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Vortrag beim 38. Ökumenisch-theologischen Tag zum Thema „Chancen der Säkularisierung“ im Linzer Priesterseminar.

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Chancen der Säkularisierung

Vortrag beim 38. Ökumenisch-theologischen Tag zum Thema „Chancen der Säkularisierung“

12. April 2018, Priesterseminar Linz

Leonard Cohen: There is a crack in everything

Im Einladungstext zum heutigen theologischen Tag wurde der letztes Jahr verstorbene große Musiker und Songwriter Leonard Cohen (der uns allen durch das vielkopierte „Hallelujah“ be- kannt ist) mit folgenden Verszeilen zitiert:

„There is a crack in everything / That's how the light gets in“ (Durch alles geht ein Riss / so fällt das Licht hinein) – Das ist der Refrain aus seinem Lied Anthem (1992). Die Unerträglichkeit der Scheinheiligkeit der Mächtigen – sie fordert eine Reaktion. Das, was Cohen offensichtlich mit diesem Lied intendiert, ist eine Veränderung der realen Zustände; der „crack in everything“, also der Sprung, der Veränderung möglich macht, muss gefunden werden. Angewandt auf unsere Thematik heute: Verursacht die Gestalt der Welt, wie sie ist, in ihrer Säkularisiertheit, verursacht sie ein großes Unbehagen bei uns? Suchen wir nach dem Sprung in ihr, um sie umgestalten zu können? Oder suchen wir den Sprung, um in sie unser Licht einstrahlen zu lassen, um transluzent zu sein?

Von der Zeitgenossenschaft

„Er oder sie ist ein angenehmer Zeitgenosse“, sagt man gern einmal, es ist eine gängige Form der Sympathiebekundung gegenüber Dritten. Mit dieser Formulierung meint man für gewöhn- lich, dass jene oder jener unkompliziert ist, dass ein konstruktives Zusammenarbeiten möglich ist, dass er oder sie einfach ein netter Mensch ist. Der „angenehme Zeitgenosse“ impliziert aber auch die Erfahrung von unangenehmen Zeitgenossen. Menschen, die unnötig Staub auf- wirbeln, die lästig sind, denen man lieber ausweicht. Die gibt es auch.

In der Bezeichnung des Zeitgenossen steckt eine Gemeinsamkeit, die uns mit allen lebenden Menschen verbindet. Wir leben in derselben Zeit, die zwar unterschiedlich erlebt wird, worin es aber angesichts der voranschreitenden kommunikativen Globalisierung über unterschiedli- che Zeitzonen und Kontinente hinweg, jederzeit miteinander in Kontakt treten zu können. Wir teilen uns die gleiche Zeit, die uns gemeinsame menschliche Errungenschaften genauso be- schert, wie die Abgründe der Folgen menschlichen Handelns, die uns global in gleicher Weise betreffen.

Der „Genosse“ (althochdeutsch ginoz – jemand, mit dem man gemeinsam etwas genießt bzw.

nutznießt) signalisiert die freundliche, aber gegenüber dem intimeren „Freund“ doch deutlich losere Bindung. In dem heutigen Zusammenhang lässt sich möglicherweise die Frage stellen:

Kann/darf/soll Kirche ein solch angenehmer Zeitgenosse sein?

Kritische Zeitgenossenschaft im Anschluss an Gaudium et Spes (Ansgar Kreuzer) In Auseinandersetzung mit den Funktionen, die Charles Taylor den Religionsgemeinschaften zuschreibt, schreibt der Fundamentaltheologe Ansgar Kreutzer diesen den Charakter einer

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„Art Scharnier zwischen Individuum und moderner Gesellschaft“1 zu. „Sie helfen einerseits als Überzeugungs- und Wertgemeinschaften den einzelnen Individuen, ihre Selbstinterpretation und damit Identitätsfindung zu bewerkstelligen. Sie befruchten und stützen andererseits den moralischen Konsens von demokratischen Gesellschaften. Religionsgemeinschaften können damit eine zwischen Individuum und Gesellschaft vermittelnde Funktion einnehmen.“2 Daraus ergibt sich für Kreutzer, „dass die Kirche sich keineswegs in Opposition zur modernen, ausdif- ferenzierten und säkularen Gesellschaft verstehen muss, sondern ein integraler Bestandteil, ein sie stabilisierender Faktor sein kann“3 und zitiert dann Thomas Luckmann und Peter L.

Berger: „Trotz des Verlustes des zentralen Parts in der Gesamtgesellschaft – ja, vielleicht in manchen Fällen gerade wegen dieses Verlustes – kann die Kirche als intermediäre Institution eine äußerst positive Funktion wahrnehmen, und zwar positiv in Bezug auf das Leben des Einzelnen wie das der Gesamtgesellschaft. Für den Einzelnen kann die Kirche dann die wich- tigste Sinngemeinschaft darstellen; über sie kann er eine sinnvolle Brücke zwischen seinem Privatleben und seiner Partizipation an den gesamtgesellschaftlichen Institutionen schlagen.

So kann ihm etwa die Kirche Sinn sowohl für sein Familienleben wie für sein Staatsbürgertum vermitteln. Für die Gesamtgesellschaft leistet die Kirche in diesem Fall einen wichtigen Beitrag.

Sie stützt die Stabilität und Glaubwürdigkeit der ,großen' Institutionen (allen voran des Staates) und mildert die ‚Entfremdung‘ des Individuums von der Gesellschaft.“4

Aus der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes ergeben sich zwei Grundlinien für die Theologie unter den Bedingungen der Moderne: „Sie muss ein Ethos kritischer Zeitgenossenschaft auf- weisen und sie muss tragfähige theologische Antworten auf die ausdifferenzierte Gesellschaft und ihre Herausforderungen an Theologie und Kirche entwickeln.“5 Ein sich daraus ergeben- der „Habitus kritischer Zeitgenossenschaft“ hat als entscheidendes Charakteristikum auszu- weisen: „Das ‚Zeitgenössische‘ und das ‚Zeitkritische‘ der Theologie müssen in wechselseiti- ger Komplementarität verstanden werden. Die Zeitgenossenschaft, die ‚Anschlussfähigkeit‘

der Theologie zu Kultur und Gesellschaft der Gegenwart dürfen ihre zeitkritischen Traditionen nicht verdrängen. Und umgekehrt: Das Kritikpotenzial, das die Theologie für jede Zeit in An- schlag bringen kann, darf ihre Anschlussmöglichkeiten nicht unterlaufen. Sonst schließen sich Theologie und Kirche in einem diskursiven Ghetto ein, von dem aus keine, auch keine kriti- sche, Wirkung mehr auf den sozialen Kontext erzielt werden kann.“6

Zeichen der Zeit

„Außerdem sagte Jesus zu den Leuten: Sobald ihr im Westen Wolken aufsteigen seht, sagt ihr: Es gibt Regen. Und es kommt so. Und wenn der Südwind weht, dann sagt ihr: Es wird heiß. Und es trifft ein. Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten.

1 Ansgar Kreutzer, Kritische Zeitgenossenschaft. Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes modernisierungstheo- retisch gedeutet und systematisch-theologisch entfaltet (ITS 75), Innsbruck-Wien 2006, 431.

2 A.a.O., 431f.

3 A.a.O., 432

4 Peter L. Berger / Thomas Luckmann, Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Die Orientierung des modernen Menschen, Gütersloh 1995, 60f.

5 Ansgar Kreutzer, Kritische Zeitgenossenschaft. Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes modernisierungstheo- retisch gedeutet und systematisch-theologisch entfaltet (ITS 75), Innsbruck-Wien 2006, 441.

6 A.a.O., 453.

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Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten? Warum findet ihr nicht schon von selbst das rechte Urteil?“ (Lk 12,54-57)

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.

Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.

Ist doch ihre eigene Gemeinschaft aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heili- gen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist. Darum erfährt diese Gemeinschaft sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden." (Gaudium et spes 1)

„Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zuei- nander Antwort geben. Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und oft ihren dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen." (Gaudium et spes 4)

„Im Glauben daran, dass es vom Geist des Herrn geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Ge- genwart oder der Absicht Gottes sind. Der Glaube erhellt nämlich alles mit einem neuen Licht, enthüllt den göttlichen Ratschluss hinsichtlich der integralen Berufung des Menschen und ori- entiert daher den Geist auf wirklich humane Lösungen hin." (Gaudium et spes 11)

Revision de vie

- Jemand aus dem Kreis erzählt ein Ereignis ("SEHEN", "HÖREN")

Durch Fragen (Wer, Was, Wann, Wie, Wo, Warum ...) werden die beteiligten Personen im- mer mehr bekannt.

- Schließlich kommt die Frage: Was war gut? Was war schlecht? Welche Werte finden sich?

- Was hat das alles mit Gott zu tun? – Gibt es dazu eine Stelle aus der Hl. Schrift? ("URTEI- LEN")

- Was können wir angesichts dieses Ereignisses tun? ("HANDELN")

Schriftstellen

Mt 5,13-16 (Salz der Erde, Licht der Welt) Lk 17,20-21 (Reich Gottes mitten unter euch) Joh 3, 1-21 (So sehr hat Gott die Welt geliebt)

Röm 12,2 (Und gleich euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene)

Röm 13, 1-2 (es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott) Apg 5,29 (Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen) 1 Thess 5,1-21 (Prüfet alles, behaltet das Gute)

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

Referenzen

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