r
Isyf
ßib.'ioJhel.' der Deursch.->n /Morgonländischo
Gese.'ischoit
Der Lautwandel 5^ > 5^ und 5^ > 5^
im Sabäischen
Von Alexander Sima, Heidelberg
In einem beachtenswerten Aufsatz aus dem Jahr 1998 hat Rainer M. Voigt
die phonetischen Prozesse im Sabäischen dargestellt, die sich auf graphischer
Ebene als Eintreten von 5' anstelle von V bzw. von 5^ anstelle von V wider¬
spiegeln. Nach Voigts Interpretation liegt dem einerseits die Deaffrizierung
des /'s/ > /s/ sowie andererseits die aufgrund der phonetischen Umgebung
hervorgerufene sekundäre Affrizierung des 5' /s/ > /'s/ zugrunde.' Den Aus¬
gangspunkt seiner Untersuchung bildet dabei eine Liste von 13 Wurzel-
Dubletten, d. h. Wurzeln, die sowohl in Schreibungen mit 5' als auch mit s^
belegt sind.
Im folgenden wird die Belegsituation dieser 13^ von Voigt als Basis sei¬
ner Ausführungen herangezogenen Lemmata untersucht und auf ihre Trag¬
fähigkeit hin geprüft. Eine genaue Betrachtung des epigraphischen Befundes
wird zeigen, daß mehr als die Hälfte dieser 13 Lemmata keine ausreichend
solide Beleggrundlage für die Ansetzung von i^Ä-'-Dubletten und damit
auch für weiterreichende phonologische Schlüsse bietet. Die verbleibenden
weisen hingegen eine klare räumliche und chronologische Verteilung auf,
die zeigt, daß die im Titel genannten phonetischen Prozesse dem Sabäischen
im wesentlichen fremd sind.
' Die phonetische Reahtät der drei sabäischen Sibilanten s', j^und wird im folgenden als [s], [s] und ['s] angesetzt (vgl. Knauf 1994, 118, und Voigt 1998). Demgegenüber ist für das Hadramitische eine Realisation [s], [s] und [s] anzusetzen, d.h. die hier bereits in prähistorischer Zeit erfolgte Deaffrizierung des ['s] > [s] hat die Palatalisierung des [s] > [s] hervorgerufen (vgl. ebenfalls Knauf 1994 und Voigt 1998). Für das Minäische ist mit Voigt hingegen [s], [s] und ['s] anzunehmen, d. h. s' 'Vs/ wurde zu AV palatalisiert, s-' aber nicht deaffriziert.
^ Eine 14., weder von Voigt noch den einschlägigen Wörterbüchern verbuchte Du¬
blette ist ws'f anstelle von ws-'f in Ir 23/11. Da dieser Text bislang aber nur in einer frag¬
würdigen Kopie des Herausgebers vorliegt, ist diese Form mit s' jedoch nicht über jeden Zweifel erhaben und wird daher hier nicht berücksichtigt.
1. 'S'N
's'n (Verb) „eine Bauarbeit an einer Bewässerungsanlage durchführen"
(Gl A 752/1, Gl 1209/12)3
(Nomen) „Fundament, unterer Teil" (CIH 337/8, RES 4486, RES
4797/1, RES 4836/2)"
m's'n „Teil einer Bewässerungsanlage" (RES 3946/6, bustr., um 680
v.Chr.)
Vw (Inf.') Gl A 707/3: n(qz)w/w's^n/w[...]; diese extrem fragmentari¬
sche Inschrift berichtet von der Restaurierung (hqs^bw Z. 1) einer
Zisterne {krf 2,. 1.5.6); vermutlich aus Arhab stammend; keine An¬
gaben zur Datierung
Die Wurzel ''''s'n ist im Zusammenhang mit Bauarbeiten an Bewässerungs¬
anlagen von der altsabäischen Periode an gut bezeugt. Hinsichtlich seines
Kontextes paßt auch der vereinzelte Beleg für die Schreibung 's^n gut zu den
übrigen der Form 's'n. Da aber Gl A 707 äußerst schlecht dokumentiert ist
- ein Foto des Abklatsches wurde nicht publiziert - bleibt die Lesung und
damit auch die Existenz dieser singulären Variante Vn insgesamt recht frag¬
würdig.
2. HS'S'
^s's' (Verb) „(jemanden) schädigen" (RES 3943/1; bustr., etwa 6. Jh. v. Chr.)
(Nomen) „Schaden" (Ja 1028/11, Ry 508/11; beide I.Hälfte d. 6. Jh.
n.Chr.)
^sV „Schaden" (Ry 507/11; 1. Hälfte des 6. Jh. n. Chr.)
Is^s^ „Schaden" ( Abadän 1/43; Mitte des 4. Jh. n. Chr.)
Da etymologische Anknüpfungspunkte in Sprachen, die 5' und s^ differenzie¬
ren und so eindeutige Aussagen bezüglich des Sibilanten dieser Wurzel med.
gem. geben könnten, fehlen, muß die Frage, welche der Formen - mit s' oder
5^ - die ursprüngliche darstellt, letztlich offen bleiben. Da die Form fps's' be¬
reits altsabäisch bezeugt ist, wäre es naheliegend, diese als die ursprüngliche
anzusehen, während Schreibungen mit s-^ erst in der spätsabäischen Periode
seit dem 4. Jh. n.Chr. auftreten.^
' Daneben ist das Verb 's'n unklarer Bedeutung in Gl 1209/13 (ywm/tqdm/w's'n/
kwr/t'lb) bezeugt.
"* Die Bedeutung von 's'n in CIH 594bis/2 und 's'nn in CIH 553/3 ist äußerst unsicher.
' Problematisch ist jedoch, daß der einzige qatabanische Beleg ^jV „schaden" in RES 3856/6 mit jV geschrieben wird. Dies würde also nahelegen, daß die Schreibung s^ für 'V im Qatabänischen bereits wesentlich früher bezeugt wäre als in Saba'.
Der Lautwandel > s' und s' > im Sabäischen 253
3. KS^W
ks^wy „Kleidung(sstücke)" (Ja 555/4, bustr.)
'ks'wt idem (CIH 523/5.8 = Haram 40)
Die Schreibung der auch im Qatabänischen und Minäischen (Ricks 1989,
88; Arbach 1993, 54) bezeugten Wurzel '^ks^w mit s' ist nur aus Haram be¬
kannt.
4. MS'R/MS^R
ms'r (Verb) „den Dammkörper aufschütten" (CIH 540/72, CIH 541/111,
Ja 547/4)
(Nomen) „Aufschüttung des Dammkörpers" (CIH 540/8.23.28.73,
CIH 541/58)
msh „(etwas) entfernen, wegnehmen" (RES 3945/6, bustr., um 680 v. Chr.:
wmsh/kl/'str/'tb[/krb]'l/bn/byth[w] „und er [Krb'l] entfernte alle
Inschriften, die Krb'l bezeichnet hatte, aus dessen [d.h. des Königs
von Awsän] Haus")
Derivate der Wurzel "'ms'r kommen nur im Kontext der Dammbauinschrif¬
ten des 5.-6. Jh. n.Chr. vor und werden konstant mit 5^ geschrieben. Nach
Müller 1999, 268b und 269a, bezeichnet ms'r das „Aufschütten des Damm¬
körpers". Das Verb ms^r in der Bedeutung „(etwas) entfernen" ist hingegen
sabäisch nur einmal, um 680 v. Chr., bezeugt.^ Plausible semantische Gründe,
ms'r und ms^r auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuführen, liegen m.E.
nicht vor.
5. NS'L/NS'L
ns'l „Nachwuchs-" (RES 4176/6 aus Riyäm)^
(n)s'l (Nomen) Lesung unsicher, Bedeutung unklar (TYA 15/2)
h-ns^l „verursachen" (CIH 323/2 aus Riyäm: whns^l/'rwrm „er [der Lava¬
strom] verursachte einen Schaden")*
^ Im Minäischen ist ms-^r „(etwas) entfernen, wegnehmen" aber gut bezeugt, vgl. Ar¬
bach 1993, 63; die Variante ms'r gleicher Bedeutung ist hingegen nur einmal in M 317/4
aus Dedan belegt (der zweite bei Arbach 1993, 63, s.r. MS'R angeführte Beleg aus
M 320/2 ist zu streichen, da die Form dort ergänzt ist). Da es sich bei M 317 um eine nord- minäische Inschrift handelt, liegt möglicherweise nordarabischer Einfluß vor.
^ Zuletzt übersetzt in Müller 1997, 93.
* Zuletzt bearbeitet in Müller/Wissmann 1976, 113-119.
Da es sich bei ns'l und h-ns-^l um hapax legomena handelt, etymologische
Anknüpfungen keinen eindeutigen Ansatz für den Sibilanten ergeben und
zudem der Kontext in beiden Fällen problematisch ist - der von ns'l in
RES 4176/6 ist weitgehend unverständlich und CIH 323/2 bildet die erste,
nur teilweise erhaltene Zeile eines Fragments -, bleibt die Feststellung der
Bedeutung und damit auch des Verhältnisses der beiden Wörter zueinander
äußerst schwierig. Angesichts eines solch unsicheren Befundes lassen sich
auf dieses Wortpaar keine weitreichenden Schlüsse aufbauen.
6. NS'R/NS^R
ns'r (Präp.) „zu, nach ... hin, in Richtung nach" (nsr CIH 553/3 [bustr.],
CIH 554/2 [bustr.],^ CIH 555/2 [ahsab.],'° RES 3943/5 [bustr.],
RES 3945/10 [bustr.];" nsrn CIH 338/8 = Gl 1209 [3. Jh. v.Chr.],
CIH 553/1 [bustr.], RES 3945/16 [bustr.])
mns^rt (Nomen) Bezeichnung einer Truppe oder Heereseinheit, „Vorhut"
(Ir 12 §4, Ja 631/29 [beide aus der Zeit des §'rm wtr], Abadän
1/13.19 [Mitte des 4.Jh. n.Chr.])
Es gibt keine plausiblen semantischen Gründe, die vielfach belegte Präposi¬
tion ns'r mit dem gut bezeugten Nomen mns^rt zusammenzustellen. Zudem
ist bei beiden Wörtern die Schreibung der Sibilanten jeweils völlig einheit¬
lich: ns'r wird stets mit s' geschrieben, mns^rt stets mit s^. Würde es sich
um bloße Varianten handeln, würde man angesichts der nicht geringen Be¬
legzahl beider Wörter auch vereinzelt umgekehrte Schreibungen - ns^r oder
mns'rt - erwarten. Daß das s^ in mns^rt ursprünglich ist, ergibt sich aus dem
Verb ns^r „die Vorhut leiten" in den taymänisch-thamudischen Nabunid-
Inschriften. Die chronologische Verteilung der sabäischen Belege ist kom¬
plementär: während die Präposition ns'r/ns'rn ausschließlich altsabäisch be¬
zeugt ist und mit Beginn der mittelsabäischen Periode verschwindet, ist
mns^rt erst seit Anfang des 3. Jh. n. Chr. belegt.
7. qs'M
qs^m „Anteil" (RES 4176/13, Gl 1446/4; beide aus dem nördlichen Hoch¬
land)
' Zuletzt bearbeitet in Calvet/Robin 1997, 218-219.
'° Zuletzt bearbeitet in Wissmann 1982, 80-81.
" In RES 4176/2 ist nsr ais Toponym zu deuten; in dem Fragment RES 4009/5 sind Funktion und Bedeutung von nsr völlig unklar.
Der Lautwandel 5^ > s' und > im Sabäischen 255
qs^mt „Anteilhabe" (Gl 1379/6 = CIH 318 aus Riyäm)'^
mqs'm „Orakel" (CIH 548/2 = Haram 13)
Derivate der Wurzel ''qs^m werden im Sabäischen in der Regel korrekt mit
geschrieben. Der einzige Beleg für eine Schreibung mit s' stammt aus Ha-
ram.'3
8. S'GD
s^gd l- „sich niederwerfen vor jemandem" (Wellcome Museum A 103664b/6:
[.. .Jws^gd/lhmw/lys-'lpln/f. ..] „ [...] und er warf sich vor ihnen nieder,
damit er [...]"; Herkunft unbekannt, wahrscheinlich I.Hälfte
des 6. Jh. n.Chr.)
ms'gd „Gebetsstätte" (jüdische Inschrift aus Tan Im: 'mn/'mn/wdn/bytn/
ms'gdn „Amen, Amen: dieses Haus ist eine Gebetsstätte", spätsab.)
Die nur einmal bezeugte sabäische Form s^gd ist die lautgesetzliche Entspre¬
chung von nordwestsemitisch ''sgd gleicher Bedeutung. Der terminus techni¬
cus ms'gd ist hingegen aus dem Nordwestsemitischen (wahrscheinlich über
das Frühnordarabische) entlehnt.'''
9. S^ND
s^nd „(eine Votivinschrift) aufstellen" (Nämi 74/7)
ms^nd „Inschrift" (große Zahl an Belegen)
ms'nd idem (Ja 1028/6.8.11, Ry 507/9.11, Ry 508/2.11, Ry 510/3)'^
Gegenüber der vielfach bezeugten Form ms^nd ist die Schreibung ms'nd nur
in vier spätsabäischen Inschriften aus der I.Hälfte des 6. Jh. n.Chr. belegt,
die alle in der Region nördlich von Nagrän gefunden wurden.
Zuletzt bearbeitet von W. W. Müller in TUAT II 622.
Obwohl Eigennamen bei phonologischen Untersuchungen ein eher problematisches Material darstellen, soll hier doch darauf hingewiesen werden, daß die Wurzel "^qs^m „das Los zuteilen" in theophoren Eigennamen sehr häufig auftritt. Für eine Schreibung mit s' ist mir nur ein Beispiel bekannt: qs'mlt in Ry 507/12 (I.Hälfte des 6. Jh. n.Chr.).
Vgl. dazu ausführlich Nebe 1991, 235-243.
Hinzuweisen bleibt noch auf RES 4763/12 aus Märib, wo in völlig fragmentarischem Kontext [...]d't/ms'nd[...] zu lesen ist. Sollte es sich bei d't um das frühnordarahische
feminine Demonstrativpronomen handeln? Auch einige der Stifternamen in Z. 1-2 wei¬
sen möglicherweise in den nordarabischen Raum. Insgesamt bleibt das Fragment ziemlich rätselhaft.
10. S^N
s^n (Präp.) „zu, nach ... hin" (CIH 540/16.19, Ir 32/18, RES 4787/4,
RES 4791/2, YM 2403/8-9 etc.), b-s^n idem (Ja 567/7, Ja 687/8)
s'n (Präp.) idem (CIH 325/2.4, CIH 540/25; Mitte des 6. bzw. Mitte des
5. Jh. n.Chr.)'^
Die Präpositionen s'n und s^n, die beide „zu, nach ... hin" bedeuten, sind
gut bezeugt; an der Existenz der beiden Formen ist nicht zu zweifeln. Die
Form s^n ist, worauf Voigt 1998, 174, auch zu Recht hinweist, mit dem aus
dem Minäischen bekannten Nomen s^n, s^nn, PI. 's^nn „Richtung; Grenze"
zu verbinden (das nur in der Schreibung mit s-^ vorkommt). Möglicherweise
deutet auch die komposite Form b-s^n des Sabäischen noch auf den nomi¬
nalen Ursprung der Präposition s^n hin. Daß es sich bei der nur aus zwei
spätsabäischen Texten bekannten Form s'n um eine Variante (V > s') der
ursprünglichen Form s^n handelt, ist naheliegend, wenn auch nicht zwin¬
gend.'''
11. S^NN
'■'s^nn Von der Wurzel V«n existiert eine Reihe von nominalen und verba¬
len Derivaten, die das Wortfeld „Recht, Gesetz, Bestimmung etc."
umfassen (eine Auflistung des gesamten Belegmaterials würde hier
zu weit führen, vgl. dazu SD, 139)
s'nt „Bestimmung'" (Fa 76/8: wf.Js'dw/s'ntn Bedeutung unklar)'*
Die Beleggrundlage für die Existenz einer Dublette ''s'nn zur Wurzel "'s^nn
ist äußerst schwach: Der einzige Beleg für s'nt ist etymologisch mehrdeutig
und semantisch unklar, zudem existiert für diese Nominalform keine ein¬
deutige morphologische Dublette, da eine Form s^nt nicht bekannt ist."
Daneben ist h-s'n in der Bedeutung „mit" singulär in Ir 21/7 bezeugt. Da von die¬
ser Inschrift aber liein Foto existiert, bleibt dieser Beleg unsicher. Unklar ist auch hsn in TYA 10/1.
Die Form s'n könnte, als defektive Schreibung von /s'ün/ aufgefaßt, auch zur Prä¬
position s'wn, die gleichfalls „in Richtung nach ... hin" bedeutet (CIH 608/8, Ja 651/32,
YM 13/4, Ga 1 A/7), gesteht werden. Nach Müller 1989, 51: Fn. 13, ist s'wn in s'w +
n zu zerlegen und zu himyarisch sw und jemen.-arab. si gleicher Bedeutung zu stellen.
In diesem Fall wären s'n und s^n nicht zusammenzustellen und die Annahme einer s'/s-'- Dublette s'n : s-'n von vornherein hinfällig.
Zuletzt bearbeitet in Korotayev 1995, 82-94. Die Inschrift Fa 76 ist bislang nur durch eine Nachzeichnung A. Fakhry s bekannt.
" Der in SD, 127, mit Fragezeichen angeführte t-Stamm ts'n in Ja 720/11 hat sich als Lesungsfehler entpuppt, korrekt ist tkr zu lesen (Bron 1988, 40).
Der Lautwandel > s' und s' > im Sabäischen 257
12. S'S'LT
s's'lt „Kette" (Ja 1028/4.8, Ry 508/8; 1. Hälfte des 6. Jh. n. Chr.)
s'sHt idem (Ry 507/10; 1. Hälfte des 6. Jh. n. Chr.)
Die Formen s's'lt und s's^lt sind in drei Texten bezeugt, die hinsichtlich Da¬
tierung und Fundort eine Gruppe bilden. Etymologisch ist die Form s's'lt
(< '''s'ls'l-t) als die ursprüngliche anzusehen, der gegenüber s's^lt eine Ver¬
schiebung ''s' > s^ aufweist.
13. S'WD/S'WD
's'wdy- (Ja 665/31), s'wd (Saraf ad-Dln 8/1, Ry 509/10), s'w'd (Ja 1031/3),
s'dt (CIH 597/2) Bezeichnungen für militärische Führungsränge
wi-'zyt^ „Ratsversammlung" (Gl 1628/3 [2. Hälfte des 3. Jh. n.Chr.],
MAFRAY-Husn Al-Sälih 1/1, RES 3945/5, RES 4176/14,
Y.90.DA/2/1), PI. ms^wdt (Ja 2115/3 = CIAS II 123-126; Mitte des
3. Jh. n.Chr.)
Sämtliche Formen der Wurzel "'s'wd stammen aus der 2. Hälfte der mit¬
telsabäischen sowie der spätsabäischen Periode - der früheste Text ist ver¬
mutlich Saraf ad-Dln 8, der leider keine genaueren chronologischen Anhalts¬
punkte bietet. Demgegenüber stammt die Mehrheit der Belege für ms^wd
aus der altsabäischen Periode; nur Gl 1628 und Ja 2115 führen bis in die
2. Hälfte der mittelsabäischen Phase hinein. Aufgrund dessen müßte man
annehmen, daß die früher bezeugte Form ms^wd den Ausgangspunkt der
jüngeren Formen, d.h. der Derivate von "'s'wd, darstellt. Beeston 1973,
451-452, und SD, 129, vermuten aber nicht zu Unrecht, daß diese von "'s'wd
abgeleiteten militärischen Rangbezeichnungen aus dem Nordarabischen ent¬
lehnt wurden (wie ja überhaupt nordarabische Kontingente ein wesentliches
Element des mittelsabäischen Heeres darstellen). Außerdem ist 's'wd auch
als Epitheton des Gottes dSmwy (Ja 513/5), der hauptsächlich von den
nordarabischen Amir verehrt wurde, bezeugt.
Zusammenfassung der Beleglage
1. Die vermeintlichen Dubletten MS'R : MS^R und NS'R : NS'R sind
auszuscheiden, da keine ausreichenden semantischen Gründe vorliegen,
die es rechtfertigen, sie jeweils auf eine gemeinsame Wurzel zurückzu¬
führen.
2. Ebenso auszuscheiden sind die Dubletten S'GD : S'GD und S'WD :
S'WD, da nur die jeweils s-'-haltige Wurzel genuin altsüdarabisch ist,
das 5'-haltige Pendant aber mit Sicherheit (S'GD) bzw. großer Wahr¬
scheinlichkeit (S'WD) als nordarabische Entlehnung zu werten ist.
3. Die Dubletten NS'L : NS'L und S'NN : S'NN sind sowohl in semanti¬
scher als auch etymologischer Hinsicht fragwürdig, die Wurzeln "'ns'l,
"'ns^l und "'s'nn zudem noch hapax legomena. Beide Wortpaare sind
somit als Basis weiterer Schlüsse ungeeignet.
4. Aufgrund der schlechten Dokumentation (unveröffentlichter Glaser-
Abklatsch einer offenbar stark beschädigten Inschrift) bleibt auch der
einzige Beleg für Vn vorläufig recht zweifelhaft, obwohl er sich, stellt
man ihn zu 's'n, in semantischer Hinsicht gut in das von 's'n abge¬
deckte Wortfeld einfügen würde.
5. Von den 13 vermeintlichen Dubletten verfügen somit nur sechs über
eine Belegsituation, die ausreichende und solide Grundlagen für eine
Auswertung bietet:
a) Die Schreibung für etymologisches "'s' findet sich in spätsabä-
ischer Zeit (4.-6. Jh. n.Chr.) eindeutig bei jps's^ und ^sV für "'jps's' und s'sHt für "'s's'lt.
h) Das umgekehrte Phänomen, die Schreibung s' für etymologisches
'V, begegnet ebenfalls in spätsabäischen Texten des 6. Jh. n.Chr.
(zweifelsfrei bei ms'nd für "'ms^nd und möglicherweise in s'n für
Vn) sowie in den Amir-Inschriften aus der Stadt Haram {ks'w für
"'ks^w und qs'm für '''qs^ni).
Ergebnisse
1. Die Sprache der Verfasser der sabäischen Texte aus Haram hat neben
dem stimmlosen, nicht-emphatischen Lateral ("'s^) wahrscheinlich nur
noch einen stimmlosen, nicht-emphatischen Sibilanten aufgewiesen, in
den ursprüngliches "5' und "'s^ zusammengefallen waren. Dies weist
zusammen mit anderen Indizien darauf hin, daß die Muttersprache
der Verfasser dieser Texte kein altsüdarabisches sondern ein nord¬
arabisches Idiom war, denn im Frühnordarabischen - mit Ausnahme
des Taymänischen - ist der Zusammenfall von V und ''s^ zu /s/ bereits
um die Mitte des I.Jahrtausends v. Chr. vollzogen (davor fehlen direkte
Zeugnisse des Frühnordarabischen). Die Verwendung von s' anstelle
von 'V ist somit ein Charakteristikum des nordarabisch gefärbten Sabä¬
isch der Inschriften aus Haram.
Der Lautwandel > s' und s' > im Sabäischen 259
2. Im Sabäischen ist - abgesehen von Haram - das Eintreten von s' an¬
stelle von V und von anstelle von ''s' erst in spätsabäischer Zeit
(4.-6. Jh. n.Chr.) zweifelsfrei bezeugt. Für die alt- und mittelsabäische
Periode liegen bislang keine eindeutigen Belege vor.
3. Voigt 1998 deutet die in Punkt 2 genannten Phänomene als zwei ent¬
gegengesetzte phonetische Prozesse, nämlich einerseits als Deaffrizie¬
rung des s^ und andererseits als durch die lautliche Umgebung kondi¬
tionierte sekundäre Affrizierung des s'. Während die Deaffrizierung
von s-^ in ms'nd, s'n, ks'w und qs'm phonetisch unproblematisch ist
und einer generellen Tendenz der semitischen Sprachen folgt, wäre die
sekundäre Affrizierung von s' in s's^lt und insbesondere in Ips^s^ nur
schwer zu erklären. Wesentlich wahrscheinlicher scheint mir dagegen,
daß auf phonetischer Ebene nur eine Deaffrizierung des stattgefun¬
den hat, die dazu geführt hat, daß die beiden Zeichen s' und s^ in
der spätesten Phase der altsüdarabischen Schriftkultur nur einem Laut,
nämlich /s/, entsprochen haben, so daß es vereinzelt zu etymologisch
„unkorrekter" Verwendung der Zeichen s' und 5^ kommen konnte. Wäh¬
rend das Eintreten von s' anstelle von 'V einer phonetischen Realität
entspricht, ist das Eintreten von 5^ anstelle von "'s' wahrscheinlich ein
rein orthographisches Phänomen.
Appendix: ''t > und "'t > s' im Sabäischen
Die Schreibung s^ für etymologisches "'t ist im Sabäischen äußerst selten be¬
zeugt und kommt m.W. nur in zwei Textgruppen vor, die „am Rande" des
Sabäischen angesiedelt sind:
Haram
In Haram ist die Schreibung s-'für "'t einmal belegt: wds'mwy/f^ l-ys^wbnh/
n'mtm „und dS'mwy möge es ihr mit Gnade vergelten" (RES 3956/6 = Ha¬
ram 35).
2. Yanbuq
In den sabäischen Inschriften und Graffiti aus Yanbuq (Region WädT
AmäqTn) ist die Schreibung 5-' für 'H des öfteren belegt: In BR-Yanbuq
47/7 wird das Verb tll in der Form s^ll geschrieben: k'tyw/bn/'s''yn/ksHlw/
s^'bn/[.] * (l)kn „als sie zurückkehrten von 's''yn, nachdem sie den Stamm
(namens) [.](l)kn geplündert hatten". Daneben ist noch ein Eigenname zu
nennen, der zweifellos ebenfalls diese Besonderheit aufweist: 'rtl (< Vi-'/)
(BR-Yanbuq 13/1-2). Auch das umgekehrte Phänomen für '"'Y ist einmal
bezeugt: gws-' (< gwt) (BR-Yanbuq 45). Die Inschriften und Graffiti aus Yan¬
buq datieren in die I.Hälfte des 6. Jh. n.Chr., man könnte also vermuten,
daß es sich auch hier um ein Charakteristikum des Spätsabäischen handelt.
Eine andere Erklärung ist aber wesentlich plausibler: Die Region, aus der
diese Texte stammen, war vor der himyarischen Eroberung Teil des König¬
reichs Hadramawt, und auch die Autoren dieser Texte, Angehörige der
Familie Yz n, gehören dem ehemals hadramitischen Adel an. In BR-Yanbuq
47bis/2 bezeichnet sich eine Person sogar ausdrücklich als hdrmyn „der
Hadramiter" - mehr als 200 Jahre nach der himyarischen Eroberung des
Königreichs Hadramawt. Es ist somit naheliegend, mit Bäfaqih/Robin
1979, 27-28, anzunehmen, daß diese Schreibungen ein wesentliches Charak¬
teristikum des Hadramitischen bewahren, nämlich die im Hadramitischen
vielfach bezeugte Verwechslung von t und x^, die hinweist auf eine Sibilanti-
sierung des ''/t/ > A/, das dadurch mit /s/ zusammenfällt.
Es zeigt sich somit, daß sämtliche Belege für die Alternation t : aus nord¬
arabischem (Haram) bzw. hadramitischem (Yanbuq) Randgebiet stammen.
Im Standard-Sabäischen ist es - im Gegensatz zum Hadramitischen und
Minäischen - zu keiner Sibilantisierung des t gekommen. Der Erhalt des t
wird auch durch externe Zeugen bestätigt: (1.) Das bei Plinius, nat. hist. XII
60 in lateinischer Umschrift erhaltene altsüdarabische Wort dathiathum gibt
sabäisch dt'-t „Frühjahr, Frühjahrsernte" wieder. Diese gesamte Passage in
nat. hist. XII. geht auf ein verlorenes Werk des Juba von Mauretanien zu¬
rück, der seinerseits wiederum ältere, weitgehend unbekannte Quellen be¬
nutzt hat.^° (2.) Bei Ptolemaios VI 7,25 ist der Stamm der 'Pa6r]voi verzeich¬
net, der altsüdarabisch rthm entspricht.
Das einzige, bisher völlig übersehene Beispiel für eine Sibilantisierung
von sabäischem t findet sich in dem Personennamen s^f-n-s'hw „S'hw
(= "'Thw, d.h. mlqh Thwn) hat auf mich (gnädig) herabgeblickt" (Robin-
Reserve de Märib 2/5)^', der die ungewöhnliche Schreibung s' /sl für ''t
aufweist. Dies setzt eine Sibilantisierung des ''t > s voraus. Die Inschrift
Robin-Reserve de Märib 2 weist zudem in den Zeilen 6-8^^ auch die Be¬
sonderheiten V > 2 und '-'h > h auf. Solange aber der gesamte Text nicht
^° Das lateinische dathiathum entstammt mit Sicherheit mündlichen Informationen und gibt somit die aktuelle phonetische Realisation -wieder.
" Vgl. Sholan 1999, 81 und 149.
22 Publiziert in Robin/Bron 1979, 139.
Der Lautwandel > s' und > im Sabäischen 261
publiziert und eine chronologische und inhaltliche Einordnung nicht mög¬
lich ist, bleibt es schwierig, diese nur hier bezeugten Phänomene präzis zu
bewerten. Möglicherweise handelt es sich tatsächlich um ein Versehen des
Steinmetzen, oder aber der Text wurde von Angehörigen der Unterschicht
gesetzt und gibt deren soziolinguistische Eigenheiten wieder.^' Als Argu¬
ment für eine generelle Sibilantisierung des /t/ zu A/ kann dieser Text nicht
dienen.
Bibliographie
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et hadramawtique. Dissertation Aix-en-Provence 1993.
BäfaqIh, Muhammad 'A./Robin, Christian: „Inscriptions inedites de Yanbuq
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Beeston, Alfred F.L.: „Notes on Old South Arabian Lexicography VIII." In: Le
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" Zu den sprachlichen Eigenheiten der Texte von Angehörigen der Unterschicht vgl.
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Sholan, Amida: Frauennamen in den altsüdarabiscben Inschriften. Hildesheim
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senschaften, Phil.-Hist. Kl. 402.).
Mulhid Wahdati, ein bosnischer Ketzer des 16. Jahrhunderts
Von Slobodan Ilic, Ankara
In den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts wurde das rechtgläubige
Bosnien zum Mittelpunkt der Ausdehnung mystischer Lehren, die sich
nicht besonders gut in den Rahmen der Scheria einfügten, und zum Schau¬
platz der durch diese Lehren inspirierten Sozialbewegungen. Diese Aktivitä¬
ten beunruhigten die Obrigkeit derart, daß sie die Anhänger der mystischen
Lehren brutal als Apostaten und Häretiker unterdrückte. Relevante schrift¬
liche Zeugnisse über diese Bewegungen sind selten und stammen hauptsäch¬
lich von ihren Widersachern. Eine zeitgenössische handschriftliche Quelle
bosnischer Provenienz klagt:
„... tä sol zamäna gelinge bu häl üzere idiler ki ol zamända Hurüfller ve
mülhidler ve Hamzeviler ve zmdiqlar zuhür bulup dünyäya münte§ir olup
eyitdiler: 'ulemä 'ilimleriyle ämil degüldür deyüp bu sözi halk icinde säyi'
etdiler nitekim elfäz-t küfr säyi etdikleri gibi. Zirä bu zikr olunan tä'ife-i
zälle ve muzillenün 'aduvvlari ve büyük düsmanlari ve ziyäde mabgüzlari
'ulemä tä'ifesidür. 'Ulemä olmasaydi Hurüß ve Hamzeviler bir kacgün icinde
gemi'an bu halqi kendü mezheblerine döndürelerdi. Zirä bu zamän hevä
zamänidur anlarun ise mezhebleri hevädur ser'-i serif degüldür. Ol egilden
'ulemä'-i din anlarun qatillerine fetvä verüp hukm etmislerdür ... Eger bu häl
üzere qalursa bu sü'-i zann bunlan tedrigile bir häle ergüre ki aslä 'ulemänun qavlile 'amel etmeyüp anlar fäsiqlardur ve fäcirlardur deyüp biz sälih ve müte- deyyinleriz deyeler vardiqca Hurüfileri i'tikädile mu'takid olurlar. Hurüfiler
' Über die //«r«/z-Bewegung siehe: E. Browne: „Some notes on the hterature and
the doctrines of the Hurufi sect." In: JRAS (1898), S. 61-94; C. Huart: Textes persans relatifs a la secte des Houroufis. Leyden/London 1909; J. Birge: The Bektashi Order of Dervishes. London/Hartford (Con.) 1937; H. Ritter: „Die Anfänge der HurüfT-Sekte."
In: Oriens VIII (1954), S. 1-54; A. Gölpinarli: Hurüfilik Metinleri Katalogu. Ankara
1973, S. 1-41; I. Melikoff: „Fazlullah d'Astarabad et l'essor du Hurufisme en Azer¬
baydjan, en Anatolie et Roumelie." In: J.-L. Bacque-Grammont/R. Dor (Hrsg.): Me¬
langes offerts ä Louis Bazin. Paris 1992; H. Noris: „The Hurüfl Legacy of Fadlulläh of Astaräbäd." In: The Legacy of Medieval Persian Sufism. London 1992.
2 Ausführlicheres über Hamzawis findet sich in: A. Gölpinarli: Melämilik Ve
Melämiler. Istanbul 1931; T. Okiq: „Quelques doeuments inedits concemant les hamzavi- tes." In: Proceedings of the 22"'' Congress of Orientalists. Leiden 1957.