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Archiv "Die Neuropathologie chronischer pharmakoresistenter Epilepsien" (18.04.1997)

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Dank der weltweiten epilepsie- chirurgischen Begeisterung steht der epileptologischen Neuropathologie und Neurobiochemie potentiell ik- tuales Material in großer Zahl zur Verfügung. Trotz des Zuwachses an Detailkenntnissen dysmorphogeneti- scher und syndromspezifischer Mi- kroheterotopien haben sich die Hoff- nungen der Epileptologie auf eine vertiefte Kenntnis der fokalen und generalisierten Epileptogenese bis- lang nicht erfüllt. Die Arbeit reiht sich in die lange Tradition epileptolo- gischer Neuropathologie ein.

Es stellt sich hierbei aber die Frage, ob das Bemühen um Kausa- litätsbeziehungen zwischen dem morphologischen Substrat und den klinischen Anfallsformen nicht ei- nem überholten morphologisch ori- entierten Paradigma der Epileptolo- gie anhängt. Daran ändern auch die neurobiochemischen Zusatzbefunde des histopathologischen Materials nichts.

Die beschriebenen syndromspe- zifischen und anderen mikroanato- mischen Veränderungen epilepsie- chirurgischer Resektate sind nicht neu, sondern wurden bereits in den Anfängen der Epilepsiechirurgie der 30er Jahre, aber auch im Rah- men der umfangreichen morpho- logischen Arbeiten der Tübinger Arbeitsgruppe um Pfeiffer dargelegt (1, 2).

Die „biochemischen Extrakte“

der Heterotopien und syndromspezi- fischen Morpheme lassen sich auch als „Epiphänomene“, wie der Herd selbst, innerhalb eines komplexen Geschehens deuten. Die MRT-Ver- fahren der letzten Jahre, ebenso die

histochemischen Befunde bestätigen die seit langer Zeit bekannte Tatsa- che, daß auch bei pharmakoresisten- ten Epilepsien außerhalb der elek- trophysiologisch aktiven ZNS-Area- le Mikrodetektionen (7) und Mikro- dyskinesien vorhanden sind, so daß selbst bei erfolgreicher epilepsie- chirurgischer Intervention dieser

„Herde“ und die Anfallsfreiheit postoperativ nicht zwingend einen monokausalen Bezug zwischen Sub- strat und klinischem Herd beweisen muß.

Die Mikrodyskinesien, die auch bei nichtepileptischen Patienten in

mehr als 25 Prozent auftreten, spre- chen eher gegen eine generelle Be- deutung bei fokalen und generalisier- ten Anfällen (4).

So spricht vieles dafür, daß die durch den chirurgischen Eingriff bei Epilepsie entfernte „kritische Mas- se“ das entscheidende Moment für den Erfolg der Therapie ist und nicht so sehr die Entfernung der zumeist auch in anderen Hirnarealen vorhan- denen Mikrodyskinesien und ande- rer vergleichbarer Strukturauffällig- keiten.

Überdies müssen diese chirurgi- schen Resektate hinsichtlich der un- terstellten Identität zwischen dem elektrophysiologischen und dem kli- nisch nachweisbaren Fokus hinter- fragt werden. Es ist keinesfalls unum-

stritten, daß die elektrophysiologisch und mit Hilfe der funktionellen Ra- diologie nachgewiesenen Foci im Rahmen der präoperativen Diagno- stik in einem kausalgenetischen Zu- sammenhang mit der Klinik stehen, da durch forciertes Absetzen der Me- dikation und anderer Provokations- methoden Foci aktiviert und induziert werden, die nicht notwendigerweise den Generatoren für das klinisch- epileptogene Geschehen entsprechen müssen.

Ein weiterer, durch die Fixie- rung auf das morphologische Sub- strat wenig beachteter Aspekt thera- pierefraktärer fokaler Epilepsien ist die durch Genexpression von IEA- Genen (immediate early genes) be- dingte Neuroplastizität. Tierexperi- mentell besteht kein Zweifel an der durch iktuale Entladungen des Neu- rons ausgelösten Kaskade von Gen- expressionen, wodurch dauerhafte Veränderungen in den terminalen Arealen der Foci („Hemmhöfe“) (3) hervorgerufen werden.

Die kritische Analyse der neuro- pathologischen Aufarbeitung der Ge- hirne anfallskranker (meist pharma- koresistenter), geistig und mehrfach- behinderter Personen aus einer von mir betreuten großen südwestdeut- schen Behinderteneinrichtung er- brachte nur einen sehr begrenzten korrelativen Bezug zwischen den mikroanatomischen Auffälligkeiten und der differentiellen Klinik inklusi- ve der elektrophysiologischen Phä- nomene bei pharmakoresistenten, fo- kalen Anfallsleiden.

In vielen Bereichen der neuro- wissenschaftlichen Grundlagenfor- schung tritt heute der morphologische Erklärungsansatz hinter strukturdy- namische Vorstellungen zurück. An- dererseits bedarf besonders die Phar- makologie der Epilepsien neuer, über A-1070

M E D I Z I N

(54) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997

DISKUSSION

Die Neuropathologie chronischer

pharmakoresistenter Epilepsien

Hoffnungen bleiben unerfüllt

Zu dem Beitrag von Priv.-Doz. Dr. med.

Helmut Wolf und Prof. Dr .med.

Otmar Wiestler in Heft 40/1996

(2)

A-1071

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997 (55) die gängigen morphologischen und

„Rezeptor-“Paradigma hinausgehen- de Modelle der Epileptogenese. Trotz der relativen Bereicherung der thera- peutischen Palette mit neuen Antiepi- leptika sind wir von einer kausalen Therapie der Epilepsien noch weit entfernt.

Literatur

1. Pfeiffer J: Zur Neuropathologie der Tem- porallappenepilepsie. In: Kohlmayer, K (Hrsg): Der Temporallappen, Konstanz 1992; 74–89.

2. Pfeiffer J: Neuronale Schäden durch Epi- lepsien, klinisch-pharmakologische Korre- lationsversuche zur Frage der Krampfschä- den beim Menschen. Thieme Stuttgart, 1993.

3. Morgan, JI: Stimulus-transcription cou- pling in neurons: role of cellular immediate- early genes. Trends in Neurosc. 1989; 12:

459–462.

4. Schulze KD: Hirnwarzen. Zeitschrift für Mikroanatomie Forschung, Leipzig 1978; 4:

609–623.

Weitere Literatur beim Verfasser

Dr. med. Reinhard Baden

„Anstalt Stetten“

Postfach 12 40 71386 Kernen

Der Beitrag von Herrn Dr. Ba- den wirft mehrere Diskussionspunkte auf, die wir gerne einzeln ansprechen möchten.

¿Neuheit ist ein relativer Be- griff. Die von uns vorgelegte Unter- suchung an epilepsiechirurgischen Resektaten erfolgte nach einer auf- wendigen, präoperativen Bestim- mung des epileptogenen Areals mit klinischen, elektrophysiologischen und modernen neuroradiologischen Verfahren. Nur so ist gewährleistet, daß das morphologisch untersuchte Gehirnareal tatsächlich die epilepto- gene Zone enthält.

Hierin unterscheidet sich die von uns publizierte Arbeit von den von Herrn Dr. Baden angeführten autoptischen Studien, wie sie zum Beispiel von Peiffer (nicht Pfeiffer!) vorgelegt wurden, und von Untersu- chungen aus der Frühzeit der Epi- lepsiechirurgie in den 30er Jahren.

Diese Unterschiede spiegeln sich in der Zusammensetzung der morpho- logischen Befunde wider. Schließlich

wurden manche epilepsietypischen Läsionen, wie zum Beispiel dysem- bryoplastische neuroepitheliale Tu- moren und einige glioneuronale Fehlbildungen, erst in den letzten Jahren als eigenständige Entitäten erkannt und definiert.

ÀDie von Herrn Dr. Baden auf- geführten Begriffe Mikrodyskinesie und Mikrodetektion haben in die neuropathologische Fachliteratur bislang keinen Eingang gefunden und wurden auch von uns nicht ver- wendet. Hinsichtlich der Häufigkeit derartiger Veränderungen bei epi- lepsiechirurgischen Resektaten kön- nen wir daher keine Angaben ma- chen.

Möglicherweise spielt der Autor auf sogenannte Mikrodysgenesien an. Dieser Begriff ist eine Sammelbe- zeichnung für verschiedene, diskrete, feingewebliche Veränderungen, die autoptisch bei Patienten mit primär generalisierten Epilepsien beschrie- ben wurden. Wiederum handelt es sich also um eine Patientengruppe, die sich von den von uns untersuch- ten Patienten mit therapierefrak- tären fokalen Epilepsien grundle- gend unterscheidet.

Weiterhin ist im internationalen Schrifttum unbestritten, daß ein großer Teil der von uns angeführten Läsionen, wie zum Beispiel Ganglio- gliome, dysembryoplastische neu- roepitheliale Tumoren und glioneu- ronale Hamartome fast ausschließ- lich bei Patienten mit einer pharma- koresistenten Epilepsie beobachtet werden. Dieser Sachverhalt weist auf ein sehr hohes epileptogenes Po- tential dieser Läsionen hin und legt nahe, daß diese eine für die Entste- hung der Epilepsie wesentliche Rol- le spielen.

ÁWir stimmen zu, daß die Frage, ob bestimmte biochemische Verände- rungen im Umfeld von epilepsieasso- ziierten Läsionen pathogenetisch be- deutsam sind oder vielmehr ein Se- kundärphänomen darstellen, bei hu- manen Gewebeproben aus methodi- schen Gründen oft nicht befriedigend zu klären ist.

Solche biochemischen Untersu- chungen sind jedoch nicht Gegen- stand unseres Beitrags. Hinsichtlich der strukturellen Veränderungen wird lediglich für die Ammons-

hornsklerose eine mögliche sekun- däre Pathogenese diskutiert. Bei den übrigen Läsionen hingegen gibt es jedoch keine Hinweise dafür, daß sie eine Folge epileptischer Anfälle sind.

 Die Frage, ob mit den ge- genwärtigen elektrophysiologischen und radiologischen Methoden die

„Generatoren für das klinisch-epi- leptogene Geschehen“ erfaßt wer- den, stellt das gegenwärtige Konzept der Epilepsiechirurgie als solches in Frage und ist mit morphologischen Daten nur bedingt zu beantworten.

Die Tatsache, daß in den Resektaten der mit diesen Methoden bestimm- ten epileptogenen Areale in etwa 90 Prozent der Fälle eindeutige struk- turelle Veränderungen nachweisbar sind, spricht jedoch für die Validität der gegenwärtig eingesetzten Ver- fahren.

à Die in unserer Übersichtsar- beit dargelegten morphologischen Daten bilden eine Grundlage für weitere funktionelle und molekular- neuropathologische Studien und sol- len keineswegs von solchen Untersu- chungen ablenken.

Die Vielzahl von Veröffentli- chungen aus dem Bonner Epilepsie- zentrum, bei denen morphologische, klinische, elektrophysiologische und grundlagenwissenschaftliche Daten und Sachverhalte miteinander ver- knüpft werden, lassen die Sorge von Herrn Dr. Baden als nicht gerechtfer- tigt erscheinen.

ÄDen Erfahrungen von Herrn Dr. Baden mit anfallskranken und geistig sowie mehrfach behinderten Patienten liegt offensichtlich eine an- dere Patientengruppe als die unserer Studie zugrunde.

Ein Widerspruch zu den von uns vorgelegten Daten ergibt sich hier- aus nicht. Dennoch wäre ein Ver- gleich beider Studien von Interesse.

Eine Veröffentlichung, in der die an- gesprochenen Erfahrungen nieder- gelegt sind, wird leider nicht ge- nannt.

Für dieVerfasser

Prof. Dr. med. Helmut K. Wolf Institut für Pathologie

Universitätskliniken Mainz Langenbeckstraße 1 55131 Mainz DISKUSSION

Schlußwort

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