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Zur Intertextualität und Intermedialität in Günter Grass Die Rättin Das Märchen im Zeitalter seiner dystopischen Reinszenierbarkeit

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Academic year: 2022

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Examensarbete

Magister

Zur Intertextualität und Intermedialität in Günter Grass’ Die Rättin

Das Märchen im Zeitalter seiner dystopischen Reinszenierbarkeit

Författare: Dr phil Lisa Maria Ley

Handledare: Dr phil Maren Eckart Examinator: Dr phil Anneli Fjordevik Ämne/huvudområde: Tyska

Kurskod: TY3010 Poäng: 15p

Ventilerings-/examinationsdatum: 10 september 2021

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Abstract

This study focuses on the elements of intertextuality and intermediality in the novel Die Rättin by Günter Grass. It is an attempt to place the text in a context of literary theory and contemporary society as well as in a deeply rooted tradition of storytelling that feeds the author’s inspiration and motivates a continuous dialogue between different works of fiction. It is also a reflection on the impact of different media on the development of art. The study leans on Walter Benjamin’s classic essay The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction and its aim is to show how the postmodern reality shapes a new form of art, which uses cross-referencing between different means of artistic expression to maintain the “aura” of originality despite mass production of stereotypical stories and works of art. Grass incorporates both the underlying art theory and art production itself in his rich narrative of the dying and

resurrection of mankind and art. In Die Rättin, his original concepts of intertextuality and intermediality reach mastery. This study highlights the various ways in which Grass spins his narrative around an idea of the

“Gesamtkunstwerk” of human creation.

Nyckelord

Günter Grass, Walter Benjamin, Intermedialität, Intertextualität,

Reproduzierbarkeit, Dystopie, Umweltkatastrophen, Erzählperspektiven, Vergegenkunft, Märchen

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Inhalt

Abstract 1

Nyckelord 1

1 Einleitende Reflektionen - “Aus allen Wipfeln fallen Zitate” 2 2 Analyse von Die Rättin als universaler Märchenroman und Zeitzeugnis 7

2.1 Gattung, Genre und Gestalt 7

2.1.1 Dystopie, Märchen, Zeitzeugnis, Fortsetzungsroman, Fabel? 7 2.1.2 Erzählebenen und Erzähltechniken - Wer hat hier eigentlich das Sagen,

und wann und wo befindet sich dieses “Wer”? 12

2.1.3 Inhalt und Personenregister 17

2.2 Existenz und Erzählen 18

2.2.1 Mythologie und Zukunft 19

2.2.2 Politik und Literatur 23

2.3 Intertextualität und Intermedialität 28

2.3.1 Intertextualität als schöpferisches Grundprinzip 32 2.3.2 Intermedialität als künstlerische Ausdrucksform und Gesamtkunstwerk 36

2.3.3 Zitathaftigkeit und Originalität 37

3 Ausblick 44

4 Quellen 45

4.1 Primärliteratur 45

4.2 Sekundärliteratur 46

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1 Einleitende Reflektionen - “Aus allen Wipfeln fallen Zitate”

Der Untertitel dieser Arbeit ist eine Paraphrase auf einen Essay von Walter Benjamin, der in dieser Studie als Wegweiser für die Analyse von Günter Grass’ moderner Romangestaltung dienen soll. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit liefert die historisch-theoretische Grundlage für die Dichotomie zwischen Ideen der Erhaltung und der Auflösung, der Tradition und der Erneuerung, der Medienkonformität und des Medienwechsels, von Zitat und Originalität, von Aura und Klischee. All diese Gegensatzpaare spielen sich in unaufhörlicher Dialogizität in Die Rättin aus dem Jahr 1986 gegeneinander aus und ergänzen sich gleichzeitig

synthetisch zu einer neuen Ästhetik. Für Benjamin bedeutet das Aufkommen der technischen Errungenschaften der Moderne eine der größten weltgeschichtlichen Umwälzungen für das Kunstwerk und dessen Interpretation. Die Aura der Originalität geht verloren, und an ihre Stelle tritt eine neue Wirkung, die intermedial effektiv ist:

Indem das Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit die Kunst von ihrem kultischen Fundament löste, erlosch auf immer der Schein ihrer Autonomie. Die Funktionsveränderung der Kunst aber, die damit gegeben war, fiel aus dem Blickfeld des Jahrhunderts heraus.1

In gleichem Maße wie Malerei nach dem Aufkommen der Photographie neu definiert werden musste, geschah etwas mit den herkömmlichen Grenzen der Literatur, als der Film und andere audiovisuelle Medien immer stärkere Präsenz gewannen. Dittberner beschreibt den Vorgang in seinem Essay zur Lyrik von Günter Grass - ganz im Sinne Walter Benjamins - als eine Gegenüberstellung von Kunst als Medium des Gelingens und von den technischen Medien der Perfektion2. Dabei wird unvermeidlich ein Element der Abgeschlossenheit in die Kunstdebatte eingeführt, denn Perfektion lässt sich nicht steigern, nicht entwickeln, nicht kreativ transformieren, nicht mehr vollenden. Sie ist

1 Benjamin (2018), S. 169.

2 vgl. Dittberner (1997), S. 20.

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bereits am Ende angekommen. Die technische Perfektion ist ein künstlerisches Untergangsszenario.3

Günter Grass spielt mit diesem Gedankengut, ohne sich ihm zu unterwerfen. In Die Rättin, seiner Form des dystopischen Katastrophenromans, evoziert die Literatur sozusagen prophetisch ihren eigenen baldigen Untergang, wobei die kreative Menschheit mehrere Untergänge parallel vorbereitet, im Roman durch die Motive Waldsterben und Nuklearwaffen konkretisiert. Dieser Roman bildet ein repräsentatives und gleichzeitig originelles Beispiel für diese Literatur des Sterbens der Literatur, wie bereits auf den ersten Seiten im Ausruf der träumenden und geträumten Rättin deutlich wird:

Schluss! sagt sie. Euch gab es mal. Gewesen seid ihr, erinnert als Wahn. Nie wieder werdet ihr Daten setzen. Alle Perspektiven gelöscht. Ausgeschissen habt ihr. Und zwar restlos. Wurde auch Zeit!

In Zukunft nur Ratten noch.4

Da hilft es nicht, dass der Erzähler, der typische Grass-Autor-Kommentator, einwirft:

„Zumindest mittelfristig sind wir noch da”5. Für die Rättin der geträumten Zukunft ist die Menschheit Geschichte. Allerdings ist im Universum von Günter Grass nichts jemals beendet, solange ihm noch Phantasie und Wortschatz zur Verfügung stehen, und so überlebt seine Hauptfigur Oskar durch seinen gottähnlichen Schöpferwillen, gegen den Einspruch seiner fiktiven Rättin, in einer romanhaften Reinszenierung der Arche Noah:

Geschützt von den vier Wänden der guten Stube und ausgespart durch meinen Willen, den ich gegen die Rättin und ihr Diktat setze, bleiben die beiden übrig.

Und die Mattscheibe bleibt belebt.6

Damit hat Günter Grass die Welt noch einmal gerettet, symbolisch sogar doppelt. Er lässt die Erzählung, und damit die menschliche Existenz, weitergehen, und dazu erhält

3 vgl. Dittberner (1997), S. 21. Über die parallele Entwicklung der Menschheit und des Bedürfnisses, Geschichten und Märchen und Kunstwerke zu schaffen, um Struktur in das Informationschaos zu bringen, vgl. Boyd (2009), S. 3. Seine These, dass Geschichtenerzählen evolutionär notwendig für die Entwicklung der spezifisch menschlichen Denkweise ist, deckt sich mit Grass’ Vorstellung von Welt und Erzählung als Einheit, die für die Existenz von Menschen notwendig ist.

4 Grass (2007), S. 10.

5 Grass (2007), S. 10.

6 Grass (2007), S. 318.

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er noch das allgegenwärtige Medium der menschlichen Dokumentation der 1980er Jahre, als Die Rättin entstand: das Fernsehen. Es ist das perfekte Medium technischer Reproduktion von Menschheitsgeschichte(n).

Dieses Paradoxon der menschlichen Reflektion über den zukünftigen Weltuntergang mittels historischer, tradierter Mythen ist der Kern von Günter Grass’ Vergegenkunft,7 eine wortwörtliche und symbolische Verschmelzung der Perspektiven des Raum-Zeit- Kontinuums8, wie weiter unten ausführlicher besprochen wird. Genau diese

Verschiebung der Fokalisierung hebt auch Walter Benjamin in den abschließenden Paragraphen seines Essays über moderne künstlerische Gestaltung hervor:

Die Menschheit, die einst bei Homer ein Schauobjekt für die Olympischen Götter war, ist es nun für sich selbst geworden. Ihre Selbstentfremdung hat jenen Grad erreicht, der sie ihre eigene Vernichtung als ästhetischen Genuss ersten Ranges erleben lässt.9

Im Prinzip gilt für diese Art der Ästhetik, dass derjenige Gott ist, der die Erzählung

steuert. Aber wer das im Einzelfall konkret ist, ist in dem postmodernen Zusammenhang der unendlichen Intertextualität durchaus nicht definiert. Es bleibt unklar, wer den Pinsel oder den Stift in der Hand hat, also die künstlerisch tätige Waffe, mit der die Welt

errichtet und zerstört wird. Es ist eine Zeit, in der die originellen Genies in der Masse ertrunken sind. Günter Grass sieht wie Walter Benjamin seine eigene Kunst in einer symbiotischen Gemeinschaft mit der gesamten Kulturgeschichte, und er webt seine Geschichten des Untergehens in die großen Narrative des zwanzigsten Jahrhunderts ein, ohne Rücksicht auf Plagiatsvorwurf oder auf Verzerrungsgefahr des jeweiligen kulturellen Stichwortgebers, sei es das Märchen oder der herkömmliche, in sich geschlossene Roman als Gattung. Die Botschaft der Erzählung liegt sowohl in der besonderen Form als auch im zitathaften Inhalt des Werkes. In der Figur des Malers und Fälschers Malskat bringt Grass die Frage nach Original und Reproduktion als konkretes Motiv in die ausufernde Geschichte ein, und dabei ist der “falsche Fuffziger”

Malskat mit seinen gotischen Reproduktionen durchaus konkret im Zeitgeist zu

7 Zur “Erfindung” der sogenannten Vergegenkunft in Günter Grass’ Kopfgeburten, und zum Konzept der Verschmelzung von Zeit zu einer Einheit, vgl. Neuhaus (2010), S. 169.

8 vgl. hierzu vor allem die ausführliche Studie von Saartje Gobyn zur Metalepse im Werk von Günter Grass, und insbesondere Gobyn (2016), S. 203.

9 Benjamin (2018), S. 169.

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betrachten, und er bildet ein sinnbildliches Triumvirat mit den beiden deutschen Politikern der 1950er Jahre, mit Adenauer und Ulbricht:

Neinnein, Herr Matzerath! Sie mögen fern in der Kaschubei und solange Ihnen der Prälat aus Oliva Gehör schenkt, recht haben, was den Schätzwert des Kanzlers von damals und des damaligen Generalsekretärs betrifft; der Alte und der Spitzbart waren waschechte Fälscher und mögen vortan >>falsche Fuffziger<< genannt werden, Malskat jedoch signierte seine Gotik, wenn auch versteckt.10

Die Absurdität der Definition der Politiker als “waschecht” in ihrer Falschheit ist ein typischer Geniestreich in Günter Grass’ Wort- und Gedankenspielerei. Malskat produziert ja Kunst, wenngleich sie nicht waschecht gotisch ist, und damit bleibt er originell, während die “waschechten” Fälscher trotz des Oxymorons im Begriff tatsächlich die einzigen sind, die echte Fälschungen darstellen. Um es mit Günter Grass zu sagen, liegt der Unterschiede hier in der semantischen Nuancenverschiebung zwischen einer Kursivierung und einem Anführungszeichen, zwischen einer

Hervorhebung und einer Relativierung des Wahrheitsanspruches. Das Schreiben wird zur intellektuellen Herausforderung und Provokation jenseits der ästhetischen

Unterhaltung und Kontemplation: „An die Stelle ihrer Fundierung aufs Ritual tritt ihre Fundierung auf eine andere Praxis: nämlich ihre Fundierung auf Politik”, wie Walter Benjamin es formuliert.11

Im Folgenden wird am Beispiel von Günter Grass’ Roman Die Rättin analysiert, wie Intertextualität und Intermedialität zum übergreifenden kulturhistorischen

Paradigmenwechsel beitragen. Es liegt auf der Hand, dass der methodische Ansatz den Schwerpunkt auf vergleichende Analyse legt, um die werkimmanente Intertextualität und die referentielle Intermedialität anhand verschiedener Beispiele hervorzuheben. Es werden ähnliche literarische Werke zum Vergleich herangezogen werden, um die Konturen der Rättin im Kontrast deutlicher hervortreten zu lassen. Ganz im Sinne von Grass’ eigener Multimedialität werden aber auch Werke aus der bildenden Kunst und vor allem der Filmkunst als Vergleichsmaterial besprochen werden.

10 Grass (2007), S. 267.

11 Benjamin (2018), S. 169.

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Der Umfang dieser Studie lässt jedoch nur eine Auswahl an möglichen Interferenzen zu, und es sei vorab bereits erwähnt, dass Die Rättin eine schier unendliche Fülle an weiteren möglichen intertextuellen und intermedialen Schnittpunkten bietet, für welche die hier besprochenen Werke als typische, aber nicht erschöpfende Beispiele gelten können. Im Fokus steht also die Idee der Intertextualität und Intermedialität als

sinngebende Ausdrucksweise der modernen Literatur und bildenden Kunst, wobei die Austauschbarkeit an sich der externen literarischen Vergleichsobjekte und auch der werkimmanenten Beispiele ironischerweise die theoretische These von Walter

Benjamin und die künstlerische Gestaltung von Günter Grass bestätigen: diese Studie ließe sich problemlos mit ganz anderen Zitaten und intertextuellen Referenzen

reproduzieren. „Aus allen Wipfeln fallen Zitate”12, wie Grass spitzfindig das Märchen- und Waldthema in Die Rättin zusammenfasst, und das soll als Leitmotiv dieser Analyse gelten, ist es doch eine Walter Benjamin paraphrasierende Studie auf den Goethe paraphrasierenden Dichter. Kurz zusammengefasst ist die These dieser Arbeit, dass sich die Aura der Kunst in der Reinterpretation oder Reinszenierung der Tradition über die Sintflut hinweg gerettet habe.

12 Grass (2007), S. 53. Es ist womöglich als ironisches Zeichen der literarischen Endzeitstimmung zu deuten, dass sich die Autorin dieser Studie fragt, ob dieses (vielleicht) berühmteste aller

deutschsprachigen Zitate, unzählige Male parodiert, von zukünftigen Lesern als Original noch so bekannt sein wird, dass der Humor von Günter Grass in der Parodie erkenntlich bleibt. Mit der Aura der

Originalität verliert auch die technische oder ästhetische Reproduktion ihren Sinn. Reinterpretation ist immer auch Hommage.

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2 Analyse von Die Rättin als universaler Märchenroman und Zeitzeugnis

2.1 Gattung, Genre und Gestalt

Es ist ein kompliziertes Unterfangen, Die Rättin in eine sinnvoll abgegrenzte

Gliederungsstruktur einzufangen. Alles ist ineinander verwoben und baut aufeinander auf. Zur Gattung lässt sich nichts sagen, ohne auf die eigenartige narrative Form einzugehen. Es ist nahezu unmöglich, Personenanalyse und Betrachtung von Erzählebenen separat und isoliert zu behandeln. Es muss also vorab eingeschränkt werden, dass die folgenden Abschnitte als Konstruktionen dienen, Muster und Ordnungen im Grass’schen Kosmos zu etablieren, die sich nicht organisch und natürlich aus dem Text ergeben. Es wird unweigerlich zu Überschneidungen und Wiederholungen kommen müssen, da sich Die Rättin nicht in strikte Kategorien einteilen lässt, ebensowenig wie Grass’ andere Werke: „Das zunehmende

Ineinandergreifen der Gattungen wird im Verfahren der Montagetechnik [...] sichtbar”13, wie anhand der Verwebung von Prosa und Lyrik unter anderem in Butt und Rättin deutlich wird. Lyrik und Prosa sind schon als übergreifende Gattungen im Roman

miteinander verwoben, aber auch auf der nächsten Ebene der Gattungsfrage, innerhalb der Erzählprosa selbst, gibt es bei Grass keine eindeutige Kategorienzugehörigkeit, wie im Folgenden angerissen wird.

2.1.1 Dystopie, Märchen, Zeitzeugnis, Fortsetzungsroman, Fabel?

Man ist versucht, mit der Genrezugehörigkeit der Rättin ein Rumpelstilzchenspiel zu veranstalten, um dem passenden Namen auf die Spur zu kommen: „Heißt du vielleicht

13 Mayer (1997), S.87. Claudia Mayer zeigt in diesem erkenntnisreichen Aufsatz zur Montagetechnik bei Grass anhand zahlreicher Beispiele, wie sich seine epische Form aus verschiedenen Experimenten in unterschiedlichen Gattungen und Medien entwickelt, also intertextuell und intermedial dynamisch vorgeht.

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Science Fiction oder Märchen oder sozialkritischer Roman oder Fabel oder Dystopie oder Sequel?”

Die Problematik der Kategorisierung in Günter Grass’ Werk fängt also bereits mit der Bestimmung der Gattung an. Es stellt sich die nicht einfach zu beantwortende Frage, was dieser Text rein literarisch eigentlich ist und ob er sich sich in irgendein Genre einordnen lässt, vorausgesetzt dass es überhaupt eindeutige Genres gibt.14 Wie der Titel dieser Studie vorab ankündigt, hat der Roman Elemente des Märchens und der Dystopie, die nicht von der Hand zu weisen sind. In Ähnlichkeit mit anderen Autoren, welche sich in Gedankenspielen mit posthumanen Gesellschaften auseinandersetzen, baut Grass eine Welt auf, deren Kern eine Umweltkatastrophe bildet, bei der sich die Menschheit selbst zerstört hat. Wie etwa Margaret Atwoods MaddAddam oder Harry Martinsons Aniara oder Karel Čapeks Der Krieg mit den Molchen, um nur einige der verwandten Schöpfungs- und Zerstörungsgeschichten der neueren Literaturgeschichte zu nennen, die nach demselben Muster verlaufen,15 baut auch Die Rättin auf die Idee, dass eine stärkere oder zähere Spezies rückblickend die selbstzerstörerische

Menschheit begutachtet.

In der Katastrophe entsteht eine neue Welt, deren Ursprung als Märchen oder Mythos erzählt wird, womit die Literatur zur Schöpfungsgeschichte und Identitätsbestätigung wird. Gemeinsam ist den Weltuntergangsgeschichten, dass sie zwischen Katastrophe und Neuschöpfung pendeln und dabei eine historische Kreisbewegung zu vollziehen scheinen. Margaret Atwood präsentiert genmanipulierte Tiere und eine neue Art künstlich geschaffener Menschen, um ihrer postapokalyptischen Märchenwelt eine Projektionsfläche für zeitgenössische Probleme zu geben. Ihre Craker sind insofern direkte Erben einer versagenden Menschheit, als dass sie von den letzten Menschen

14 Vogt (2016), S. 187 spricht mit Recht von den Schwierigkeiten, Gattungen und Genres überhaupt zu definieren, und plädiert dafür, sie im soziologischen Kontext zu betrachten, in dem sie als Institutionen der Vermittlung von literarischem Inhalt fungieren, ohne jedoch der Komplexität der einzelnen

literarischen Produkte jemals voll gerecht zu werden.

15 Sie reproduzieren alle gewissermaßen ein literarisches Strickmuster, ohne dabei im Sinne Walter Benjamins ihre Aura und Originalität zu verlieren. Für diese Studie wurden bewusst Romane zum Vergleich herangezogen, die nicht nur in den Nischenbereich des Subgenres Science Fiction eingegliedert werden können, und deren Autoren sich nicht einem bestimmten Abenteuer-Muster, sondern verschiedener Gesellschaftsbeobachtungen gewidmet haben, die sich sowohl realistisch als auch dystopisch beschreiben lassen.

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lernen, Sinn durch Mythologie zu schöpfen. Die Molche von Karel Čapek sind klassische Usurpatoren und breiten sich mit den Mitteln historischer Kolonisatoren zwischen den Menschen aus. Aniara von Harry Martinson erzählt vom kosmischen Exil, da der Lebensraum Erde zerstört wurde. Grass findet seine eigene Version, indem er auf eine historische Relation zwischen Mensch und Ratte zurückgreift und die

Zerstörung der Menschheit symbolisch verbindet mit dem Tier, das mit dem Menschen in so enger Symbiose lebt, dass es seine Krankheiten - und damit seine Epidemien - teilt.

Um einen menschlichen Untergang darstellen zu können, damit heutige Menschen im Sinne Walter Benjamins ihn ästhetisch wahrnehmen können, bedarf es einer

posthumanen Zeugenschaft, die den Zusammenbruch sehen und beschreiben kann.

Das Motiv der Arche Noah ist all diesen Romanen eigen. Günter Grass als eigenwilliger Ich-Erzähler setzt sich selbst in eine Raumkapsel, und lässt sich von seiner Rättin die Zukunft berichten, während er fleißig an der Gegenwart herumnörgelt. Harry Martinson lässt eine Raumsonde als Arche durch das unendliche Meer des Weltraumes

schweben, während Gott und Teufel auf der gebrannten Erde zurückbleiben. In

Margaret Atwoods MaddAddam dürfen einige wenige Überlebende der Menschheit die neue Spezies mit Geschichten füllen, die als Gründungsmythen gelten können.

Die Rättin ist insofern mit all diesen Hybridgeschichten gattungsgleich, da sie dem Ur- Mythos menschlichen Erzählens auf den Grund geht und dabei politisch aktiv in die Zeitgeschichte eindringt. In diesen Fällen geht es weniger um Intertextualität als ein direktes Referenzsystem zwischen einzelnen Werken, sondern eher um eine

gemeinschaftliche gesellschaftskritische Motivik, die sich in einem Amalgam aus Mythos und Dystopie ausdrückt.16 Sogar Kinderliteratur wie Michael Endes Die

unendliche Geschichte fügt sich in diesen Kontext als seelenverwandtes Produkt einer literaturfeindlichen Welt ein. Bastian Balthasar Bux begibt sich in eine vom Untergang

16 vgl. zu den verschiedenen Formen der Dystopie als Systemkritik mit Fokus auf Politik, Umwelt oder Technologie, vor allem Claeys (2018), S. 5ff.

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bedrohte Märchenwelt, die durch den Verlust der menschlichen Phantasie, also durch den Verlust der erzählenden Kreativität, von einem großen Nichts verschluckt wird17. Die Zerstörung der Welt ist symbolisch gleichgesetzt mit der Zerstörung des Märchens, wie Günter Grass es in der Rättin ganz wörtlich nimmt und mehrfach lyrisch verdichtet18 und damit archaisch anmutend in Form von eingebauten Gedichten oder Gesängen hervorhebt:

Da ist keine Hoffnung mehr.

Denn mit den Wäldern, Soll hier geschrieben stehen, Sterben die Märchen aus.

Abgeschnitten Krawatten kurz unterm Knoten.

Endlich, das Nichts hinter sich, treten die Männer zurück.

Doch als die See den Frauen Vineta zeigte, War es zu spät. Damroka verging,

Und Anna Koljaiczek sagte: Nu isses aus.

Ach, was soll werden, wenn nichts mehr wird!

Da träumte die Rättin mir, und ich schrieb:

Die Neue Ilsebill geht als Ratte an Land.19

Eine These, die in verschiedenen Variationen den Roman von Beginn an prägt, ist die Gleichsetzung von Natur und Kultur als gemeinsame Pfeiler der menschlichen

Geschichte. Vereinfacht ausgedrückt spielt Günter Grass mit der Idee, dass es ohne Wald keine Märchen gibt, und somit wird Umweltschutz und Kulturschutz die gleiche Angelegenheit, nur unterschiedlich ausgedrückt.

Was all diese erwähnten Dystopien deutlich von einander unterscheidet, trotz der

gemeinsamen Thematik des Untergangs oder des Rückbezugs auf das Märchen, ist vor allem, welcher Moment in der zeitgenössischen Geschichte zur Apokalypse führt. Hier

17 vgl. zum gesellschaftskritischen Märchenroman im Werk von Günter Grass und in diesem

Zusammenhang auch zum Beitrag Michael Endes zur Theorie der schöpferischen Phantasie, Baumann;

Oberle (1985), S. 250.

18 Die Wahl, lyrische Stücke in die Epik einzubauen, hat narrative Effekte zur Folge, die im Sinne der Erzähltheorie als eine metafiktionale Meditation des lyrischen Ichs wirken, also sich sprachlich über die Handlung an sich erhebt und sich signifikant abhebt. Vgl. zur Funktion des Medium Lyrik, Fludernik (2013), S. 104. Die Verbindung von Lyrik mit dem Lied ist auch hilfreich für das Verständnis der Hybridform im Roman von Günter Grass, um die archaischen Elemente seiner Erzählung deutlich zu machen, vgl. zum Lied als Kern der Lyrik, Burdorf (2015), S. 6-7.

19 Grass (2007), S. 17-18. Ilsebill ist an sich natürlich intertextuell geladen, zum einen als Märchenfigur, und zum anderen als Hauptgestalt in Der Butt. In der Rättin vollzieht sich also eine “Auferstehung” älterer Literatur, sowohl im Werk von Günter Grass selbst als auch im größeren Kontext der Literaturgeschichte.

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wird die notgedrungene Zeitgebundenheit aller Romane nur allzu deutlich. Ein Roman wird nicht von einem Propheten geschrieben, sondern von einem scharfen Beobachter der jeweiligen Gegenwart. Günter Grass und Harry Martinson, die mit dem gleichen Drohbild der Ost-West-Konfrontation aufgewachsen sind, sehen die nukleare

Zerstörung als Ausgangspunkt des Weltuntergangs an. Einige Jahre später sieht Margaret Atwood die Biotechnologie und die Computersteuerung der Gesellschaft sowie die brutale Verrohung der Jugendlichen als Triebfeder des Unterganges. Karel Čapek schreibt noch gewissermaßen naiv von einem strategisch geführten

herkömmlichen Krieg der Molche.

Die Hybridisierung der Erzählgattung ist ein direkter Effekt dieser eigenwilligen

Thematik, welche die postapokalyptische Menschheitserzählung intertextuell verbindet.

Da die Menschheitsgeschichte traditionell durch Mythos, Märchen, Metamorphose und Fabel weitergetragen wurde, ergibt sich dieses Muster fast zwangsläufig für fiktive, zukünftige Untergangsszenarien. Am Ende der Welt ist die Sprachlosigkeit, und am Anfang ist das Wort, dann das sinngebende Märchen, das die Macht über das Narrativ ergreift, wie Günter Grass in Einklang mit Margaret Atwood, Karel Čapek, Harry

Martinson und anderen Untergangsspekulanten in der Literatur feststellt: “Erneuern wird sich die alte Erde, und neue Märchen, in denen die alten wundersam überleben,

werden von Wurf zu Wurf erzählt werden”20.

In direktem Vergleich mit anderen Werken lässt sich Die Rättin zwar nicht eindeutig einer Gattung zuordnen, da Elemente von Lyrik in Montagetechnik mit dem epischen Erzählfluss verknüpft werden, und es ist ebenfalls nicht eindeutig festzulegen, welchem Genre innerhalb der Prosadichtung sie angehört, da sich die Geschichte wellenhaft von einem Erzählstrang zu einem entgegengesetzten Pol bewegt. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die Geschichte als Ganzes einem bestimmten Archetypus angehört, der in der Weltliteratur seit der Antike immer wieder gebraucht wird, um Zustände der Veränderung sprachlich zu vermitteln. Es ist eine Geschichte der Neugeburt, einer Metamorphose in der Welt, und als solche folgt sie intertextuell dicht verwoben mit anderen Werken ähnlicher Art auch ihrem unmittelbaren Vorläufer im Werk von Günter

20 Grass (2007), S. 332.

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Grass, nämlich Die Blechtrommel, die nicht ohne Grund als Bibel der jungen

Bundesrepublik und als eine Wiedergeburt des deutschen Romans bezeichnet worden ist,21 wobei die Anspielung auf Wiedergeburt und Bibel in der Blechtrommel durchaus entscheidend sind für das Verständnis der Rättin, in der Oskar Matzerath und seine Großmutter eine buchstäbliche Renaissance erleben, nur um dann in einer neu entstehenden Welt auf den Trümmern der Menschheitsgeschichte eine religiöse

Apotheose in der Rattentheologie zu erfahren. Günter Grass schließt mit der Rättin den Kreis der Blechtrommel und hebt die lokale Begebenheit der Danziger Trilogie auf eine allgemein menschliche Ebene. Wie bei Günter Grass die literarische Kreisbewegung oder der Krebsgang oder das Häuten von Zwiebeln zu Metaphern für die immer wieder neu entstehenden Metamorphosen des unsterblichen menschlichen Dichtungswillens werden, ist allein schon durch die Wahl seiner Werktitel verbürgt. “Das hört nicht auf.

Nie hört das auf”,22 in den Schluss-Reflektionen von Im Krebsgang summiert sich die Symmetrie von Anfängen und (Un)Vollendungen symbolisch. In der Rättin kommt die Verführung und der Ekel hinzu, spielt sie doch auf die Macht der Kunst, Menschen ins Verderben zu locken, wie dies beispielhaft in Hameln geschah.

2.1.2 Erzählebenen und Erzähltechniken - Wer hat hier eigentlich das Sagen, und wann und wo befindet sich dieses “Wer”?

Will man sich Die Rättin ohne Vorkenntnisse des erzähltechnischen Repertoires nähern, welches Günter Grass von Werk zu Werk immer weiter ausbaut, so wird sie unweigerlich verwirrend wirken und dunkle Passagen enthalten, da deren Sinn nur metatextuell erschließbar ist. Nicht nur baut Die Rättin, wie im Weiteren eingehend gezeigt werden wird, auf eine tiefgreifende Kenntnis der Literaturgeschichte an sich auf, sondern sie ist auch verflochten mit dem früheren Werk von Günter Grass selbst, und nicht zuletzt mit seiner originellen Art, Erzählstimmen in polyphoner Disharmonie gegeneinander ausspielen zu wollen, wobei er als fiktiver Autor selbst in Streit mit

21 vgl. Richter (2019), Seiten 406-407.

22 Grass (2015), S. 216.

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seinen Figuren und in Konflikt mit seinen Handlungssträngen gerät. Die Rättin ist alles andere als eine einfache Abenteuererzählung im Genre des Science Fiction, auch wenn sie Elemente davon aufgreift und umdeutet. Günter Grass selbst sieht die Bruchstellen in der Erzählstruktur als ein Produkt des Streitgespräches zwischen dem Erzähler- Autor, der die Mediengeschichte als Literaturgeschichte verteidigt, und der Rättin, die eine posthumane Zeit vertritt und die Menschheit aus der Retrospektive betrachtet.

Diese Dichotomie führt Grass in einem eindringlichen Gespräch über Die Rättin eloquent vor:

Er ist der Unterlegene. Das geht in die Verantwortung des Autors hinein. Mir sind für die menschliche Position der erzählenden Ratte gegenüber die Argumente ausgegangen. Sie ist, leider muss ich sagen, überzeugender. Die menschliche Erzählposition vermag noch eine Zeitlang durch Geschichtenerzählen menschliche Existenz zu beweisen. Aber was das

eigentliche Tun, die Tätigkeit der Menschen gegen das katastrophale Gefälle bedeutet, da gehen ihr die Argumente aus.23

In diesem Paradoxon, dass der Menschheit erzählend die Argumente für ihre eigene Existenz ausgeht, entwickelt sich die Komplexität der Struktur der Rättin folgerichtig ohne chronologische und narratologische Einheitlichkeit. In erster Linie bricht sie mit allen Konventionen der Zeit-Raum-Struktur einer geschlossenen und homodiegetischen Handlung, und zwar ganz bewusst, um den Leser immer wieder wachzurütteln24. Der Mensch kann sich seinen eigenen Untergang ja nur literarisch vorstellen, denn wenn die Welt einmal untergegangen ist, geht auch die Geschichtensammlung, der menschliche Fortsetzungsroman sozusagen, für immer verloren. Daher ergibt sich die paradoxale Erzählstruktur einer posthumanen Schilderung von selbst, und Günter Grass lässt die Absurdität an die Oberfläche treten, wenn er zwischen seinem fiktiven Selbst, seiner erfundenen oder geträumten (oder erfindenden und träumenden) Rättin und seinem eigensinnigen und bockigen Helden Oskar ein Spannungsfeld aufbaut, das nur dann gedanklich funktioniert, wenn Existenz mit Erzähltwerden gleichgesetzt wird. Frappant zeigt sich dies in der Passage, in der Oskar nach dem atomaren Aus weiterlebt, weil

23 Grass (2019), S. 404.

24 vgl. zu diesem Anspruch Günter Grass’, der vor allem in der Rättin deutlich wird, Neuhaus (2010), S.

30-31.

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das ”Ich”, also Grass’ fiktives Alter Ego, ihm einfach nicht sagt, dass es ihn nicht mehr gibt:

Natürlich sage ich unserem Herrn Matzerath nicht, dass es ihn nicht mehr gibt; soll er doch weiter so tun, als ob er Chef ist. Andere - und ich selbst - glauben ja auch, dass es weitergeht

irgendwie. Deshalb muss er nicht wissen, wie es tatsächlich in der Kaschubei aussieht. Schlimm genug, dass er mit einem Katheter heimgekehrt ist.

Also reden wir über >>Grimms Wälder<< und über die Falschen Fuffziger, als mit Malskat im Gerüst alle Fälschungen hoch im Kurs standen. Neinnein! Nie darf es ihm zu Ohren kommen, dass es ihn, winzig und mumienhaft, einzig als Altarschmuck noch gibt, den Ratten zur Andacht dienlich; denn alle Ärzte sagen: Keine Aufregungen! Unser Herr Matzerath muss geschont werden.25

Es ist ein Akt brillanter Komödie, aber auch des völligen Widersinns im logischen

Aufbau dieser Sequenz, in der Oskar nicht erfahren darf, dass er nicht überlebt hat, weil er wegen Prostataproblemen, die ihm Günter Grass erst nach seiner nuklear-

apokalyptisch bedingten Mumifizierung angedichtet hat, auf Anraten von Ärzten geschont werden muss. Es bleibt für den Leser unklar, ob die explizite Metafiktion dieser Szene die Fiktionalität offenlegt und deutlich als Montage hervorhebt oder aber die Rezeption der Handlung zusätzlich mit der unmöglichen Doppelhaltung verdunkelt.26 Die Unmöglichkeit der Situation entspricht der Unmöglichkeit des posthumanen

Erzählens, und damit bekräftigt Günter Grass seine These von dem vitalen

Zusammenhang zwischen Menschheit, Natur und Märchen. Die Stelle hat ohnehin eine Märchenstruktur, bei der man Günter Grass als die Fee sehen kann, welche den Fluch einer anderen Fee (wie etwa im Fall von Dornröschen) nicht wegnehmen, sondern nur mildern kann. Hundert Jahre Schlaf statt Tod wird im modernen Märchen zu

Prostataleiden statt Mumifizierung. Seine eigene Erzählerstimme, sowie die ihm träumende Rättin und auch Oskar in seiner Funktion als Diskussionspartner mit dem übergeordneten Autor-Erzähler gehen alle drei weit über die konventionelle Rolle des unzuverlässigen Erzählers in der traditionellen Erzähltheorie hinaus.27 Sie lügen nicht

25 Grass (2007), S. 364-365.

26vgl. die Definition von “Metafiktion” im Metzler Lexikon Literatur, wo die offene Zurschaustellung des fiktionalen Gerüsts hervorgehoben wird (S. 493), und nicht wie im Fall von Günter Grass’ Rättin die Verschleierung der Erzählerbefugnisse im Zentrum steht.

27 Diese Unzuverlässigkeit wird traditionell oft etwa durch Ironie hergestellt, sodass sich ein Pakt zwischen Autor und Leser bildet, der über den Kopf des unzuverlässigen Erzählers hinweg für

Erkenntnisgewinn sorgt, vgl. hierzu zum Beispiel Martínez; Scheffel (2012), S. 104-105. Bei Günter Grass

(18)

einfach oder fälschen Fakten (wie etwa Adenauer oder Ulbricht im Gegensatz zu Malskat im extradiegetischen Handlungsstrang der 1950er-Jahre, der sich von den hypodiegetischen Handlungen der anderen Figuren deutlich abhebt - sozusagen als

“reales” Referenzmaterial zur dystopischen Märchenhandlung28), sie schildern

waschechte Absurditäten, doch nach bestem Wissen und Gewissen wahrheitsgemäß.

Ähnlich unorthodox verhält sich Günter Grass zur Erzählzeit und Chronologie in seinem Roman, wie auch an dem oben zitierten Intermezzo mit dem literarisch auferstandenen Oskar deutlich wird. Nicht nur die Erzählerstimme selbst ist uneindeutig, sondern die Zeit und der Ort unterliegen auch einer Unschärfe, die nicht nur auf Verschachtelungen, Raffungen und Auslassungen in der Erzähltechnik zurückzuführen sind,29 sondern auch auf objektive Widersprüche in parallelen Handlungssträngen, welche sich gegenseitig ausschließen. Wenn das “Ich” in einer posthumanen Zeit in einer Raumkapsel

umherkreist und sich die Geschichte der Ratten nach dem großen Knall von der Rättin träumen lässt, aber gleichzeitig noch die Macht der Veränderung des Geschehens besitzt (wie im Fall von Oskar deutlich wird, der durch seinen Willen lebendig - mit Prostataproblemen - ist), dann entstehen parallele fiktive Universen, die der Leser gleichzeitig akzeptieren muss.

In der Hierarchie der Erzählung steht innerhalb der Binnenhandlung der Rättin also die Rättin selbst über dem “Ich”, das ihre Geschichte von außen als Gast betrachten und kommentieren darf, wobei das “Ich” eifrig versucht, seine eigene fiktive Welt vor dem Untergang zu schützen, indem er seinen Charakteren zu Hilfe kommt. Diese Handlung spielt in einer dystopischen posthumanen Zukunft. Auf der anderen Seite muss der Leser die logische Fraktur ertragen, dass die Rättin auch in der (fiktiven) Gegenwart des auf der Erde verankerten Autor-Ichs existiert und in den ersten Zeilen des Buches bereits als Muse und Inspiration eingeführt wird, also als Appendix des Erzählers:

Auf Weihnachten wünschte ich eine Ratte mir, hoffte ich doch auf Reizwörter für ein Gedicht, das von der Erziehung des Menschengeschlechts handelt. Eigentlich wollte ich über die See, meine

wird der Pakt immer wieder neu definiert, und Autor, Erzähler und Charaktere verschiedener narrativer Ebenen streiten um die Macht der Glaubwürdigkeit.

28 Zur narratologischen Sonderstellung der Malskatgeschichte, vgl. vor allem Gobyn (2016), S. 197ff.

29 Zu verschiedenen Techniken der Ordnungswidrigkeit der Raum-Zeit-Achse im postmodernen Roman, vgl. unter anderem Vogt (2008), S. 120-121.

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baltische Pfütze schreiben; aber das Tier gewann. Mein Wunsch wurde erfüllt. Unter dem Christbaum überraschte die Ratte mich.30

Selbst die sprachliche Spielerei mit Syntax und Semantik der einleitenden Sätze wird zum Symbol für die inhaltliche Botschaft der postmodernen Ästhetik, die sich nach Allkemper und Eke als “labyrinthische Kombination verschiedener, einander

wechselseitig spiegelnder Elemente” verstehen lässt31. Sowohl konkret als auch im übertragenen Sinne kann man in Günter Grass’ postmoderner Montagetechnik innerhalb der Erzählstruktur eine Parallele zur Medienvielfalt und zum Pluralismus im weiteren Sinne sehen, wobei das moderne Kunstwerk “in einem Prozess zwischen Materialien” entstehe, wie Ruffing es formuliert.32 Im weiteren Verlauf der Studie wird eingehend auf Günter Grass’ Intertextualität und Intermedialität als Grundprinzip allen Schaffens eingegangen, aber bereits im kurzen Anriss der narrativen Gegebenheiten in der Rättin lässt sich ahnen, dass das Verschachteln von widersprüchlichen Stoffen und Stimmen ästhetisches Programm ist. Der Roman sucht seine Stimme in der Polyphonie, nicht in der aufgeklärten, aufklärenden und aufklärerischen Vernunft früherer Zeiten, auch wenn Günter Grass selbst in seinen einleitenden Sätzen in intertextueller

Referenz zur deutschen Aufklärung die Andeutung macht, er wolle über “die Erziehung des Menschengeschlecht”33 schreiben. Typisch jedoch ist, dass die Ratte gewinnt und der Wunsch des Erzählers in Erfüllung geht, gegen seinen rationalen Willen sozusagen.

Die Narratologie in Günter Grass’ Werk beugt sich dem Diktat der Multimodalität und der Polyfokalität als einzig existierende Zeit- und Raumform.

Von dieser Prämisse ausgehend, lässt sich das Handlungs- und Personenregister erschließen, wenn auch nicht vollends verstehen.

30 Grass (2007), S. 7.

31 vgl. Allkemper; Eke (2018), S. 282. Dazu über Grammatik als Träger von inhaltlicher Appellfunktion, etwa in der Umkehrung der Syntax oder der Wiederholung, Betonung oder Spiegelung von Satzteilen, vgl. Ernst (2011), S.38ff.

32 vgl. Ruffing (2013), S. 245.

33 Grass (2007), S. 7.

(20)

2.1.3 Inhalt und Personenregister

Obwohl Günter Grass seinen Roman nicht nur in der Form, sondern auch im Inhalt und im umfangreichen Personenregister üppig ausufern lässt, kann er gelegentlich

erstaunlich präzise die vielschichtigen Charaktere und den komplexen Inhalt in wenigen Paragraphen zusammenfassend Revue passieren lassen. So lässt er zu Beginn des Romans den Autor-Erzähler, den er als sein eigenes Alter Ego verwendet, mit der erfundenen Weihnachtsratte, der titelgebenden Protagonistin, diskutieren, ob es sinnvoll ist, die altbekannte Grass-Schöpfung Oskar Matzerath in das Geschehen

einzubeziehen. Mit einem kurzen Zuruf ist der kreative Akt vollzogen und ein gealterter Vororts-Oskar, auf Wunsch der Rättin bescheidener als in früheren Erzählungen, betritt die Bühne. Damit ist das Hauptpersonen-Trio komplett: der fiktive Günter Grass als Schöpfer und Verhandlungspartner seiner eigenen Gestalten, wobei die Ratte in Bezug auf Oskar eine höhere und aktivere Existenzform hat, da sie über seine Existenz

mitentscheiden kann. Allerdings wird Oskar auch mit großen Freiheiten ausgestattet, und ihm werden gleich in den ersten Zeilen seiner literarischen Renaissance

entscheidende Fragen gestellt, die den Themenkomplex seines fiktiven, aber durchaus realistischen Kosmos betreffen:

>>Was, Oskar, halten Sie vom Waldsterben übrigens? Wie schätzen sie die Gefahr drohender Verquallung für die westliche Ostsee ein? Wo, genau lokalisiert, vermuten sie die versunkene Stadt Vineta? Sind Sie schon mal in Hameln gewesen? Meinen etwa auch Sie, dass es demnächst zu Ende geht?<<34

Waldsterben, Umweltverschmutzung, die mythische Stadt Vineta, das Märchen vom Rattenfänger in Hameln, der Weltuntergang: in einigen gezielten Fragen hat Grass die Makrostruktur des Romans offenbart, um die sich die verschiedenen Handlungen und Ideen gruppieren. Zusammen mit den unterschiedlichen Figuren bilden sie Motive, die in Variationen, ähnlich musikalischer Kompositionen, immer wieder auftreten, bis sie am

34 Grass (2007), S. 29.

(21)

Ende in einem Feuerwerk der verschmolzenen Handlungsstränge zusammenkommen und als Gesamtkunstwerk zusammengefügt werden, über die Grenzen der

erzähltechnischen Logik und der Chronologie hinweg, und auf und auf Kosten der homogenen Figurentwicklung.

2.2 Existenz und Erzählen

Wie bereits mehrfach angedeutet, hat Günter Grass eine nicht zu leugnende Affinität zu anderen Autoren, die sich ebenfalls mit der komplexen Frage der Menschheit im

Zeitalter ihrer technologisch bedingten Zerstörbarkeit beschäftigen. Es stellt sich aber die Frage, wie man eine Geschichte über die Zukunft ohne Menschen erzählt, wenn Menschheit mit Geschichtenerzählen gleichgesetzt wird. Das Problem ist, eine

Geschichte zu erzählen für die Zukunft ohne Bücher, in der es keine Leser mehr gibt, in der man somit eine Zeugenschaft des Unterganges inszenieren muss. Erzählerisch muss die Botschaft vermittelt werden, dass der Mensch verstummen wird. Dieses Paradoxon der “sprechenden Stummheit” hatte unmittelbare Brisanz in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, als mit dem Holocaust auf der einen Seite und der Atombombe auf der anderen die schier unglaubliche Zerstörungswut der Menschheit unleugbar geworden war und jedem Schriftsteller als Referenzrahmen aufgezwungen wurde.

Günter Grass erlebte seine Prägung als junger kunstschaffender Mensch zu dieser Zeit, als im unmittelbaren Nachkriegseuropa die Debatte zwischen Jean-Paul Sartre und Albert Camus über die “engagierte Literatur” entflammte, während in Deutschland der Dichter Gottfried Benn in einer Aktion der Rechtfertigung der eigenen Haltung für ein l’art pour l’art ohne politische Bedeutung propagierte. Günter Grass landete in diesem Streit aufgrund seiner Neigung und Persönlichkeit in der Gedankenwelt von Albert Camus, dessen Texte zur Absurdität der menschlichen Existenz nachhaltig auf Günter Grass’ Idee von Literatur und Politik wirkte. Sich einer Heilsidee und einem

Sendungsbewusstsein zu verschreiben, wie es Sartre wünschte, oder sich dem gesellschaftlichen Wandel in überheblicher Künstlerhybris zu entziehen, wie sich

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Gottfried Benn die Nachkriegsliteratur vorstellte, lag Günter Grass gleichermaßen fern.35 Beschreibend zum Diskurs beitragen, als glücklicher Sisyphos den Stein schleppen und rollen lassen, das war sein künstlerisches Credo, dem er durch die Jahrzehnte treu blieb. Dieses Credo - die politische Botschaft ohne Belehrung - manifestiert sich in all seinen Werken.

Im Folgenden wird zu betrachten sein, wie die oben bereits genannte Grass’sche Vergegenkunft, die Verschmelzung der Zeiten zu einem Kontinuum der Gleichzeitigkeit in der Form paralleler Geschichten, in verschiedenen Werken zum gleichen Ergebnis kommen, nämlich zu einem Postulat der Literatur als Beweis für Existenz in einer sinnlos gewordenen Wirklichkeit. René Descartes’ Cogito ergo sum ist in einem Zeitalter grenzenloser Unvernunft zwar nicht mehr denkbar, aber ein

Hoffnungsschimmer der fernen Aufklärung bleibt bestehen in der Umwandlung von Denken zum Erzählen als Existenzbeweis: Narro ergo sum, wobei die Polyphonie von Grass’ Romanrepertoire sowohl nach Plural als auch nach verschiedenen Tempora verlangt: Narramus, narrabamus, narrabimus, ergo sumus, und schon hört es sich wie eine blechgetrommelte Formel an.

2.2.1 Mythologie und Zukunft

Margaret Atwood lässt in ihrem Roman MaddAddam die Menschen einer

hochtechnologischen, genmanipulativ veränderten und brutalen Welt untergehen, mit einigen wenigen Ausnahmen, die das Arche-Noah-Motiv der Dystopie vertreten. Zurück bleiben, ganz wie bei Günter Grass’ Rättin, Tiere und neue menschenähnliche

Mutationen, die sich daran machen, eine neue Schöpfungsgeschichte im Sinne biblischer Ursprungsmythen zu entwerfen, basierend auf den übriggebliebenen

Fragmenten menschlicher Geschichte und Mythologie. Dass dies nicht ohne Gefahr der Gewalt passieren kann, ist ohne Zweifel, wie Toby, eine der letzten Menschen auf der

35 vgl. zum literarischen Spannungsfeld um Jean-Paul Sartre, Albert Camus und Gottfried Benn in den 1950er Jahren, Stallbaum (1997), S. 33-43.

(23)

Erde, feststellt, nachdem sie der neuen, noch gewaltfrei lebenden hominiden Spezies die Faszination von Lesen und Schreiben gezeigt hat:

Now what have I done? She thinks. What can of worms have I opened? They’re so quick, these children: they’ll pick this up and transmit it to all the others.

What comes next? Rules, dogmas, laws? The Testament of Crake? How soon before there are ancient texts they feel they have to obey but have forgotten how to interpret? Have I ruined them?36

Wird die Entwicklung der Schrift oft mit der Wiege der Kultur gleichgesetzt, so sind Lesen, Schreiben und Deuten auch der Ursprung unendlicher blutiger Konflikte über die Interpretation der schriftlichen Erzählungen, wie allein an der Bibel als Ausgangspunkt für Gewalttaten unschwer nachzuvollziehen ist. In der Vieldeutigkeit und im

Fazettenreichtum von erzählten Geschichten liegen die Wurzeln sowohl von

menschlicher Kultur als auch von Gewaltbereitschaft. Toby in Margaret Atwoods Roman behält natürlich recht, sie hat eine Pandorabüchse geöffnet. Nachdem sie selbst die Möglichkeit verloren hat, die Geschichte weiter zu erzählen, greifen die stärksten Persönlichkeiten unter den Crakern zu Wort und zum Ritual und spinnen die Mythen weiter, um sich selbst zu feiern und zur Menschwerdung beizutragen, auch wenn die Rituale, die sie übernehmen, abstoßend und unlogisch wirken und für den Leser als sinnlose Handlungen ohne objektive Bedeutung deutlich werden, die einfach willkürlich kopiert sind: „First the bad things, then the story”37. Genau diese Haltung nehmen die posthumanen Ratten und die Watsoncricks, die Rattenmenschen oder Menschenratten in Die Rättin ein (je nach Perspektive sind sie mehr Ratte oder mehr Mensch, auch rein sprachlich). Sie haben dogmatische Auseinandersetzungen, sind in Religionskriege verwickelt, und sie verfeinern ihre Sprache mit ihrer Kultur. Sie werden spitzfindiger und spitzfindiger, wie sie dem einsamen Beobachter in der Raumkapsel, also Günter Grass’

Alter Ego, zu erzählen wissen:

Ach wie gut, Herrchen, rief die Rättin, dass uns alle, seitdem wir Ackerbau betreiben und allesamt nicht mehr das Tageslicht scheuen, eine Lautverschiebung eint. Unsere Sprache gleicht sich den neuen Tätigkeiten und Gewohnheiten an. Sag, Lieberchen, fällt dir nicht auf, dass wir neuerdings weicher, gaumiger sprechen? Kein Fisteln, kein Gezischel mehr.38

36 Atwood (2013), S. 204.

37 Atwood (2013), S. 358.

38 Grass (2007), S. 369.

(24)

Wem die Sprache gehört, dem gehört die Welt. Das ist für Fabeln und Dystopien seit Čapek und Orwell die Norm, und die Ratten oder Craker tun das, was auch die

Schweine in Animal Farm zur Meisterschaft bringen: sie stellen die Regeln und Dogmen auf, die sie zu Herrschern der Erde machen, nämlich zu Menschen. In principio erat verbum, wie es in der Bibel heißt - zusammen mit Homers Epen unbestreitbar der mythologische Ursprung abendländischer Kultur. Mit der Eroberung der Sprache vollzieht sich die Ungleichheitsentwicklung per Automatik. „All animals are equal” wird ergänzt durch „but some animals are more equal than others”39. Die Tiere, welche die Schrift beherrschen, lernen aufrecht zu gehen, aber auch, für die Deutungshoheit der eigenen Mythen zu kämpfen.

In Die Rättin schließt sich der Kreis der biblisch-christlichen Reflektion in der

Blechtrommel, in der die Jesus-Referenzen in Bezug auf Oskar Matzerath schon fast überdeutlich zum Vorschein kommen, wie Neuhaus es formuliert.40 Mit der

Auferstehung nach dem Tod durch einen Atomschlag (durch den Willen des Gott spielenden Autors) und der Apotheose in der folgenden schönen, neuen Rattenwelt vollzieht sich die mythologische Schöpfungsgeschichte bis hin zur neuen Ära mitsamt neuer Religion, die auf der alten aufbaut und somit bereits einen neuen Krebsgang vorausahnen lässt: „Das hört nicht auf. Nie hört das auf”41. In MaddAddam entsteht am Ende der Menschheitsgeschichte The Book of Toby, ein unschwer zu deutender

Übergang von Altem (menschlichen) Testament zum Neuen (crakerischen) Testament.

Wurde Günter Grass’ Beschäftigung mit Geschichte metaphorisch sinnvoll mit einem Tauchgang in die tiefen Gewässer der Vergangenheit verglichen,42 so ergänzt sich diese Sichtweise bis zur Perfektion in der Idee vom kosmischen Exil des

postapokalyptischen Autors in der Raumkapsel in der Rättin. Von der Unterwelt in das Universum und zurück zum Schreibtisch, geht die Reise durch das Märchen,

symbolisch betrachtet, wobei der Weitblick der Raumkapsel teuer bezahlt wird durch die

39 Orwell (2000), S. 63.

40 vgl. Neuhaus (2010), S. 80.

41 Grass (2015), S. 216.

42 Schnell (2013), S. 612.

(25)

Machtlosigkeit und den kleinen Lebensraum, der an die Behausung eines

schriftstellerischen Flaschengeistes denken lässt. Die posthumane Rättin bleibt als ein Symbol des Ewigweiblichen erhalten,43 dem urmythischen Konzept der Erneuerung in der fruchtbaren Veränderung entsprechend. Harry Martinson drückt die Problematik der vom Untergang “geretteten” Erzählung im Raumschiff in seiner unvergleichlichen

poetischen Sprache aus und fasst den Kosmos von Günter Grass dabei sinngemäß zusammen:

Försök till räddning genom tankeflykt och överglidningar från dröm till dröm blev ofta vår metod.

Med ena benet dränkt i känslosvall det andra med sitt stöd i känslodöd vi ofta stod.

Jag frågade mig själv men glömde svara.

Jag drömde mig ett liv men glömde vara.

Jag reste alltet runt men glömde fara - ty jag satt fånge här i Aniara.44

Erzählen wird zum Katalysator für die angestaute Trauer über die selbstverschuldete Zerstörung des Paradieses, und gleichzeitig erlaubt das Erzählen die Hoffnung auf neue Gärten Eden, wohl wissend, dass Utopia buchstäblich und etymologisch kein Ort ist, während Dystopia durchaus existiert. Mit dem Hinweis auf diese Absurdität wird im Roman Politik gemacht, ohne einem Programm unterworfen zu sein im Sinne von Jean- Paul Sartre oder Gottfried Benn.45

Dass die politisch-existentielle Auseinandersetzung mit der gescheiterten Menschheit in der sprachlichen und narrativen Form der Bibeladaptation stattfindet, ist für den

Atheisten Günter Grass kein Widerspruch. Die biblische Mythologie lebt ohne

metaphysische Verankerung im Alltagsdenken der Menschen weiter, auch wenn das Fundament des Glaubens verloren ist, und dies gilt in höchstem Maße für den

43 Zur Position der Rättin in der Darstellung von Weiblichkeit im Werk von Günter Grass, vgl. Garde (1997), S. 108-109.

44 Martinson (1974), S. 36.

45 Zum Weg von Günter Grass in die Welt der aktiven Politik, vgl. Arker (1997), S. 47ff, vor allem zur Voraussetzung, dass die anti-konservative Politik der SPD entideologisiert und vom Dogma des

Marxismus gelöst werde, welches Sartre in literarischer Geiselhaft hielt. Günter Grass konnte nur aktiv für demokratische, freiheitliche Werte eintreten, die sich zwischen den extremen Polen der Nachkriegspolitik befand.

(26)

katholisch geprägten Günter Grass, dessen Austritt aus der Kirche ethisch begründet wurde.46 Es ist ja nicht ohne Ironie, dass der Erzähler-Grass, wie oben erwähnt, seine Jesus-Gestalt Oskar einer Atombombe zum Opfer fallen lässt, nur um ihm dann “ewiges Leben” vorzutäuschen. Oskar lebt ganz gut in dem Glauben, dass er nicht gestorben ist, sondern nur Probleme mit der Prostata hat, und so verhält es sich in etwa mit Günter Grass’ Verwendung christlicher Ikonographie und Narrative, um sein Weltbild und seine aufklärerische Botschaft literarisch zu vermitteln: persönlicher Atheismus ist eine

Bagatelle in Bezug auf die erzählerische Sprengkraft der Mythen.47

2.2.2 Politik und Literatur

Wird die Mythologie benutzt, um allgemeine Muster menschlicher Geschichte erzählend zu zeigen, so ist die Botschaft dieser bewussten Wahl der Erzählstrategie in der

Gesellschaftskritik und der Politik verankert, wie oben bereits angedeutet wurde. Jede Dystopie setzt ihre Gegenwart voraus und wird als Erzählform deswegen interessant, weil sie auf leicht erkennbare Probleme der jeweiligen Zeitgenossen hinweist. In diesem Punkt unterscheiden sich Zukunftserzählungen entscheidend voneinander, obwohl sie die gleichen mythisch geprägten Muster verwenden. Welche Schreckensszenarien sich ein Autor vorstellt, liegt letzten Endes in der ureigensten individuellen Angst begründet, wie George Orwell es so deutlich in der Folterszene in 1984 zeigt, in der Winston Smith mit seinem schlimmsten persönlichen Alptraum konfrontiert wird, ironischerweise mit den Ratten, die Günter Grass zur Inspiration dienen, um seine eigene Horrorvision in Romanform zu fassen, wie sich zeigen wird:

The worst thing in the world,' said O'Brien, 'varies from individual to individual. It may be burial alive, or death by fire, or by drowning, or by impalement, or fifty other deaths. There are cases where it is some quite trivial thing, not even fatal.'

[...]

'In your case,' said O'Brien, 'the worst thing in the world happens to be rats.48

46 Zur ambivalenten Einstellung von Günter Grass in Bezug auf die Kirche und seine Begründung für den Austritt, vgl. Jarosz-Sienkiewicz (2007), S. 101.

47 Zur Bibel im Werk von Günter Grass, vgl. Neuhaus (1997), S. 110-121.

48 Orwell (2013), S. 326.

(27)

Die Angst, die George Orwell dazu treibt, seine Fabeln und Dystopien zu schreiben, basiert ähnlich wie Karel Čapeks Zwischenkriegsdystopie Krieg mit den Salamandern (1936) hauptsächlich auf den brutalen Erfahrungen der ersten Hälfte des 20.

Jahrhunderts. Für spätere Dystopien, angefangen mit Aniara (1956) über The

Handmaid’s Tale (1985) und Die Rättin (1986) bis hin zu den Büchern unserer Zeit wie Never Let Me Go (2005) oder MaddAddam (2013) ist es die biologische,

umwelttechnologische oder nukleare Zerstörungsmöglichkeit der Menschheit, die zum Ausgangspunkt der Erzählung wird, wobei Die Rättin, in den 1980er Jahren

geschrieben, bereits zukunftsweisende Probleme aufgreift, wenn das Waldsterben und die allgemeine Umweltverschmutzung als alternatives Untergangsszenario zum

mittlerweile “herkömmlichen” nuklearen Aus dienen kann. Margaret Atwoods

MaddAddam oder Kazuo Ishiguros Never Let Me Go gehen einen Schritt weiter, und schauen auf die Biotechnologie, die Genmanipulation und auf Cloning als mögliche apokalyptische Reiter. Der Mensch in seiner technischen Modifizierbarkeit könnte die Paraphrase im Sinne Walter Benjamins lauten.

All diese Szenarien, angefangen mit der Konsumkritik in Aldous Huxleys Brave New World, spiegeln natürlich die Tagespolitik der jeweiligen Zeit, und variieren

entsprechend. Margaret Atwoods The Handmaid’s Tale mit dem neobiblischen Konservatismus als Kern ist parallel zur Rättin in den 1980er Jahren entstanden

(publiziert 1985), als diese Art des Krebsganges frauenrechtlicher Fragen vorhersehbar wurden. Es ist kein Zufall, dass dieser Roman über die Jahre als “prophetisch”

betrachtet worden ist, in gleichem Maße wie man Die Rättin als prophetischer Umweltroman oder Never Let Me Go (2005) als Vorbote der Ära der Diskussion um Genmanipulation und Cloning sehen kann. Ironischerweise scheinen Autoren von Weltrang oft die Position der sprichwörtlichen Ratten auf einem sinkenden Schiff einzunehmen, sie wittern die Gefahr lange bevor die Menschen sich ihrer

bewusstwerden.

Die prophetische Kraft der preisgekrönten Schriftsteller liegt allerdings nicht im

Seherischen, sondern in der genauen Wirklichkeitsbeobachtung. Wo Geschichte sich bestätigt, wird von Prophetismus gesprochen, und wo sie obsolet geworden ist, entlarvt

(28)

sich die Erzählung als zeitgebunden. In Die Rättin sind es vor allem die Anspielungen auf das getrennte Deutschland, die ins Auge fallen. In Margaret Atwoods und Kazuo Ishiguros Werken der hochtechnologischen Zukunftsdystopien fehlen die wirksamsten Zutaten modernen Lebens - die Smartphones und die sozialen Medien - so gänzlich, dass dem späteren Leser durch die Lücke in der Illusion deutlich wird, dass es sich um eine spekulative Projektionsfläche handelt, ähnlich der apokalyptischen Visionen in der Bibel. Sie basieren auf dem Stand der Dinge zur Zeit des Schreibens, und beinhalten entsprechend all die notgedrungenen Fehleinschätzungen.

So ist es fast nostalgisch wirksam, wenn Günter Grass die Märchenfiguren gegen das Waldsterben revoltieren lässt, und dabei im Sinne der politischen Lage um 1986 schreibt: “Bonn ist ohne Regierung. Wir, die Märchen, haben die Macht ergriffen!”49 Märchen haben wir noch, aber Bonn ist seit langem ohne Regierung, ohne dass deswegen Deutschland als Staat untergegangen wäre.

Es ist in der Tat ein spannendes und ambivalentes, dunkles und helles, gutes und böses Märchen, das sich in den Jahren nach der Entstehung der Rättin in der

Wirklichkeit abspielt, und Günter Grass wird um den Teil deutscher Geschichte seinen eigenen intertextuell angeregten Erzählfaden spinnen, aber das ist ein anderes, ein allzu weites Feld für diese Studie. Weder Günter Grass in der Raumkapsel, noch die träumende Ratte der Zukunft ahnten um 1986, dass ihre zeitgenössischen

Zukunftsträume bald redundant sein würden. Vergegenkunft ist ein Krebsgang, und Politik holt Literatur auf die gleiche Art ein, wie Literatur Politik einholt. Es bleibt aber symptomatisch für Günter Grass’ Verhältnis zur Politik, dass er sich nach der Wende, sozusagen in der Rolle der träumenden Ratte, in die Debatte um ein wiedervereintes, starkes Deutschland einmischt und Argumente gegen die Einheit vorbringt, die in der Gedankenwelt Theodor Adornos begründet sind, dass sich nach Auschwitz kein unkompliziertes und einheitliches Verhältnis zu einem starken und homogenen Deutschland aufbauen lässt. Günter Grass als politischer Mensch ist immer Sand im Getriebe, immer der Nörgler, der alle kleinen Schönheitsfehler der begeisterten Idealisten aufgedeckt und die romantische Euphorie durch treffende Satire zunichte

49 Grass (2007), S. 336.

(29)

macht. Dies gilt für das Drama um Ein weites Feld, aber auch für seine Grundhaltung in Die Rättin. Es gibt keine (Er)Lösung, nur verschiedene, ineinander verschlungene Handlungsstränge, die Jetzt, Gestern und Morgen zu einem komplexen Ganzen verschmelzen. Wo Idealisten am Werk sind, egal ob sie religiös oder politisch geneigt sind, kann das “Ungeheure” passieren.50

Für Günter Grass ist Literatur, vor allem die Art von mythologisch verankerter

“Warnliteratur”, wie sie Die Rättin verkörpert, durchaus politisch gemeint, auch wenn er sich gegen die Idee eines “Lehrstücks” wehrt. Im Gespräch über Die Rättin sagt er explizit hierzu:

Und viele andere Tendenzen und Informationen, die uns von dem Selbstzerstörungsprozess, von dem stattfindenden Selbstzerstörungsprozess Bericht geben, sind Nachrichten unter anderen. Es ist ein bewusstloser Zustand, ein Zustand der Verdrängung. Wenn Literatur dazu beitragen kann, das noch einmal und anhaltend ins Bewusstsein zu rufen, ist das eine Funktion, die ich bejahe.51

Dass die Warnliteratur gleichzeitig Satire wird, ist durchaus gewollt und ein Stilmittel, um die Schärfe der Sprache mit der Schärfe der Situation in Zusammenhang zu bringen, genauso wie die verhedderten Erzählstränge die verschiedenen parallel

laufenden Selbstzerstörungsprozesse spiegeln52. Wenn die Menschheit nur ein einziges (und noch dazu lösbares) Problem hätte, dann wäre Literatur kaum notwendig. Es ist die komplexe condition humaine, zu einer condition planétaire erweitert, die Günter Grass’ Schreiben diktiert. Die didaktische Funktion von Erzählen wird parallel gesetzt mit Immanuel Kants aufklärerischem Aufruf, dass die Menschen sich aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit befreien sollen. Diese philosophische Frage ist im atomaren Zeitalter ein Politikum geworden, die Grundlage für menschliche Existenz überhaupt, nicht nur als autonome, denkende Geschöpfe. In diesem Sinne ist Günter Grass ein politischer Schriftsteller.

Wenn er seine Revolution der Märchen für den Erhalt der Wälder - und damit der Natur und Kultur der Menschen - inszeniert, so ist das kein Akt des Gesellschaftsumsturzes im Sinne marxistischer Ideen von Revolution als Lokomotive der Geschichte, sondern

50 vgl. zur politischen Haltung von Günter Grass, Baier (1997), S. 122-130.

51 Grass (2019), S. 402.

52 Zur Rättin als Warnliteratur, vgl. Mayer (1997), S. 82-83.

(30)

er ist vielmehr im Einklang mit Walter Benjamins Vorstellung, dass Revolutionen von Menschen ausgelöst werden, die im fahrenden Zug die Notbremse ziehen.53 Genau dies tun die Märchenfiguren, erfolglos allerdings, und von Grass in diabolischer,

intertextuell geladener Satire inszeniert als quixotischer Kampf gegen die Windmühlen.

Die Räumfahrzeuge werden buchstäblich zu Drachen:

Wie nebenbei wird das Knusperhäuschen zerstört. Überall liegen zermanscht, geborsten, entzwei, in Stücken: der Zauberspiegel und Rumpelstilzchens Bein, die Zwergenmützen, des Wolfes geplatzter Reißverschlussbauch und Rotkäppchens Kappe. Verstümmelt des Mädchens Hände, Schneewittchens Sarg in Scherben, zerfetzt das Wörterbuch, ein jeglicher Band [...]54 Die Symbolik der getöteten Märchen, der zerstörten Wälder und des vollständig

zerfetzten Grimmschen Wörterbuchs als sprachliche Grundlage für menschliches Leben und Erzählen ist drastisch in der Wirkung. Diese Dinge stehen in organischem

Zusammenhang, und werden von den technischen Kräften moderner Baufahrzeuge einfach niedergewalzt und zertrümmert. Die Sprache ist das Zentrum der Heimat, wichtiger als Politik und Geschichte, wie Günter Grass in einem Gespräch über Deutschland nach der Wende einleitend sagt.55 Wo Grimms Märchen und Grimms Wörterbuch zerstört werden, bleibt nur noch technischer Fortschritt bis zur Vollendung im apokalyptischen Sinn.

2.3 Intertextualität und Intermedialität

Für Günter Grass ist Kunst und kreativer Ausdruck immer eine Frage der Wahl des Mediums, in dem er seine Gedanken und Ideen präsentiert. Nichts geschieht ohne

53 vgl. Baier (1997), S. 125f.

54 Grass (2007), S. 423.

55 vgl. Grass (1997), S. 131.

(31)

einen transmedialen Prozess zu durchlaufen, seine Geschichten manifestieren sich in bildender Kunst, in Gedichten, in langen Romanen, und sie greifen immer wieder andere Geschichten in verschiedenen Medien auf, um sie neu zu gestalten. Die Rättin steht im Zentrum des intermedialen und intertextuellen Dialogs im Gesamtwerk von Günter Grass, und sie spiegelt sowohl die theoretische Basis als auch die praktische, kreative Umsetzung des Prinzips der künstlerischen Verwandlung von Werk zu Werk und von Medium zu Medium. In der Rättin sind alle Handlungsstränge gleichermaßen daran beteiligt, verschiedene bereits existierende Erzählungen weiter zu spinnen oder neu zu interpretieren. Als Symbol dafür kann die Karriere von Oskar Matzerath als Medienexperte gelten, der mit seiner Videoproduktionsfirma Post Futurum (nomen est omen!) eine Videodramaturgie entwickelt, “die alles gleichzeitig weiß”56, und damit die Wirklichkeit als Kunst reproduzieren oder sogar prophetisch vorproduzieren kann, was als Vorgang analog ist zum kreativen Prozess der Autoren, die sich der

“vorproduzierten Wirklichkeit” von postapokalyptischen Dystopien widmen.

Gilles Deleuze publizierte 1986 im Cahiers du Cinéma eine Aussage, die - zeitgleich mit der Entstehung der Rättin - zum Symbol für die beginnende Methodendiskussion um Intermedialität in den 1990er Jahren wurde: “Es gibt kein Kunstwerk, das nicht seine Fortsetzung oder seinen Ursprung in anderen Künsten hat”57. Im Kosmos von Günter Grass sollte das “oder” im Zitat gegen ein “und” ausgetauscht werden, denn Kunst hat sowohl seinen Ursprung als auch seine Fortsetzung immer in anderen Kunstwerken, sie steht sozusagen im dauernden Dialog mit dem kreativen Prozess in allen möglichen Formen und Medien.

Es kann unterschieden werden zwischen zwei möglichen Formen der Dialogizität, die jedoch sehr eng miteinander verzahnt sind. Zum einen gibt es die Intertextualität, in der verschiedene Texte oder Textstellen fruchtbar für neue Textschöpfungen werden. Diese Fruchtbarmachung kann auf direkte oder indirekte Weise geschehen. Wie oben bereits mehrfach gezeigt gibt es Texte, die schon aufgrund ihres Genres, ihrer Struktur oder ihrer Botschaft in Verwandtschaft zu einander stehen, ohne deswegen direkt Bezug aufeinander zu nehmen. Sie ähneln sich in der Art, wie sich die Phantasie und die

56 Grass (2007), S. 442.

57 Zitiert in deutscher Übersetzung des französischen Originals nach: Robert (2014), S. 16.

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