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GOA-Reform Politisches Feilschen
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ie Diskussion über die Novellierung der Amtli- chen Gebührenordnung für Ärzte (GOA) auf Länder- ebene zur Vorbereitung der Ent- scheidung des Bundesrates am 23. September dokumentiert die einseitige, voreingenommene und widersprüchliche Honorar- kürzungspolitik SPD-regierter Länder unter Federführung von NRW. In vollem Widerspruch zur bisherigen SPD-Position, die„sprechende Medizin" zu för- dern, wird aus einseitig fiskali- scher Sicht die eingehende Bera- tung des Patienten erheblich er- schwert. Eine gute Patientenbe- treuung erfordert jedoch das un- mittelbare Zusammenwirken von Gespräch und anderen ärzt- lichen Leistungen. Würde das Konzept der SPD-regierten Län- der realisiert werden, könnte die medizinisch-wissenschaftlich be- gründete Medizin, auch soweit es das ärztliche Gespräch be- trifft, in eine Außenseiterpositi- on gedrängt werden.
Die erneut beabsichtigte Be- schneidung des Gebührenrah- mens für ärztliche Sachleistun- gen vernachlässigt völlig die im neugefaßten Leistungsverzeich-
nis bereits enthaltenen struktu- rellen Absenkungen der Bewer- tungen bis zu 30 Prozent. Diese undifferenzierte und willkürliche Rahmeneinschränkung würde auch diejenigen Leistungen tref- fen, die — veraltet und/oder völlig unterbewertet — vom jetzigen Novellierungsschritt nicht erfaßt sind, zum Beispiel physikalisch- medizinische Leistungen. Das vorgesehene Verbot der abwei- chenden Honorarvereinbarung für diese und für ärztliche Sach- leistungen beseitigt die Vertrags- freiheit des Arztes.
Das weitere „Hickhack"
um eine Punktwertanhebung — bei der es allerdings nur um Bruchteile eines Pfennigs geht — ist politisch ein Skandal.
Während Rechtsanwälten völlig zu Recht eine Vergütungsver- besserung von 16,5 Prozent für sieben Jahre zugestanden wur- de, wird . an dem mageren Zu- wachs von 3,5 Prozent für Ärzte weiter geknapst. Statt plus 0,4 Pfennige sollen nunmehr 0,3 Pfennige (+ 2,7 Prozent) ausrei- chen — und dies bei einer Ge- haltsentwicklung von rund 30 Prozent und einer Kostenent- wicklung von etwa 20 Prozent
in den letzten sieben Jahren.
Die GOA wird hier zur Entla- stung öffentlicher Haushalte (Beihilfestellen!) mißbraucht.
Wie bisher schon werden weitreichende Einschränkun- gen der Delegierbarkeit wahl- ärztlicher Leistungen vorge- schlagen, die sowohl die Ver- antwortung des leitenden Kran- kenhausarztes als auch die er- heblich ausgeweiteten Ho- norarminderungs- und Kosten- erstattungspflichten aufgrund des Gesundheitsstrukturgeset- zes außer acht lassen. Die ge- forderte Verstärkung des Kom- plexleistungsprinzips läuft ins Leere, da das Leistungsver- zeichnis, insbesondere der ope- rativen Leistungen aus den 70er Jahren, inhaltlich diesem Prin- zip nicht entspricht.
Insgesamt drängt sich die Vermutung auf, daß die SPD-re- gierten Länder — auch unter ei- ner Fülle von „kleinkarierten Detailänderungen" — um jeden Preis in den Regierungsentwurf
„hineinregieren" wollen. Wer- den diese Vorschläge insgesamt aufrechterhalten, wird die No- velle scheitern müssen.
Renate Hess, BÄK, Köln
Entbürokratisierung Chefsache Seehofer
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s gibt Reizwörter, die schlagartig den Blut- druck in die Höhe trei- ben. Bürokratie ist eines davon.Seit ewigen Zeiten klagen die niedergelassenen Ärzte über ein Übermaß an „Verwaltungsbal- last", der ihre eigentliche ärztli- che Tätigkeit in den Hintergrund zu drängen droht. Richtlinien, Formulare, Bestimmungen, Aus- nahmen, Kataloge, Schriftver- kehr und nochmals Schriftver- kehr: Jeder Kassenarzt weiß, wo- von die Rede ist.
Irgendwie hat sich das Dau- erärgernis bis nach Bonn durch- gesprochen — und siehe da: Bun-
desgesundheitsminister Horst Seehofer selbst will sich der Sa- che annehmen. Der Mann mit dem ausgeprägten Gespür für Themen hatte dies bereits auf dem diesjährigen Deutschen Ärztetag in Köln angekündigt.
Da Seehofer seinen Worten für gewöhnlich auch Taten fol- gen läßt, darf man auf den Fort- gang der Dinge gespannt sein.
Was ist bis jetzt geschehen? En- de Juli fand ein erstes Gespräch zwischen dem Minister und den Spitzen von Bundesärztekam- mer und Kassenärztlicher Bun- desvereinigung statt. Inzwischen gibt es schon diverse Arbeits-
gruppen, die dem Thema hart auf der Spur sind. Es geht um die Frage, wie die ärztliche Tätigkeit von überflüssigen Ver- waltungsvorgängen befreit und notwendige Aufgaben verein- facht werden können.
Ende Oktober, ließ der Mi- nister jetzt verlauten, sollen die Arbeitsgruppen in einem Zwi- schenbericht erste Ergebnisse vorlegen. Das klingt gut, sehr gut sogar. Doch wie kommt's bloß, daß der „Entbürokratisierungs- ausschuß" einen irgendwie an Grimms Märchen denken läßt?
Und der Herr schickte den Jockel aus .. . JM Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 37, 16. September 1994 (1) A-2361