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Esther Bravin,
Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW esther.bravin@acw.admin.ch
Die Erstellung einer neuen Obstanlage − sei es nach einer Rodung oder in einer neuen Parzelle − ist mit wichtigen strategischen Fragen verbunden: Was wird gepflanzt?
Folgt nach der Rodung die gleiche oder eine neue Obstart?
Obstkulturen unterscheiden sich aus produktions- technischer Sicht (z.B. die Lage der Parzelle oder das Know-how des Betriebsleiters), aber auch aufgrund be- triebswirtschaftlicher Eigenschaften. Je nach Obstkultur und vor allem Witterungsschutz (Bewässerung und Ha- gelnetz) sind die Erstellungs- und die Produktionskosten unterschiedlich.
Witterungsschutz – ein wichtiger Teil der Erstellungskosten
Die Erstellungskosten sind die Kosten, die bei der Pflan- zung undVorbereitung der Parzelle anfallen, und umfas- sen folgende wichtige Posten:
G Pflanzgut
G Baumgerüst
G Einzäunung
G Hagelnetz
G Bewässerung
Die Erstellungskosten beinhalten dabei nicht nur die Materialkosten, sondern auch Maschinen- und Arbeits- kosten zur Vorbereitung und Fertigstellung der Anlage.
Die Erstellungskosten werden dann als Abschreibungen in den Direktkosten berücksichtigt.
Die Erstellungskosten ohneWitterungsschutz sind mit der Pflanzdichte und der Obstkultur verbunden – je mehr Bäume pro Hektare, desto teurer werden die Erstellungs- kosten. Mit den in Tabelle 1 aufgeführten Dichten unter- scheiden sich die Erstellungskosten zwischen Stein- und Kernobst wenig. Muss aber die Anlage vor Hagel oder Tro- ckenheit geschützt werden, verdoppeln sich die Erstel- lungskosten. Um bei Kirschen eine optimale Qualität zu produzieren, sindWitterungsschutz (Regendach) und Be- wässerung unabdingbar; die Erstellungskosten betragen dann 107 000 Fr./ha. Die Zahlen in der Zusammenstellung (Tab. 1) geben selbstverständlich nur Richtwerte an. Ist die Anlage nicht annähernd rechteckig, fallen beim Witte- rungsschutz und der Umzäunung überproportional mehr
Investieren in Obst – Apfel ist nicht Birne
Es gehört zu den Managementkompetenzen der Obstproduzenten, sich über Investitionen und Produktionskosten von Obstkulturen im Klaren zu sein. In diesem Artikel sind die Grundlagen zur Berechnung der Erstellungs- und Produktionskosten der Obstkulturen detailliert zusammengestellt.
Die Unterschiede zwischen Äpfeln, Birnen, Kirschen und Zwetschgen werden erläutert.
Tab. 1: Erstellungskosten Kulturen und Witterungsschutz.
Erstellungskosten OHNE Witterungsschutz, mit Zaun Fr./ha
Apfel (1500 Bäume/ha) 35 000
Apfel (2222 Bäume/ha) 41 000
Birne (1500 Bäume/ha) 35 000
Kirsche (800 Bäume/ha) 40 000
Zwetschge (900 Bäume/ha) 35 000
Witterungsschutzkosten
Hagelnetze 30 000
Tropfenbewässerung 12 000
Regendach (ohne Bewässerung) 55 000
(Fotos:Vera Küffer, SZOW)
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G Abzüge (Branchenbeiträge, Gebinde- und Sortier- kosten)
G Abschreibung Obstanlage
G Diverse Kosten (Ersatz und Büromaterial, Rodungs- kosten etc.)
Strukturkosten
Die Strukturkosten beinhalten:
G Gebäude (für die Maschinen und Geräte)
G Maschinen und Geräte (Traktor, Spritze, Dünger- streuer, Mulchgerät, Hebebühne etc.)
G Arbeiten interne und externe Arbeitskräfte (Dün- gung, Pflanzenschutz, Baumerziehung, Behangsre- gulierung, Ernte, Hagelnetze, Bewässerung etc.)
G Zins (für Boden und für Investitionen)
Vollkostenrechnung mit Arbokost
Für die Produzenten ist es wichtig, die Höhe der jährli- chen Produktionskosten – also die Vollkosten der Kultur zu evaluieren. Zwischen Kern- und Steinobst gibt es gros- se Unterschiede. Mit dem Kalkulationsmodell Arbokost der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW wurde die Vollkostenrechnung für die wichtigsten Obstsorten in der Deutschschweiz berechnet. Wichtige Informationen für die Modellrechnung wie Anzahl Ar- beitsstunden (Ausdünnung, Schnitt, Kontrolle etc.), Ern- teleistung, Maschinen, Pflanzenschutzmittelstrategien und Behangsregulierung wurden mithilfe von Experten aus der Extension der ACW in Wädenswil und von der kantonalen Beratung zusammengestellt.
Für die Vollkostenrechnung wurden für alle Kulturen die totalen Arbeitsstunden berechnet mit einem Ansatz für Betriebsleiter von 35 Fr./h, für interne Arbeitskräfte 24 Fr./h und für externe Arbeitskräfte 21 Fr./h. In den Modellberechnungen wird angenommen, dass der grösste Teil der Vorernte-Arbeit vom Betriebsleiter und internen Arbeitskräften durchgeführt wird. Nur für die Ernte und die Handausdünnung wird 50% der Arbeit durch externe Arbeitskräfte ausgeführt.
Bei Kirschen wurde mit einem Regendach und Be- wässerung gerechnet.
Kosten an. Die genaue Zusammenstellung der Erstel- lungskosten ist in der Publikation Anbauempfehlung für die Obstregion Nordwestschweiz (Kantonale Fach- und Zentralstellen für Obstbau et. al 2011) oder in Arbokost (www.Arbokost.agroscope.ch) zu finden.
Bis Ende der Aufbauphase (bzw. bis zum Beginn der Ertragsphase) nehmen die Kosten zu. Die Gesamtin- vestition zum Beispiel einer Apfelparzelle mit 2222 Bäu- men und Hagelnetz beträgt rund 91 000 Fr./ha. Bei Kir- schen beträgt die Gesamtinvestition mit Regendach und Bewässerung bis am Ende des 4. Standjahres rund 40 000 Fr./ha. Investieren Obstproduzenten also in Kir- schen müssen sie in der Lage sein, die Liquidität des Be- triebs trotz Investition von 140 000 Fr./ha sicherzustellen.
Was ist eine Vollkostenrechnung?
Die Direktkosten und alle Strukturkosten werden erfasst und in der Vollkostenrechnung zusammengezählt. Die Direktkosten sind variable Einzelkosten, die schlüssel- ungsfrei (ohne Umrechnung bzw. Aufteilung) den ent- sprechenden Betriebszweigen zugeordnet werden kön- nen (z.B. Pflanzenschutzmittel, Dünger etc.). Die Struk- turkosten sind die Kosten, die nicht schlüsselungsfrei zu- geteilt werden können, sondern anteilmässig auf ver- schiedene Betriebszweige verteilt werden (z.B. Gebäu- dekosten, Maschinen; Pfefferli et. al. 2000).
Weil der Obstbau eine mehrjährige Kultur ist, werden die Erstellungskosten in der Ertragsphase jährlich abge- schrieben. Dabei spielt die Anzahl der Nutzjahre eine wichtige Rolle: Je länger die Nutzungsdauer ist, desto tie- fer sind die Abschreibungen.
Direktkosten
Die Direktkosten im Obstbau beinhalten folgende wich- tige Posten:
G Düngung
G Pflanzenschutzmittel (Fungizide, Insektizide, Herbi- zide, Mittel für die Behangsregulierung und, wenn erlaubt, Mittel gegen Feuerbrand)
G Hagelversicherung
G Wasserkosten für die Bewässerung
Tab. 2: Produktionskostenvergleich zwischen Apfel, Birne, Kirsche und Zwetschge.
Apfel Birne Kirsche Zwetschge
Ertrag (kg/ha) 38 000 28 000 12 000 22 000
Direktkosten (Fr./ha) ohne Hagelnetz ohne Hagelnetz mit Regendach u. Bewässerung ohne Hagelnetz
Düngung 400 300 300 200
Pflanzenschutzmittel 3 000 2 200 1 600 1 600
Abzüge 3 350 2 400 3 000 2 500
Abschreibung Obstanlage 5 500 4 300 14 000 4 800
Diverse Kosten 1 200 1 200 1 200 1 200
Totale Direktkosten 13 450 10 400 20 100 10 300
Strukturkosten (Fr./ha)
Gebäude 150 150 150 150
Maschinen und Geräte 4 000 3 500 7 000 4 200
Arbeitskosten 16 300 12 500 30 000 20 500
Zinsen 2 200 1 500 4 700 2 000
Totale Strukturkosten 22 650 17 650 41 850 26 850
Total Produktionskosten (Fr./ha) 36 100 28 050 61 950 37 150
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O B S T P R O D U K T I O N
Birne
Bei der Modellrechnung für Birnen haben wir mit 510 Akh/ha und mit einem Ertrag von 28 t pro Hektare ge- rechnet. Ähnlich wie bei Äpfeln liegen die Arbeitskosten bei 45% der Produktionskosten, die Abschreibungen bei 15% und die Maschinen- und Gerätekosten betragen 12%. Die Abzüge sind bei Birnen ebenfalls auf gleichem Niveau wie die Pflanzenschutzmittelkosten. Auch bei dieser Kultur machen die Sortierkosten einen grossen Teil der Abzüge aus.
Kirsche
Mit fast 1300 Akh/ha ist die Kirsche die arbeitsintensivs- te und somit die teuerste und risikoreichste Obstkultur.
Für die Modellrechnung wurden die Erträge auf 12 t/ha geschätzt. Die Arbeitskosten betragen fast 50% der Pro- duktionskosten. Die Abschreibungen der Investitionen (z.B. Regendach 55 000 Fr./ha) fallen mit einem hohen Anteil von 23% ins Gewicht.
Zwetschge
Für die Produktion von Zwetschgen braucht man nach Rechnungen mit Arbokost fast 800 Akh/ha bei einem Ertrag von 22 t/ha. Für die Zwetschgen-Produktion braucht es zwar pro ha weniger Arbeit als bei Kirschen, der prozentuale Anteil für die Arbeitskosten an den gesamten Produktionskosten ist aber mit 55% am höchsten.
Produktionskosten reduzieren?
Die Arbeitskosten spielen bei allen Obstkulturen eine wichtige Rolle. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist aber bekannt, dass die investierte Zeit in derVorernte- arbeit für gute Resultate ausschlaggebend ist. Nach einer Studie von Mouron und Scholz (2007) haben die Produ- zenten, die in der Vorerntearbeit am meisten Zeit inves- tieren, bessere und vor allem regelmässigere Erträge.
Vergleich zwischen Obstkulturen:
teure Kirschenproduktion
Die höchsten Kosten fallen bei den Kirschen an. Grund dafür sind die höheren Witterungsschutzkosten (Regen- dach) und Arbeitskosten, da die Kultur sehr arbeitsin- tensiv ist. Tabelle 2 zeigt die berechneten Erträge und Produktionskosten für jede Kultur. Die Berechnungen stammen aus dem betriebswirtschaftlichen Simulati- onsprogramm für Obstproduzenten und Obstbaubera- ter Arbokost. Die Vergleiche beziehen sich jeweils auf eine Hektare Obstanlage. Die Standards für Arbokost beruhen auf Expertenschätzungen. Mehr Informationen über Arbokost finden sich unter www.Arbokost.agro- scope.ch.
Mit den verwendeten Annahmen sind die Produkti- onskosten für Äpfel und Zwetschgen ähnlich hoch (36 000 bzw. 37 000 Fr./ha). Die Produktionskosten für Birnen sind tiefer als für Äpfel. Grund dafür sind die ge- ringeren Arbeitskosten (weniger Ertrag, bessere Ernte- leistung) und tiefere Abschreibungen (längere Ertrags- phase). Die Abbildungen oben zeigen die prozentuale Aufteilung der Produktionskosten bei den ausgewählten Obstkulturen Äpfel, Birnen, Kirschen und Zwetschgen.
Apfel
Die Vollkostenrechnung für Apfel wurde mit Erträgen von durchschnittlich 38 t und mit 610 Arbeitskraftstun- den (Akh) pro Hektare berechnet. Die Zusammenstel- lung der Vollkostenrechnung (Abb. oben) zeigt, dass die Arbeitskosten mit 45% der Produktionskosten der gröss- te Posten sind. Danach kommen die Abschreibungen (15%), die Maschinen- und Gerätekosten. Die Abzüge beinhalten Beiträge für die kantonalen und nationalen Obstverbände und vor allem für die Gebinde- und Sor- tierkosten. Diese sind sehr unterschiedlich je nach Vermarkter und Region, Sortierkosten können bis zu 0.08 Fr./kg Tafeläpfel betragen. Die Abzüge sind so wich- tig wie die Kosten für Pflanzenschutzmittel.
1%
8%
9%
15%
4%
11% 1%
45%
6%
Apfel
1%
8%
9%
15%
4%
12% 1%
45%
5%
Birne Düngung
Pflanzenschutzmittel Abzüge
Abschreibung Obstanlage Diverse Kosten Gebäude
Maschinen und Geräte Arbeitskosten Zinsen
0%
3%
5%
23%
2%
11% 0%
48%
8%
Kirsche
1% 4%
7%
13%
3%
1%
11%
55%
5%
Zwetschge
Verteilung der Produktionskos- ten in Prozent.
für Äpfel und Zwetschgen waren in den letzten Jahren nicht sehr stabil – das Risiko für Preissenkungen ist bei diesen Kulturen grösser als bei Kirschen. Die Rentabilität und das Kapitalbildungspotenzial sind deshalb bei Äpfeln und Zwetschgen kleiner als bei Kirschen. Das Risiko für den Kapitalverlust ist an die Höhe der Erstel- lungskosten gebunden. Sind die Erstellungskosten hoch (z.B. bei Kirschen) kann eineVerknappung der Liquidität oder eine zu grosse Verschuldung folgen. Absolut nicht zu unterschätzten sind auch die benötigten Erntehelfer (Kultur mit hohen Erntestunden wie Kirschen). Die Rekrutierung, Führung, Organisation, Beherbergung und Verpflegung von mehreren Mitarbeitenden kann für die Betriebsleiterfamilie zu einer grossen Herausforde-
rung werden. I
Literatur
Einzelne Abschnitte dieser Publikation wurden bereits in Besseres Obst, 2011 (Nr. 3 und 5) publiziert.
Das vollständiges Literaturverzeichnis ist bei der Autorin erhältlich.
Diese führen zu grösserem wirtschaftlichen Erfolg. Es lohnt sich also, die Obstanlage sorgfältig zu pflegen und dementsprechend gute Resultate in Ertrag und Qualität zu erzielen.
Wahl der Obstkultur
Nicht nur die Erstellungs- und Produktionskosten (also dieVollkostenrechnung) sind für dieWahl der Obstkultur wichtig. Im Konzept «Rendite-Risiko-Profil» von Mouron und Carint (2001) spielen auch Arbeitseinkommen, Ren- tabilität, Kapitalbildungspotenzial, das Risiko von Kapi- talverlust, von Preissenkungen und einem Mangel an Erntepersonal eine wichtige Rolle.
Sowohl die Rentabilität als auch das Kapitalbildungs- potenzial sind vom Gewinn abhängig – der wieder mit den durchschnittlichen Produzentenpreisen zusam- menhängt. Ist das Risiko einer Preissenkung bei der Kul- tur hoch, dann sind dementsprechend die Rentabilität und das Kapitalbildungspotenzial unsicher. Die Preise
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R É S U M É
Investir dans les fruits – une pomme n’est pas une poire
Avant d’investir dans une installation arboricole, on doit être au clair sur les coûts de premier investisse- ment, mais aussi sur les frais courants. Selon la culture choisie, il faudra compter entre 35 000 et 40 000 Fr./ha pour les plants et leur plantation, les tuteurs, le clôtu- rage, les coûts de main-d’œuvre et de machines. La protection contre les intempéries peut à elle seule en- gloutir 50% des coûts d’investissement. Et ces coûts peuvent grimper dramatiquement sur une parcelle qui n’est pas rectangulaire.
La récolte pèse lourd dans les coûts annuels. Si elle requiert d’importantes ressources de travail, ainsi qu’en cas de grosse récolte, ces coûts seront élevés. En cas de récolte abondante, le prix et la qualité devraient jouer pour permettre de couvrir les que les coûts de la récolte. Le choix des fruits cultivés sera influencé par la pondération rendement/risque. Enfin, les prix payés aux producteurs et la stabilité des prix jouent également un rôle important.