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Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels - Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug

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Academic year: 2022

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VG Bayreuth, Beschluss v. 12.04.2018 – B 6 E 18.269 Titel:

Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels - Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug

Normenketten:

VwGO § 123

AufenthG § 5 Abs. 2, § 10 Abs. 3, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 1a Nr. 1, § 39 Nr. 5, § 54 AufenthV § 39 Nr. 5

Leitsätze:

1. § 27 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG sind grundsätzlich geeignet, einen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, zu vermitteln. Ein strikter Rechtsanspruch iSd § 10 Abs. 3 AufenthG liegt aber nur vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

2. Allein der Altersunterschied und gesundheitliche Beeinträchtigungen des Ehegatten rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Ehe gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

3. Im Hinblick auf das Erfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass kein Ausweisungsinteresse besteht, kann dahinstehen, ob der Antragsteller durch falsche Angaben zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit im Asylverfahren und deren Aufrechterhaltung über einen mehrjährigen Zeitraum einen Tatbestand oder mehrere Tatbestände des § 54 AufenthG erfüllt hat, wenn nicht ersichtlich ist, inwiefern sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet wegen seines damaligen Verhaltens jetzt noch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen sollte, nachdem die Identität und Staatsangehörigkeit des Antragstellers schon jahrelang geklärt sind. (Rn.

30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

4. § 5 Abs. 2 AufenthG, wonach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis des Weiteren voraussetzt, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung

maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat, kommt aus gesetzessystematischen Gründen nicht zum Tragen, soweit der Ausländer gemäß §§ 39 bis 41 AufenthV den Aufenthaltstitel nach der Einreise einholen darf. (Rn. 32 – 36) (redaktioneller Leitsatz)

5. § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG stellt eine Ermessensvorschrift dar und schließt somit den gemäß § 10 Abs. 3 S. 3 AufenthG erforderlichen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Voraussetzungen des § 39 Nr. 5 AufenthV, nigerianischer Staatsangehöriger, Asylantrag,

Abschiebungsandrohung nach Nigeria, Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug, Verdacht der Scheinehe, Visumerfordernis, mangelhafte Sprachkenntnisse, schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, mittelbare Falschbeurkundung, strikter Rechtsanspruch

Fundstelle:

BeckRS 2018, 24050  

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

(2)

I.

1

Der am … geborene Antragsteller, nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 17.02.2004 in der

Bundesrepublik Deutschland unter dem Aliasnamen J* … J* …, geboren in Liberia am …, einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 28.02.2005 vollumfänglich ablehnte, verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nach Liberia oder Nigeria unter Bestimmung einer Frist von einem Monat für die freiwillige Ausreise. In den Folgejahren wurde die

Abschiebung des Antragstellers fortlaufend ausgesetzt, weil sie mangels entsprechender Heimreisepapiere aus tatsächlichen Gründen unmöglich war. Der Aufenthalt des Antragstellers war räumlich auf das Land Baden-Württemberg beschränkt, seinen Wohnsitz hatte er in R* … zu nehmen. Nachdem der Antragsteller am 25.06.2013 bei der nigerianischen Vertretung vorgesprochen und an der Klärung seiner Identität mitgewirkt hatte, wurde ihm die Ausübung einer Beschäftigung unter dem Vorbehalt gestattet, dass er seiner Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung weiterhin nachkommt. Bei einer weiteren Anhörung durch die nigerianische Vertretung am 19.09.2013 gab der Antragsteller auf deren Frage, ob er Gründe habe, die gegen seine sofortige Rückkehr nach Nigeria sprächen, an, dass er jetzt eine deutsche Lebensgefährtin habe, die ihn heiraten wolle. Aus diesem Grund lehnte es die nigerianische Botschaft ab, Heimreisepapiere für den Antragsteller zwecks Abschiebung in sein Heimatland auszustellen. Obwohl die Stadt R* …

anlässlich einer Vorsprache des Antragstellers zur Duldungsverlängerung am 30.04.2014 seinen am 03.04.2014 ausgestellten und bis 02.04.2019 gültigen nigerianischen Reisepass eingezogen hatte, setzte sie die Abschiebung des Antragstellers weiterhin gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus, bis 21.04.2016 mit räumlicher Beschränkung auf das Land Baden-Württemberg und der Wohnsitzauflage R* …, ab 21.04.2016 mit räumlicher Beschränkung auf die Bundesrepublik Deutschland unter Beibehaltung der Wohnsitzauflage R* … Am 20.10.2016 heiratete der Antragsteller eine deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in E* …, Landkreis B* …, Bayern und beantragte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 26.01.2017 seine Umverteilung in die eheliche Eigentumswohnung seiner deutschen Ehefrau sowie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach sämtlichen in Betracht kommenden Normen und Abschnitten des Aufenthaltsgesetzes.

2

Nach einer Befragung des Antragstellers am 02.08.2017 und seiner Ehefrau am 01.08.2017 (der

Antragsteller sollte ebenfalls am 01.08.2017 befragt werden, erschien aber einen Tag zu spät) erklärte sich das Landratsamt B* … mit Schreiben an die Stadt R* …vom 18.08.2017 mit dem Zuzug des Antragstellers in den Landkreis B* … einverstanden. Daraufhin versah die Stadt R* … die Duldung des Antragstellers mit der Nebenbestimmung „vorläufige Wohnsitzauflage: Landkreis B* …“ und übermittelte mit Schreiben vom 22.09.2017 die Ausländerakte an das Landratsamt B* … Mit Wirkung vom 15.09.2017 meldete sich der Antragsteller in E* …an und beantragte am 17.10.2017 beim Landratsamt B* … die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis „für immer“. Als Aufenthaltszweck gab er an: „Ursprünglich humanitäre und politische Gründe, jetzt Zusammenleben mit meiner Ehefrau“. Auf seinen Antrag vom 19.10.2017 auf Erneuerung seiner Duldung bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis setzte das Landratsamt B* … die Abschiebung des Antragstellers bis zum 18.01.2018 aus, verbunden mit folgenden Nebenbestimmungen:

- Räumliche Beschränkung: Bundesrepublik Deutschland - Vorläufige Wohnsitzauflage: Landkreis B* …

- Unselbständige Beschäftigung gestattet.

- Selbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet.

- Die Duldung erlischt mit der Bekanntgabe des Abschiebetermins.

3

Mit Bescheid vom 07.12.2017 lehnte das Landratsamt B* … den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1) und drohte ihm die Abschiebung nach Nigeria unter Bestimmung einer Frist für die freiwillige Ausreise bis zum 18.01.2018 bzw. für den Fall der Klageerhebung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung von einem Monat ab dem rechtskräftigen Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an (Ziffern 2 und 3). Zur Begründung wurde ausgeführt:

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- Eine rechtswirksame Eheschließung des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen liege zwar vor, es lägen aber auch Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen habe, sich den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (§ 27 Abs. 1a Nr. 1

AufenthG). Ob auch das Vorliegen einer einseitigen Scheinehe zu den Gründen zähle, die gemäß § 27 Abs.

1a Nr. 1 AufenthG einen Ehegattennachzug nicht zuließen, könne jedoch dahinstehen, weil der

Antragsteller unabhängig davon nicht alle Voraussetzungen für einen Anspruch gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erfülle.

- Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG sei § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entsprechend anzuwenden, d.h. der Antragsteller müsse sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können.

Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprächen gemäß § 2 Abs. 9 AufenthG dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Derartige Sprachkenntnisse habe der Antragsteller weder durch ein entsprechendes Sprachzeugnis nachgewiesen, noch hätten sie bei seiner Vorsprache Mitte Oktober 2017 zur Antragsabgabe festgestellt werden können. Dem Antragsteller gemäß Ziffer 30.1.2.3.1 VwVAufenthG die Möglichkeit einzuräumen, die Sprachkenntnisse nachzuholen, erscheine angesichts des langjährigen Zeitraums, in dem er schon in Deutschland lebe, ohne es geschafft zu haben, sich wenigstens einfache deutsche Sprachkenntnisse anzueignen, aussichtslos.

- Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setze die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert sei. Obwohl dem Antragsteller seit 2013 die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt sei, sei er keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern habe von Sozialleistungen gelebt. Im Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe er angegeben, dass der Lebensunterhalt aus dem Einkommen der Ehefrau bestritten werde. Es sei absehbar, dass deren EU-Rente nicht ausreichen werde, um den Lebensunterhalt des Antragstellers zu sichern, und er deshalb entsprechende Sozialleistungen benötigen werde. Zwar solle gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis dem

ausländischen Ehegatten eines Deutschen in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden. Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/5065, S. 171) liege hier aber ein atypischer Sachverhalt vor, der es zulasse, auf der Sicherung des Lebensunterhaltes zu bestehen. Anders als im Regelfall einer Deutschverheiratung, in dem sich der ausländische Ehegatte noch im Ausland befinde oder aufgrund eines anderweitig erteilten Aufenthaltsrechts in Deutschland aufhalte, sei der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig und ihm drohe die Abschiebung. Weiterhin liege ein atypischer Sachverhalt auch in der Erwerbssituation der Eheleute. Die Ehefrau beziehe eine EU-Rente und werde nicht mehr erwerbstätig sein. Dass der Antragsteller, der über keinerlei berufliche Qualifikation verfüge, künftig eine Erwerbstätigkeit ausüben werde, sei nicht zu erwarten, auch wegen der fehlenden Deutschkenntnisse. Ein Sozialleistungsbezug sei daher absehbar.

- Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setze die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse bestehe. Vorliegend bestehe gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG, weil der Antragsteller, indem er durch Angabe eines falschen Namens im Asylverfahren den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB erfüllt habe, einen nicht nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe.

- Auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die Einreise mit dem erforderlichen Visum, liege nicht vor. Von diesem Erfordernis könne nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abgesehen werden, weil, wie dargelegt, nicht alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Selbst wenn man dem Antragsteller die Gelegenheit einräumen würde, sich die geforderten einfachen deutschen Sprachkenntnisse anzueignen, sei nicht zwingend vom Visumerfordernis abzusehen, sondern nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden. Bei der dann gebotenen Interessenabwägung würde das öffentliche Interesse an der Nachholung des Visumverfahrens das private Interesse des Antragstellers an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Ausreise überwiegen.

4

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 08.01.2018, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller Klage erhoben (B 6 K 18.33) und die Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2017 sowie die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt. Zur Begründung wird Folgendes geltend gemacht:

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(4)

Der Kläger sei vor Erlass des Bescheides nicht gemäß § 28 VwVfG angehört worden. Entgegen § 82 AufenthG habe der Beklagte nicht die Vorlage etwaiger Unterlagen zur Anspruchsbegründung angefordert bzw. dem Kläger eine entsprechende Beibringungsfrist gesetzt. Der Kläger erfülle sämtliche

Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Er verfüge über die erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Sozialleistungen würden von keinem Ehepartner bezogen. Der Kläger habe nicht den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB erfüllt, außerdem wäre diese angebliche Straftat definitiv in verjährter Zeit begangen worden und dem Kläger somit nicht mehr vorzuhalten. Gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV könne der Kläger die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen. Zum anderen sei stets dann von der Nachholung des Visumverfahrens abzusehen, wenn dies lediglich eine „leere Förmelei“ darstellen würde und die Nachholung auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar sei (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Solche Umstände seien in der Person der deutschen Ehefrau des Klägers gegeben, die über eine Schwerbehinderung von 80% mit Merkzeichen „G“ verfüge und somit auf den ständigen Beistand des Klägers angewiesen sei. Bei Krankheitsschüben sei sie nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen, selbst anzuziehen oder für sich zu sorgen. Dies stelle einen atypischen Sonderfall dar, welcher möglicherweise sogar das Absehen vom Visumerfordernis im Wege der Ermessensreduzierung auf null nahelege. Selbst wenn man momentan keinen Anspruch des Klägers auf legalen Verbleib im Bundesgebiet bejahen würde, wäre der Bescheid insoweit rechtswidrig, als darin für den Fall der freiwilligen Ausreise des Klägers zur Nachholung des Visumverfahrens nicht einmal die Erteilung einer „Vorabzustimmung“ (§ 31 Abs. 3 AufenthV) angeboten worden sei. Das sei aber sowohl angesichts der dem Beklagten bekannten Schwerbehinderung der deutschen Ehefrau des Klägers als auch im Lichte der Entscheidung des VGH München vom 20.06.2017 (10 C 17.744) unverständlich.

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Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 18.01.2018 Klageabweisung beantragt. Die erforderlichen Sprachkenntnisse seien durch ein entsprechendes Zeugnis nachzuweisen. Warum ein künftiger Sozialleistungsbezug ausgeschlossen sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Die Angabe eines falschen Namens im Asylverfahren und die Täuschung und Irreführung der deutschen Behörden über einen Zeitraum von nahezu neun Jahren, die dazu geführt habe, dass die Ausreisepflicht über einen Zeitraum von sieben Jahren nicht habe vollzogen werden können, sei jedenfalls ein erheblicher Rechtsverstoß im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Das Absehen vom Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum sei durch die Ermöglichung der Antragstellung gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV nicht zwingend vorgegeben. Diese Vorschrift ermögliche lediglich dem geduldeten Ausländer, einen Antrag auf Erteilung einer

Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Das bedeute aber nicht, dass diesem Antrag dann auch in jedem Fall entsprochen werden müsse. Mehr als eine Antragsberechtigung räume § 39 Nr. 5 AufenthV nicht ein. Das Visumverfahren sei gerade in diesem Fall auch keine leere Formeinhaltung. Der nun vorgetragene Behinderungsgrad der Ehefrau ändere nichts daran, dass die Ausreise des Klägers für zumutbar gehalten werde. Die Ehefrau sei in dieser Zeit nicht allein auf sich gestellt. Anlässlich ihrer Befragung am 01.08.2017 habe sie vorgetragen, dass sie von ihren anderen Familienangehörigen tatkräftig unterstützt werde. Sie sei also nicht allein und ausschließlich auf den Ehemann angewiesen.

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Mit Bescheid vom 14.02.2018 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Ausstellung einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldungsbescheinigung) ab. Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.03.2018, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, Klage erhoben (B 6 K 18.270) und beantragt, den Bescheid vom 14.02.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger zumindest vorläufig eine Duldung zu erteilen.

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Mit weiterem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.03.2018, beim Verwaltungsgericht Bayreuth ebenfalls an diesem Tag eingegangen, hat der Antragsteller beantragt,

dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen, den Antragsteller abzuschieben (Ziffer 2 der Antragsschrift vom 16.03.2018).

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Dieses entscheidungsgegenständliche Verfahren wird unter dem Aktenzeichen B 6 E 18.269 geführt.

Außerdem hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 08.01.2018 gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 07.12.2017 enthaltene Ausreiseaufforderung und

Abschiebungsandrohung anzuordnen (Ziffer 1 der Antragsschrift vom 16.03.2018). Dieses Verfahren wird unter dem Aktenzeichen B 6 S 18.266 geführt.

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Der Antrag gemäß Ziffer 1 wird wie folgt begründet:

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Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung. Ein Anordnungsanspruch bestehe, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sein dürften. Die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens seien zumindest offen, wenn nicht gar

überwiegend, sodass eine vorherige Abschiebung des Antragstellers nach Nigeria zu unterbinden sein dürfte, was mit vorliegendem Eilantrag (Ziffer 1) begehrt werde. Auf die Ausführungen in der Klageschrift vom 08.01.2018 werde Bezug genommen. Das Sprachniveau A1 werde nunmehr mit einem Zeugnis des Primus Fremdsprachen Instituts vom 22.01.2018 nachgewiesen (Anlage Ast 3). Ferner werde ein Arbeitsvertrag vom 12.01.2018 vorgelegt (Anlage Ast 4). Danach werde der Antragsteller ab dem 15.01.2018 in Vollzeit als Parkett- und Bodenlegerhelfer zu einem Monatsbruttolohn bei einer 40- Stundenwoche von (EUR 9,00/Stunde x 172 Stunden/Monat =) 1.548,00 EUR (netto 1.227,18 EUR bei Steuerklasse III) angestellt. Ein Ausweisungsinteresse bestehe nicht. Nach inzwischen wohl ständiger strafrechtlicher Rechtsprechung erfüllten falsche Identitätsangaben bei der Asylantragstellung eben nicht den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung. Ein Visum habe der Antragsteller für die Einreise zur Asylantragstellung nicht benötigt. Bezogen auf den nun erstrebten Aufenthalt aus familiären Gründen dürfe er die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV im Bundesgebiet einholen. Zudem sei die

Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar. Insoweit werde noch eine ärztliche Bescheinigung vom 17.01.2018 vorgelegt (Anlage Ast 6). Auch in der Klageerwiderung vom 18.01.2018 fehle es an jeglichem Angebot oder auch nur einer Stellungnahme zur Möglichkeit der freiwilligen Ausreise und Durchführung des Visumverfahrens mit „Vorabzustimmung“. Diesbezüglich werde der Beschluss des VGH München vom 20.06.2017 - Az. 10 C 17.744 als Anlage Ast 8 vorgelegt. In diesem Fall sei das Bestehen der Behörde auf die Ausreise des Ausländers und die Einholung des Visums für den Familiennachzug nur deshalb

ermessensgerecht gewesen, da die Ausländerbehörde bereits eine Vorabzustimmung erteilt gehabt habe und daher die zu erwartende Trennungszeit von bloß 10 Tagen für die Dauer des Visumverfahrens gering und daher zumutbar gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch das Angebot einer Vorabzustimmung vom Antragsgegner noch nicht einmal in Betracht gezogen worden, weshalb die angefochtene Verfügung vom 07.12.2017 insoweit an einem gänzlichen Ermessensausfall leide. Die angefochtene

Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung sei daher unverhältnismäßig und mithin im

Klageverfahren aufzuheben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im angefochtenen Bescheid verfügte Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung sei daher anzuordnen.

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Der Antrag gemäß Ziffer 2 wird wie folgt begründet:

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Daneben sei dem Antragsgegner in jedem Fall gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO (insofern liege eine objektive Anspruchshäufung auf Seiten des Antragstellers vor) im Wege der einstweiligen Anordnung zur Sicherung der Rechte des Antragstellers zu untersagen, diesen abzuschieben. Die vom Antragsgegner angedrohte und beabsichtigte Abschiebung dürfe mangels Vorliegens einer rechtmäßigen Entscheidung über das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht vollzogen werden. Dass insoweit ein entsprechender Anordnungsanspruch und auch ein entsprechender Anordnungsgrund vorlägen, sei wohl unstreitig. Eine Entscheidung zur Dauer des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes finde sich weder im Bescheid des Bundesamtes, noch sei eine solche - vor Vornahme einer Abschiebung erforderliche - Entscheidung von einer anderen Behörde getroffen worden.

Der Antragsteller habe jedoch ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Befristung seines Einreise- und Aufenthaltsverbotes vor seiner Abschiebung. Bislang sei nicht einmal eine diesbezügliche Anhörung erfolgt. Die im Bescheid vom 07.12.2017 bestimmte Ausreisefrist „bis zum 18.01.2018“ sei inzwischen abgelaufen, sodass der Antragsteller jeden Tag mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen müsse. Dem Antragsteller sei aber nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren und

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das noch nicht einmal begonnene Befristungsverfahren nach seiner Ausreise bzw. Abschiebung vom Ausland aus zu betreiben. In dieser Zeit könnte er bis zum Ablauf des noch zu bestimmenden Einreise- und Aufenthaltsverbotes seine Ehefrau nicht sehen, da diese angesichts ihrer körperlichen Einschränkungen nicht in der Lage sein werde, den Antragsteller in seinem Heimatland zu besuchen. Es sei unklar, wie schnell das Gericht in der Hauptsache entscheide und wie schnell die Behörde eine

Befristungsentscheidung treffe. Die Abschiebung des Antragstellers dürfe daher bis zu einer - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu ergehenden - Befristungsentscheidung der

Ausländerbehörde nicht vollzogen werden, weshalb dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen sei, zumindest bis dahin den Antragsteller abzuschieben. Der Antragsteller berufe sich insoweit auf die im Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.07.2016 - Az. A 2 K 2113/16 (Anlage Ast 10) dargestellte Rechtslage. Dürfe danach wegen einer aufzuhebenden, da ermessensfehlerhaften

Befristungsentscheidung keine Abschiebung des abgelehnten Asylbewerbers erfolgen, gelte dies erst recht, wenn - wie hier - noch gar keine Befristungsentscheidung erfolgt sei.

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Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 27.03.2018 beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

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Auf die Antragsbegründung wird Folgendes erwidert:

16

Zum Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO in Verbindung mit einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz: Die Erfüllung des Spracherfordernisses gemäß § 28 Abs.

1 Satz 5 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sei nunmehr nachgewiesen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem nunmehr abgeschlossenen Arbeitsvertrag mit einer am Wohnort ansässigen Handwerksfirma und dem Bescheiderlass sei offenkundig. Nachdem die Verlängerung der Duldung mit Bescheid vom 14.02.2018 abgelehnt worden sei, sei dem Antragsteller eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich. § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gelte nur für Aufenthaltstitel, nicht für die Aussetzung der

Abschiebung. Unabhängig davon zeige die Erfahrung mit solchen, unter ausländerrechtlichem Druck geschlossenen Arbeitsverträgen, dass sie sehr schnell wieder gelöst würden, wenn das ausländerrechtliche Ziel, die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, erreicht sei. Übertragen auf diesen Einzelfall werde davon ausgegangen, dass der Arbeitsvertrag nicht geeignet sei, eine dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts nachzuweisen. Der Antragsteller solle eine Erwerbstätigkeit im unqualifizierten Helferbereich ausüben.

Diese Arbeitsverhältnisse seien äußerst abhängig von der jeweiligen Auftragslage und würden auch aus diesen Gründen bald wieder beendet. Eine baldige Beendigung der Erwerbstätigkeit sei auch deshalb zu erwarten, weil der Antragsteller seit seiner Einreise im Jahr 2003 bisher noch nie in einem regulären Arbeitsverhältnis gestanden habe. An der Feststellung eines Ausweisungsinteresses gemäß § 54 Abs. 2 Nr.

9 AufenthG werde festgehalten. Diese Regelung fordere keine rechtskräftige Verurteilung, sondern nur das - hier gegebene - Vorliegen eines Rechtsverstoßes. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 Nr.

8 Buchst. a) AufenthG vor. Der Antragsteller habe zur Erlangung der Aussetzung der Abschiebung falsche Angaben zur Person und Staatsangehörigkeit gemacht. Dieser Tatbestand sei erstmals mit der erstmaligen Beantragung der Ausstellung einer Duldungsbescheinigung 2006 erfüllt gewesen und habe sich fortgesetzt bis zur Offenlegung der tatsächlichen Identität 2012. Durch die Angabe der Falsch-Identität habe der Antragsteller einen geduldeten Aufenthalt über einen Zeitraum von 2005 bis April 2014 erreicht. Bei

zutreffenden Angaben wäre die Ausreisepflicht nach Eintritt der Bestandskraft des Asylbescheides innerhalb einer angemessenen Zeit, die in Monaten zu fassen sei, durchzusetzen gewesen. § 39 Nr. 5 AufenthV ermögliche zwar die Antragstellung, indiziere aber keine Zusicherung, aus der Antragsberechtigung auch einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abzuleiten. Die Nachholung des Visumverfahrens werde nach wie vor als zumutbar erachtet. Zu dem Attest vom 17.01.2018 habe der Amtsarzt festgestellt, dass die darin bescheinigten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen der Ehefrau nicht ausreichten, um eine ununterbrochene Anwesenheit des Ehemannes zur Betreuung und Pflege fordern zu können. Eine Pflegebedürftigkeit der Ehefrau werde in dem Attest ebenfalls nicht belegt. Die unterbliebene

Auseinandersetzung mit einer Vorabzustimmung sei für die Beurteilung des Sachverhaltes, ob ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehe oder ob die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt seien, irrelevant. Es wäre doch widersprüchlich, einerseits den Anspruch gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG zu verneinen und andererseits einer Visumerteilung vorab

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zuzustimmen. Nicht nachvollziehbar sei, wie sich die offensichtliche Bereitschaft des Antragstellers zur freiwilligen Ausreise im Falle der Erteilung einer Vorabzustimmung mit der geschilderten

Betreuungsbedürftigkeit der Ehefrau in Einklang bringen lasse. Der herangezogene Fall des BayVGH sei nicht vergleichbar, weil es hier um die Zumutbarkeit der vorübergehenden Trennung des Kindsvaters von seinem minderjährigen Kind gegangen sei. Die Befristung der Wirkung der angedrohten Abschiebung sei gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG spätestens am Tag der Abschiebung noch möglich. Durch das Fehlen der Befristungsentscheidung werde weder die Grundentscheidung des Bescheides rechtswidrig noch die Abschiebungsandrohung selbst. Von einer Anhörung des Antragstellers vor Erlass der

Befristungsentscheidung könne gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG abgesehen werden, da es um die Folge einer Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung gehe. Davon abgesehen wäre eine Anhörung widersinnig, weil sie von vornherein unterstellen würde, dass es zu einer Abschiebung kommen werde.

Deshalb mache es Sinn, über die Dauer der Wirkung der Abschiebung erst am Tag der Abschiebung zu entscheiden bzw. diese Entscheidung am Tag der Abschiebung bekannt zu geben. Im Ergebnis liege kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG vor. Der Antragsteller erfülle nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG. Die Ermessensentscheidung über ein Absehen vom Visumerfordernis falle zu Ungunsten des Antragstellers aus. Die bislang unterlassene Befristungsentscheidung führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. Zum Anordnungsgrund gemäß § 123 VwGO: Für die Abschiebung liege ein gültiger Reisepass vor. Die Abschiebung sei daher möglich und sei auch bei der PI Schubwesen beantragt worden. Ein genauer Abschiebetermin sei aber noch nicht mitgeteilt worden.

17

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Ausländerakten Bezug genommen.

II.

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1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.

19

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO sind das zu sichernde Recht bzw. das streitige Rechtsverhältnis, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung bzw. einer vorläufigen Regelung, der Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Gemäß § 123 Abs. 5 VwGO gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO. In diesen Fällen ist kein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO, sondern ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.

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1.1 Ein Fall des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO liegt gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG vor, soweit vorläufiger Rechtsschutz bezüglich der Abschiebungsandrohung (Ziffern 2 und 3 des Bescheides vom 07.12.2017) begehrt wird, weil die dagegen erhobene Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Verbindung mit Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung hat. Insoweit hat der Antragsteller statthaft die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage beantragt.

21

Soweit vorläufiger Rechtsschutz bezüglich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 1 des Bescheides vom 07.12.2017) begehrt wird, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft, weil kein Fall des § 80 VwGO vorliegt. Zwar hat gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG auch die Klage gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine aufschiebende Wirkung. Da bei Verpflichtungsklagen (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, § 113 Abs. 5 VwGO) eine aufschiebende Wirkung in der Regel keinen Sinn ergibt, weil sie nichts daran zu ändern vermag, dass der abgelehnte oder unterlassene

(8)

Verwaltungsakt noch aussteht, wäre die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Verpflichtungsklage des Antragstellers gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aber nur zielführend, wenn gemäß § 81 Abs. 3 AufenthG der Aufenthalt des Antragstellers bis zur Entscheidung des Antragsgegners als erlaubt gegolten hätte. In diesem Fall würde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vorläufig verhindern, dass sofort mit der ablehnenden Entscheidung der Ausländerbehörde die Erlaubnisfiktion entfällt und der Antragsteller gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig wird. Ein Fall des § 81 Abs. 3 AufenthG liegt aber nicht vor, weil der Antragsteller als nigerianischer Staatsangehöriger nicht berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen (vgl. EG-Visa VO, insbesondere Art. 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Anhang I EG-Visa VO, sowie § 41 AufenthV). Unter diesen

Umständen würde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nichts daran ändern, dass der Antragsteller seit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamtes gemäß § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 2 bzw. Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig war, ist und bleibt, solange keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Will der Antragsteller sicherstellen, vor der gerichtlichen Entscheidung über die gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis erhobene Verpflichtungsklage nicht abgeschoben zu werden, vermag daher nur ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.

22

1.2 Der erforderliche Anordnungsgrund liegt in der tatsächlich drohenden Abschiebung. Der Antragsteller hat aber keinen Anordnungsanspruch dahingehend glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner einstweilig zur vorläufigen Aussetzung der Abschiebung zu verpflichten sei, weil diese die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereiteln oder wesentlich erschweren würde und deshalb aus rechtlichen Gründen unmöglich sei (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Ein zu sicherndes Recht besteht weder in Gestalt eines Anspruchs auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis, noch ergibt es sich aus dem Umstand, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG noch nicht gemäß § 11 Abs. 2 und Abs. 3 AufenthG befristet wurde.

23

1.2.1 Der Antragsteller hat keinen Anspruch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug gemäß § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG glaubhaft gemacht.

24

Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem Ausländer, dessen Asylantrag - wie der des Antragstellers - unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) erteilt werden. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG findet Satz 1 im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung. Erforderlich ist ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ein solcher liegt nur vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Eine Ermessensreduzierung „auf Null“ im Einzelfall sowie das Vorliegen eines Ausnahmefalls bezüglich einer regelhaft zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzung erfüllen diese Anforderungen nicht (BayVGH, Beschluss vom 23.09.2016 - 10 C 16.818, juris Rn. 10; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.02.2018 - 2 L 45/16, juris Rn. 9; Sächsisches OVG, Beschluss vom 10.05.2017 - 3 B 90/17, juris Rn. 5; OVG Hamburg, Urteil vom 20.03.2015 - 1 Bf 231/13, juris Rn. 28; OVG Saarland, Beschluss vom 30.04.2008 - 2 B 207/08, juris Rn. 9).

25

§ 27 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sind grundsätzlich geeignet, einen solchen strikten Rechtsanspruch zu vermitteln. Gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 GG erteilt und verlängert. Demgemäß ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Dass der Antragsteller der ausländische Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet ist, ist unstreitig.

26

(9)

Der Antragsteller erfüllt auch die weiteren besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den Ehegattennachzug, nicht aber alle allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 5 AufenthG.

27

Gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Diese Feststellung kann vorliegend nicht getroffen werden.

Insbesondere rechtfertigen allein der Altersunterschied (die Ehefrau ist 13 Jahre älter als der Antragsteller) und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Ehefrau nicht die Annahme, dem Antragsteller gehe es ausschließlich um seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet und nicht um die Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft.

28

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 AufenthG in den Fällen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entsprechend anzuwenden, d.h. der ausländische Ehegatte muss sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können, wenn dieses Erfordernis nicht gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG unbeachtlich ist. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist seit der Vorlage des Zeugnisses des Primus Fremdsprachen Instituts vom 22.01.2018, wonach der Antragsteller die Prüfung Deutsch als Fremdsprache Niveau A1 bestanden hat, unstreitig nachgewiesen.

29

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Sollte dies nicht der Fall und ein Rückgriff auf § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erforderlich sein, wonach die Aufenthaltserlaubnis im Fall des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden soll, wäre der gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG erforderliche strikte Rechtsanspruch nicht gegeben (Sächsisches OVG, Beschluss vom

10.05.2017 - 3 B 90/17, juris Rn. 5). Aus den Ausländerakten und dem Vorbringen der Beteiligten ergibt sich nicht, wie hoch die EU-Rente der Ehefrau des Antragstellers ist. Ferner liegen keine Nachweise über das tatsächlich erzielte Arbeitseinkommen des Antragstellers vor. Ob der Umstand, dass bislang keine Sozialleistungen in Anspruch genommen wurden, ausreicht, um im Verfahren des einstweiligen

Rechtsschutzes die Sicherung des Lebensunterhaltes vorläufig zu unterstellen, kann dahinstehen, weil aus anderen Gründen kein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis besteht.

30

Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis scheitert allerdings nicht am Erfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein

Ausweisungsinteresse besteht. Unter einem Ausweisungsinteresse gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist ein Tatbestand zu verstehen, der in § 54 AufenthG definiert ist. Entsprechend der Rechtslage vor dem 1.

August 2015 ist keine hypothetische Ausweisungsprüfung in der Weise vorzunehmen, dass geklärt würde, ob eine Ausweisung des Antragstellers rechtmäßig wäre. Es spielt demnach keine Rolle, ob ein

Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG besteht (BayVGH, Beschluss vom 29.08.2016 - 10 AS 16.1602, juris Rn. 21). Die Verwirklichung eines der in § 54 AufenthG genannten Tatbestände begründet allerdings nicht unmittelbar das Ausweisungsinteresse. Ein Ausweisungsinteresse besteht nur dann, wenn von dem Betroffenen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, der weitere Aufenthalt des Ausländers also eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt oder sonst erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Denn ein Ausweisungsinteresse ist nicht mehr erheblich, wenn ohne vernünftige Zweifel feststeht, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, nicht mehr besteht (BayVGH, a.a.O. Rn.

22).

31

Gemessen daran kann dahinstehen, ob der Antragsteller durch die falschen Angaben zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit im Asylverfahren und deren Aufrechterhaltung über einen mehrjährigen Zeitraum einen Tatbestand oder mehrere Tatbestände des § 54 AufenthG erfüllt hat. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet wegen seines damaligen Verhaltens jetzt noch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen sollte, nachdem die Identität und

Staatsangehörigkeit des Antragstellers nun schon jahrelang geklärt sind.

32

(10)

Ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug scheitert aber am Visumerfordernis des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis des Weiteren voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat. Als nigerianischer

Staatsangehöriger gehört der Antragsteller gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Anhang I EG- VisaVO zu dem Personenkreis, der gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG für längerfristige Aufenthalte - wie die Herstellung und Wahrung einer ehelichen Lebensgemeinschaft - ein nationales Visum für das

Bundesgebiet benötigt. Auch Ausländer, die als Asylbewerber ohne Visum eingereist sind, deren Asylantrag aber erfolglos geblieben ist, müssen eine asylunabhängige Aufenthaltserlaubnis im Sichtvermerkverfahren einholen, wenn sie nicht aus anderen Gründen davon befreit sind oder die Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise einholen dürfen (BayVGH, Beschluss vom 07.01.2013 - 10 CE 13.36, juris Rn. 14; Beschluss vom 23.09.2016 - 10 C 16.818, juris Rn. 11).

33

Obwohl der Antragsteller als Asylbewerber ohne Visum eingereist ist, wäre seine Einreise - bezogen auf den nunmehr erstrebten Aufenthalt aus familiären Gründen - nicht ohne das erforderliche nationale Visum erfolgt, wenn er nach § 39 Nr. 5 AufenthV die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen dürfte. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine

Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. § 5 Abs. 2 AufenthG kommt aus gesetzessystematischen Gründen nicht zum Tragen, soweit der Ausländer gemäß §§ 39 bis 41 AufenthV den Aufenthaltstitel nach der Einreise einholen darf. § 39 Nr. 5 AufenthV erfordert auch keine

Ermessensentscheidung. Die in der Norm enthaltene Wendung „kann ein Ausländer“ verdeutlicht lediglich, dass der Ausländer die Möglichkeit hat, nach seiner Einreise im Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel einzuholen oder verlängern zu lassen; ein Entscheidungsspielraum der Behörde ist damit nicht eröffnet (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.03.2008 - 11 S 378/08, juris Rn. 14; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.02.2018 - 2 L 45/16, juris Rn. 9). Demgemäß würde das Visumerfordernis des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG den strikten Rechtsanspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auf Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis nicht ausschließen, wenn der Tatbestand des § 39 Nr. 5 AufenthV erfüllt wäre.

34

Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.11.2017 - 18 B 1199/17, juris Rn.14; OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2010 - 4 Bs 220/10, juris Rn. 12, 13; Sächsisches OVG, Urteil vom 16.10.2008 - 3 A 94/08, juris Rn. 29; VG Bayreuth, Beschluss vom 08.11.2017 - B 4 E 17.797, juris Rn. 25;

a. A. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.03.2008 - 11 S 378/08, juris Rn. 11: es genüge, dass die Abschiebung bei Einholung der Aufenthaltserlaubnis, d.h. zum Zeitpunkt der Antragstellung, ausgesetzt ist) fehlt es jedoch an der gemäß § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV vorausgesetzten Aussetzung der Abschiebung des Antragstellers nach § 60a AufenthG, weil sein Antrag auf Verlängerung der letzten bis zum 18.01.2018 gültigen Duldung mit Bescheid vom 14.02.2018 abgelehnt wurde.

35

Wäre dem Antragsteller eine Duldung allein zum Zweck der Durchführung der gerichtlichen Klage- und Eilrechtsschutzverfahren erteilt worden, in denen (unter anderem) darum gestritten wird, ob er in der Sache berechtigt ist, die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einzuholen, müsste diese Duldung bei der

Anwendung des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV außer Betracht bleiben (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.03.2008 - 11 S 378/08, juris Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.11.2017 - 18 B 1199/17, juris Rn. 12; OVG Hamburg, Urteil vom 17.12.2015 - 4 Bf 137/13, juris Rn. 31; Sächsisches OVG, Urteil vom 16.10.2008 - 3 A 94/08, juris Rn. 29; VG Bayreuth, Beschluss vom 08.11.2017 - B 4 E 17.797, juris Rn. 25).

36

Ein offensichtlicher Duldungsanspruch, der es rechtfertigen würde, die Voraussetzung der Aussetzung der Abschiebung auch ohne entsprechende behördliche Entscheidung als erfüllt anzusehen, ist nicht ersichtlich.

Die Abschiebung des Antragstellers ist weder gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründe unmöglich, noch erfordern dringende humanitäre oder persönliche Gründe seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG.

(11)

Insbesondere liegt das tatsächliche Abschiebungshindernis der Passlosigkeit nicht vor. Insofern ist es unverständlich, auf welcher tatsächlichen und rechtlichen Grundlage dem Antragsteller weiterhin Duldungen erteilt wurden, nachdem die Stadt R* … am 30.04.2014 seinen am 03.04.2014 ausgestellten und bis 02.04.2019 gültigen nigerianischen Reisepass eingezogen hatte. Ferner belegt die fachärztliche

Bescheinigung vom 17.01.2018 nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 22.03.2018 nicht, dass die Ehefrau des Antragstellers auf seine ununterbrochene Anwesenheit dringend angewiesen ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller und seine Ehefrau ihre eheliche Lebensgemeinschaft auf aufenthaltsrechtlich ungesicherter Basis aufgenommen haben und nicht schutzwürdig auf einen ununterbrochenen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet vertrauen konnten.

37

Liegt somit kein Fall des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV vor, steht § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis entgegen. Ob eine Tatbestandsalternative des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erfüllt ist, wonach vom Visumerfordernis abgesehen werden kann, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen, ist nicht entscheidungserheblich. Denn § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist eine Ermessensvorschrift und schließt somit den gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG erforderlichen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus (BayVGH, Beschluss vom 07.01.2013 - 10 CE 13.35, juris Rn. 16). Demgemäß ist auch kein Raum für die Überlegung, ob die Nachholung des

Visumverfahrens nur unter dem Vorbehalt einer Vorabzustimmung der Ausländerbehörde gemäß § 31 Abs.

3 AufenthV zumutbar ist.

38

1.2.2 Die Abschiebung des Antragstellers ist auch nicht deshalb einstweilen zu untersagen, weil das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG noch nicht gemäß § 11 Abs. 2 und Abs. 3 AufenthG befristet wurde. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG soll die Frist mit der

Abschiebungsandrohung, spätestens aber bei der Abschiebung festgesetzt werden. Angesichts dieser Rechtslage vermag die Begründung des Antragsgegners, warum von einer Befristungsentscheidung bislang abgesehen wurde, zwar nicht zu überzeugen. Es besteht aber auch kein Grund zu der Annahme, dass nicht entsprechend der gesetzlichen Regelung spätestens bei der Abschiebung das damit verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot befristet wird.

39

2. Hat somit der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Antragsteller als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzulehnen.

40

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).

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