm proximal des Thrombus) den Venenwandstoffwechsel beeinflußt, aber umgekehrt ist eine risikofaktor- induzierte Phase II der UMR der Venenwandzellen sehr wohl in der Lage, einen unter physiologischen Verhältnissen nicht bestehenden Kontakt zwischen den Gerinnungs- faktoren des Bluts und den thrombo- seinduzierenden Fraktionen des Ge- webesaftes herzustellen und dadurch eine Thrombose zu verursachen, wie wir das auch für die Arterienthrom- bose annehmen.

Unsere tierexperimentellen Mo- dell- und Zellkulturstudien lassen den Schluß zu, daß die Phase II der UMR das initiale pathologische Er- eignis der Phlebosklerose und auch für die Thrombose ursächlich ist.

4. Die Kardiosklerose Bekanntlich führt der Herzin- farkt oft zum Tode. Ein zweiter Weg zum Herzttod führt über die Herzin- suffizienz, deren klinische (Dyspnoe, Ödeme, Stauungsorgane, Wasseran- sammlungen in den Körperhöhlen, erhöhter zentraler Venendruck vor dem linken oder rechten Vorhof, vergrößertes diastolisches Kammer- volumen sowie pathologische peri- phere Kreislaufmechanik) und histo- Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992 (75) A1-809

(11)

logische Veränderungen im Myo- kard (Vermehrung des interstitiellen Mesenchymgewebes) bestens be- kannt sind. Für das klinische Krank- heitsbild sind viele Bezeichnun- gen üblich: Myodegeneratio cordis, Myokardschaden, Myokardsklerose, Myokardfibrose, Kardiofibrose und andere. Wir verwenden den Aus- druck Kardiosklerose.

Linzbach (24, 25) kommt auf- grund umfangreicher Untersuchun- gen zu dem Schluß, daß die morpho- logischen Ursachen der Herzinsuffi- zienz nicht im mikroskopischen, son- dern im makroskopischen Bereich und auch nicht in Veränderungen der kontraktilen Zellen, sondern in einer „gleitenden Verschiebung der Herzmuskelfasern, wodurch die Anzahl der Muskelschichten in der Ventrikelwand vermindert, die Wand dünner und die Lichtung wei- ter werden", liegen. Als Ursache die- ser „Gefügedilatation" schuldigt er die raumstrukturändernde Neubil- dung von Mesenchymgewebe durch Narben nach Myokardinfarkt und/o- der Myokardnekrosen an, womit er also postuliert, daß die Koronarskle- rose die primäre Ursache der Herz- insuffizienz sei.

Ich bin überzeugt, das Linzbach mit seiner Vorstellung von der „Ge- fügedilatation" im Herzmuskel die wesentliche Ursache der chronischen Herzinsuffizienz beziehungsweise der Kardiosklerose richtig erfaßt hat, stimme jedoch seiner Auffassung, daß dieser Umbau durch Vernar- bungsprozesse nach Herzmuskelin- farkten und/oder Herzmuskelnekro- sen zu erklären sei, nicht zu. Sind doch umschriebene „Schwielen" bei diesem Krankheitsbild äußerst sel- ten, vielmehr ist die Durchsetzung des gesamten Myokards mit ver- mehrtem Mesenchymgewebe die Re- gel.

Wir haben in tierexperimentel- len Studien durch eine arterielle Hy- pertension mittels Drosselung der Nierendurchblutung bei männlichen Kaninchen einen arteriellen Hoch- druck und in dessen Gefolge eine ty- pische Herzinsuffizienz (mit Ode- men usw.) sowie eine Vergrößerung der Durchschnittsherzgewichte um 30 Prozent, in Einzelfällen sogar um 100 Prozent, bewirkt. Das Myokard

der hypertonen Tiere zeigte im Ver- gleich zu dem normotoner Tiere nach 3H-Thymidinmarkierung eine signifikant vergrößerte Anzahl von markierten Zellen über das ganze Myokard diffus verteilt. Die statisti- sche Auszählung von markierten Zellen in 100 Blickfeldern sicherte die Ansicht, daß der Hochdruck ge- setzmäßig eine Phase II der UMR im Myokardgewebe auslöste. Die glei- che unterschiedliche Proliferations- steigerung konnte auch durch Ver- gleich ungeschädigter mit durch Ste- nosierung der Aorta sowie durch Hy- pertensin-Infusion, Injektion von Toxinen, Applikation nervaler Schä- digungen oder durch Hypoxie ge- schädigten Herzen festgestellt wer- den (26, 27).

Unsere Befunde begründen zu- reichend die Annahme, daß der Strukturumbau, die Gefügedilatati- on des Myokards, nicht durch Infark- te oder Nekrosen, sondern durch die risikofaktorinduzierte Phase II der UMR bewirkt wird. Sie vermehrt das interstitielle Mesenchym des Myo- kards diffus im Durchschnitt auf das Zehnfache, während die kontraktile Masse dagegen nur um zehn Prozent ihres Normalwertes erhöht wird (26, 27).

Sicherlich stören die inzwischen festgestellten biochemischen Norm- abweichungen des Stoffwechsels der kontraktilen Zellen, aber die Ba- sis der Strukturveränderungen des Myokards wird durch die Phase II der UMR der interstitiellen Mesen- chymzellen bewirkt, die dann die von Otto Franck berechneten deletären Veränderungen des Kontraktions- vorganges bewirken.

5. Weitere primär

chronische Mesenchym- erkrankungen

Während die These, daß die Ar- terio-, die Phlebo- und die Kardio- sklerose als primär chronische Me- senchymerkrankungen durch eine Vielzahl heterogener Risikofaktoren verursacht werden, hinreichend be- gründet ist, kann ich für die Pathoge- nese der primär chronischen Erkran- kungen anderer Organe (Leber, Nie- re, Pankreas, Nerven, Gehirn, Ge-

lenke und anderes) keine solche Fül- le überzeugender Argumente erbrin- gen, da wir diesbezüglich tierexperi- mentelle Untersuchungen als Imita- tionen humaner primär chronischer Organopathien aus äußeren Grün- den nicht durchführen konnten, was hoffentlich bald bei uns oder anders- wo geschehen kann.

Aber ich wiederhole die für die- se Erkrankungen aufgelisteten Argu- mente sowie die Tatsache, daß uni- versell wirksame pathogene Fakto- ren (darunter auch atherogene Risi- kofaktoren, siehe Abbildungen la—f) das gesamte Mesenchymsystem, ins- besondere die interstitiellen Mesen- chymzellen, die Kapillarzellen und die Zellen des hämo- und lympho- poetischen Systems attackieren, die Phase II der UMR ubiquitär auslö- sen und auf diese Weise krankhafte, vermehrte Mesenchymablagerungen in allen Organen verursachen kön- nen.

Die Hypothese, daß die gleichen pathogenen Faktoren so unter- schiedliche Krankheitsbilder wie Ar- teriosklerose, primär chronische Or- ganopathien und primär chronische rheumatische Erkrankungen bewir- ken, ist auf den ersten Blick verwir- rend, jedoch keineswegs außerge- wöhnlich. Wie bereits ausgeführt (Kapitel 2) pflegt in der biologischen Welt ein und derselbe Faktor durch- aus unterschiedliche Effekte auszu- lösen, was für die verschiedenen For- men der Arteriosklerose auch bereits anerkannt ist: so löst der gleiche pa- thogene Faktor zum Beispiel bei dem einen eine Atherosklerose, bei dem anderen eine Arteriosklerose aus. Auch induziert der gleiche Fak- tor bei dem einen eine Atheromato- se der Koronararterien, bei dem an- deren eine Arteriosklerose der Bein- arterien, und der dritte bleibt ohne jeden krankhaften Befall.

Klinische Forschung hat seit Jahrzehnten gezeigt, daß eine Fami- lienabhängigkeit für den Befall mit rheumatischen beziehungsweise ar- teriosklerotischen Erkrankungen be- steht. Für die Arteriosklerose wurde in den letzten Jahren sogar diese Erbabhängigkeit durch molekularge- netische Studien nachgewiesen (1).

Es besteht meines Erachtens kein Zweifel, daß der Befall mit ei- A1-810 (76) Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992

(12)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

FÜR SIE REFERIERT

ner der speziellen primär chro- nischen Mesenchymerkrankungen durch die erbbedingte Konstitution des Menschen mit verursacht wird.

Obwohl unsere tierexperimentellen Studien gezeigt haben, daß univer- sell wirksame pathogene Faktoren die Mesenchymzellen aller Organe attackieren, ist nicht vorauszusehen, wo im Einzelfall der krankhafte Ef- fekt erzielt wird. Es ist von der gene- tisch programmierten Konstitution der Individuen abhängig, welche der primär chronischen Mesenchymer- krankungen im Einzelfall verursacht wird. Offenbar sind die interstitiel- len Mesenchymzellen der Organe und die Gefäßwandzellen erbabhän- gig unterschiedlich vulnerabel.

N. Schlußbemerkung

Die primär chronischen Mesen- chymerkrankungen stehen in den In- dustriestaaten an der Spitze von Morbidität und Mortalität und besit- zen somit erstrangige gesundheitspo- litische, ärztliche und wissenschaftli- che Bedeutung.

Bei allem Verständnis und bei aller Bewunderung für die großarti- gen Fortschritte der apparativen und therapeutischen Maßnahmen bei akuten Erkrankungsprozessen, die ja gerade die Öffentlichkeit und die jüngere ärztliche Generation mit Recht begeistern, möchte ich als „el- der-scienceman" immer wieder auf die praktisch ärztliche Priorität der pathogenetischen, therapeutischen, präventiven und rehabilitativen Pro- bleme der primär chronischen Me- senchymerkrankungen aufmerksam machen.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -792-812 [Heft 10]

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordem über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Werner H. Hauss Ehrenvorsitzender des Instituts für Arterioskleroseforschung an der Universität Münster Domagkstraße 3

W-4400 Münster

Herzperkussion bleibt zeitgemäß

In einer Studie an 100 stationä- ren und ambulanten Patienten ver- glichen amerikanische Autoren die perkutorisch ermittelten Herzgrößen mit den Ergebnissen der Röntgen- Thorax-Untersuchungen. Dabei wur- de ein kardio-thorakaler Quotient

>0,5 als Kardiomegalie definiert, dies war bei insgesamt 36 Patienten der Fall. Die Übereinstimmung der Perkussion und der Röntgenuntersu- chung war im 5. Interkostalraum links am deutlichsten, eine über 10,5 cm breite Dämpfung ab Sternummit- te konnte hier mit einer Sensitivität von 94,4 Prozent und einer Spezifität von 67,2 Prozent eine Kardiomegalie nachweisen. Die Autoren sehen da- her in der Herzperkussion eine zu- verlässige Methode, um Patienten mit oder ohne Herzvergrößerung bei der klinischen Untersuchung zu er- kennen. acc

Heckerling, P., S. Wiener, V. Moses, J.

Claudio, M. Kushner, R. Hand: Accuracy of Precordial Percussion in Detecting Cardiomegaly. Am. J. Med. 91 (1991) 328-334.

Paul Heckerling, MD, Dep. of Medicine, University of Illinois, Box 6998 M/C 787, Chicago, Illinois 60680, USA.

Misoprostol vs. Sucralfat bei der Prävention

von NSAR-Läsionen

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) führen nicht selten zu pep- tischen Ulzerationen und lebensbe- drohlichen Blutungen. Der Präventi- on derartiger Ereignisse kommt des- halb eine zunehmende Bedeutung bei.

In einer prospektiven, randomi- sierten Einfachblindstudie erhielten 253 Patienten mit Osteoarthritis, die mit Ibuprofen, Piroxicam oder Na- proxen für mindestens drei Monate behandelt werden sollten, prophy- laktisch 4 x 200 µg Misoprostol oder 4 x 1 g Sucralfat. Endoskopische Kontrolluntersuchungen wurden nach vier, acht und zwölf Wochen durchgeführt, ein Ulcus ventriculi wurde als eine Magenschleimhautlä-

sion von mindestens drei mm Durch- messer definiert. Ein Magenge- schwür entwickelten nur zwei von 122 Patienten unter Misoprostol (1,6 Prozent), hingegen 21 (16 Prozent) von 131 Patienten unter Sucralfat.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß für die Prophylaxe von medikamenteninduzierten Ulcera in erster Linie orale Prostaglandinde- rivate eingesetzt werden sollten. W

Agrawal, N. M., S. Roth, D. Y. Graham, R.

H. White, B. Germain, J. A. Brown, S. C.

Stromatt: Misoprostol Compared with Su- cralfate in the Prevention of Nonsteroidal Anti-inflammatory Drug-induced Gastric Ulcer. A Randomized, Controlled Trial.

Ann. Int. Med. 15 (1991) 195-200.

Tulane University School of Medicine, New Orleans, Louisiana.

Das Muir-Torre-Syndrom (MTS)

Beim Muir-Torre-Syndrom han- del es sich um eine autosomal domi- nant vererbte Genodermatose, die durch Talgdrüsentumoren (Adenom, Epitheliom, Karzinom) und minde- stens ein Malignom gekennzeichnet ist. Dabei stehen kolorektale Karzi- nome mit 51 Prozent und Neoplasien des Uro-Genitaltraktes mit 25 Pro- zent ganz im Vordergrund. Für eine erbliche Komponente beim kolorek- talen Karzinom spricht die Tatsache, daß in der Mehrzahl der Fälle (58 Prozent) die Kolontumoren bei MTS-Patienten proximal der linken Flexur auftreten. Annähernd 50 Pro- zent der Patienten mit einem Muir- Torre-Syndrom wiesen mehrere Ma- lignome auf. Die Hautveränderun- gen traten bei 41 Prozent der Patien- ten vor oder simultan mit dem Malig- nom auf. Bei Patienten mit entspre- chenden Hautveränderungen sollte gezielt nach einem Karzinom des Gastrointestinal- und Uro-Genital- trakts gesucht werden. Diese Vorsor- geuntersuchungen sind in regelmäßi- gem Abstand zu wiederholen, da die Malignome einen relativ gutartigen Verlauf zu nehmen scheinen.

Cohen, P. R., S. R. Kohn, R. Kurzrock: As- sociation of Sebaceous Gland Tumors and Internal Malignancy: The Muir-Torre-Syn- drome. Am. J. Med. 90 (1991) 606-613.

Departments of Dermatology and Patholo- g, University of Texas Medical School at Houston, Houston, Texas.

A1 -812 (78) Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Diagnose einer primär atypi- schen Pneumonie ist nur durch das Röntgenbild in Kombination mit dem Erregernachweis oder einem ansteigenden Antikörpertiter gegen- über dem

Bei asymptomatischen Patienten ergab eine Beobachtungszeit von über 12 Jahren keine von einer Kontrollpopulation sich unter- scheidende Prognose. Die folgenden Symptome erwie-

Um die zahlrei- chen und schweren Veränderungen am Tracheostoma und am Ringknor- pel nach unsachgemäß durchgeführ- tem Luftröhrenschnitt zu vermeiden, fordern HNO-Ärzte anstelle der

Erhöhte Cholesterinspiegel ließen sich bis- lang epidemiologisch nicht eindeutig als Risi- kofaktor für einen Schlaganfall identifizieren und auch ihre Senkung mit Gemfibrozil in

Als therapeutische Möglichkeiten stehen die Bougierung, Ballondilatation oder Stentimplantati- on beziehungsweise eine Kombination der verschiede- Abbildung: 35-jähriger Mann mit

„Die Ersatzkassen zahlen für die kurärztliche Behand- lung bei einer Dauer von drei Wochen eine Pauschale von 47,54 €; bei einer Ambulanten Vorsorgeleistung bei

Sonst: Freien Platz im Block überschreiben oder neuen Block anfordern.

Echte primär maligne Dünn- darmtumoren sind selten. Histologisch handelte es sich vorwiegend um Karzino- me und Sarkome. Aufgrund der uncharakteristischen Symptomatik