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Archiv "Ohne Mehrheit läuft nichts" (04.07.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

D

as Bundesverfassungsge- richt hat jetzt die Sozial- gerichtsklage einer Ver- sicherten für unzulässig er- klärt, mit der die Klägerin.

letzten Endes erreichen woll- te, daß die gesetzliche Kran- kenversicherung nicht mehr die Kosten von legalen Schwangerschaftsabbrüchen aus nicht rein medizinischer Indikation bezahlen dürfte.

Ein einzelner kann nicht ver- langen, daß seine Überzeu- gung Maßstab für alle Rechts- normen werde, sagt das Bun- desverfassungsgericht.

Damit ist eine große Hoffnung der Abtreibungsgegner zu- nichte gemacht worden, die in der letzten Zeit auch beim Aachener Ärztetag eine Rolle gespielt hatte, ebenso beim Augsburger Kongreß der Eu- ropäischen Ärzteaktion, bei dem Ärzte, Theologen, Politi- ker und Juristen (wieder ein- mal) beklagten, daß die durch die Reform des Paragraphen.

218 StGB vor acht Jahren ge- schaffene Lage von der Ge- sellschaft noch keineswegs

„aufgearbeitet" worden ist.

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eide Seiten sind dabei in der Wahl ihrer Worte nicht immer zimperlich — von „Mein Bauch gehört mir"

über „Heuchelei" und „Dop- pelmoral" bis zum glatten

„Mord"; aber das liegt wohl in der Natur der Sache. Davon sind auch die Parlamentarier nicht frei, wie die Debatten über die geplante Stiftung

„Mutter und Kind" zeigen oder über den Gesetzentwurf von 74 Abgeordneten der CDU/CSU, der ebenfalls die

„Abtreibung auf Kranken- schein" abschaffen soll.

Das allgemeine Unbehagen ist groß. Ausgerechnet in un- serem reichen Staat beruht die überwiegende Mehrzahl aller rechtmäßigen Abtrei- bungen auf der sogenannten Notlagenindikation; die Mel-

depflicht funktioniert nicht, es gibt keine verläßliche Stati- stik, wir kennen nicht einmal die Größenordnung des Pro- blems (wenn man denn die Tötung von zehntausenden.

ungeborener Leben als „Pro- blem" bezeichnen will); es hängt offenbar allein vom Willen der Schwangeren ab, ob sie einen rechtmäßigen Abbruch bekommt — in praxi haben wir längst die Abtrei- bung auf Wunsch.

Man wird sich darauf verlas- sen können, daß Männer und Frauen wie zum Beispiel der unermüdliche Initiator der Europäischen Ärzteaktion, Dr. med. Siegfried Ernst, das

Ohne Mehrheit läuft nichts

Thema nicht zur Ruhe kom- men lassen werden. Die Dis- kussion wird und muß weiter- gehen. Es zeigte sich beim Augsburger Kongreß deut- lich, wie wichtig gerade heute für die Ärzte deutlich erkenn- bare Leitlinien für die Bestim- mung ethischen ärztlichen Handelns wären; Vertreter der Kirchen räumten ein, daß selbst die Moraltheologie sie zur Zeit nicht bietet.

Ein wertvoller Beitrag zur Diskussion kam in Augsburg von Bundesärztekammerprä- sident Dr. Karsten Vilmar. Er wies die Ärzte darauf hin, daß weder der medizinische

„Fortschritt" noch Regelun- gen, die Gesetzgeber und Ge- richte getroffen haben, den.

Arzt aus seiner ethischen Ver- antwortung für den Menschen und für die Gesellschaft ent- lassen können. Dr. Vilmar zeigte im übrigen auch die Zusammenhänge auf zwi- schen der Diskussion um die

Abtreibung und anderen Fra- gestellungen, etwa der Ster- behilfe, der Tierversuche und der Gentechnologie.

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atsächlich gibt es hier Zu- sammenhänge, und nicht nur ethische. Es lohnt sich daran zu erinnern, wie der Pa- ragraph 200 RVO (über die Kostenübernahme eines lega- len Schwangerschaftsab- bruchs durch die Krankenkas- sen) damals zustande gekom- men ist: er war nämlich schon fertig und in Kraft, bevor das Bundesverfassungsgericht die damals eigentlich geplante Fristenlösung für verfas- sungswidrig erklärte und der Bundestag dann die heutige Reform einführte. Man wußte also damals noch nicht, was in der Bundesrepublik Deutsch- land ein legaler Schwanger- schaftsabbruch sein würde — aber daß die Solidargemein- schaft der Krankenversicher- ten ihn bezahlen muß, das wußte man schon (und dabei hatte sich die ursprüngliche Bundestagsmehrheit für die Fristenlösung in der Frage geirrt, wie unsere Verfassung das ungeborene Leben schützt!).Was wäre denn, wenn einmal nach diesem Muster so etwas wie eine „le- gale Sterbehilfe" in die RVO aufgenommen werden sollte?

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.. ber eins muß man sich aber ganz im klaren sein:

die SPD wird, wie Anke Fuchs es ausdrückte, einen

„Anschlag auf die Reform des Paragraphen 218" nicht mit- machen. Bundesjustizminister Engelhard, FDP, erklärt kate- gorisch, beim Paragraphen 218 „wird es keine Wende ge- ben". Und die 74 CDU/CSU- Abgeordneten sind eine Min- derheit. Ohne politische Mehrheit aber wird und kann sich an der heutigen Rechtsla- ge nichts ändern — und eine solche Mehrheit ist bei den Politikern nicht in Sicht. gb

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 27 vom 4. Juli 1984 (1) 2061

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