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Bis vor kurzem gab es hierzu nur retrospektive Untersuchungen. In den Studien GUSTO 4 IIb und PUR- SUIT 5 war die Gesamtmortalität bei

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Auch bei niedrigem LDL-Cholesterin aggressiv therapieren

Aktueller Stellenwert der Statintherapie beim akuten Koronarsyndrom

W. März

Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik, Medizinische Universität Graz

(Vorstand: Univ.-Prof. Dr. W. März)

klinikarzt 2005; 34 (4): 108–112

P

rospektive Interventionsstu- dien zeigen, dass HMG-CoA- Reduktasehemmer (Statine) langfristig die kardiovaskuläre Mor- talität und die Gesamtmortalität senken. Dies gilt in gleichem Maße für Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (Sekundärpräven- tion) wie auch für Personen mit er- höhtem Risiko (Primärprävention).

Patienten, bei denen ein akutes Koronarsyndrom weniger als drei bis sechs Monate zurücklag, waren aus vielen Langzeitstudien mit Stati- nen ausgeschlossen (1, 8–10, 21, 23).

Viele der positiven vaskulären Wir- kungen der LDL-Senkung mit Stati- nen (Verbesserung der Endothelzell-

funktion, Verminderung entzündli- cher Reaktionen der Gefäßwand, Plaquestabilisierung) werden jedoch schon wenige Wochen nach dem Be- ginn der Behandlung beobachtet. Es war daher zu vermuten, dass sich der frühe Einsatz dieser Substanzen auch kurzfristig auf klinische Ereig- nisse, unter anderem auch nach der Manifestation eines akuten Koronar- syndroms, auswirkt.

Bis vor kurzem gab es hierzu nur retrospektive Untersuchungen. In den Studien GUSTO4IIb und PUR- SUIT5war die Gesamtmortalität bei Patienten mit akutem Koronarsyn- drom, die mit einer Statintherapie aus der Klinik entlassen wurden,

nach 30 Tagen und nach sechs Mo- naten um mehr als die Hälfte niedri- ger als bei Patienten, die bei Entlas- sung kein Statin erhielten (3). Von 19 599 Patienten mit akutem Koro- narsyndrom des Schwedischen Ko- ronarregisters erhielten 5 528 bei der Entlassung ein Statin, 14 071 Pa- tienten wurden ohne Statin entlas- sen. Die Gesamtmortalität nach ei- nem Jahr betrug bei Patienten ohne Statine 5,0%, bei Patienten mit Stati- nen 3,7%, dies entspricht einer rela- tiven Reduktion der Sterblichkeit um 26% (26).

Auch kleinere prospektive Stu- dien sprechen dafür, dass die früh- zeitige Gabe von Statinen beim akuten Koronarsyndrom von Vor- teil ist (2, 11). Allerdings konnte die FLORIDA6-Studie, an der immerhin 540 Patienten mit akutem Myo- kardinfarkt teilnahmen, nach ei- nem Jahr keinen wesentlichen Unterschied zwischen der zweima- ligen Gabe von 40 mg Fluvastatin täglich und Plazebo nachweisen – vermutlich, weil die Ereignisrate während der Nachbeobachtung ge- ring war (13).

Wert der aggressiven Cholesterinsenkung

Die erste sehr große prospektive Studie, die den Einsatz von Statinen beim akuten Koronarsyndrom un- Für Personen mit hohem Risiko und Patienten mit „stabiler“ koronarer Herzkrankheit ist die Ab-

senkung des LDL-Cholesterins mit Statinen eine empirisch abgesicherte Strategie, um die Inzi- denzrate kardiovaskulärer Ereignisse und Todesfälle zu reduzieren. Nachdem es bereits Hinweise gibt, dass eine aggressive Senkung des LDL-Cholesterins die Funktion des Gefäßsystems sehr schnell verbessern könnte, wurde jüngst auch der Einsatz von Statinen bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom evaluiert. In der MIRACL1-Studie reduzierte die Behandlung mit 80 mg Atorva- statin täglich die Inzidenzrate vaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Plazebo bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom. Einen erstmaligen direkten Vergleich der Wirkung zweier Statine lie- ferte PROVE-IT2. Dabei war eine intensive Absenkung des LDL-Cholesterinspiegels mit 80 mg Atorvastatin einer moderaten LDL-Reduktion mit 40 mg Pravastatin signifikant überlegen. Ent- gegen den Erwartungen konnte jedoch eine frühe intensive Therapie mit Simvastatin im Ver- gleich zu einer verzögert einsetzenden, weniger intensiven Therapie (Studie „A to Z“3) keinen sta- tistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen dokumentieren.

Gerade aufgrund des hohen absoluten Risikos der Patienten mit akutem Koronarsyndrom ist dennoch eine aggressive Senkung des LDL-Cholesterins auch noch bei niedrigeren Werten vor der Behandlung gerechtfertigt. Die Wahl der Substanz sollte sich an der Studienlage orientieren.

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tersuchte, war MIRACL7. Hier erhiel- ten 3 086 Patienten mit akutem Ko- ronarsyndrom (47% instabile Angina pectoris und 53% Non-Q-Wave-In- farkt) 24–96 Stunden nach Symp- tombeginn entweder 80 mg Ator- vastatin oder Plazebo. Unter der Atorvastatintherapie reduzierte sich der kombinierte primäre Endpunkt (Tod, nichttödlicher Infarkt, Herz- stillstand mit Wiederbelebung, Krankenhausaufnahme wegen er- neuter Ischämie) nach nur vier Mo- naten um 16% gegenüber der Plaze- bogruppe (14,8 versus 17,4%, p = 0,048; Abb. 1). Zurückzuführen war dies auf die selteneren Kranken- hausaufnahmen aufgrund einer er- neuten Ischämie (6,2 versus 8,4%, p = 0,02), während sich bei den anderen Komponenten des primären End- punkts keine nennenswerten Unter- schiede zeigten (22).

Aggressiv oder moderat therapieren?

PROVE-IT8verglich erstmals die Wirkung zweier Statine auf kardio- vaskuläre Endpunkte (5). Auch an dieser Untersuchung nahmen Pa- tienten mit akutem Koronarsyn- drom teil: Jeweils etwa ein Drittel litt an einer instabilen Angina pecto- ris bzw. an einem Herzinfarkt ohne oder mit Erhöhung der ST-Strecke.

Die Gesamtcholesterinwerte der ins- gesamt 4 162 Patienten lagen zu Stu- dienbeginn über 240 mg/dl (6,2 mmol/l) – oder, wenn sie zuvor be- reits Lipidsenker eingenommen hat- ten, über 200 mg/dl (5,16 mmol/l).

Im Mittel wurden die Patienten sieben Tage nach Auftreten der kli- nischen Symptome randomisiert und erhielten entweder 40 mg Pra- vastatin oder 80 mg Atorvastatin täglich. Alle Patienten bekamen die übliche Basistherapie. Außerdem wurde in einem 2x2-faktoriellen Design jeweils die Hälfte der Studi- enteilnehmer mit Gatifloxacin oder Plazebo behandelt. Die Beobach- tungsdauer betrug zwei Jahre. Der primäre Endpunkt der Studie war die Kombination aus Tod, Herz- infarkt, dokumentierter instabiler Angina pectoris mit Hospitalisie- rung, Revaskularisierung oder Schlaganfall mehr als 30 Tage nach Randomisierung.

Zum Zeitpunkt der Randomisie- rung betrug das mittlere LDL-Choles- terin 106 mg/dl (2,73 mmol/l). Unter Behandlung mit Atorvastatin sank das LDL-Cholesterin auf 62 mg/dl (1,6 mmol/l, –49%), unter Pravastatin auf 95 mg/dl (2,45 mmol/l, –21%) (Abb.

2). Bei Patienten, die zuvor noch kein Statin erhalten hatten, verringerte sich das LDL-Cholesterin unter Prava- statin um 22% und unter Atorvastatin um 51% innerhalb von 30 Tagen. Wa- ren die Patienten bereits vorbehan- delt, blieben die Werte unter Prava- statin nahezu unverändert; Atorva- statin dagegen brachte eine zusätzli- che Reduktion um 32%.

Durch Atorvastatin reduzierte sich der primäre Endpunkt der Stu- die um 16% (p = 0,005) im Vergleich zu Pravastatin (Abb. 1). Die Überle-

genheit der intensiven Cholesterin- senkung zeigte sich auch für ein- zelne Komponenten des primären Endpunkts: So waren unter Atorva- statin signifikant weniger Revasku- larisierungen (–14%, p = 0,04) nötig, und es traten weniger Fälle von An- gina pectoris auf (–29%, p = 0,02).

Zudem wurden die Gesamtmorta- lität (–28%, p = 0,07) und die Inzi- denzrate tödlicher Herzinfarkte (–18%, p = 0,06) vermindert, die Ver- änderungen waren statistisch je- doch gerade nicht signifikant. In bei- den Behandlungsgruppen waren nur wenige Schlaganfälle zu verzeich- nen, ein Unterschied war daher nicht nachzuweisen (Abb. 3). Der Unterschied zwischen Atorvastatin und Pravastatin war bereits nach 30 Tagen (!) zu erkennen und blieb

Abb. 2 Verläufe des LDL-Cholesterins in den Behandlungsgruppen von PROVE-IT und A to Z

Abb. 1 Kumulierte Inzidenzraten der primären Endpunkte in PROVE-IT, MIRACL und A to Z

ACS = akutes Koronarsyndrom; AP = Angina pectoris; CV Tod = kardiovaskulärer Tod; MACE = „major ad-

verse cardiac event“; MI = Myokardinfarkt nach (5, 7, 22)

0 4 8 12 16

Zeit (Wochen) 0

5 10 15

Tod/MI/Reanimation/AP (%)

0 5 10 15 20 25 30

Zeit (Monate) 0

5 10 15 20 25 30

Mortalität/MACE (%) Pravastatin

40 mg

Plazebo

PROVE-IT (TIMI 22) MIRACL

Atorvastatin 80 mg

-16% -16%

Atorvastatin 80 mg

0 4 8 12 16 20 24

Zeit (Monate) 0

5 10 15

CV Tod/MI/ACS/Schlaganfall (%) Plazebo

Simva 20 mg

Simvastatin 40/80 mg

-11%

A to Z

0 4 8 12 16 20 24

Zeit (Monate) 0

20 40 60 80 100 120

LDL-Cholesterin (mg/dl) LDL-Cholesterin (mg/dl)

Pravastatin 40 mg Atorvastatin 80 mg

Plazebo/20 mg Simvastatin 40/80 mg Simvastatin

0 4 8 12 16 20 24

Zeit (Monate) 0

20 40 60 80 100 120

PROVE-IT (TIMI 22) A to Z nach (5, 7)

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(3)

Heparin (A-Phase), zum anderen eine frühe intensive Statintherapie mit einer verzögert beginnenden, weniger intensiven Therapie (Z- Phase) bei Patienten mit Myokard- infarkt ohne und mit ST-Hebung. In der intensiv therapierten Gruppe er- hielten 2 265 Patienten einen Monat lang 40 mg, danach 80 mg Simvasta- tin. In der weniger intensiv behan- delten Vergleichsgruppe nahmen die 2 232 Patienten über vier Mo- nate Plazebo und danach 20 mg Sim- vastatin ein. Bei Aufnahme in die Z- Phase musste das Gesamtcholeste-

rin weniger als 250 mg/dl (6,45 mmol/l) betragen. Primärer End- punkt der Studie war die Kombina- tion aus kardiovaskulärem Tod, nichttödlichem Herzinfarkt, Rehos- pitalisierung wegen akutem Koro- narsyndrom oder Schlaganfall.

Zum Zeitpunkt der Randomisie- rung betrug das mittlere LDL-Cho- lesterin 111 mg/dl (2,86 mmol/l).

Unter der intensiven Therapie ging es nach einem Monat auf 68 mg/dl (1,75 mmol/l), nach vier Monaten auf 62 mg/dl (1,6 mmol/l) und nach acht Monaten auf 63 mg/dl (1,62 mmol/l) zurück. In der Gruppe mit der weniger intensiven Therapie war der Rückgang etwas weniger stark ausgeprägt (Abb. 2).

Der primäre Endpunkt wurde nicht signifikant um 11% reduziert (Abb. 1). Hervorzuheben ist, dass innerhalb der ersten vier Monate, in denen Simvastatin mit Plazebo ver- glichen wurde, in einer Post-hoc- Analyse kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen sichtbar war (Abb. 4). Danach reduzierte sich der primäre Endpunkt von 9,3 auf 6,8% signifikant (p = 0,02).

Der Anteil von Studienteilneh- mern mit Erhöhungen der Leber- enzyme (ALAT oder ASAT) auf über das Dreifache der oberen Referenz- bereichsgrenze betrug in der Gruppe mit weniger intensiver Therapie 0,4%. Unter intensiver Therapie wa- ren 0,9% der Patienten von einer Leberenzymerhöhung betroffen (p = 0,05). Myopathien, also ein Anstieg der Kreatinkinase (CK) um mehr als das Zehnfache der oberen Referenz- bereichsgrenze und Muskelschmer- zen, traten unter intensiver Therapie bei neun Patienten auf (alle während der Einnahme von 80 mg Simvastatin), ein Fall mit Myopathie war in der Gruppe mit weniger in- tensiver Therapie während der Pla- zebophase zu verzeichnen (p = 0,02).

Drei der neun Patienten mit Myo- pathien hatten CK-Erhöhungen über 10 000 U/l, die damit als Rhabdo- myolyse einzustufen waren.

Statin ist nicht gleich Statin Im Vergleich zur PROVE-IT-Stu- die war der klinische Nutzen der in- tensiven Therapie in A to Z geringer.

Dies mag dadurch zu erklären sein, über die Gesamtdauer der Studie

konstant (Abb. 4).

Die Behandlung mit Gatifloxacin hatte weder einen Effekt auf den primären noch auf die sekundären kardiovaskulären Endpunkte oder auf die Konzentration des C-reakti- ven Proteins (CRP).

Unerwarteter Ausgang:

Die A-to-Z-Studie

Die A-to-Z-Studie (7) hat eben- falls ein 2x2-faktorielles Design.

Verglichen wurde hier zum einen Enoxaparin mit unfraktioniertem

Abb. 3 Relative Risiken für einzelne Komponenten in der PROVE-IT-Studie

AP = Angina pectoris; CI = Konfidenzintervall; KHK = koronare Herzkrankheit; MI = Myokardinfarkt;

RR = relative Risikoreduktion; NNT = „number needed to treat“, Zahl zu behandelnder Personen, um ein schwer wiegendes koronares Ereignis zu verhindern, hier bezogen auf eine Behandlungsdauer von einem

Jahr nach (5)

0,5 0,75 1,0 1,25

NTT Prava-

statin Atorva-

statin RR 1 Jahr

3,2 2,2 28 200

1,4 1,1 30 666

7,4 6,6 13 250

10,0 8,3 18 118

8,3 7,2 16 182

18,8 16,3 14 80

5,1 3,8 29 154

16,7 12,9 25 52

Gesamtmortalität Tod durch KHK MI

Tod oder MI KHK-Tod oder MI Revaskularisierung instabile AP

Tod/MI/Revaskularisation

1,50

80 mg Atorvastatin besser 40 mg Pravastatin besser relatives Risiko (95 % CI)

Abb. 4 Relative Risiken für die primären Endpunkte von A to Z und PROVE-IT

CI = Konfidenzintervall nach (5, 7)

0,5 0,75 1,0 1,25

intensive Therapie besser konventionelle Therapie besser konven-

tionell intensiv Risiko

16,7 14,4 -11%

8,1 8,2 +1%

9,3 6,8 -27%

2,2 1,9 -17%

7,7 6,3 -18%

14,1 12,2 -14%

26,4 26,3 -16%

A to Z

gesamte Studie bis Monat 4 Monate 5 bis 24 PROVE-IT 1 Monat 3 Monate 6 Monate 24 Monate

1,50 relatives Risiko (95 % CI)

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(4)

dass in der Gruppe mit weniger in- tensiver Therapie in A to Z ab dem vierten Monat schon ein LDL-Cho- lesterinspiegel um etwa 80 mg/dl (2,1 mmol/l) erreicht wurde (ge- genüber 95 mg/dl [2,45 mmol/l] in der Pravastatingruppe von PROVE- IT), während in der Gruppe mit früher, aggressiver Therapie das LDL-Cholesterin auf 63 mg/dl (1,62 mmol/l) sank, was wiederum der Atorvastatingruppe in PROVE-IT recht genau entspricht. Der Unter- schied im LDL-Cholesterin zwischen den Behandlungsgruppen war in A to Z (18% ab dem vierten Monat) da- mit geringer als in PROVE-IT (33%;

Abb. 2).

Betrachtet man allerdings LDL- Cholesterin und Ereignisse in den frühen Phasen der Studien, so ergibt sich ein anderes Bild. In MIRACL (22) und A to Z (7) war der Unterschied im LDL-Cholesterinspiegel zwischen den Behandlungsgruppen in den ersten vier Monaten ähnlich (63 und 62 mg/dl [1,6 und 1,62 mmol/l] bzw.

47 und 50%) – beide Studien verglei- chen jeweils eine aktive Therapie mit Plazebo. Dennoch liegen in A to Z die Ereigniskurven eng beieinan- der, in MIRACL divergieren sie schon nach vier Wochen (Abb. 1).

Einschränkend sei aber auch er- wähnt, dass an MIRACL keine Pa- tienten teilnahmen, bei denen eine Revaskularisierung durchgeführt wurde oder geplant war. In A to Z da- gegen erfolgte bei immerhin etwa der Hälfte der Patienten eine frühe Revaskularisierung, sodass die abso- luten Ereignisraten niedriger waren als in MIRACL. In PROVE-IT (13) be- trug der Unterschied der LDL-Cho- lesterinwerte auch in der frühen Phase nur 33 mg/dl (0,85 mmol/l, 35%), zudem entspricht die absolute Ereignisrate in der Plazebogruppe etwa derjenigen in A to Z. Trotzdem war bereits nach vier Wochen ein positiver Trend, nach sechs Monaten eine signifikante Ereignisreduktion zu beobachten.

Atorvastatin und Simvastatin könnten sich damit wenigstens beim akuten Koronarsyndrom hin- sichtlich der Fähigkeit unterschei- den, kardiovaskuläre Ereignisse zu vermindern. Womöglich ist beim akuten Koronarsyndrom die Bezie-

hung zwischen dem LDL-Choleste- rin und der klinischen Wirksamkeit der Statine weniger ausgeprägt als beim klinisch stabilen Koronarpa- tienten: Möglicherweise beruhen die unterschiedlichen Ergebnisse der drei Studien darauf, dass das C- reaktive Protein – ein Marker für systemische Entzündungsreaktio- nen – unterschiedlich stark abge- senkt wurde: In MIRACL und PROVE- IT betrug der Unterschied im CRP zwischen den Behandlungsgruppen am Ende der Studie 34 und 38%, in A to Z nur 17%.

Es sei allerdings davor gewarnt, die Absenkung des C-reaktiven Pro- teins unreflektiert als Indiz für eine

„antiinflammatorische“ Aktivität der Statine zu werten. Unserer Ansicht nach kommt diese CRP-Reduktion dadurch zustande, dass die Produk- tion des C-reaktiven Proteins in der Leber gehemmt wird. Hierfür spricht die klinische Beobachtung, dass der Abfall des C-reaktiven Proteins unter einer Statintherapie oft nicht von ei- nem ähnlichen Abfall des Interleukin 6, dem wesentlichen Stimulus für die CRP-Produktion in der Leber, beglei- tet wird (14) und Statine direkt die Freisetzung von C-reaktivem Protein aus kultivierten Hepatozyten hem- men (12). Dennoch könnte die Ab- senkung des C-reaktiven Proteins zum klinischen Nutzen der Sta- tintherapie beitragen, denn der Ent- zündungsmarker spielt vielleicht

selbst eine aktive Rolle bei der Ent- stehung der Atherosklerose (19).

Schließlich sind die in den drei Studien verwendeten Statine auch pharmakologisch unterschiedlich.

Atorvastatin ist ein vollsyntheti- sches Statin mit langer Halbwerts- zeit, Simvastatin und Pravastatin da- gegen sind semisynthetische Statine mit Halbwertszeiten von wenigen Stunden. Die mit 0,4% recht hohe Rate an Myopathien in A to Z be- zeichnete Nissen als alarmierend (15). Sie deckt sich aber mit den Er- gebnissen einer Metaanalyse zur Si- cherheit von Simvastatin 80 mg, nach der von einer Inzidenzrate von 0,6% auszugehen ist (6). Da in A to Z unter 80 mg Simvastatin neun Myo- pathien auftraten und absolut gese- hen 32 primäre Endpunkte verhin- dert wurden, lässt sich abschätzen, dass bei einer Anhebung der Dosie- rung von 20 auf 80 mg mit einer Myopathie bei drei zusätzlich ver- hinderten Ereignissen zu rechnen ist. Demgegenüber ist in sechs Stu- dien mit 10 000 randomisierten Pa- tienten unter der höchsten Dosie- rung von Atorvastatin (80 mg) keine einzige Myopathie aufgetreten (5, 16, 18, 22, 25).

Die unterschiedlichen Ergeb- nisse von MIRACL, PROVE-IT und A to Z zeigen einmal mehr, dass nicht stillschweigend von einem „Klassen- effekt“ der Statintherapie ausgegan- gen werden kann. Vielmehr sind

Abb. 5 LDL-Cholesterin und Ereignisse in der Sekundärprävention

NNT = „number needed to treat“, Zahl zu behandelnder Personen, um ein schwer wiegendes koronares Ereignis zu verhindern, hier bezogen auf eine Behandlungsdauer von einem Jahr nach (4, 10, 17, 20, 24)

50 100 150 200 250

LDL-Cholesterin (mg/dl) 1

2 3 4 5

Ereignisse (% pro Jahr)

–35% (NNT = 75)

–19% (NNT = 285)

–26% (NNT = 160)

4S LIPID CARE HPS7 GREACE –16% (NNT = 182)

PROVE-IT

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(5)

Nutzen und Risiken für jedes der Statine individuell zu bewerten.

Wann ist die frühe Statin- therapie indiziert?

Die Ergebnisse von PROVE-IT zeigen, dass sich durch eine Senkung des LDL-Cholesterinspiegels weit unter den bisher angestrebten Ziel- wert von 100 mg/dl (2,58 mmol/l) klinische Vorteile erreichen lassen.

Andererseits ist die relative Vermin- derung des primären Endpunkts um 16% wesentlich geringer als die rela- tiven Ereignisreduktionen (25–55%) in den meisten plazebokontrollier- ten Endpunktstudien mit Statinen.

Damit stellt sich die Frage, ob eine relative Verminderung des Risikos um 16% wirklich klinisch relevant ist.

Um dies zu beantworten, seien die Ergebnisse von PROVE-IT orien- tierend in Relation zu Sekundär- präventionsstudien bei stabilen Pa- tienten mit koronarer Herzkrankheit gesetzt (Abb. 5). Senkt man ausge- hend von 200 mg/dl (5,16 mmol/l) das LDL-Cholesterin um rund 30%, so resultieren daraus 140 mg/dl (3,61 mmol/l). Startet man aber von einem Ausgangswert von 140 oder 100 mg/dl (3,61 oder 2,58 mmol/l), erhält man unter den gleichen Vo- raussetzungen einen Wert um 100 bzw. 70 mg/dl (2,58 bzw. 1,81 mmol/l). Dies entspricht relativen Risikoverminderungen von 35, 26 und 19%, die Zahlen der zu behan- delnden Personen (pro Jahr!) betra- gen demnach 75, 160 und 285.

Patienten mit akutem Koronar- syndrom haben in den Monaten nach dessen Auftreten zwei- bis viermal mehr Ereignisse als Patien- ten mit stabiler koronarer Herz- krankheit. Die jährlichen Inzidenz- raten von Koronartod oder nichttöd- lichem Infarkt in der Plazebogruppe von PROVE-IT waren beispielsweise etwa doppelt so hoch wie im Pla-

zeboarm der CARE8-Studie, an der stabile Koronarpatienten mit niedri- gem LDL-Cholesterinspiegel teilnah- men (21).

Legt man die in PROVE-IT beob- achtete Verminderung schwer wie- gender koronarer Ereignisse um 16%

zugrunde, so ergibt sich, dass 182 Patienten mit einem akuten Koro- narsyndrom und einem LDL-Choles- terin von 95 mg/dl (2,45 mmol/l) für ein Jahr auf ein LDL-Cholesterin von 62 mg/dl einzustellen wären, um ein Ereignis zu verhindern (Abb. 5).

Diese Zahl zu behandelnder Perso- nen entspricht etwa der Zahl stabiler Koronarpatienten, bei denen das LDL-Cholesterin für ein Jahr von 140 auf 100 mg/dl (3,61 auf 2,58 mmol/l) abzusenken wäre (Abb. 5).

Schließlich ist davon auszuge- hen, dass ein LDL-Cholesterinwert von 95 mg/dl (2,45 mmol/l) bei Pa- tienten mit akutem Koronarsyndrom ohne Lipidsenker kaum anzutreffen ist. Geht man von einem mittleren LDL-Cholesterin von 130 mg/dl (3,35 mmol/l) vor Manifestation des aku- ten Koronarsyndroms aus, so lässt sich abschätzen, dass bei 58 Patien- ten für ein Jahr das LDL-Cholesterin auf 62 mg/dl (1,6 mmol/l) zu senken ist, um ein schwer wiegendes koro- nares Ereignis zu verhindern. Das entspricht der therapeutischen Effi- zienz, wie sie in der 4S9-Studie (Pa- tienten mit stabiler koronarer Herz- krankheit und Hypercholesterin- ämie) beobachtet wurde.

Aufgrund des hohen absoluten Risikos des Patienten mit akutem Koronarsyndrom ist damit eine ag- gressive Senkung des LDL-Choles- terins bei praktisch jedem Patien- ten mit akutem Koronarsyndrom gerechtfertigt – auch dann, wenn die Ausgangswerte um 100 mg/dl (2,58 mmol/l) liegen. Bei der Aus- wahl des Statins ist in jedem Fall die aktuelle Studienlage zu berück- sichtigen.

Aggressive Therapy Already at Low LDL-Cholesterol-Levels – Current Value of Statin-Therapy in Acute Coronary Syndromes

Lowering LDL cholesterol with statins is an empirically supported strategy to reduce the incidence rate of car- diovascular events and deaths in in- dividuals at high cardiovascular risk and in patients with stable coronary artery disease. As aggressive lowering of LDL may have immediate effects on the function of the vascular system, the use of statins has recently been evaluated in patients with acute coronary syndromes. In the MIRACL study, treatment with 80 mg atorva- statin daily reduced the incidence rate of vascular events compared to placebo in patients with acute coro- nary syndrome. The PROVE-IT study was the first trial to compare the ef- fects of two statins directly: In this study, an intensive LDL-cholesterol lowering therapy with Atorvastatin (80 mg per day) could outplay a mo- derate LDL-lowering strategy (40 mg Pravastatin per day) significantly. In the A to Z study early intensive therapy with simvastatin was com- pared to a delayed less intensive therapy. Unexpectedly, there was no statistically significant difference between the two treatment groups.

Given the high absolute risk of the patients with acute coronary syn- drome, aggressive LDL lowering is justified in these patients. The choice of the statin should be guided by the evidence available from clinical trials.

Key Words

LDL cholesterol – statins – cardiovascular events – cardio- vascular risk – coronary artery disease

Literatur bei der Redaktion / im Internet unter www.klinikarzt.info

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. Winfried März

Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik

Medizinische Universität Graz Auenbruggerplatz 15 A – 8036 Graz

1myocardial ischemia reduction with aggressive cholesterol lowering

2pravastatin or atorvastatin evaluation and infection therapy

3aggrastat to zocor

4global use of strategies to open occluded coronary arteries

5platelet glycoprotein IIb/IIIa in unstable angina: receptor suppression using integrilin therapy

6fluvastatin on risk diminishing after acute myocardial infarction

7heart protection study

8cholesterol and recurrent events

9scandinavian simvastatin survival study

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