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Karin Pittner: Adverbiale im Deutschen. Untersuchungen zu ihrer Stellung und Interpretation. Tübingen: Stauffenburg Verlag 1999.

Eva Breindl

Zum Gegenstand Adverbial ist für das Deutsche seit der viel beachteten Arbeit von Steinitz (1969) keine Monographie mehr veröffentlicht worden, die das gesamte System in den Blick nimmt und ihm auf allen Ebenen grammatischer Beschreibung gerecht zu werden versucht; ein Defizit, das angesichts der Heterogenität des Gegenstands kaum weiter verwundert, bieten doch die verschiedenen kategorialen Realisierungen und semantischen Ausprägungen hinreichend Stoff für unterschied- lichste Fragestellungen: Semantiker untersuchen das Verhältnis natürlichsprachli- cher Ausdrücke für semantische Relationen wie Adversativität, Konditionalität etc., zu logischen Junktoren. Adverbialsätze sind Gegenstand von Arbeiten zur Konnek- toren-Syntax und -Semantik, Konnektoren mit Äußerungsbezug werden vornehm- j lieh in ihrer pragmatischen Dimension beschrieben. Die frühe Valenzforschunginder i Tradition Tesnieres interessierte sich für Adverbiale eher ex negative: In Abgrenzung \ zum gegliederten System der Ergäijzurigen wurden sie als „freie Angaben" aufgrund ihrer formalen Unbestimmtheit nicht weiter syntaktisch subklassifiziert. Aufwändig | wurde versucht, an der neuralgischen Kategorie PP eine hieb- und stichfeste Abgrenzung von Ergänzungen und Angaben zu erzielen. Besondere Aufmerksam- keit wurde den Adverbialen des lokal-temporalen Bereichs zuteil. Zum einen passten sie nicht in das dichotomische System von Ergänzungen und Angaben; das erfuhr spätestens mit dem auf Steinitz gründenden dreigliedrigen Adverbialsystem der Akademie-Grammatik (1981) eine Revision. Zum anderen sind sie Gegenstand von Untersuchungen zur Semantik von Raum und lokalen Präpositionen, für die mit Bierwisch (1988) eine nicht spezifisch sprachliche konzeptuelle Ebene als relevante Größe der Sprachbeschreibung etabliert wurde. Innerhalb des generative^ Paradig- mas gibt es in jüngster Zeit Bemühungen, Adverbiale in das Strukturschema von Komplementen und Adjunkten zu integrieren. Dabei kommt der Frage nach möglichen Grundpositionen und deren - syntaktischer, semantischer oder pragmati- scher - Bedingtheit eine zentrale Rolle zu.

Die hier ohne Aijspruch auf Exhaustivität genannten Forschungsrichtungen zusammenführen, die Fülle der Ergebnisse kritisch auswerten und integrieren zu wollen, mutet schon fast heroisch an. Nichts Geringeres aber ist Pittner mit ihrer Arbeit, diner geringfügig überarbeiteten Fassung ihrer 1997 in Stuttgart angenom- menen Habilitationsschrift, gelungen. Sie untersucht darin die einzelnen Adverbial- typen unter der zentralen Fragestellung nach (Jem Zusammenhang von Auftretens- bedingungen, Position, semantischem Bezugsbereich und Interpretation. Indem sie nachweisen kann, dass Stellungsregularitäten für Adverbiale vielfach auf ein

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 20.2 (2001), 280-286

© Vandenhoeck & Ruprecht, 2001 ISSN 0721-9067

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Rezensionen 28l Zusammenspiel semantischer mit pragmatischen Faktoren zurückzuführen sind, gelingen ihr neue Erkenntnisse, die auch über den Gegenstandabereich hinaus von Interesse sind.

\ 1. Aufbau der Arbeit

, Kap. l (S, 8-43) gibt einen Forschungsüberblick über die Behandlung von Adverbia-

; len in verschiedenen Grammatikmodellen mit Schwerpunkt auf der generativen

1 Grammatik. Kap, 2 (S. 46-121) leistet Abgrenzung und Untergliederung von

* nicht-sententialen Adverbialen und beschreibt einzelne Typen mit ihren Auftretens-

\ und Kombinationsbedingungen und -restriktionen eingehender. Kap. 3 (S. 122-199) l behandelt Stellung und Akzentuierung von nicht-sententialen Adverbialen und geht l $abei vor allem der Frage nach Grundpositionen im Mittelfeld für die einzelnen

£ j l^dverbialtypen und deren Abfolgen nach. In Kap. 4 (200-319) werden sententiale

^ Adverbiale im Rahmen eines graduellen Konzepts syntaktischer Integration verortet Jjj. '' und Stellungseigenschaften sowie Fokus-Hintergrund-Gliederung einzelner Subty- . t pen erläutert. In Kap. 5 (322-363) werden die überwiegend sentential realisierten ISprechakt-Adverbiale pragmatisch, syntaktisch und topologisch charakterisiert und

^ jj subklassifiziert. Kurze Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels, eine Ge§amt- Übersicht über die Ergebnisse als 6. Kapitel (364-367) und ein einleitendes 0-Kapitel S. 1-8), das zentrale Fragestellungen und wichtige Ergebnisse vorwegnimmt, nachen die Arbeit sehr übersichtlich und ermöglichen auch problemlos abschnitt- veise Lektüre.

n*iü

L Theoretische Orientierung

*ittner verspricht eine „Auseinandersetzung mit aktuellen theoretischen Positionen"

S. 1), diese erfolgt im Wesentlichen aber nur mit dem generativen Paradigma. Ihre

^ '*· ^Fragestellungen sind aber durchaus von allgemeinem grammatikographischem

** a Interesse, da sie letztlich auf die Schnittstelle von Syntax, Semantik und Pragmatik ßö abzielen. Wo angebracht, integriert Pittner Ergebnisse und Konzepte der traditionel- t fe jen Grammatik („Adverbial" als syntaktisches Primitivum, topologisches Feldermo- fa ,, dell, Valenztheorie), was jedoch bei konkurrierenden Terminologien verwirrend ist.

*ß · So bezeichnen „Grundposition" und „Position" einmal die abstrakte Position in der

?* hierarchischen Struktur und dann wieder eine konkrete (u. U* abgeleitete) Position in A der Linearstruktur.1 Auch bei den in generativer Grammatik, logischer Semantik

^ und Valenztheorie nicht deckungsgleich und auf unterschiedlichen Sprachbeschrei- tf bungsebenen verwendeten Konzepten „Adjunkt", „Argument", „Komplement"

ifr hätten definitorische Festlegung und eindeutiger Gebrauch gut getan. Auf Darstel- lungen, die eines erheblichen Insiderwissens bedürften, verzichtet die Verfasserin (? dankenswerterweise. Für die Ableitung der hierarchischen Strukturen wäre aller- em

1$ \ Deutlich zeigt sich das an Vermischung von hierarchischer und linearer Metaphorik

& in der folgenden Formulierung: „Während prozessbezogene Adverbiale stets nach der gf Satznegation auftreten und ihre Grundposition nach dem direkten Objekt haben, stehen

^; ereignisbezogene Adverbiale in der Regel vor den Objekten und haben ihre Grundposition it, obertialb aller Verbargumente/' (S. 198, Hervorhebung EB).

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dings mancherorts ein Baumgraph der verbalen Beschreibung vorzuziehen gewesen.

An einigen viel diskutierten Themen (Extraposition, Akzentpositionen, Scrambling) mutet sie dem Leser notgedrungen einen tiefen Griff in die Theorie zu und setzt dabei bisweilen auch die Kenntnis damit verbundener Konzepte voraus.2

3. Die Ergebnisse im Einzelnen

Der Forschungsüberblick resümiert vor allem die syntaktische Charakterisierung und strukturelle Verortung von Adverbialen in der generativen Grammatik von Choms- kys Aspects-Modell bis zum minimalistischen Programm und das dreigliedrige Adverbialsystem der Akademie^Grammatik; darüber hinaus werden allenfalls valenz- und kasusgrammatische Ansätze berücksichtigt, nicht aber z.B. kategorial- grammatische, lokalistische, unifikationsgrammatische (Renz 1993) oder gängige Gebrauchsgrammatiken des Deutschen.

In Kap. 2 werden nicht-sententiale Adverbiale funktional und kategorial charakte- risiert und zumachst bezüglich des Modifikationsbereichs differenziert (Satz-Adver- biale, V- oder VP-Adverbiale, pragmatische odor Sprechakt-Adverbiale, textkohä- renzstiftende Konjunktionaladverbiale). Die Abgrenzung gegen andere Funktionen und Kategorien-entzerrt einige vor allem in der generativen Grammatik verbreitete Ebenenvermischungen (Adverbial = PP; Adverb = intransitive P); die mögliche Funktionsüberlagerung von Prädikativen und Adverbialen (Das Konzert ist im\\

Schlossj morgenj ohne Eintritt! für dich. Humor ist, wenn man trotzdem lachf)\

übersieht die Verfasserin hier leider. Anschließend werden mit Verweis auf eine

„traditionelle Einteilung in semantische Gruppen" (S. 119) lokale, direktionale und!

temporale Adverbiale sowie Modal- und Satzadverbiale einzeln behandelt. Da einige!

semantische Klassen heterogen im Bezugsbereich sind und sich dieser für eine ganze!

Reihe von Eigenschaften als ausschlaggebend erweist, siellt sich die Frage, inwieweit l die Aufrechterhaltung der traditionellen Klassifizierung3 für die vorliegende Unter-f suchung überhaupt sinnvoll ist. Eine Kreuzklassifikation bzw. andere Hierarchisie·- fung4 wäre konsequenter gewesen und hätte eine übersichtlichere Integration der Ergebnisse ermöglicht. Auch die nicht propositionsmodifizierenden Sprechakt- Adverbiale könnten in die Systematik integriert werden, wenn als maximaler Bezugsbereich nicht die Satzproposition, sondern der Sprechakt angenommen wird.

Dass daneben auch Konjunktionaladverbien wie allerdings, schließlich ebenso wie manche Subjunktoren (weil, da, falls, obwohl) als Verknüpfer auf drei Ebenen

2 Man kann sicherlich geteilter Meinung darüber sein, inwieweit die bei Pittmer nicht eingeführten Konzepte „scrambling", „strukturelle Definition des Fokusexponenten",

„funktionale Projektionen", „basisgeneriert" und die nicht aufgelösten Abküiföungen

„IP", „CP" heute linguistisches Allgemeingut sind oder sein sollten.

3 Semantisch begründete Klassifikationen sind auch in der traditionellen Grammatik über einen Kernbereich hinaus keineswegs so einheitlich wie die Autorin uns suggeriert.

Aus semantischer Sicht ist die Klassifikation im Übrigen auch zu grobkörnig und unterschlägt adverbial kodierte Relationen wie additiv (außerdem), adversativ (wohinge- gen), komparativ (wie), proportional (Je., desto), restriktiv (insofern), negativ-restriktiv (es sei denn dass), substitutiv (anstatt (dass)\

4 In Zifomim/Hoffmann/Strecker et al. (1997) werden Adverbiale primär in „Verbgrup- penadverbialia" und „Satzadverbialia" aufgespalten.

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'4

Rezensionen 283

> fungieren können, der propositionalen, der epistemischen und der Sprechakt-Ebene 9 (vgL Sweetser 1990, Pasch 1997), berücksichtigt Pittner nicht, da sie Konjunktional-

^ adverbien als Satzadverbiale und diese als Propositionsmodifizierer einstuft.

Bei den eiuzelnen Adverbialtypen geht Pittner auf die je aktuelleii Diskussions- schwerpunkte ein, kann diese aber größtenteils der Fragestellung „Bedingungen des Auftretens" subsumieren. Bei den Lokaladverbialen interessiert vor allem die Argument-Adjunkt-Abgrenzung und die valenztheoretisch problematische Einord- nung von obligatorischen, aber rollensemantisch unspezifischen Adverbialen (Der

•i Unfall passierte gestern/ in Rom} wegen Glatteis. Er wohnt in Rom] fürstlich.) Da

* Pittner Obligatorik als weder hinreichendes noch notwendiges Kriterium für

& Argumentstatus ablehnt und Formkriterien für Adverbiale nicht greifen, bleibt der semantische Argumentstatus („in der semantischen Struktur des Verbs verankert

* und daher Argumente") einziges Valenzkriterium. Da sie diesen aber nicht über l' Jestverfahreii zu objektivieren versucht - die Valenzforschung hat dazu mit den diversen Auslagerungstests doch halbwegs brauchbare Instrumente entwickelt -, 1t £ind ihre Zuordnungen zwar allesamt intuitiv nachvollziehbar (und weitgehend in fr Einklang mit aktuellen Klassifikationen), aber eben auch nicht falsifizierbar. Für die i | Obligatorik von Lokaladverbialen erweist sich wieder ein pragmatischer Faktor als ü relevant: sie können wegfallen, wenn das Verb im gegebenen Kontext fokussierbar

ist. Solche Weglassbarkeitskontexte finden sich bereits bei Pasch (1977), wo unter ,Weglassbarkeit bei Kontrastierung" auch das hier wieder bemühte Beispiel Er tint nicht, er haust, angeführt wird. Die Möglichkeit, dass mangelnde Fokussier-

>arkeit eines Verbs wiederum lexikalisch-semantisch gesteuert ist, - etwa bei den ,absolut obligatorischen" Objektkomplementen sich beziehen auf etw., jdn. eheli- :hen -, zieht Pittner nicht in Betracht.

In der Beschreibung der Direktionaladverbiale lehnt sich Pittner großteils an Maienborn (1994) an. Neues bringt wieder der Abschnitt zu den in der Forschung Bislang vernachlässigten Adverbialkombinationen, in dem Pittner Annahmen von fer !p^!teinitz revidiert und mehrere Typen differenziert, die sich hinsichtlich der Kombi- air* „ ^nierbarkeit semantischer Klassen und der semantischen Relation zwischen den t ^einzelnen Adverbialen unterscheiden. Modifikative Adverbialkomplexe sind struk-

* · turell ambig: ob aber in einem Ausdruck wie oben im Schrank eher die Intonation zwischen Prä- und Postmodifikation disambiguiert - so Pittner -, oder die Reihenfolge ausschlaggebend ist - so Zifonun/Hoifmann/Strecker et al. (1997) -, müsste noch an umfangreicherem Beispielmaterial systematisch überprüft werden, Dass die Verfasserin ^äuch die semantisch vage Klasse Modaladverbial, die allenfalls die Erfragbarkeit mit wie eint, nach dem Bezugsbereich differenziert, ist begrüßenswert. „Adverbiale der Art und Weise" etwa, im Deutschen meist Adjektive, können agensorientiert (Er öffnet die Tür enthusiastisch) oder prozess- orientiert (Er öffnet die Tür langsam) sein und überdies zu bestimmten Verben (sich benehmen, riechen) als Komplemente treten. Die hierher rechnenden w/f-Phrasen kann die Verfasserin mit Hilfe der Substitution durch eine 0/we-Phrase überzeugend nach ihrem Valenzstatus klassifizieren: Argumente sind mfr-Phrasen zu reziproken Verben (mifjdm. verhandeln, kämpfen) und Ornativa (mit etw. füllen, beladen), keine Argumente sind komitative w/V-Phrasen. Bei den notorisch problematischen Instru- mentalen will sich Pittner nicht festlegen und räumt ihnen „eine Art Mittelstellung zwischen Ergänzungen und Angaben" ein (S. 99). Abgesehen davon, dass unklar ist, was „Mittelstellung" im Rahmen einer Theorie besagt, die Argumentstatus über Positionen in der Grundstruktur bestimmt, übersieht Pittner, dass für die instrumen-

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talen M//-Phra$en zu Verben wie sich auszeichnen, brillieren, jdn. überzeugen auch Argumentstatus nicht auszuschließen ist (vgl Breindl (im Druck)). Im Weiteren grenzt Pittner unter den Modal· und SatzadverbiaJen einige in der Literatur bisher wenig beachtete Typen ab: „Adverbiale der Subjekthaltung4* ((un)gernf ohne Zögern, absichtlich) spezifizieren nicht den Prozess, sondern eine Haltung des Subjektsrefe- renten dazu; „ereignisbezogene Adverbiale*4 beziehen sich nicht auf einen Prozess, sondern auf „eine Situation als Ganzes4* und unterscheiden sich positionell von den Adverbialen der Art und Weise (Mach schnell die Tür zu. vs. Mach die Tür schnell zu.).

Neu sind auch die „subjektorientierten Satzadverbiale44, die eine Bewertung des Subjektsreferenten durch den Sprecher hinsichtlich seiner Beteiligung an einer Situation zum Ausdruck bringen (Hans antwortete intelligenterweise nicht.).

Die Differenzierung der Bezugsbereiche wird nun relevant bei der Untersuchung von Stellung und Akzentuierung. Im Hintergrund steht die Annahme, dass es für Adverbiale eine bestimmte, eben durch den Bezugsbereich determinierte Grundab- folge gibt und andere Abfolgen davon abgeleitet, aber nicht basisgeneriert sind. Die Informationsstruktur wird als zweifach determiniert beschrieben: Die Fokus- Hin tergrund-Gliederung gliedert Sätze in wichtige, akzentuell markierte und weniger wichtige Information, die pragmatische Topik-Kommentar-Gliederung stellt den

„Satzgegenstand44 der Aussage über diesen gegenüber. Sätze mit fokussierten Topiks machen diese doppelte Charakterisierung nötig. Von der fokusbildenden Konsti- tuente kann unter bestimmten Bedingungen der Fokus „ausgebreitet44 werden. Als

„Fokus-Exponent-Position44 gilt die Stellung unmittelbar vor dem Vollverb in, Endpositicm. Im Satz Hans hat heute Maria besucht, kann von Maria der Fokus;

ausgebreitet werden, sodass der Satz auch auf die Fragen „Was hat Hans gemacht?44 j und „Was war los44 antworten kann, eine Fokusprqjeküon von Hans aus ist dagegen j nicht möglich. Interessant ist nun die Frage, ob Adjunkte wie Komplemente als!

Fokusexponenten auftreten können - dies wurde bisweilen pauschal bestritten - und j unter welchen Bedingungen. Pittner zeigt, dass der Faktor kategorialer Status zwar eine wichtige Rolle spielt, aber von pragmatischen Faktoren überlagert sein kann. So j kann bei „semantischer Verschweißung44 (B$p. la) auch ein Nicht-Argument den Fokus an sich ziehen, wenn in geläufigen Verbindungen das Verb quasi vorhersagbar ist.

(la) Hqst du das Kleid selbst gemacht? - Nein, ich habe es in Paris\ gekauft2. (lb) Hast du deinen Mantel verschenkt? - Nein,, ich habe ihn in Paris\ verlorenr Pittner greift damit Lötschers Idee von „einer Art komplexem Prädikat" (Lötscher 1985; 240) und Jacobs' Konzept der Integration verbadjazenter Konstituenten (Jacobs 1993) auf. Erwartungsgemäß können Adverbialkomplemente immer als Fokusexponenten auftreten, lokale Adjunkte nur unter der genannten Bedingung einer „stereotypen Verbindung44 mit dem Verb (weil er an der THEke trinkt: nur enger Fokus vs. weil er im RestauRANT isst: weiter Fokus). Für (lie einzelnen Adverbial- typen werden Grundpositionen im Mittelfeld nachgewiesen, die sich grosso modo dem Grundprizip, Adverbiale mit weiterem Bezugsbereich vor solchen mit engerem4

fügen. Das Adjazenzprinzip, das regelt, dass Komplemente entsprechend ihrer Abbindungsreihenfolge (in kategorialgrammatischer Notation) bzw. entsprechend ihrer VO-Nähe (m generativer Notation) von links nach rechts angeordnet sind, gilt also auch für Adverbiale. Es 'ergibt sich die Anordnung: Frameadverbiale >

Satzadverbiale > ereignisbetogene Adverbiale > ereigjaisinterne Averbiale >

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Rezensionen 285 prozessbezogene/objektbezogene Adverbiale > Direktionalaverbiale» Mit dieser Abfolge ist auch die Stellung der entsprechenden sententialen Adverbiale im Wesentlichen identisch.

Auf sententiale Adverbiale und Sprechakt-Adverbiale sei hier nur noch kurz eingegangen. In der notorisch problematischen Beschreibung von Satzadverbialen orientiert sich Pittner mit der Annahme verschiedener „Grade von Subordination", die sie gleichsetzt mit verschiedenen Graden syntaktischer Integration (ein termino- logisches Doppel?) an einem gängigen Prototypenkonzept, verortet aber die

^inzelnen Typen nicht als konkrete Positionen im Kontipuum zwischen Kern und Peripherie; hier hätte sich eine Merkmalmatrix angeboten. Ihren Anspruch, herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen ein Sprecher aus der Menge möglicher sprachlicher Mittel zum Ausdruck einer spezifischen semantischen Relation gerade dinen bestimmten Adverbialsatz wählt, löst die Verfasserin nicht vollständig ein;

dazu hätten ebendiese anderen Mittel auf ihre informationsstrukturellen und topologischen Eigenschaften hin untersucht und Konversenbeziehungen wie kausal konsekutiv berücksichtigt werden müssen. So bleiben die Ergebnisse für die einzelnen Adverbialsatztypen doch ein wenig punktuell. Die Frage nach syntaktisch- semantischen Korrelationen, die hier gar nicht gestellt wird, nämlich welche semantischen Relationeti werden nur/überwiegend/nie mit dem Mittel realisiert, laätte womöglich einen breiteren und zugleich tieferen Einblick in das Funktionieren

Ler Syntax-Semantik-Schnittstelle versprochen. In der Beschreibung der Sprechakt- j^dverbiale (wenn du mich brauchst, ich bin im Garten), deren syntaktische und opologische Eigenschaften erst in jüngster Zeit, fürs Deutsche vor allem im Zusammenhang mit wei/-Verbzweit, in den Blick geraten sind, folgt Pittner mit der imahme unterschiedlicher Argumenttypen zu konstanten Konnektorenbedeutun- en weitgehend Sweetsers (1990) Theorie der drei Verknüpfungsebenen, lehnt llerdings deren Idee einer mit dem Ebenenwechsel verbundenen Metaphorisierung er Konnektorbedeutung ab. Das ist plausibel und allemal ökonomischer.

4 4. Fazit

Insgesamt gelingt es Pittner, gestützt auf eine breite Forschungsbasis, mit iiiren

sj i>aten und ihrer Argumentation die eingangs gestellten zentralen Fragen zu

£. , beantworten. Mit einer Fülle von Einzelergebnissen kann sie überdies eine empiri-

t s "sehe Lücke fürs Peutscfife schließen und insbesondere im Zusammenhang mit , Stellungs- und Fokussierungseigenschaften von Adverbialen bringt ihre Arbeit neue tfc Ergebnisse. Die Arbeit ist gut lesbar, für die Datengrundlage sind Belege und W? konstruierte Beispiele abwechselnd und zweckger^cht eingesetzt, zweifelhafte Fälle e* werden von der Autorin selbst offengelegt Dass manches Ergebnis für die op? Fragestellung weniger pertinent erscheint, dass andererseits Manches etwas verein- te?, facht dargestellt wird, ist ebenso wie einige Flüchtigkeitsfehler angesichts der

& gestellten Aufgabe verzeihlich. Der Nutzen der Arbeit liegt zum einen in ihrem itfl Charakter als Kompilation und Überblick, - keine kleine Leistung. Darüber hinaus

& . aber ist sie auch methodisch wegweisend und der Erkenntnisgewinn nicht nur auf den jiitf Rahmen der generativen Grammatik beschränkt: der Weg, die pragmatische

$$ Bedingtheit syntaktischer Eigenschaften, die Pragmatik hinter der Syntax aufzu-

;ij decken, dürfte sich lohnen und sollte unbedingt weiter verfolgt werden.

»Jra

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5. Literatur

Bierwisch, Manfred (1988): On the grammar of local prepositions. In: Bierwisch, Manfred/Motsch, Wolfgang/Zimmermann, Use (Hgg.): Syntax, Semantik und Lexi- kon. Berlin: Akademie-Verlag [studia grammatica XXIX], l -65.

Breindl, Eva (im Druck): Präpositionalphrasen. In: Ägel, Vilmos et al. (Hgg.): Valenz und Dependenz. Valency and Dependency. Ein internationales Handbuch. Berlin, New York: de Gruyter.

Heidolph, Karl-Erich et al. (1981): Grundzüge einer deutschen Grammatik. Berlin:

Akademie Verlag.

Jacobs, Joachim (1993): Integration. In: Reis, Marga (Hg.): Wortstellung und Informa- tionsstruktur. Tübingen: Niemeyer, 63-116.

Lötscher, Andreas (1985): Akzentuierung und Thematisierbarkeit von Angaben. In:

Linguistische Berichte 97, 228-251.

Maienborn, Claudia (1994): Kompakte Strukturen: Direktionale Präpositionalphräsen und nicht-lokale Verben. In: Felix, Sascha/Habel, Christopher/Rickheit, Gert (Hgg.):

Kognitive Linguistik. Repräsentation und Prozesse. Opladen: Westdeutscher Verlag, 229-249.

Pasch, Renate (1977): Zum Status der Valenz. In: Linguistische Studien A 42, 1-50.

Pasch, Renate (1997): Weil mit Hauptsatz-Kuckucksei im rfewz-Nest. In: Deutsche Sprache 25, 3, 75-85.

Renz, Ingrid (1993): Adverbiale im Deutschen. Ein Vorschlag zu ihrer Klassifikation und unifikatiousbasierten Repräsentation. Tübingen: Niemeyer,

SteinitZa iRenate (1969): Adverbialsyntax. Berlin; Akademie Verlag.

Sweetser, Eve E. (1990): From Etymology to Pragmatics. Metaphorical and Cultural)]

Aspects of Semantic Structure. Cambridge: Cambridge University Press.

Zifonun, Gisela/Hoffmaiin, Ludger/Streckef, Bruno et al. (1997): Grammatik de deutschen Sprache. Berlin, New York: de Gruyter.

Eva Breindl, Institut für deutsche Sprache, R 5, 6-13, 68161 Mannheim

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Stefan Müller: Deutsche Syntax deklarativ. Head-Driven Phrase Structure Grammar für das Deutsche. Tübingen: Niemeyer 1999.

Lutz Gunkel

Die Monographie von Stefan Müller ist ein stattliches Buch von 486 Seiten, das sich

* zum Ziel setzt „eine umfassende und detaillierte Beschreibung eines Grammatikfrag- ments für das Deutsche" (ix) zu liefern und zudem beansprucht, auch als

„Einführung in die Theorie der Head-Driven Phrase Structure Grammar verwend- bar" (ix) zu sein.

Dieses anspruchsvolle Programm versucht Müller in nicht weniger als 21 Kapiteln umzusetzen: Während sich die ersten 7 Kapitel den theoretischen Grundlagen widmen, lassen sich im Hauptteil zwei thematische Schwerpunkte ausmachen: Zum

; einen Linearisierungsphänomene im weitesten Sinne (8. „Ein topologisches Modell 4 des deutschen Satzes", 9. „Nichtlokale Abhängigkeiten", 11. „Konstituentenreihen- folge", 12. „Extraktionins Mittelfeld**, 13. „Extraposition", 18. „Voranstellung von eilprojektionen", 19. „Abtrennbare Präfixe", 21. „Diskontinuierliche Konstituen-

&n") und zum anderen die klassische Verbsyntax (14. „Der Verbalkomplex", 15.

.Kasuszuweisung und Passiv", 16. „Kongruenz", 17. „Infinite Konstruktionen").

)arüber hinaus gibt es ein Kapitel zu Relativsätzen (Kap. 10) und zu Bindungsphä- omenen (Kap. 20). Neben den „Schlußbemerkungen" (Kap. 22) wird das Buch urch Verzeichnisse zu den verwendeten Schemata und Prinzipien, ein Abkürzungs- nd Literaturverzeichnis und einen Index abgerundet.

Als Einführung in die HPSG ist diese Monographie kaum geeignet. Kap. l i||>3Syntaktische Merkmale und Kategorien", S. 1-13), das die formalen und ijieoretischen Grundlagen präsentieren soll, beschränkt sich weitgehend darauf,

* Ausgewählte Merkmale, Merkmalsstrukturen und Prinzipien vorzustellen. Während

* «Typen nur beiläufig erwähnt (S. 5) und erst in Kap. 7 („Lexikalische Regeln und

* Morphologie", S. 63-82) eingeführt werden, werden andere Konzepte (Strukturtei- lunglstructure sharing, Unifikation, Relation/Funktion, Lexikoneintrag) überhaupt nicht erklärt. Da Müller nicht zwischen Merkmalsstrukturen und deren Beschrei-

* bungen unterscheidet, bleibt unklar, welchen Begriff von Unterspezifikation er verwendet: Sind die objektsprachlichen Gegenstände unterspezifiziert (cf. Pol- lard/Sag 1987)oder deren Beschreibungen (cf. Pollard/Sag 1994)? In, Kap. 14 heißt es , dazu in einer Fußnote:

„In neueren Arbeiten zur HPSG wird davon ausgegangen, daß linguistische Objekte mittels Merkmalstrukturen modelliert werden, die total sind. Das heißt, alle Eigenschaften, die ein Objekt hat, sind in diesen Strukturen vollständig spezifiziert. Der Linguist arbeitet mit Beschreibungen dieser Strukturen, die natürlich unterspezifiziert sind." (S. 268, Fn. 19).

» Irreführend ist hier die Redeweise von ^neueren Arbeiten4, denn die fragliche Auffassung findet sich bereits in Pollard/Sag (1994: Kap. 1).

Nicht immer hilfreich sind auch die Literaturhinweise, die schematisch jedes Kapitel abschließen, aber schon deshalb Lücken aufweisen, weil Literatur im

Zeitschrift für Sprachwisseoschaft 20,2 (2001), 287-292

© Vandenhoeck & Ruprecht, 2001 ISSN 0721-9067

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Rahmen anderer grammatischer Ansätze fast völlig ausgeblendet wird: So zitiert MüHer im Anschluss an Kap. 6 („Die Semantik innerhalb der HPSG", S, 24-37) Werke von Stanislaw Lern und Daniel Galouye und plaudert dann noch etwas über 'die Realität', die man anerkennen müsse, um Semantik betreiben zu können (S, 36f.). Hinweise auf Semantikeinführungen (z.B. Chierchia/McConnell-Ginet 1990) sucht man dagegen vergeblich; Barwise/Perry (1983) wird mit dem Untertitel der deutschen Übersetzung zitiert, und obwohl Müller thematische Rollen einführt, findet sich kein Hinweis auf entsprechende HPSG-Arbeiten (z.B. Wechsler 1995, Davis 1997).

Abgesehen davon dürften einem Nicht-HPSG-Experten die inhaltlich relevanten Kapitel 9-22 selbst bei erfolgreicher Durcharbeitung der 'Grundlagenkapitel' kaum zugänglich sein: Um die z.T, technisch aufwendigen HPSG-Analysen verstehen zu können, muss der Leser bereits wesentlich umfangreichere Detailkenntnisse mitbrin- gen, als in den ersten 7 Kapiteln vermittelt werden.

Extraktions- und Extrapositionsphänomene gehören zum Kernbereich der mo- dernen Syntaxforschung und sind insbesondere im Rahmen der Rektions- und Bindungstheorie immer wieder diskutiert worden (cf. u.a. Lutz/Pafel (eds.) 1995).

Müller widmet sich diesem Thema in den Kapiteln 9, 12 und 13, wobei er ausschließlich Analysevarianten im Rahmen der HPSG exploriert und Vorschläge anderer grammatiktheoretischer Ansätze unberücksichtigt lässt.

Ein Teilbereich der Extraktionsphänomene (Wh-Bewegung, Topikalisierung) wird in Kap. 9 („Nichtlokale Abhängigkeiten", S. 90-116) behandelt. Müller argumen- tiert in diesem Zusammenhang dafür, Extraktionsphänomene mithilfe eines sog. j 'unären Dominanzschemas' zu erfassen und somit auf die Einführung von Spuren oder speziellen lexikalischen Regeln zu verzichten (S. 107). Extraktion aus Nominal-1 phrasen wird dagegen erst in Kap. 12 („Extraktion ins Mittelfeld", S. 186~204)|

behandelt.

Leider geht Müller nicht auf die Frage ein, ob irgendein sachlicher Zusammenhang \ zwischen den in Kap. 9 und 11 diskutierten Extraktionsphänomenen besteht. Seine !

Analyse für Extraktionen aus NPs ist technisch aufwendig und macht von sog.

4Slash-Einbettungsschemata' sowie dem Konzept der Wortstellungsdomänen (cf.

Reape 1994) Gebrauch (S. 192ff.), das er bereits in Kap, 11 („Ko$stituentenreihen~

folge", S. 160-185) zur Beschreibung von Scrambling-Phänomenen herangezogen hat. Da Wortstellungsdomänen auch für die von ihm favorisierte Extrapositionsana- lyse in Kap. 13 („Extraposition", S. 205-252) entscheidend sind (S. 244£), ist es schwer begreiflich, weshalb er dieses Konzept nur am Rande einführt, statt es in den Einleitungskapiteln ausführlicher «darzustellen.

Kap. 15 („Kasuszuweisimg und Passiv", S. 270-321), eines der umfangreichstem Kapitel, widmet sich dem Passiv und der damit einhergehenden Kasusalternation.

Müller betrachtet nur den Nominativ und den Akkusativ, nicht aber den Dativ als strukturellen Kasus (S. 270f.)· Dass auch der Dativ oft als struktureller Kasus behandelt wird (cf. - mit Unterschieden im Detail - Czeplüch 1988: 286f., von- Stechow 1990:145, Wegener 1991, Wunderlich 1997: 48, 51), bleibt merkwürdiger- weise unerwähnt.

Das Konzept des strukturellen Kasus wird in der HPSG dadurch umgesetzt, dass bestimmte Valenzstellen unterspezifiziert werden und alternativ Nominativ oder Akkusativ fordern. Ein syntaktisches 'Kasusprinzip' stellt dann sicher, dass keine unterspezifizierte Stelle durch ein Komplement mit dem 'falschen' Kasus gefüllt wird (cf. Heinz/Matiasek 1994). Müllers Version des Kasusprinzips kann für sich

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Rezensionen 289 beanspruchen, auch Kongruenzkasus und den Komplementkasus attributiver Partizipien als strukturelle Kasus behandeln zu können (S. 278ff.). Allerdings besteht das von ihm vorgeschlagene Kasusprinzip aus nicht weniger als fünf Implikationen und das Kasusmerkmal GASE wird durch eine komplexe Merkmalsstruktur ersetzt, die wiederum drei verschiedene kasusrelevante Merkmale, nämlich CASE-TYPE, SYN-CASE und MORPH-CASE beinhaltet, deren Werte dann ihrerseits von unterschied- lichem Typ sind. Es stellt sich daher die Frage, welchen Erklärungswert dieser Ansatz überhaupt für sich beanspruchen kann.

Die wesentliche Motivation für das Konzept des strukturellen Kasus stellen Kasusalternationsphänonaene dar, wie sie vornehmlich beim Passiv und in Acl- Konstruktionen auftreten. Dadurch lässt sich für die Bildung von Passiv- und Perfekt- formen von einem einzigen Partizip ausgehen, falls man beide kompositionell be- schreibt und nicht, wie traditionell üblich, als analytische Verbformen auffasst (cf.

z,B. Eisenberg 1994: Kap. 4). Müllers Passivanalyse (288fF.) basiert auf dem Ansatz in Pollard (1994). Das ist insofern erstaunlich, als Pollard selbst in einer Fußnote die Inadäquatheit seines Vorschlags einräumt (cf. Pollard 1994: 273, Fn. 2). Nach Pol- lards Vorschlag wären im Deutschen alle Verben passivierbar, die ein referentielles

$ubjekt haben und nicht ergativ sind, was angesichts von Thema-Verben* wie ge-

\ fallen, die ein referentielles Subjekt haben, nicht ergativ sind aber trotzdem nicht pa$- siviert werden können, falsch ist. Pollard versucht sich dann noch dadurch aus der Affäre zu ziehen, dass er den 'nominativen Komplementen' dieser Verben ihren Sub- sktstatus absprechen will, aber das braucht man nicht weiter ernst zu nehmen. Für /lüller käme diese Strategie ohnehin nicht in Frage, da sr unter Subjekten explizit alle tominativen Komplemente verstanden wissen will, die keine Prädikative sind (S. 11).

Problematisch ist auch die Analyse des bekommen-P&ssivs (S. 297ff.). Da der Dativ Lach Müller nicht strukturell ist, kann er auch nicht alternieren. Müller folgt auch ier Heinz/Matiasek (1994), die sich ihrerseits auf Haider (1985) stützen, und . nalysiert bekommen als eine Art Kontrollverb: Der referentielle Index des Subjekts yon bekommen wird im Lexikoneintrag mit dem des Dativobjekts identifiziert, das

* Vom eingebetteten Verb regiert wird. Ein solches Verb wäre aber ein singuläres

* Phänomen, da normalerweise Verben, die ein referentielles Subjekt Seiegieren, auch

* in einer thematischen Beziehung zu diesem stehen, was aber im Fall des Auxiliarverbs bekommen nicht der Fall ist (cf. Reis 1985).

Müllers Behandlung der agentivischen v<w-Phrasen kann ebenfalls nicht überzeu- , gen (S. 288,291, 298). Gejit man von einer einzigen partizipialen Form für Perfekt

* und Passiv aus, so ist prima facie nicht zu sehen, wie die -Phrase Komplement des

^artizips sein kann. Statt konsequenterweise die vo/i-Phrase als Adjunkt zu behandeln, wie es immer wieder vorgeschlagen wird (cf. Höhle 1978: 161, von Stechow 1990:174, Wunderlich 1993: 740, Lieb 1992:181), betrachtet Müller sie als ein Komplement des jeweiligen Hilfsverbs, Dass dieser Vorschlag nicht adäquat ist, sieht man daran, dass vöw-Phrasen problemlos an Partizipien in Attributiv- und ' Partizipialkonstruktionen geknüpft werden können, ohne dass es dazu eines

Hilfsverbs bedarf (cf. 1):

(1) a. die von allen bewunderte Linguistin

b. von allen bewundert hielt sie einen weiteren Vortrag

Müller beruft sich häufig auf Annahmen im Stil von „Normalerweise wird angenommen [...]" (S. 217), ohne zu sagen, wer sich hinter diesen Annahmen

(11)

verbirgt (cf. auch S. 90, 110, 333). Auch umgekehrt kritisiert er Vorschläge, ohne deren Vertreter beim Namen zu nennen (S. 95, 101). Bedenklich werden solche Argumentationstnuster dann, wenn Müller Koordinationsdaten ins Spiel bringt (S. 255, 324, 406) und sich auf eine „Standard-Koordinationstheorie*' (S. 406;

bezieht, die es auch seiner eigenen Ansicht nach gar nicht gibt. So schreibt er mit Bezug auf das aus Hoberg (1981: 36) entnommene Beispiel [14.6]:

[14.6] Ich liebte ihn, und ich fühlte, daß er mich auch geliebt hat oder doch, daß er mich hätte lieben wollen oder lieben müssen.

„Würde man [...] eine völlig flache Struktur annehmen, in der alle Verben gleichzeitig miteinander und mit ihren Komplementen kombiniert werden, so wäre die Koordination in (14.6) nicht mehr als symmetrische Koordination zu erklären." (S. 255),

fügt dann aber eine Fußnote hinzu, die diese Aussage wieder zurücknimmt:

„Es existiert zur Zeit keine umfassende Analyse für Koordinationsphänomene. Es ist also nicht völlig auszuschließen, daß (14.6) auch mit einer flachen Struktur zu erklären ist. Mit einem strukturierten Verbalkomplex ist (14.6) jedoch unproble- matisch." (S. 255, Fn. 5)

Müller bezieht sich hier offenbar auf den letzten dass-Satz in [14.6]. Bei der von ihm favorisierten Analyse können die Verbalkomplexe lieben wollen und lieben müssen zunächst koordiniert und anschließend mit hätte verknüpft werden (cf. 2 a). Da bei ] einer 'flachen Struktur' keine Verbalkomplexe gebildet werden, scheint prima facie j nur eine Struktur wie in (2b) möglich:

(2) a. dass er mich [v hätte [v [ lieben Wollen] [v oder [v lieben müssen]]]]

b. dass [Vp er mich hätte lieben wollen oder lieben müssen]

Leider geht Müller nicht näher darauf ein, weshalb eine Koordinationsanalyse bei Annahme von Verbalkomplexen unproblematisch (oder bei einer flachen Struktur problematisch) sein soll, da er an keiner Stelle irgendeine Koordinationsanalyse durchführt oder einen Verweis auf eiüschlägige Literatur gibt. (Offen bleibt daher auch, ob man die Konjunktion wie in (2 a) tatsächlich dem zweiten Konjunkt zuschlagen sollte.) Darüber hinaus zeigen Daten wie (3 a), dass Müllers Behauptung empirisch nicht haltbar ist. Geht man hier von symmetrischer Koordination aus, müssten den Rasen mähen und das Dach decken als VPs koordiniert werden (cf. 3 b), was mit einer Verbälkomplexanalyse unvereinbar ist.

(3) a. da er den Rasen mähen und das Dach decken wollte

b. da er [VP [VP den Rasen mähen] [VP und [VP das Dach decken]]] Wollte Problematisch ist auch Müllers Umgang mit der von ihm zitierten Literatur: So unterstellt er Eiseaberg (1994: 288) die Ansicht (die er dann prompt widerlegt), dass das, es und wer in Konstruktionen wie (4) Pluralformen seien (S. 274).

(4) a. Wer *ist/sind diese Leute?

b. Karl hat zwei Hun4e, es sind Bernhardiner.

c. Wer ist/sind das?

d. Das sind schwere Zeiten.

(12)

Rezensionen 291 Eiseaberg behauptet nichts dergleichen. An der zitierten Textstelle heißt es vielmehr, dass wer und was nicht numerusmarkiert seien und man sich mit diesen Formen ebenso wie mit das und es auf pluralisch benennbare Bntitäten beziehen kann.

Ebenso wenig findet sich in Fanselow (1987: 74,153) eine Analyse, die mit der Forderung „[...] daß die Nominalphrase, aus der extrahiert wird, ein Teil des Prädikatskomplexes ist, und daß nur unter Adjazens [sie!] Extraktion möglich ist/' (S. 187, sowie S. 187 Fn. 5) auch nur annähernd etwas zu tun hat.

Die Monographie von Stefan Müller bietet eine Fülle von HPSG-Analysen zu Problemen der deutschen Syntax und dürfte in erster Linie für Grammatiker geeignet sein, die profunde HPSG-Kenntnisse mitbringen und vor allem an technischen Detailfragen interessiert sind. So interessant die vorgeschlagenen Analysen auch sein tnögen, so wenig können sie über die teilweise mangelhafte Darstellungs- und Argumentationsweise hinwegtäuschen. Der Text ist wenig stringent, enthält Wieder- holungen und ist unklar strukturiert. Hinzu kommen stilistische Mängel, die anfangs zwar komisch, auf die Dauer aber eher anstrengend wirken.

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Lutz Gunkel, Institut für Deutsche Sprache, R5, 6-13, 68161 Mannheim

(14)

Martina Mangasser-Wahl (Hg.): Prototypentheorie in der Linguistik. Anwen- dungsbeispiele - Methodenreflexion - Perspektiven. Tübingen: Stauffenburg 2000.

Bernd Kortmann

j^_ Dieser acht Beiträge umfassende Band ist aus einer von der Herausgeberin organisierten Arbeitsgruppe bei der DGfS-Jahrestagung 1997 in Düsseldorf hervor-

^ gegangen. „Das Lexikon" lautete das Rahmenthema dieser Jahrestagung, war ursprünglich auch Bestandteil des AG-Titels und erklärt, warum sechs der acht m \ Beiträge das Wort in den Mittelpunkt stellen, genauer den Bereichen Semantik, BJ lf Wortbildung und Lexikographie zuzuordnen sind. Daneben ist noch die Textlingu- u istik vertreten, Beiträge beispielsweise zur Phonologic oder Syntax aber werden l* interessierte Leser vergeblich suchen.

Das zentrale Anliegen des Bandes skizziert die Herausgeberin gleich zu Beginn ihrer sehr informativen, da perspektivierenden Einleitung: Es soll über den Status

|md den Stellenwert der Prototypentheorie (PT) ein Vierteljahrhundert nach Publizie- ung der ersten relevanten Arbeiten von Eleanor Rösch und Koautoren reflektiert wer- en. Dies schließt ein Reflexionen über die Prototypentheorie an sich, ihre Methodik ind ihren Nutzen in der Anwendung auf verschiedenste linguistische Fragestellun- en in der Semantik und darüber hinaus. Zur Zielsetzu£g des Bandes gehört weiterhin, dass diese Reflexionen aus speziell kontinentaleuropäiseher Perspektive inter besonderer Berücksichtigung osteuropäischer Linguistikschulen (hier genauer

er Prager Schule und der Moskauer Semantikschule) angestellt werden sollen.

a«. Zum Auftakt schafft die Herausgeberin in ihrem verdienstvollen Beitrag Roschs

| yPrototypentheorie - Eine Entwicklung in drei Phasen eine solide Diskussionsgrundla- j* Ige nicht nur für den Band, sondern auch für jedes Pro-, Haupt- oder Oberseminar zu

diesem Themenbereich. Aufgrund eines intensiven Studiums der Arbeiten von Rösch

| jund Koautoren in den 70er und 80er Jahren zeichnet Frau Mangasser-Wahl sehr

;· schön (und zudem kompakt) die verschiedenen Phasen der Prototypentheorie If Eleanor Roschs nach, inklusive des wechselnden Erkenntnisinteresses und der wichtigsten Kennzeichen der einzelnen Phasen. Phase l (1971-73) ist geprägt von

! Roschs Interesse an universalen Kategorisierungsphänomenen; dazu gehören in Anlehnung an Berlin/Kay's Arbeiten Untersuchungen zur kqgnitiven Relevanz von [ Fokalfarben u.a. bei Kleinkindern und Mitgliedern von Sprachgemeinschaften, die sehr unterschiedlichen Kulturkreisen angehören. Phase 2 (1973/74-75/76) ist die Phase der „klassischen" PT, wie sie auch am nachhaltigsten Einzug in die Linguistik gehalten hat. Hier weitet Rösch ihr (ursprünglich rein auf perzeptuelle Kategorien bezogenes) Konzept des „natürlichen Prototyps*4 auf semantische Kategorien wie OBST' oder 'KRANKHEIT aus. In diese Phase fallen u.a. auch die zentralen Aussagen zur internen Kategorienstruktur (Kern-Peripherie-Struktur von Katego- rien mit dem/den Prototypen) im Zentrum), zur Korrelation von Prototypikalität, Familienähnlichkeit und cue validity und zu den verschiedenen Kategorisierungsebe- nen (mit der Basisebene als der kognitiv privilegierten). Zuwenig beachtet, von Mangasser-Wahl aber zurecht und überzeugend herausgearbeitet, wird immer noch

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 20 2 (2001), 293-297

© Vandenhoeck & Ruprecht, 2001

( ISSN 0721-9067

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die von Rösch in dieser Phase (allerdings nicht systematisch) getroffene Unterschei- dung von Eigenschaften (attributes) und Merkmalen (features). Eigenschaften, so der Vorschlag Mangasser-Wahls, sind untereinander gewichtet und in sich gradiert, während Merkmale untereinander äquivalent und nicht relationiert sind. Abhängig von der zu beschreibenden Kategorie, so auch Rösch, können beide Merkmalstypen oder auch nur einer von beiden relevant sein. Charakteristisch für Phase 3 (l 978-88) der Arbeiten von Rösch ist einerseits die Untersuchung kognitiver Prozesse im Rahmen der menschlichen Kategorisierung und damit verbunden die Rückkehr zur Frage, welche Prinzipien der Kategorisierung universal und welche kulturabhängig sind (kulturabhängig z.B. sei nur die Festlegung von Kategoriengrenzen). Anderer- seits setzt sich Rösch in verschiedenen Publikationen kritisch (teilweise, so Mangas- ser-Wahl, auch zu selbstkritisch) mit ihren Arbeiten und deren kritischer Rezeption seit den frühen 70er Jahren auseinander, was in der Rücknahme oder zumindest Abschwächung verschiedener ihrer früheren Thesen resultierte. Mit Rösch warnt Mangasser-Wahl abschließend vor einer, wie bereits verschiedentlich geschehen, vorschnellen Eingliederung der PT in andere Bedeutungs- und Kategorienmodelle und ihre Vermischung mit ihnen.

Im einzigen weiteren Beitrag zu diesem Band von grundsätzlicher, genereller Natur durchleuchtet Hans-Jörg Schinid kritisch die Methodik der Prototypentheorie und verbindet auch als einziger beide Aspekte der PT miteinander, nämlich die Theorie der Prototypen mit der der Kategorien auf der Basisebene (basic level categories). Schmid identifiziert zunächst die drei zentralen Facetten der „klassi- schen" PT, nämlich Prototypikalität (d.h. kognitive Kategorien haben besonders gute, hervorstechende Vertreter, eben die sog. Prototypen), Typikalität (d.h. es gibt eine Abstufung unter den Mitgliedern einer kognitiven Kategorie hinsichtlich des Grades an RQpräsentativität, also eine Kern-Penpherie-Struktur) und Unscharfe (d. h. die Grenzen 'benachbarter' Kategorien sind unscharf, die Übergänge fließend).

In dem Beitrag wird nun untersucht, mit welchen Methoden diese drei Facetten der PT empirisch zu belegen sind. An experimentellen Methoden diskutiert Schmid goodness-of-example Urteile (wie in der klassischen Studie von Berlin/Kay 1969 zu Farbadjektiven), kognitionspsychologische Experimente (u.a. im Hinblick auf Kurz- und Langzeitgedächtnis und Aufgierksamkeitslenkung), Attributenauflistun·*

gen und Benennungsaufgaben (z.B. Labovs berühmtes Tassenexperiment zum Nachweis der Unscharfe von Kategoriengrenzen). Daneben werden zwei Typen von (nicht-experimentellen) linguistischen Methoden beleuchtet: Kontextanalysen lind Bild-Bezeichnungs-Vergleiche. Zu den Befunden Schmids gehört 2.B., dass mit Hilfe von goodne$s-of-example Urteilen nur Typikalität gut nachweisbar ist, nicht aber Prototypikalität, während genau das Umgekehrte für die verschiedenen von Rösch durchgeführten kognitionspsychologischen Experimente gilt. Die interessantesten und sicher kontroversesten Aussagen in diesem Beitrag sind diejenigen zur begrenz- ten Anwendbarkeit der Roschschen Konzepte von Prototypikalität und Familien- ähnlichkeit, und zwar in Abhängigkeit vom Abstraktionsgrad der Kategorie. So sei die Bestimmung von Prototypen am stärksten bei Kategorien auf der Basisebene gegeben^ kaum, bei einzelnen Kategorien möglicherweise sogar gar nicht, auf der unter- wie auf der übergeordneten Ebene. Für die Erhellung der internen Katego- rienstruktur auf der übergeordneten Ebene z.B. sei zwar das Prinzip der Familien- ähnlichkeit von großer Wichtigkeit, Schmid fragt aber zurecht, ob es angesichts der starken intrakategorialen Unterschiede auf dieser Ebene noch sinnvoll ist anzuneh- men, dass Prototypen eine Rolle bei der Kategorienverarbeitung spielen.

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*l!

Rezensionen 295 Alle weiteren Beiträge verfolgen spezifischere Ziele als die beiden oben vorgestell- ten und demonstrieren zumeist Einsatzmöglichkeiten der PT und ihrer Methodik bei der Untersuchung ganz unterschiedlicher sprachlicher Phänomene. Interessant sind in diesem Zusammenhang besonders die beiden folgenden interdisziplinären Beiträ- ge, in denen die Anwendung der PT und ihrer Methodik in der Linguistik aus der Perspektive der Neurobiologie und der (Neuro-)Psychologie betrachtet wird. Im allgemeinen Teil ihres Beitrags Prototypen und Kategorisierung aus neurobiologischer Sicht stellen Horst M. Müller und Sabine Weiss zunächst klar, dass die Existenz von sprachlichen Prototypen aus Sicht der Biologie naheliegt, da Kategorisierung im Allgemeinen und Prototypenbildung im Besonderen stark zur Verringerung des . kognitiven Verarbeitungsaufwands beitragen und im Verlauf der Evolution als spezifische Ausprägungen der menschlichen Fähigkeit zur Selektion aus einer yielzahl von Reizen fortwährend optimiert wurden. Die vielen Lebewesen eigene Fähigkeit zu kategorisieren, hat ihren Ursprung in der Physiologie der Wahrneh- ' mung, sogenannten neuronalen Merkmalsdetektoren und den Filtereigenschaften der Sinnesorgane. Auch die Kategorisierungsprozesse in der menschlichen Kogni-

e tion (inklusive der sprachlichen Kategorisierung als komplexester Kognitionsleis- j| tung) sind von den neuronalen Vorgängen nicht zu trennen. Dies führt Müller und L Weiss zu der faszinierenden Frage, ob sprachwissenschaftliche Kategorien (z.B.

-grammatische Kategorien wie die Wortarten) auf real existierende kognitive Kategorien der menschlichen Kognition zurückfiihrbar sind. Wenn ja, dann müsste [* nan aus neuropsychologiseher Sicht anhand der Hirnaktivität und Kooperation verschiedener Hirnbereiche nachweisbare physiologische Prozesse identifizieren tonnen, die den sprachwissenschaftlichen Kategorien zugrunde liegen. Tatsächlich gelingt den beiden Autoren dieser Nachweis im Bereich der Substantive: in zwei lektrophysiologischen Studien stellen sie signifikante Unterschiede bei der Verarbei- tung von (a) Konkreta und Abstrakta und (b) Eigennamen und Gattungsbezeich-

|? rangen (Nomina propria vs. appellativa) fest, haben also selbst bei vorsichtiger tof ^interpretation der Ergebnisse ihrer Experimente handfeste Indizien dafür gesam- ti1 i^melt, dass diese sprachwissenschaftlichen Kategorien ihren Ursprung durchaus in l* 1t ?neurophysiologisch repräsentierten Kategorien der Kognition haben könnten.

i« J£ Gisela Harras und Joachim Grabowski hinterfragen aus Sicht der Linguistik und c [ der Psychologie die Methodik in Studien zur Polysemie im Rahmen der Prototypen-

^ : Semantik. Worum konkret es geht, wird weitgehend bereits aus dem Titel ersichtlich:

, · Zur Polysemie lokaler Präpositionen: Die Fragwürdigkeit von kategorialen Akzep- Üfcf tanzurteilen als Grundlage für bedeutungsbeschreibende Prototypstrukturen. Die in ifcl diesem Beitrag entweder referierten oder (im zweiten Teil) selbst angestellten bi; Untersuchungen beziehen sich auf die Präpositionen in (ndl. in, frz. dans), vor, hinter, t£ rechts (von) und links (von). Dabei steht die Aufdeckung grundlegender metbodi- ssr scher Probleme bei der semantischen Beschreibung dieser Präpositionen im Vorder- fc'' jgrund. Insgesamt hat dieser Beitrag also primär einen zur Vorsicht mahnenden 0«r Charakter (adressiert wohl in erster Linie an die Gemeinde der kognitiven

$ * Linguisten), wenn die Autoren für eine strikte Unterscheidung zwischen Eigenschaf- [<rf ten sprachverwendender kognitiver Systeme (sprich Individuen) und semantischen

#· Eigenschaften sprachlicher Ausdrücke plädieren und damit (hinsichtlich Methode j? und letztlich auch Theorie) für die Notwendigkeit einer Arbeitsteilung zwischen

$ kognitiver Psychologie und linguistischer Semantik.

et- Barbara Sandig stellt Text als prototypisches Konzept vor und versucht, die PT für eine (weitere) Antwort auf die ewige Frage „Was ist (ein) Text?" fruchtbar zu

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machen. Im Anschluss an eine eingehende Sichtung dessen, was in früheren Publikationen an zentralen Merkmalen von (monologischen Schrift-) Texten genannt wurde, und eine detaillierte Diskussion der Musterbezogen hei l als eines besonders komplexen zentralen Textmerkmals, kommt Sandig zu den folgenden Schlüssen. Die Kategorie 'TEXT* weist eine heterogene interne Struktur im Sinne der PT auf, wobei Schrifttexte den prototypischen Kern der Kategorie bilden. Das Prototypenkonzept (ganz in der Prototypes save-Tradition) ist gerade auch deshalb hilfreich für die Beschreibung der Kategorie TEXT, weil es z.B. erlaubt, dass nicht alle Kategorienmitglieder alle oder auch nur einige bestimmte (notwendige) Eigen- schaften aufweisen müssen. Dies passt natürlich sehr gut zu der Ansicht, dass es einen einheitlichen Textbegriff nicht gibt.

Im ersten von insgesamt drei Beiträgen osteuropäischer Linguistinnen und Linguisten stellt Elisabeth Knipf-Komlosi Prototypenbasierte Möglichkeiten in der zweisprachigen Lexikographie vor, und zwar am Beispiel der Bedeutungsbeschrei- bungen von Substantiven in einem derzeit in Arbeit befindlichen Handwörterbuch Deutsch-Ungarisch. Sie diskutiert u.a., wo im Wörterbucheintrag (z.B. in den Glossen oder Verwendungsbeispielen) und in welcher Ausführlichkeit prototypenba- sierte Beschreibungen (was auch die Angabe von Stereotypen mit einschließt) am sinnvollsten einsetzbar sind. Kritisch anzumerken ist hier, dass die Autorin wiederholt feststellt, dass das Konzept des Prototyps allein auf der Ebene des Ähnlichkeitsbezugs operiere, und dementsprechend auch nur auf einem Ähnlich- keitsbezug basierende Beschreibungsmodelle diskutiert. Dmitrij Dobrovol'skij be- leuchtet den Stellenwert der Prototypensemantik in der russischen Linguistik und stellt j im Wesentlichen fest, dass die strukturelle Semantik der Moskauer semantischen l Schule schon immer spezifische Züge atifwies, die mit der PT zumindest kompatibel waren, man in Russland letztlich also nicht die Aufregung in der „westlichen"

Semantik beim Einzug der PT teilen konnte. Abgesehen davon habe man in der Moskauer Schule schon immer auf Theorien- und Methodenvielfalt bei (Jer semantischen Analyse gesetzt. Anschließend föhit DobrovoFskij zwei (nicht beson-1 ders überzeugende und kaum repräsentative) Fallbeispiele für die Implementierung der PT in Arbeiten russischer Semantiker an, und zwar bei der Beschreibung von Idiomen und Erstellung von Idiom-Thesauri (seinem eigenen Spezialgebiet) und bei der Beschreibung von könnotativen Bedeutungsaspekten. Auch im achten und abschließenden Beitrag Grammaticalization and the lexicon: Core-and-periphery model vs. prototype approach von Rita Brdar-Szabo ujid Mario Brdar ist ein zentrales Thema das wenig Spektakuläre an der PT angesichts eines bestimmten, schon früher publizierten Ansatzes (des Kern-Peripherie-Ansatzes) in einer linguistischen Schule Osteuropas, hier genauer der Prager Schule der '60er Jahre. Wie die Autoren leicht belegen können, finden sich beispielsweise mehrere zentrale Facetten der PT (z.B.

Typikalität und .Unscharfe) bereits in Publikationen von Vertretern des Prager Funktionalismus. Aufgehängt wird dieses Thema an einem bekannten Problem der deutschen Wortbildung, nämlich dem Status solcher Wortbildungselemente wie rfrei, -reich oder -arm in komplexen Adjektiven wie bleifrei, steinreich oder kalorienarm:

sind es Adjektive oder affixartige Elemente (Affixoide, Suffixoide, Halbaffixe), die einen Grammatikalisierungsprozess durchlaufen haben, und sind damit die komple- xen Adjektive Komposita oder (durch Suffigierung entstandene) Derivate? Der Ansatz der beiden Autoren ist nun der, nicht mit einer Hilfskategorie wie Affixoidm operieren, sondern mit einem Übergangsbereich zwischen den (eine Prototypen- struktur aufweisenden) Kategorien Adjektiv und Suffix, zu dessen Beschreibung man

(18)

Rezensionen 297 in Ergänzung der bekannten Uüschärfe-Facette der PT den Kern-Peripherie-Ansatz , der Prager Schule heranzieht. Dieser Ansatz ist durchaus überzeugend, doch bleibt hinsichtlich des Untertitels dieses Beitrags zu konstatieren, dass man wohl kaum von einem Gegensatz zwischen der PT und dem Prager Kern-Peripherie-Mpdell sprechen kann. Auch die Gegenüberstellung der beiden Modelle ergibt lediglich Unterschiede in Nuancen (z.B. die nach Ansicht der Autoren stärkere Betonung des Prager Modells von Kategorienübergängen, Kontinua und gradueller Kategorienzugehö- rigkeit). Dies ist auch ein entscheidender Grund dafür, dass die Autoren so problemlos ein kombiniertes Modell für ihr konkretes Beschreibungsproblem im Bereich der Wortbildung entwickeln können.

Der Gesamteindruck vom vorliegenden Sammelband ist gemischt, das Positive aber überwiegt. Wie eingangs angeklungen, hätte man sich (neben einem Index)

? angesichts des allgemein gehaltenen Titels mehr Repräsentativität hinsichtlich der . Bereiche in der Linguistik gewünscht, aus denen Anwendungsbeispiele der PT und

> daraus folgend Reflexionen über Nutzen und Probleme der PT vorgestellt werden, jAuch gibt es unter den Beiträgen, um den hier am häufigsten thematisierten Aspekt Her PT, nämlich Typikalität, aufzugreifen, solche, die gemessen am Kernanliegen Z dieses Bandes zentral sind, aber doch auch andere, die man als eher peripher Bezeichnen muss. Letztlich aber bietet der Band in einigen Teilen überaus anregende ti .{Lektüre, die Neulingen (bei entsprechender Begleitung) wie auch Kennern auf dem

* Gebiet der PT uneingeschränkt empfohlen werden kann.

£ Bernd Kortmann, Englisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,t

|Rempartstr. 15, 79098 Freiburg; kortmann@ruf.uni-freiburg.de

$t

fc

(19)

Publications 1998 (« CSLI lecture notes 76) Antroulla Papakyriakou

Viele linguistische Arbeiten haben sich in den letzten Jahrzehnten Strukturen gewidmet, in denen mehr als ein Verb erscheint (VI, V2), und dabei vorwiegend die semantisch-syntaktische Beziehung dieser Verben zueinander untersucht. Dabei haben sich zwei konkurrierende Analyseverfahren herauskristallisiert Nach dem ersten» mehr verbreiteten Analyseverfahren wird V2 (ebenso wie dessen eigene Komplemente) als ein Komplement von VI analysiert, wobei diese Beziehung erst in der Syntax entstehen kann. Nach dem zweiten Analyseverfahren bilden VI und V2 einen Verb-Komplex. Genauer gesagt stellt der Ansäte von Ackerman und Webelhuth eijien Subtyp des zweiten Analyseverfahrens dar. Das Besondere und zugleich Neue bei ihrem Ansatz ist, dass VI und V2 gemeinsam einen Lexikoneintrag teilen.1 Es geht um analytische Ausdrucksformen wie gefragt haben (analytische Tempusformen) oder fragen lassen (analytische Kausativkopstruktionen). Die zwei} Verben finden bereits im Lexikon zueinander und bilden ein komplexes Prädikat. | Technisch erreichen das die Autoren, indem sie ihrem Modell funktional-semanti- i sehe Begriffe wie „Prädikat" zugrunde legen; kategorielle Begriife wie „Verb" sind \ für sie dagegen sekundär. So bilden VI und V2 zusammen ein komplexes aualytisches j Prädikat, ein Prädikat, das aus mehreren morphologischen Wörtern besteht. Im Gegensatz dazu wird der Verb-Komplex beim herrschenden Subtyp des zweiten Analyseverfahrens erst in der Syntax gebildet und dadurch kann ein Teil von ihm ] (V2) im Lexikon nur unterspezifiziert sein. Dabei geht VI eine Beziehung zu V2 ein, bevor V2 selbst seine Argumente saturieren konnte. Dadurch werden die V2- Argumente „angezogen" und werden nun zu gemeinsamen Argumenten (Hii richs/Nakazawa (1994) Gunkel (1997,1998)).

Im ersten Kapitel (S. 1-36) befassen sich die Autoren mit dem Lexikalismus- Konzept. Sie definieren „Lexikalismus" anhand von drei zentralen, an sich für lexikalistische Ansätze nicht neuen, Prinzipien: a) Prinzip der Verknüpfbarkeit (Lexical Adicity: die Information zu einem Lexikonzeichen bzgi. der Anzahl und Art seiner sejnantischen, funktionalen und kategoriellen Argumente ist vollspezifiziert) b) Morphologische Integrität (Morphological Integrity: die Syntax kann weder in die interne Struktur von Wörtern „hineinschauen" noch neue morphologische Wörter bilden) und c) Atomarer Ausdruck (Morphological Expression: Lexikoneinträge stehen nur für synthetische Formen). Dabei stellt sich heraus, dass das durch die Autoren entwickelte Modell als „streng lexikaüstisch" zu bezeichnen ist, da hier alle dtei Prinzipien Beachtung finden. Neuere LFG- und HPSG-Ansätze haben jedoch

l Das ist hier eine Vereinfachung. Die Analyse, die von den Autoren vorgeschlagen wird, soll nämlich auch for V+N-Verbindungen gelten und nicht nur für V+V- Verbindungen.

Zeitschrift fur Sprachwissenschaft 20.2 (2001), 298-302

© Vandenhoeck & RupreQht, 2001 ISSN 0721-9067

(20)

Rezensionen 299

\v\| diese alten lexikalistischen Prinzipien teilweise aufgegeben. So wird z.B. bei Ansätzen, die mit·,,Argumentanziehung" operieren, das Prinzip der Verknüpfbarkeit verletzt. Bei analytischen Tempusformen (gefragt haben) kann z.B. die vollständige Anzahl der Argumente von haben (VI) erst im syntaktischen Kontext vermittelt werden, da V2 selbst erst dort vermittelt wird. Um diesen Konflikt zu umgehen,

\ lockern die Autoren das Prinzip „Atomarer Ausdruck" auf und verstehen es als ein

„preferenceprinciple". Demnach wäre die Syntax zwar die bevorzugte, jedoch nicht die einzige Stelle für die Bildung von analytischen Ausdrucksformen. Diese

| Möglichkeit wird auch dem Lexikon eingeräumt. Das Erstaunliche dabei ist, dass L. »i Autoren, deren Arbeit nach der Definition von Ackerman/Webelhuth unter Jj?i* „schwach lexikalistisch" fallen würde, selbst ihre Arbeit als „streng-lexikalistisch"

jil · bezeichnen, so z.B. Miller und Sag (1997: 575) „We are thus taking up the challenge fj, :.. within a strictly lexicalist theory." Dabei legen Miller und Sag ihren Explikationen

• , zum temporalen Auxiliar avoir und dem kookkurierenden Partizip aus dem

v - ' französischen den Mechanismus „Argumentanziehimg" zugrunde; ein Mechanis-

*, *. mtis, der eher für „schwach lexikalistische" Ansätze charakteristisch ist. Das erweckt :J zunächst den Atischein, dass „Lexikalismus" ein relativer Begriff ist. Dieser . j| Anschein wird aber widerlegt, wenn man die Fragestellung mit klar definierten

\. |Criterien beantwortet, wie es die Autoren dieses Buches tun.

bh ^as zw6^6 Kapitel (S. 37-80) ist zentral für dieses Buch. Hier erläutern die Autoren anhand von Beispielen aus mehreren Sprachen ihr Verständnis vom

^rädikatsbegriff. Ihnen geht es vorwiegend darum, dass ein Prädikat weder auf Verben feduzierbar ist noch unbedingt nur aus einem morphologischen Wort sestehen muss. Ein Prädikat soll dabei der inhaltliche Kopf eines Satzes sein, dessen

».

Peile (im Falle von analytischen Prädikaten) gemeinsam diesemantischen, funktiona- en und kategoriellen Eigenschaften der Komplemente bestimmen. So bestimmen . das Auxiliar haben mit einem Verb wie fragen bereits im Lexikon gemeinsam die

\nzahl und Art ihrer Argumente. Der hier entwickelte Prädikatsbegriff wird im Iritten Kapitel (S. 81-l 11) noch deutlicher. Hier bekommt der Leser einfache Lexikoneinträge aus dem Prädikatmodul (bzw. Zeichenmodul) des Lexikons sowohl iHfiir synthetische als auch für analytische Prädikate. Diese werden anhand von

"Attribut-Wert-Strukturen dargestellt, die man bereits von älteren HPSG-Versionen

»kennt, und die parallel mehrere Ebenen von Zeichen repräsentieren. Einige j ?Ändenmgen, die vorgenommen wurden, kann der Leser sehr schnell lernen. Das j wichtigste und zugleich das Neue bei den Repräsentationen von analytischen j Prädikaten im Zeichenmödul des Lexikons ist, dass VI und V2 gemeinsam auf der Ebene „kategorielle Struktur" (CSTRUC) erscheinen, da diese Ebene - laut theorieinterner Festlegung - eventuell zwei verschiedene Elemente enthalten kann.

Dabei erscheint das erste Element als der Wert des Attributs ;,categorial core" (CR) und das zweite als der Wert des Attributs „categorial head" (HD); eine Unterschei- düng, die Ähnlichkeiten zu der Trennung zwischen funktionalem und kategoriellem Kopf bei der LFG aufweist. Diese Herangehensweise macht die zwei Elemente mehr oder weniger zu gleichberechtigten Partnern, die gemeinsam das Prädikat bilden und gemeinsam die semantischen, funktionalen und kategoriellen Eigenschaften der Komplemente bestimmen.

Dem Verhältnis zwischen einzelsprachlichen Grammatikkomponenten und Kom- ponenten, die von einer Universal-Grammatik (UG) übernommen werden, ist das vierte Kapitel gewidmet (S. 112-137). Die von der UG übernommenen Komponen- ten sind hierarchisch geordnet und können inhaltsbezogen oder formbezogen sein.

(21)

Zu der ersten Sorte gehört z.B. die Anreicherung von Ereignissen durch temporale Information wie „Perfekt** oder die Anreicherung durch den cause-Operator.

Dadurch, dass sie UG-Elemente darstellen, sind sie in vielen Sprachen zu erwarten.

Die formbezogene UG-Sorte bestimmt die Summe der morphologischen Wörter, die ein Prädikat ausmachen, sowie deren Beziehung zueinander. Hier geht es um die Bestimmung, ob (im Falle eines analytischen Prädikats) ein Prädikatsteil als Auxiliar oder als Partikel etc. realisiert wird.2 Bei einem Perfekt-Prädikat im Deutschen (wie auch in vielen anderen Sprachen) wäre ein Teil des Prädikats durch das entsprechen- de UG-Schema als Auxiliar charakterisiert. Was jetzt das Deutsche sprachspezifisch für sich bestimmt, ist die Festlegung eines bestimmten Auxiliars, das am „Perfekt"

beteiligt ist; in diesem Falle also haben,

Die Bildung der Verbformen im morphologischen Modul des Lexikons wird im fünften Kapitel erläutert (S. 138-164). Hier wird detailliert und anschaulich die Ableitung von Verbformen aus Stämmen gezeigt. So z.B. die Ableitung der Form

„Partizip Perfekt" (<ge> -f frag + <t>) aus der Form „Perfekt-Stamm"

(<frag>). Hier bleiben die Autoren ihrer konsequenten Trennung zwischen der Bedeutung eines Prädikats und dessen Form treu und üben Kritik an der Verwendung des Begriffs „Partizip Perfekt", der bereits etabliert ist und an den sie sich deswegen auch selbst halten. Der Begriff „Partizip Perfekt" bezieht sich auf die Form des Prädikats und drückt kein semantisches Konzept (wie z.B. Futur) aus, wie die Begriffsbezeichnung irrtümlicherweise vermuten lässt. In diesem Kapitel wird auch ein Prädikat, das im Prädikatmodul nach einer temporalen Anreicherung durch den morphosyntaktischen Inhalt „Perfekt" laut entsprechendem Prädikatbildungs- i schema analytisch realisiert wird, mit seinem Pendant verglichen, das nach einer ] Anreicherung durch den morphosyntaktischen Inhalt „Präteritum" synthetisch]

realisiert wird. Ein erweitertes (durch z.B. temporale Information und Information bzgl. Person und Numerus semantisch angereichert) komplexes Prädikat wie hat gefragt wird im Prädikatsmodul durch Anwendung des entsprechenden Schemas für l die dritte Person Singular und des Schemas für die Perfektbikhmg im Deutschen auf!

das nicht abgeleitete Prädikat/ragew gebildet. Das letzte Schema verlangt die Form

„Partizip Perfekt" eines Verbs (hier/ragen) als den CR-Teil des komplexen Prädikats und eine Präsensform des Verbs haben als den Auxiliar-Teil dieses Prädikats. Im Modell ist festgelegt, dass ein Auxiliar-Teü (wenn vorhanden) zugleich der HD-Teil ist und die Kongruenz mit dem Subjekt kodiert. Das komplexe Prädikat hat gefragt stellt auf dem Weg in die Syntax an das morphologische Modul, das nun den morphophpnologischen Ausdruck liefern soll, nur die Partizipanforderung bzgl, des CR-Teils und die Anforderung [S.Person Präsens] bzgl. des HD-Teils. Zu dem phonologischen Wert dieser Teile wird an das morphologische Modul keine Anforderung gestellt. Dies ist dem morphologischen Modul allein überlassen. Die einzigen Komponenten aus dem morphologischen Modul, die diesen Anforderungen entsprechen, sind die abgeleitete Komponente gefragt und die abgeleitete Kompo- nente hat.

Die Autoren gehen bei ihren Erläuterungen zu „Perfekt-" und „Präteritumprädi- katen" davon aus, dass sie die gleiche inhaltsbezogene Charakterisierung aufweisen

2 Auch Subjekt und/oder Objektkongruenz sowie die Realisierung bestimmter morphologischer Kasus werden als von der UniversaUGrammatäk übernommene (speziell foünbezogene) Typen ausformuliert.

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