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ei seinem Aufstieg als Schriftsteller ließ Günter Grass von der Bildhauerei, aber grafische Arbeiten beglei- ten bildhaft das geschriebene Werk und ergänzen sich oft gegenseitig. Sie entstammen demselben Fundus der Bilder und Metaphern der Impulse und Impressionen, kurz, der- selben Weltsicht, derselben Fantasie. „Er erkennt im All- täglichen das Besondere, das Nichtalltägliche. Mehr noch:Er ist fasziniert vom Reiz und Charme des Prosaischen, er- hebt das Prosaische zum Poeti- schen“, schrieb Marcel Reich- Ranicki über Grass.
Als Grass seinen Freund Volker Schlöndorff, Regisseur des Films „Die Blechtrom- mel“, in dessen toskanischem Landhaus besuchte, war er von dem Fensterblick eingenom-
men, der sich auf die sanft geschwungenen, toskanischen Hügel erstreckte.Mit zwei neu- en Landschaftsbildern tritt er dieses Jahr wieder als Maler und Grafiker in Erscheinung.
Die lithographische Technik ermöglichte es ihm, die fließen- den Formen der wei- ten Landschaft ein- zufangen, die sich im weichen Frühlings- licht des Südens in zarten Farben dar- bot. Die von einem tiefen Dunkelblau durchtränkte, melan-
cholische Vedute „Hafenein- fahrt Port Bou“ entstand auf der Reise mit einem seiner Söhne zu dem Ort an der spa- nisch-französischen Grenze, wo Walter Benjamin sich 1940 das Leben nahm: ein Kunst-
werk als Hommage an den Schriftstellerkollegen.
Grass boomt. Bis Ende März zog es Kunstliebhaber ins Grass-Haus nach Lübeck zu „Mein Jahrhundert. 100 Aquarelle – 100 Ge- schichten“. Bilder, die zur Sammlung Reinhold Würth ge- hören und als Leih- gaben aus dem Mu- seum Würth kom- men, sind zusammen mit den Jahresblät- tern aus der Samm- lung des Grass-Hau- ses erstmalig in Lü- beck zu sehen. In der Altstadt gelegen, ist dieses Haus für den Literaturnobelpreisträger nicht irgendein Haus: Seit 1995 hat der Schriftsteller dort sein Büro, bearbeitet seine Post, ge- nießt ab und zu beim Wein- händler im Parterre einen Schluck Rotwein. Dort lebt und arbeitet er, den Bundes- präsident Johannes Rau gera- de erst als „Patriarchen der deutschen Literatur“ bezeich- net hat, der schon heute „eine Legende, ein Mythos“ sei.
Vom 3.April bis 31. Mai prä- sentiert sich Grass in „Diesseits und jenseits von Arkadien“ zu- sammen mit Goethe als Land- schaftszeichner. Die Ausstel- lung zeigt in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Nationalmu- seum/Stiftung Weimarer Klas- sik etwa 90 Werke, davon 50 Zeichnungen von Goethe und 40 von Grass. Sie wird von Vor- trägen, Filmvorführungen und
Lesungen begleitet. Im Steidl Verlag erscheint ein Begleit- band zur Ausstellung.
Im Goethe-Nationalmuse- um in Weimar schließlich sind vom 28.August bis zum 17. Ok- tober in einer Sonderausstel- lung in der Treppengalerie die- se und weitere Landschafts- zeichnungen von Goethe und Grass zu sehen. Unter demsel- ben Titel „Diesseits und jen- seits von Arkadien“ bieten rund hundert Arbeiten zweier durch die Zeit getrennten Lite- raten mit zeichnerischer Bega- bung einen ungewöhnlichen, zum Teil provozierenden Ver- gleich. Dagmar Gold V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2014. Mai 2004 AA1439
Informationen: Goethe-Natio- nalmuseum, Frauentorstraße 4, Weimar. www.swkk.de; Günter- Grass-Haus, Glockengießerstraße 21, Lübeck. www.guenter-grass- haus.de. Für die Leser des Deut- schen Ärzteblattes sind Original- Grafiken in Farben bei der Edition Deutscher Ärzte-Verlag erhältlich:
Algrafie von acht Aluminiumplat- ten, limitierte Auflage, 150 Exem- plare, nummeriert und vom Künst- ler handsigniert. Papierformat: 36 x 48,5 cm. Gerahmt, unter Passe- partout, drei Zentimeter Silberlei- ste: circa 50 x 60 cm. Gedruckt in der Lithowerkstatt Christian Mül- ler, Großpösna/Leipzig. Gerahmt in Silberleiste jeweils 695 Euro. Un- gerahmt jeweils 550 Euro. Edition Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Dieselstraße 2, 50859 Köln, Tele- fon: 0 22 34/7 01 13 24.
„Er ist fasziniert vom Reiz und
Charme des Prosaischen, erhebt das Prosaische zum
Poetischen.“
Marcel Reich-Ranicki
Günter Grass
Diesseits und jenseits von Arkadien
In mehreren Ausstellungen sind Zeichnungen und Aquarelle des Schriftstellers zu bewundern.
Hafeneinfahrt von Port Bou
Toskanische Landschaft Feuilleton
Fotos:© VG-Bild-Kunst,Bonn
Foto:Arteviva Galerie