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Das angebliche Akrostichon Simon in Psalm 110
und einige andere Notarika in den Psalmen.
Von Fr. Baethgen.
Duhm schreibt im Kommentar zu Ps. 110:
,Dass der Angeredete der Hasmonäer Simon ist, geht aus
dem Inhalt von v. 1—4, besonders aber aucb aus dem durch
Bickell entdeckten Umstände hervor, dass diese Verse ein Akro¬
stichon mit dem Namen l^'pi sind; das ad, mit dem das Orakel
beginnt, liefert den ersten'Buchstaben".^)
Duhm hätte mit demselben Mittel den urkundlichen Nachweis
führen können, dass Ps. 2 auf Alexander Jannaeus geht oder noch
wahrscheinlicher -) von ihm gedichtet ist. Er hält es (wie ähnlich
schon Hitzi.g) für sehr wahrscheinlich, dass dieser Psalm bei der
Salbung Aristobuls I oder des Alexander Jannaeus entstand. Als
ich die Entdeckung Bickells auf Ps. 2 anzuwenden versuchte , war
ich in hohem Maasse überrascht, zu sehen, dass die Anfangsbuch¬
staben der vier ersten Verse des Psalms das VVort •'Z'o ergeben,
das , wie es scheint , kaum anders verstanden werden kann als
mit dem b auctoris.'^)
Ist dies Zufall oder Absicht? —■
Die Bildung eines neuen Wortes aus den Anfangs- oder End¬
buchstaben mehrerer Wörter nennen die Kabbalisten Notarikon*),
die Griechen ^.XQÖarixov , was Cicero erklärt: quum deinceps ex
1) Gonauer behauptete BickeU, „dass der Psalm akrostichisch dio Widmung au den Hasmonäer Simon in den Worteu ~3'3i ^yaUJ vor sich hertrage, was Duhm zur Nennung des Namens T3"3'a in V. 1— t vereinfacht'; Grimme, Psalmenproblorao, S. 10-^. — Gunkel, Genesis, S. 2G1 ist mir nicht zugänglich.
2) „Durchweg deutet der akrostichischo Name [in syrischen, syiiatiogalen und samaritanisclien Liedern] auf don Autor der Lieder, nicht auf andere Poraön- liclikeiten''; Griiiirae, a. a. 0.
3) Nachträglich habe ich aus zweiter Quelle (die direkte ist mir auf meinem Patmos nicht zugänglich) gesehen, dass bereits Margoliouth u. A. in der Acadoinv 1892 dieselbe Beobachtung gemacht haben; s. E. Könii^ Eiiiloitung in das Alte Testament, S, 404, Anm. 1.
4) Siehe P. Beer, Goschichte, Lehren uud Meinungen aller . . . Secten der Juden und der . . . Kabbalah, Brünn 1823, Bd II, S 48.
372 Baethgen, Das angelliche Akrostichon Himon in Psalm 11(1.
primis versus litteris aliquid connectiiur. Ein Notarikon ist z. B.
das aus den Endbuchstaben von mmyb D-'nbN Gen. 2,3 zu¬
sammengestellte Wort n7:N, welches beweist, dass Gott die Welt
nur um der Wahrheit willen geschaffen hat. Aus den Anfangs¬
buchstaben der einzelnen Worte von Ps. 96, ii bildet Bickell (und
teilweise Duhm) das doppelte Akrostich [Notarikon] des Tetra¬
grammaton in-i mri". Ein weiteres Beispiel bei König, a.a.O., S. 293.1) Auch umfangreichere Notarika in den Psalmen zu finden ist nicht
so schwer. Ps. 31, 2—12 hat die Anfangsbuchstaben CDmNiaanana ,
die sich leicht in die Worte zerlegen lassen aan ittis anatna , deren
Deutung ich freilich den Kabbalisten selbst überlassen möchte.
König, a. a. 0., S. 404 hat gegen das Akrostich Simon in
Ps. 110 eingewendet, ehe man ein Akrostich für einen Teil der
Verse eines Gedichtes zugebe , müsse doch ein Beispiel dafür bei¬
gebracht werden, dass ein ganzes Gedicht akrostichisch sei (wie etwa
die alphabetischen Psalmen). Auch mit solchem Beispiel kann ich
dienen. Die Anfangsbuchstaben der einzelnen Verse von Ps. 39
sind niaafiSTiNlnnnSN , die sich bequem folgendermaassen abtrennen und vokalisieren lassen : n'^ah ■jniNn") nn:N . Beim Deuten dieser
Worte ist freilich auch mein Seufzen in Wahrheit zu Schanden
geworden. —
Es verlohnt sich, jetzt noch einmal auf Ps. 2 zurückzukommen.
— Vers r> beginnt mit N, das eine Abkürzung des griechischen
Namens Jannais [CT^T:oab]N sein könnte.-') Und nun kommt eine
Überraschung. Die Verse 6—10 haben die Anfangsbuchstaben iniöN"!.
,Ich bin des trocknen Tons nnn satt.'
Es müsste , meine ich , schon ein eingefleischter Weiberfeind sein, der diese fünf Buchstaben anders vokalisieren wollte als ir.'iNi;
also: „von Jannai A[lexander] und seiner Prau'.^) Das genügt. Die
Deutung der beiden Anfangsbuchstaben von Vers 11. 12 :y über¬
lasse ich anderen. Die Perspektive, die das Notarikon "inuiNT 'n "r'-b in das eheliche Leben des blutdürstigen Tyrannen eröffnet, ist scbon interessant genug.
Ich denke, wer in Zukunft in Ps. 110 das Akrostich irrt
findet, wird so höflich sein müssen, auch der begabten Frau Ge¬
mahlin des Alexander Jannäus ihre Autorrechte auf Ps. 2 nicht zu
verkümmern.
1) Auch bei dem von de Lagarde entdeclcten Dichter von Ps. 25 Phadahel (25, 22) und bei seinem Bruder l'haäayas (34, 2;i) hat das Notarilion Gevatter gestanden. In diesen beiden Fällen ist dio Methode freilich eine etwas andero.
2) "1-"'* gegen die Kegel plene geschrieben wio umgekehrt "|3"!;w Ps. 110 gegen dio Kegel defektiv.
3) Wenn man lieber will, kann man das N auch mit dem Anfaiigs-T von Vers 6 zu IN verknüpfen, das dann wohl die Bedeutung „oder vielmehr" hätte.
4) Eventuell: ,,Von Jannai, oder vielmehr seiner Frau".
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Eine angebliche Äusserung Abulwahd Ibn Ganäh's
über die Ursprache.
Von Vf. Bacher.
In seiner Schrift „Hebräisch nnd Semitisch" (Berlin 1901),
S. 114, erwähnt Eduard König die „talmudiscbe Auffassung"
von der hebräischen Sprache als der Ursprache, sowie diejenigen
jüdischen Gelehrten des Mittelalters, die sich jener Auffassung an¬
geschlossen haben. Zu diesen rechnet König auch Abulwalid,
indem er sagt: „Dies that z. B. Abulwalid im Riqmah (ed. Gold¬
berg) , S. 1, indem er sein Buch mit deu Worten „Wisse , dass
der Anfang des Redens überhaupt das Hebräische ist" beginnt".
Was finden wir aber thatsächlich am Anfange des Mttp-in 'o? Das
erste Kapitel desselben beginnt mit folgenden Worten : ']Ti')2 17:n
,m:iu3bn p nnbin "2-iyi nay ,ibiD -nmn mbnnn ia si nna ^a
.... cw: lon -jiiab i^n Dy::n mb?:T a^bysT mtt© am ,Tsbi2:. Das
arabische Origin.al dazu lautet (y73bbN aNna, Le livre des parterres
fleuris, ed. J. D er en b ourg , Paris 1886, p. 19): i^bthn laN büp
■»in r-^a-iyi m:Niay nba asbabN iit<a72 in abyt? nNsj p '^ai-.-a
ab ■]Ny7: ^iini bas^Kt n7:dn "T-n nnbn i^njbb« vnn "io ind n;b
. . . Nn:73 ^Nob iba''. Das heisst: „Wisse, dass die Elemente der
gesamten Rode, im Hebräischen und Arabischen und welcher Sprache
immer ausser diesen beiden Sprachen , drei sind : Nomina , Verba
und Partikeln; sie fehlen in keiner Sprache." In meiner Schrift:
Leben und AVerke des Abulwalid Merwän Ibn Ganäh und die Quellen
seiner Schrifterklärung, S. 38, habe ich darauf hingewiesen , dass
dieser erste Satz des Kitäb al-Luma' eine indirekte Polemik gegeno o
den ersten Satz von Sibaweihi's Kitäb entbält. Dieses beginnt
mit den Worten : „Dies ist d.as Kapitel von der Erkenntnis dessen,
welches die Redeteile (eig. Wörter) im Arabischen sind". Abulwalid, indem er sein erstes Kapitel ebenso beginnt, berichtigt Sl ba w e i b i ,
indem er dessen üjOyiJ! durch ^.,Li xxl ^.^rjrj
l^Xil-'l yvji^ KSy^ ersetzt. König nun, als er die erste Zeile
des Rikma las, kam nicht einmal bis ans Ende der Zeile, übersah
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