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Automatische Informationssysteme rund um die Kuh

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17. Jahrestagung, 18.– 20. Oktober 2016, LLA Triesdorf

1 | S e i t e

Automatische Informationssysteme rund um die Kuh Uwe Mohr

Landwirtschaftliche Lehranstalten Triesdorf, Markgrafenstraße 1, 91746 Weidenbach

Schöne neue Datenwelt im Kuhstall?

Durch die immer größer werdenden Herden nimmt die Arbeitsbelastung der Tierhalter enorm zu. Diese Situation zwingt die Milchviehhalter immer mehr Arbeitsbereiche im Kuhstall zu automatisieren.

Melken, Laufflächenreinigung, Klimaführung, Einstreuen, Tränken der Kälber, Vorlage von Mischrationen und Informationssysteme rund um die Kuh sind Arbeitsfelder für die automati- sche Lösungen zur Verfügung stehen. Diese technischen Helfer können Arbeitszeit einsparen und Freiräume schaffen indem sie oft wiederholende und unangenehme Arbeiten erledigen, bei Tierkontrolle und -beobachtung entlasten, sowie Dokumentation und Managementaufga- ben erleichtern. Diese technischen Helfer dürfen nicht dazu verleiten, die persönliche Über- wachung und Kontrolle der Tiere zu vernachlässigen. Nach wie vor gilt der altbewährte Grundsatz: „Das Auge des Herrn mästet das Vieh!“

Die Verwendung von automatisierten Technologien zur Optimierung von Management- prozessen und -abläufen oder der Informationssammlung wird als „precision dairy farming“

bezeichnet. Der Einsatz dieser elektronischen Helfer in der Milchviehhaltung soll zu verbes- serter Tiergesundheit und mehr Wohlbefinden, einer gesteigerten Effizienz, geringeren Kos- ten und Fortschritten in der Produktqualität führen. Diese Technologien müssen zugrundelie- gende biologische Prozesse erklären und zu Handlungsempfehlungen führen. Der Einsatz im Milchviehstall erfordert Robustheit, Zuverlässigkeit und Aktualität. Einfaches und ergebnis- orientiertes Arbeiten sowie eine schnelle Verfügbarkeit und Eingabemöglichkeit der Daten am besten direkt an der Kuh sind ebenfalls wichtige Kriterien.

Darüber hinaus müssen diese z. T. sehr teuren Techniken durch ihren Einsatz dem Milchvieh- halter unbedingt einen wirtschaftlichen Nutzen erbringen. Unter Praxisbedingungen oft ein schwieriges Unterfangen aufgrund fehlender Datengrundlagen und der Komplexität biologi- scher Prozesse.

In der Triesdorfer Lehrwerkstatt Rind werden solche elektronischen Helfer unter Praxisbedin- gungen getestet, miteinander verglichen und die Erkenntnisse daraus in Aus- und Fortbildung an die Praxis sowie im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit weitergegeben.

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17. Jahrestagung, 18.– 20. Oktober 2016, LLA Triesdorf

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Wie können automatische Informationssysteme rund um die Kuh genutzt werden?

Die Erfassung von Bewegungsaktivität und Melkdaten sind in der Praxis schon lange üblich.

In Verbindung mit der Aktivitätsmessung ist auch die Erfassung des Wiederkauverhaltens verfügbar. Systeme, die die tierindividuelle Bewegungsaktivität und mittels Mikrofon oder durch Erfassung von Muskelbewegung die Wiederkauaktivität erfassen, erleichtern sowohl die Brunst- als auch die allgemeine Gesundheitsüberwachung. Neben einer Veränderung der Aktivität weist auch ein reduziertes Wiederkauverhalten auf eine bevorstehende Brunst hin.

Es geht so weit, dass der optimale Besamungszeitpunkt vom System relativ genau erkannt wird. So lässt sich die Zyklusüberwachung aber auch der Besamungszeitpunkt noch besser absichern. Ein verändertes Wiederkauverhalten kann ebenfalls ein Indikator von nahenden Krankheiten sein und die Erfassung des Wiederkauens ein früheres Erkennen und somit oft effektiveres Eingreifen bei Gesundheitsproblemen ermöglichen.

Das exakte Erfassen der Einzeltier-Futteraufnahmen wird durch den hohen technischen Auf- wand Versuchsanlagen für wissenschaftliche Auswertungen vorbehalten bleiben. Die Tries- dorfer Studenten können mit Hilfe von 34 installierten Wiegetrögen angewandte Fütterungs- versuche im Rahmen von Studienprojekten, Bachelor- und Doktorarbeiten durchführen. Dar- über hinaus lassen sich die gewonnenen Daten sehr gut in das Herdenmanagement sowie das Fütterungscontrolling und in die Aus- und Fortbildung einbinden.

Die Ermittlung des Pansen-pH-Wertes lässt einen Blick in die Kuh zu und zeigt, welche Auswirkungen unterschiedliche Fütterungssysteme und unterschiedliche Futterkomponenten und –mengen auf die Pansenstabilität haben. Hohe Kosten der Pansen-Boli lassen einen brei- ten Praxiseinsatz nicht zu. Didaktisch unbestritten wertvoll muss der Einsatz von einzelnen Indikator-Tieren kritisch im Hinblick auf Handlungsempfehlungen für die ganze Herde hin- terfragt werden.

Die automatische Erfassung der Körperkonditionsüberwachung mit Infarot-Sensor- und Bild- verarbeitungssystemen befindet sich auf dem Weg zur Praxisreife. Mit dieser Technik wird zukünftig auch die Feststellung von Lahmheiten und eine Kontrolle der Futteraufnahme über die Hungergrubenfüllung der Kühe angestrebt. Hilfreich für die Bewerter und die Kursteil- nehmer ist der Abgleich der jeweiligen individuellen subjektiven Beobachtung der Merkmale mit der objektiven Sensortechnik.

Besonders für große Herden interessante Lösungen sind Systeme, die neben der Brunstüber- wachung zusätzliche Arbeitserleichterung mithilfe einer Einzelkuhortung ermöglichen. Durch die Ortung in Echtzeit lassen sich gesuchte Tiere schneller finden und somit viel Arbeitszeit einsparen. Das in Triesdorf installierte „Kuh-Navi“ liefert Informationen über das Lauf- und Liegeverhalten und es ist sofort erkennbar, wo sich das Einzeltier gerade befindet. Das Sys- tem erstellt für jedes einzelne Tier ein individuelles Verhaltensmuster. Werden hiervon deut- liche Abweichungen festgestellt, gibt es eine Nachricht an den Tierhalter. Gerade in AMS- Betrieben kann die Kuh-Ortung im Bereich der Kuh-Suche zu Arbeitserleichterungen führen.

Technisch sehr anspruchsvoll liegt in der Tierortung noch Entwicklungspotential zur voll- ständigen Praxisreife.

Selbstverständlich lassen sich noch mehr Daten über eine Kuh erfassen. Körpertemperatur, Herzschlag, Atmung, Einsatz von Wärmebildkameras und vielleicht irgendwann auch noch

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17. Jahrestagung, 18.– 20. Oktober 2016, LLA Triesdorf

3 | S e i t e der Blutdruck sind im Versuchsbereich möglich. V. a. die automatische Erfassung der Kör- pertemperatur wäre ein großer Fortschritt für die Praxis.

Spezielle Tierwaagen bieten die Möglichkeit, die Klauengesundheit kontinuierlich zu über- wachen. Das Laufverhalten und die einzelnen Klauenbelastungen können hier erfasst und dargestellt werden. Sehr anspruchsvoll ist aber deren Betrieb unter Stallverhältnissen.

Für die Geburtsüberwachung werden Lösungen angeboten. Hierzu ist z. B. eine Spange in die Scheide einzuführen. Bei beginnender Geburt wird der Tierhalter z. B. per SMS benachrich- tigt. So können zahlreiche unnötige Kontrollgänge gespart werden. Die praktische Umsetzung zeigt hier noch deutliches Verbesserungspotenzial.

Erfasste Daten machen letztendlich auch nur Sinn, wenn sie ausgewertet und brauchbare Schlüsse gezogen werden können. Nach heutigem Kenntnisstand wird deutlich, dass nicht alles Sinn macht, was möglich ist. Vieles befindet sich noch im Entwicklungsstadium oder ist aufgrund der Kosten nicht wirtschaftlich einsetzbar. Jedoch stellen die Überwachung von Eu- tergesundheit, Brunstverhalten, Wiederkauaktivität und zukünftig von Körpertemperatur un- strittig nützliche Parameter dar.

In der Milchviehhaltung erfordert ein erfolgreiches Herdenmanagement eine intensive Einzel- tierbetreuung. Die automatische Erfassung von Einzeltierdaten kann bei steigenden Herden- größen eine wertvolle Unterstützung für den Landwirt sein. Zu viel technische Kontrolle und Arbeitserledigung bergen die Gefahr der unreflektierten Abhängigkeit von der Technik und dem Verlust des sehr wichtigen engen Kontaktes zu den Tieren. Der Hinweis auf diese Gefah- ren muss ein Schwerpunkt in Aus- und Fortbildung darstellen.

Die Vielzahl der technischen Überwachungsmöglichkeiten im Kuhstall ist leider durch die Vielzahl der Hersteller und Anbieter häufig nicht kompatibel. Das heißt, eine sinnvolle und notwendige Verknüpfung der Datenflut funktioniert oft nicht. Insellösungen stellen den Ge- samtnutzen oft in Frage, für doppelte Dateneingaben fehlt den Milchviehhaltern die Zeit. Zu- dem birgt die Datenerfassung und Verarbeitung auch die Gefahr des Datenmissbrauchs durch außerbetriebliche Interessen, ein Bereich dem bisher sehr wenig Beachtung gezollt wird. Ent- scheidend für den Erfolg einzelner Systeme ist v. a. auch die Benutzerfreundlichkeit. Milch- viehhalter müssen ohne aufwändige Rüst- oder Suchzeiten mit den Informations-systemen umgehen können und bei Problemen und Fragen einen guten Anbieterservice vorfinden.

Fazit

• Automatische Informationssysteme bieten viele Chancen, aber auch einige Risiken.

• Viele Systeme sind noch in einem nicht praxisreifen Entwicklungsstadium und nicht alles, was möglich und im Angebot ist, macht auch Sinn.

• Die Praxis wird langfristig nur die Systeme auswählen, die wirtschaftlich, praxistaug- lich und ergonomisch die gestellten Aufgaben am Besten erfüllen.

• Als Ergebnis von Automatisierung müssen Freiräume für Wesentliches geschaffen werden.

Dabei darf die Kuh niemals aus den Augen verloren werden!

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