SEKTION VI: SEMITISTIK
SEKTIONSLEITER: O. JASTROW, ERLANGEN
ZUR DIALEKTGEOGRAPHIE DES NILDELTAS*
von Peter Behnstedt, Alexandria
Über die ägyptisch-arabischen Dialekte war, abgesehen vom Kairenischen, bislang nur wenig bekannt. Es lag spärliches Material vor zu einigen Punkten in Oberägyp¬
ten, sowie eine dialektgeographische Studie zu Unterägypten, die Arbeit Fahmi
Abul Fadis über die Bauerndialekte der Provinz i5-Sarqiyya . Seit Anfang 1975 wird
nun der Versuch unternommen, einen ägyptischen Sprachatlas zu erstellen. Ich
hatte die Arbeiten dazu im westlichen Delta begonnen. Ende 1976 hat sich üinen
Manfred Woidich angeschlossen, wodurch sie ein gutes Stück vorankamen, und wo¬
durch nun auch dieses doch recht weite Gebiet Ägypten etwas leichter zu bewälti¬
gen ist. Geplant ist von den Autoren für die nähere Zukunft ein Überblick über die
ägyptisch-arabischen Dialekte mit ca. 400-500 Karten, sowie eine umfangreiche
Textsammlung, in der jeder Dialekt mit mehreren Texten vertreten sein soll, und in
der auch der volkskundliche Aspekt der Dialektologie gebührend berücksichtigt wer¬
den soll. Vorausgehen sollen diesem Sprachatlas ein Regionalatlas und mehrere Ein¬
zeluntersuchungen .
Die Arbeit an diesem Sprachatlas findet nun unter recht beschwerlichen Bedin¬
gungen statt. Für Oberägypten sind es die zurückzulegenden Entfernungen, für
Unterägypten die Ausländern auferlegten Reisebeschränkungen. Jedoch kann die
Arbeit in Oberägypten relativ unbehindert durchgeführt werden. Trotzdem ist es
nun Unterägypten, über dessen Dialekte ein erster Überblick vorliegt. Er kam zu¬
stande durch die Mitwirkung ägyptischer Studenten, die für mich in 320 Ortschaf¬
ten Befragungen und Tonbandaufnahmen durchgeführt haben. Zusammen mit den
von mü ün westlichen Delta untersuchten Punkten beläuft sich die Zahl der Unter¬
suchungspunkte auf ca. 370. Berücksichtigt man noch die 108 Punkte Abul Fadis,
so ergibt sich damit für das Delta ein recht dichtes Netz von Aufnahmeorten.
Die Nachforschungen im Delta haben nun, trotz vieler Unzulänglichkeiten in der
Arbeit der ägyptischen Mitarbeiter, eine Fülle interessanten Materials zu Tage ge¬
bracht. Und es hat sich gezeigt, daß das Delta keineswegs eine Art kairenisches
Arabisch spricht - und somit, wie N. Tomiche behauptet, ein wesentlicher Gegen-
* Der vollständige Text mit Karten erscheint in ZAL 1.
1 Fahmi Abul Fadl, VolkstümUche Texte in arabischen Bauerndialekten der ägyptischen Pro¬
vinz Sarqiyya mit dialektgeographischen Untersuchungen zur Lautlehre. Diss. Münster 1961.
XX. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen
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satz Unterägypten (= Kairenisch) - Oberägypten besteht* sondern, daß das Delta
eine ganze Reihe von Dialekten aufweist, die sich in wesentlichen Punkten vonein¬
ander und vom Kairenischen unterscheiden.
Aus dem zum Delta vorliegenden Material wurden nun 14 Sprachkarten vorge¬
stellt. Fünf Karten behandeln Phonologisches: die Realisiemngen von Qäf und Gim
als Iql, fl, Igi, respektive Igi, /g/, Iii; das Verhalten der Auslautkonsonanten vor
Pause; das Vorkommen der alten Diphthonge /ay/ und /aw/; Elision von kurzen /i/
und /u/ in unbetonter offener Silbe; den Akzent. Fünf weitere Karten behandeln
Morphologisches: die Formen der l.P.sg. u. pl. des Imperfekts „aktib-niktib",
„aktib-niktibu" und „niktib-niktibu"; die Verteilung der Felxionstypen „fa^al"
und „fi^U" beim Verbum; die Bildung des II. und V. erweiterten Stammes des Ver¬
bums; die des VII. und VIIL; die Verba tertiae infirmae. Im Lexikon sind die Unter¬
schiede zwischen den verschiedenen Delta-Dialekten einschl. des Kairenischen
geringfügig. Hier kann man schon eher von einem Gegensatz Unterägypten-Ober¬
ägypten sprechen. Was nun allerdings den rein bäuerlichen Wortschatz betrifft, so
ergaben sich doch einige wichtige Unterschiede innerhalb der Delta-Dialekte. Dies
wurde anhand von vier Karten zu den Bezeichnungen verschiedener Pflugteile
gezeigt.
Anhand der wenigen vorgeführten Karten ließen sich schon die großen Dialekt¬
räume des Deltas erkennen: die östlichen Dialekte, von denen wir schon durch Abul
Fadl die Sarqiyya-Dialekte kennen, die nördlichen Dialekte mit einer ganz außer¬
gewöhnlichen Untergruppe, den Burullus-Dialekten, die westlichen Dialekte, die
durch zwei Gruppen vertreten sind, die „aktib-niktibu"- und die „niktib-niktibu"-
Dialekte, schließlich im Zentmm und im Süden die dem Kairenischen sehr nahe¬
stehenden Dialekte.
2 Nada Tomiche, Les parlers arabes d'Egypte, materiaux pour une etude de geographie dialec¬
tale, in: Etudes d'orientalisme dediees ä la m6moire de Levi-Proven^l, Paris 1962, t.II, Ss.
767-779.
WANN WIRKTE DAS PHILIPPISCHE GESETZ?'
von Klaus Beyer, Heidelberg
Nach F. W. M. Philippi in: ZDMG 32 (1878), S. 42 wurde ursemitisches / in ge¬
schlossener Drucksilbe, der noch ein Konsonant folgt, zu a gesteigert. Aber im Ak¬
kadischen, Kanaanäischen, Nordarabischen und Äthiopischen (labdska „du zogst
dich an" usw. ist nach qatdlka usw. gebildet) ist von diesem Gesetz nichts zu be¬
merken. Und auch beim Aramäischen gibt es Schwierigkeiten, denn die von C._
Brockelmann: Syrische Grammatik. Leipzig 1951, S. 31 genannten Beispiele *sedtä
> sattä „Stamm", ""kapentä > kparitä , hungrige" und *mahaymentä> mhaymantä
„gläubige" (dazu noch mgannä ,, Schild", gaJrä ,, Brücke" und vieUeicht häkannä<
*hä' + ken-hä' ,,so") haben zwar nach dem *e, wie verlangt, zwei Konsonanten, aber der Dmck liegt nach der Schulaussprache auf der Status emphaticus-Endung.
In Wirklichkeit wich der Druck um 700 n.Chr. bei offener Endsilbe auf die vorletz¬
te Silbe zurück (vgl. C. Brockelmann: op. cit. S. 46 und ZDMG 52 (1898), S. 402),
und damit smd hier alle von Phüippi genannten Bedingungen erfüllt. Das PhUippi-
sche Gesetz wirkte also im 8. Jh. n. Chr., d.h. noch rechtzeitig, um die syrische und alle hebräischen Punktationen zu beeinflussen (vgl. H. Bauer und P. Leander: Histo¬
rische Grammtik der hebräischen Sprache. HaUe 1922, S. 194-196). VoU sichtbar
ist seine Wirkung im Neu westsyrischen, wo alle Wörter der Nominalform qitl außer
15 und IIS zu qatl geworden sind (vgl. 0. Jastrow: Laut- und Formenlehre des neu¬
aramäisehen Dialekts von Midin im Tur cAbdin. Bamberg 1967, S. 167 Anm. 1;
174 Anm. 1), d.h. genau die Entwicklung wirklich eingetreten ist, die Bauer-Lean¬
der: op. cit. S. 194a beim Hebräischen vermißt haben. AUerdings blieben die Wör¬
ter der Nominalform qill unverändert (vgl. 0. Jastrow: op. cit. S. 178 Anm. 5), weil
im Westsyrischen inlautende Konsonanten schon vorher gekürzt worden waren
(vgl. C. Brockelmann: op. cit. S. 42). Dadurch wird die späte Ansetzung des Philip¬
pinischen Gesetzes ebenso bestätigt wie durch die Tatsache, daß es vom späten
Mittelsyrisch abgesehen erst in den hebräischen Punktationen in Erscheinung tritt
und innerhalb des Neuaramäisehen nur im Neuwestsyrischen seine Spuren hinter¬
lassen hat. Das Philippische Gesetz scheint sich also vom 8. Jh. n. Chr. an von Sy¬
rien aus verbreitet und abgelegene aramäische Gmppen gar nicht mehr erreicht zu
haben. Es ist ein rein aramäisches Lautgesetz.
1 Auch hierfür güt das in ZDMG Supplement 111,1 (1977), S. 652 Anm. 1, Gesagte. Dasa in bat „Tochter", das vom 1. Jh. n. (Uhr. an in griechischen Transkriptionen bezeugt ist, stammt aus bar „Sohn", wo a um 800 v. Chr. hieroglyphenhethitisch (KAI II S. 34) und im 7. Jh. V. Chr. keilschriftlich belegt ist.
XX. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen