Fachbereich Informatik Sommersemester 2018 Prof. Dr. Peter Becker
H¨ ohere Analysis
L¨ osungen zu Aufgabenblatt 1
Aufgabe 1 (Vektorraum) 1+1+1+1+1+1+1=7 Punkte
Welche der folgenden Mengen V bilden mit den ¨ ublichen Verkn¨ upfungen einen Vektorraum?
(a) Die Menge aller auf dem Intervall [a, b] stetig differenzierbaren Funktionen f mit f
a+b2= 0.
(b) Die Menge aller stetigen Funktionen, die im Intervall [a, b] mindestens eine Nullstelle haben.
(c) Die Menge aller beschr¨ ankten Folgen.
(d) Die Menge aller auf dem Intervall [a, b] stetig differenzierbaren Funktionen f mit f
a+b2= 1.
(e) Die Menge aller auf dem Intervall [a, b] stetigen Funktionen f mit Z
ba
f (x) dx = 0.
(f) Die Menge aller Nullfolgen (a
n), f¨ ur die ein n ∈ N mit a
n= 0 existiert.
(g) Die Menge aller Nullfolgen (a
n), f¨ ur die kein n ∈ N mit a
n= 0 existiert.
L¨ osung: F¨ ur den positiven Nachweis nutzen wir jeweils Satz 1.4, ansonsten geben wir ein Gegenbeispiel an.
(a) Die Menge V bildet einen Vektorraum, genauer einen Untervektorraum von C[a, b].
– Die Funktion f (x) = 0 f¨ ur alle x ∈ [a, b] ist in V enthalten.
– Seien f, g ∈ V . Dann gilt:
(f + g)
a + b 2
= f
a + b 2
+ g
a + b 2
= 0 + 0 = 0.
Also gilt auch f + g ∈ V .
– Sei f ∈ V . Dann gilt f¨ ur alle α ∈ R : (αf )
a + b 2
= α · f
a + b 2
= α · 0 = 0.
Also gilt auch αf ∈ V .
(b) Die Menge V bildet keinen Vektorraum. Die Funktionen
f(x) = x − a und g(x) = b − x haben eine Nullstelle bei a bzw. b und sind somit in V enthalten. Aber
(f + g)(x) = f (x) + g(x) = (x − a) + (b − x) = b − a > 0 f¨ ur alle x ∈ [a, b].
Also gilt f + g / ∈ V .
(c) Die Menge V bildet einen Vektorraum.
– Die Folge (a
n) mit a
n= 0 f¨ ur alle n ∈ N ist in V enthalten.
– Seien (a
n), (b
n) ∈ V . Somit existieren A, B ∈ R mit |a
n| ≤ A bzw. |b
n| ≤ B. Damit folgt:
|a
n+ b
n| ≤ |a
n| + |b
n| ≤ A + B
Also ist die Folge (a
n+ b
n) durch A + B beschr¨ ankt und somit ∈ V . – Sei (a
n) ∈ V und α ∈ R . Dann gilt:
|αa
n| = |α||a
n| ≤ |α|A.
Also ist auch die Folge (αa
n) beschr¨ ankt und somit ∈ V .
(d) V bildet keinen Vektorraum. Sei f (x) = g(x) = 1 f¨ ur alle x ∈ [a, b]. Dann gilt (f + g)
a+b2= f
a+b2+ g
a+b2= 1 + 1 = 2 6= 1 und somit (f + g) ∈ / V .
(e) Die Menge V bildet einen Vektorraum. Dies folgt aus der Linearit¨ at des Integrals.
– Die Funktion f (x) = 0 f¨ ur alle x ∈ [a, b] ist in V enthalten.
– Seien f, g ∈ V . Dann gilt:
Z
b a(f + g)(x) dx = Z
ba
f(x) + g(x) dx = Z
ba
f(x) dx + Z
ba
g(x) dx = 0 + 0 = 0.
Also gilt f + g ∈ V .
– Sei f ∈ V, α ∈ R. Dann gilt:
Z
b a(αf)(x) dx = Z
ba
α · f(x) dx = α Z
ba
f (x) dx = α · 0 = 0.
Also gilt αf ∈ V .
(f) Die Menge V bildet keinen Vektorraum. Seien die Folgen (a
n), (b
n) ∈ V definiert durch a
n=
0 f¨ ur n = 1
1
n
f¨ ur n 6= 1 b
n=
0 f¨ ur n = 2
1
n
f¨ ur n 6= 2 Dann ist
a
n+ b
n= (
1n
f¨ ur n = 1, 2
2
n
f¨ ur n ≥ 3 und somit a
n+ b
n6= 0 f¨ ur alle n ∈ N . Also gilt (a
n+ b
n) ∈ / V .
(g) Die Menge V bildet keinen Vektorraum. F¨ ur α = 0 ist die Folge (αa
n) konstant 0 und somit ∈ / V . Aufgabe 2 (Lineare Unabh¨ angigkeit in Funktionenr¨ aumen) 2+2=4 Punkte
(a) Wir betrachten den Vektorraum C[−π, π]. Zeigen Sie, dass die Vektoren
f (x) = cos(x) und g(x) = sin(x)
linear unabh¨ angig sind.
(b) Wir betrachten den Vektorraum C(1, ∞). Zeigen Sie, dass die Vektoren f (x) = 1
x + 1 , g(x) = 1
x − 1 , h(x) = x x
2− 1 linear abh¨ angig sind.
L¨ osung:
(a) Wir m¨ ussen
(∀x ∈ [−π, π] : α · cos(x) + β · sin(x) = 0) ⇒ α = β = 0 zeigen.
F¨ ur x = 0 erhalten wir aus α · cos(x) + β · sin(x) = 0 die Gleichung α · cos(0) + β · sin(0) = 0 woraus α = 0 folgt.
Analog ergibt sich f¨ ur x =
π2die Bedingung β = 0.
(b) Wir stellen h als Linearkombination von f und g dar.
αf + βg = h
⇔ α
x + 1 + β
x − 1 = x x
2− 1
⇔ α(x − 1) + β(x + 1)
x
2− 1 = x
x
2− 1
⇔ (α + β )x + (−α + β)
x
2− 1 = x
x
2− 1
⇔ α + β = 1 ∧ −α + β = 0
⇔ α = β = 1 2
Aufgabe 3 (Norm) 2+2+2=6 Punkte
Welche der folgenden Abbildungen k · k : R
n→ R definiert eine Norm auf dem R
n?
(a) kxk =
n
X
i=1
w
i|x
i| f¨ ur w
1, . . . , w
n> 0.
(b) kxk = max
ni=1
w
i|x
i| f¨ ur w
1, . . . , w
n≥ 0.
Zeigen Sie:
(c) Es sei w ∈ C [a, b] mit w(x) > 0 f¨ ur alle x ∈ [a, b]. Dann definiert kfk
w= Z
ba
w(x)|f (x)| dx eine Norm auf dem Vektorraum C[a, b].
L¨ osungen:
(a) Die Abbildung ist eine Norm.
– Man beachte: Wegen w
i> 0 gilt w
i|x
i| ≥ 0 und w
i|x
i| = 0 ⇔ x
i= 0.
x = 0 ⇔ x
i= 0 f¨ ur i = 1, . . . , n
⇔ w
i|x
i| = 0 f¨ ur i = 1, . . . , n
⇔
n
X
i=1
w
i|x
i| = 0
⇔ kxk = 0 –
kαxk =
n
X
i=1
w
i|αx
i|
=
n
X
i=1
w
i|α||x
i|
= |α|
n
X
i=1
w
i|x
i|
= |α| kxk –
kx + yk =
n
X
i=1
w
i|x
i+ y
i|
≤
n
X
i=1
w
i(|x
i| + |y
i|)
=
n
X
i=1
w
i|x
i| +
n
X
i=1
w
i|y
i|
= kxk + kyk
(b) Die Abbildung ist genau dann keine Norm, wenn ein i ∈ {1, . . . , n} existiert mit w
i= 0. Wir betrachten hierzu x mit
x
j=
0 f¨ ur j 6= i 1 f¨ ur j = i Dann gilt w
j|x
j| = 0 f¨ ur j = 1, . . . , n und somit P
nj=1
w
j|x
j| = kxk = 0, aber x 6= 0.
(c) – Trivialerweise folgt aus ∀x ∈ [a, b] : f (x) = 0, dass R
ba
w(x)|f (x)| dx = 0 gilt.
Schwieriger ist es, die R¨ uckrichtung zu zeigen, also der Nachweis von Z
ba
w(x)|f (x)| dx = 0 ⇒ ∀x ∈ [a, b] : f (x) = 0.
Diesen Beweis f¨ uhren wir indirekt, d. h. wir zeigen
∃x ∈ [a, b] : f (x) 6= 0 ⇒ Z
ba
w(x)|f (x)| dx 6= 0.
Hierzu nutzen wir die Stetigkeit der Funktionen aus.
Die Funktionen f(x) und w(x) sind nach Voraussetzung stetig auf dem Intervall [a, b]. Damit ist dann auch |f (x)| stetig, als Verkettung stetiger Funktionen, und somit ist auch h(x) :=
w(x)|f (x)| stetig auf [a, b].
Es sei x
0∈ [a, b] mit f (x
0) 6= 0. Wegen h(x) ≥ 0 folgt daraus h(x
0) > 0. O.B.d.A. gelte x
0∈ (a, b), ansonsten muss man die nachfolgende Argumentation einseitig durchf¨ uhren.
Da h in x
0∈ (a, b) stetig ist, muss es dann eine abgeschlossene Umgebung [x
0− δ, x
0+ δ]
mit δ > 0 von x
0geben, in der h(x) ≥
h(x20)> 0 gilt. Formal zeigt man dies mit dem -δ-Kriterium.
Jetzt teilen wir das Integral auf.
Z
b aw(x)|f (x)| dx = Z
ba
h(x) dx
=
Z
x0−δ ah(x) dx + Z
x0+δx0−δ
h(x) dx + Z
bx0+δ
h(x) dx
≥ 0 + 2δ h(x
0)
2 + 0 = δh(x
0) > 0.
Damit ist der Nachweis erbracht.
–
kαfk
w= Z
ba
w(x)|(αf)(x)| dx
= Z
ba
w(x)|α · f (x)| dx
= Z
ba
w(x)|α||f (x)| dx
= |α|
Z
b aw(x)|f (x)| dx
= |α|kf k
w–
kf + gk
w= Z
ba
w(x)|(f + g)(x)| dx
= Z
ba
w(x)|f (x) + g(x)| dx
≤ Z
ba
w(x)(|f(x)| + |g(x)|) dx
= Z
ba
w(x)|f (x)| dx + Z
ba
w(x)|g(x)| dx
= kf k
w+ kgk
wAufgabe 4 ( ¨ Aquivalenz von Normen) 4 Punkte
Es sei wiederum w ∈ C[a, b] mit w(x) > 0 f¨ ur alle x ∈ [a, b]. Gem¨ aß Aufgabe 3 (c) sind dann kf k
w=
Z
b aw(x)|f (x)| dx und kf k
1= Z
ba
|f (x)| dx Normen auf C[a, b] (f¨ ur kf k
1folgt dies mit w(x) = 1).
Zeigen Sie, dass die beiden Normen ¨ aquivalent sind.
L¨ osung: Die Funktion w(x) ist stetig auf [a, b] und [a, b] ist ein abgeschlossenes Interval. Nach dem
Satz von Weierstraß existieren damit Minimum und Maximum der Funktion w(x) im Intervall [a, b].
Sei x
0∈ [a, b] eine Minimumstelle und x
1∈ [a, b] eine Maximumstelle. Wir definieren w
0:= w(x
0) und w
1= w(x
1). Insbesondere gilt w
0, w
1> 0.
Damit folgt
kf k
w= Z
ba
w(x)|f (x)| dx ≤ Z
ba
w
1|f(x)| dx = w
1Z
ba
|f (x)| dx = w
1kfk
1und
w
0kf k
1= w
0Z
b a|f (x)| dx = Z
ba
w
0|f (x)| dx ≤ Z
ba