Die Aufgaben der
Verwaltungsbehörden im
verwaltungsgerichtlich en
VerfahrenVerwaltungsakademie des Bundes
Martin Köhler
Schwerpunkte
Aufgaben im Vorverfahren
Mitwirkung im weiteren Verfahren
Amtsrevisionen – Zulässigkeitsfragen
GESAMTÜBERSICHT
Aufgaben der
Verwaltungsbehörden
Aufgaben der Behörden
Einbringungsbehörde (Ausnahme
Maßnahmenbeschwerde)
Beschwerdevorentscheidung
Aufschiebende Wirkung (Ausschluss)
Provisorischer Rechtsschutz nach Unionsrecht
Verfahrenshilfeanträge – (nur) Einbringung
Wiedereinsetzung: auch Entscheidung!
Aufgaben der Behörden
Beschwerdemitteilung
Partei im weiteren Verfahren vor dem VwG (§ 18 VwGVG)
Teilnahme am vwg Verfahren
Vertretung der öffentlichen Interessen
Legitimation zur Amtsrevision
Ggf Antrag auf Zustellung einer
Ausfertigung (bei mündl Verkündung)
AUFGABEN IM VORVERFAHREN
I. TEIL
1. EINBRINGUNG VON BESCHWERDEN UND SCHRIFTSÄTZEN
Aufgaben der
Verwaltungsbehörden
Einbringung und unmittelbare Konsequenzen
Einbringungsbehörde für die Bescheidbeschwerde
Einbringungsbehörde für die Säumnisbeschwerde
VH-Anträge, aW-Anträge
Prüfung auf Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit (→
Zurückweisung?
BVE?
Verbesserungsauftrag?)
Prüfung hinsichtlich neuen Vorbringens (§ 10 VwGVG, Beschwerdemitteilung; alternativ formuliert);
gegebenenfalls Mitteilung an die anderen Parteien („neue Tatsachen oder Beweise, die erheblich erscheinen“)
inklusive Einräumung einer Frist zur Äußerung (maximal 2 Wochen)
Beschwerden
Beschwerdemitteilung erledigt (BeschB)
keine BVE
keine Nachholung des Bescheid (SB)
kein Verbesserungsauftrag
Vorlage an VwG mit den Verfahrensakten
In anhängigen Verfahren
Bis zur Vorlage an VwG:
Entgegennahme weiterer Schriftsätze (Stellungnahmen)
Weiterer Anträge (zB Wiedereinsetzung hinsichtlich Beschwerde)
Reaktion:
Eventuell Verwertung in BVE
Ansonst Weiterleitung an VwG
[Bei WE: Zuständigkeit zur Entscheidung!]
2.
WIEDEREINSETZUNG
Aufgaben der
Verwaltungsbehörden
Wiedereinsetzung
Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Einbringungsfrist
§ 33 VwGVG (VwSlg 19.462/2016, ∙VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113, ∙ VwGH 05.12.2018, Ro 2018/20/0441)
Erledigung mit Bescheid
dagegen Beschwerde; § 33 Abs. 3 und 4 VwGVG
Zuständigkeit verbleibt jedenfalls bei Verwaltungsbehörde: Rsp VwGH
VwGH 28. 9. 2016 Ro 2016/16/0013
Wiedereinsetzung wegen
Fristversäumung (Beschwerde)
§ 33 Abs 4 VwGVG: Entscheidung
„bis zur Vorlage“ – „ab der Vorlage“
VwGH:
Zuständigkeit geht in diesem Fall hinsichtlich der Anträge, die „bis
zur Vorlage“ gestellt, nicht auf das VwG über mit der Vorlage !
Wiedereinsetzung § 33 Abs 4
Satz 2: „§ 15 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden“
Verspäteter oder unzulässiger Antrag mit Bescheid
zurückzuweisen
Wirkung der Bewilligung der WE
§ 33 Abs 5 VwGVG
„Verfahren … in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der
Versäumung befunden hat“
auch Bescheide oder Erkenntnisse im selben Verfahren treten außer Kraft
zB: Eine Zurückweisung der verspätet erhobenen Beschwerde, wenn über
diese vor der Entscheidung über die WE entschieden wurde
§ 33 Abs 3 und 4 VwGVG
Einbringung bis zur Vorlage bei Behörde
Ab Vorlage: beim VwG
Prüfungsbeschluss VfGH 10.03.2020, E 817/2019 (G 178/2020)
die Regelung sei unklar
Rechtsstaatsprinzip, Sachlichkeitsgebot und Bestimmtheitsgebot gem Art 18 iVm Art 83 Abs 2 B-VG
Ob untrennbarer Zusammenhang mit Abs 4 werde im Verfahren zu prüfen sein
Wiedereinsetzung - Vorlageantrag
Fristversäumung hinsichtlich Vorlageantrag
WE-Grund falsche Rechtsmittelbelehrung in einer BVE
keine Belehrung über Möglichkeit eines Vorlageantrags/falsche oder keine Frist
Angabe in BVE, es gäbe kein RM
WE zu bewilligen
grundsätzlich bei Behörde einzubringen (soweit noch keine Vorlage)
Gesetzesprüfung VfGH
§ 33 VwGVG – Wiedereinsetzung
VfGH 10.03.2020, E 817/2019 (G 178/2020)
Prüfung Abs 3 erster Satz und Abs 4
Rechtsstaatsprinzip,
Sachlichkeits-gebot und Bestimmtheit
Zeitpunkt, zu dem der WE-Antrag bei Behörde oder VwG
einzubringen ist, sei unklar
3. VERFEHLTE EINBRINGUNG
Aufgaben der
Verwaltungsbehörden
Verfehlte Einbringung
verfehlt eingebrachte
Maßnahmenbeschwerden oder Verhaltensbeschwerden
bei der Behörde nach Vorlage der Beschwerde eingebrachte
Anträge
gemäß § 6 AVG an das VwG weiterzuleiten
Verfehlte Einbringung - Frist
VwGH 01.08. 2017, Ra 2017/06/0132 und 0133
für verfehlt bei VwGH eingebrachte Revision
Aussagen zur Fristberechnung:
analog für die Einbringung der Beschwerde anwendbar
Bei Übermittlung mit Zustelldienst:
Datum der Übergabe an Zustelldienst für Fristwahrung ausschlaggebend
Sonstige Schriftsätze
In Beschwerdeverfahren nach Vorlage: Weiterleitung an VwG
etwa auch: VH-Antrag bezüglich Maßnahmenbeschwerde
oder Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung iZm aW nach Vorlage der Beschwerde (§ 13 und § 22
VwGVG)
hier keine Perpetuierung der Zuständigkeit desr Behörde
4. VERFAHRENSHILFE
Aufgaben der
Verwaltungsbehörden
Verfahrenshilfe
(BGBl I2017/24)
Einbringungsbehörde für den
Verfahrenshilfeantrag § 8a Abs 3 VwGVG
- Bescheidbeschwerde - Säumnisbeschwerde
der Verfahrenshilfeantrag ist
unverzüglich dem VwG vorzulegen
§ 8a Abs 6 VwGVG
Bewilligung der VH durch VwG
Verfahrenshilfeantrag
Maßnahmenbeschwerde:
unmittelbar bei VwG
Einbringung nach Vorlage an VwG: Weiterleitung
5. Aufschiebende Wirkung
Aufgaben der
Verwaltungsbehörden
Grundregel - Ausnahmen
VwGVG: Beschwerde hat aW
Aberkennung ist möglich
diesbezüglich auch Entscheidungs-
kompetenz der Behörde: § 13 VwGVG
§ 13 (2) VwGVG: „tunlichst schon … im Bescheid“
Rechtsmittel: Beschwerde (Abs 4)
Sonderregeln der Materiengesetze zu beachten
Abweichende
Materienvorschriften
§ 78 GewO (Betrieb vor RK des Genehmigungsbescheids)
§ 351h Abs 3 ASVG (Beschwerden betreffend den Erstattungskodex)
§ 56a Abs 5 GSpG
(Betriebsschließung)
Keine aW der Beschwerde
Unterschiedliche Modelle
hinsichtlich Möglichkeit der Zuerkennung
Abweichende
Materienvorschriften
§ 44 Abs 3 KFG (Aufhebung der Fahrzeugzulassung)
§ 12 Abs 3 WaffG 1996 (Verhängung eines
Waffenverbots)
Regulierungsrecht:
aW ausgeschlossen, aber Zuerkennung möglich
Abweichende
Materienvorschriften
§ 18 Abs 1 BFA-VG, „kann“
§ 18 Abs 2 BFA-VG, „hat“
Aberkennung der aW bei Abweisung von Anträgen auf internat. Schutz
→ Abs 5 – BVwG ! hat unter bestimmten Voraussetzungen die Aberkennung
aufzuheben+
§ 18 Abs 4 BFA-VG, keine
Aberkennung bei Ausweisung
§ 18 BFA-VG
VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023, 13.12.2017, Ro 2017/19/0003
das System entspricht nur teilweise dem VwGVG
Aberkennung – diesfalls aber
neuerliche Entscheidungsmöglichkeit des BVwG
Also: keine neuerliche
Entscheidung des BFA, und
kein Antragsrecht
Abweichende Regelungen
Differenzierung danach, ob bei Fehlen der aW ihre Zuerkennung möglich ist
VwGH 18.08.2017, Ro 2017/04/0006,
§ 78 GewO
die Behörde hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Inanspruchnahme
auszuschließen ist (=Ausschluss vom Ausschluss der aW zu prüfen!)
VwGH 20.03.2018, Ra 2018/02/0026, Wr. WettenG
Zuständigkeiten der Behörde
§ 13 Abs 2 VwGVG - Aberkennung
Bei Sachverhaltsänderung: auch Abänderung/Rücknahme der
Aberkennungsentscheidung; § 13 (3)
VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0354
auf Antrag oder von Amts wegen
Beschwerden gegen Aberkennung:
unverzüglich vorzulegen, „sofern nicht … verspätet oder unzulässig“
(Zurückw.!)
Provisorischer Rechtsschutz
Unionsrecht
Rechtsprechung EuGH
Unmittelbar anwendbares Unionsrecht
VwGH: Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde
VwGH 23.10.2015, Fr 2015/21/0012
bei Beurteilung, ob aW aberkannt werden kann, ins Kalkül zu ziehen
Provisorischer Rechtsschutz
Zu den Grundsätzen:
VwGH 25.06.1996, 96/17/0232, VwSlg 7103 F/1996
Tafelwein Urteil des EuGH: EuGH 10.07.1990, Rs. C-217/88,
Kommission/ Deutschland
VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0179
Mitwirkung der Behörden im
weiteren Verfahren
II. Teil
Wahrnehmung des öff. Interesses
§ 18 VwGVG – Parteistellung im weiteren Verfahren
Sachentscheidungsbefugnis des VwG
§§ 27 und 28 VwGVG und Rsp dazu
Sowohl bei der Bescheidbeschwerde als auch Säumnisbeschwerde
Vielfältige Aspekte der Einbringung spezifischen Sachverstand
Geltendmachung der öff. Interessen
Aspekte der Beteiligung am Verfahren
Sachentscheidung des VwG
Von der Behörde zu vertretende Interessen
technische Fragen
Beurteilung iZm Planungsermessen im Raumordnungsrecht (Bewilligung von Ausnahmen von der FlW,
Abstand, Überschreitung von Grenzen in den Bebauungsbestimmungen)
Internationale Verpflichtungen
Beispiel Bauaufträge
Verschiedene Alternativen nach den Bauordnungen/Baugesetzen
Probleme von Fristen
Mögliche Heranziehung anderer Tatbestände
Problematik der „Sache des Verfahrens“
Beispiel Strafverfahren
Allfällige Korrektur der herangezogenen
Strafbestimmung
§ 44a VStG
„Austausch der Tat“
hier: bereits Vorwirkungen des VwGVG bzw VStG
Beachtung bereits beim Tatvorwurf und im
erstinstanzlichen Verfahren
Beispiel Strafverfahren
VwGH 10.12.2001, 2000/10/0024
Begründung des
Strafbescheids kann für die Auslegung der „Sache“
herangezogen werden →
Sorgfalt bei der Sachverhalts-
darstellung und Begründung des Straferkenntnisses
Beispiel Strafverfahren
VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021
§ 52 Abs 1 Z 1 erste bzw dritte Variante GSpG
Präzisierung bzw Richtigstellung der rechtlichen Grundlage
zulässig
Konsequenz: Einstellung des vwg nicht erforderlich
kein neues Verfahren vor Behörde erforderlich
Folgerungen für Behörden
in vergleichbaren Fällen
entsprechendes Vorbringen vor dem VwG
nicht nur im Strafverfahren
etwa auch bei
verwaltungspolizeilichen Aufträgen
Beibringung alternativer
Gesichts-punkte im Rahmen der Sache
Einbringung der öffentl Interessen
Zunehmend feststellbar
Vorbringen im Lichte öffentlicher Interessen (erst) in
Amtsrevisionen
tw auch nach Säumnis der
Behörde, Amtsrevisionen gegen Säumnisbeschwerden
Geboten: entsprechende
Mitwirkung im Verfahren vor dem VwG
Resümee
Intensive Beteiligung am Verfahren geboten
Ministerverantwortlichkeit bzw Verantwortlichkeit der LReg
Systemproblem der Reform
Gericht hat keine Sachinteressen der Gebietskörperschaft zu
vertreten
Nichtbeteiligung: Verwaltung begibt sich ihrer
Gestaltungsaufgabe
HINWEISE FÜR DIE GESTALTUNG VON AMTSREVISIONEN
III. Teil
Revision: Anforderungen
§ 28 Abs. 3 VwGG
Ao Revision, gesonderte Angabe der Gründe für die Zulässigkeit
Formale Auslegung durch VwGH
Konkrete Angaben erforderlich
Insbesondere hins. Abweichung von Rsp. oder Fehlen von Rsp (wenn es auf ersten Blick
einschlägige Rsp gäbe)
Revision: Anforderungen
Ausdehnung der Verpflichtung zur
Angabe von Zulässigkeitsgründen auf die ordentliche Revision
VwGH 28. 11. 2014, Ro 2014/06/0077, 19. 2. 2015, Ro 2015/21/0002
aus advokatorischer Vorsicht
Zulässigkeitsausführungen auch bei der ordentlichen Revision
selbst bei schlecht oder gar nicht
begründeter Zulässigkeitsentscheidung
Revision: Anforderungen
Fehlen von Zulässigkeitsausführungen nicht verbesserbar
st Rsp; zB VwGH 26.9.2017, Ra
2017/05/0114, 20.4.2018, Ra 2018/17/0091
Zustimmung in der Literatur (Bumberger, ZVG 2014, 467 f)
nicht zwingend, § 28 Abs. 3 iVm § 34 Abs 2 VwGG
insbesondere: Differenzierung zwischen
„keine Angaben“ und „ungenügend in inhaltlicher Hinsicht“
Zulässigkeitsausführunge n
verbesserungsfähig?
VwGH 2017/03/0001
Keine Verbesserung, wenn
Ausführungen, die aber inhaltlich ungenügend
Umgekehrt: völliges Fehlen, Verbesserung?
Grundsätzliche Rechtsfrage
die Lösung muss von der Entscheidung der Frage abhängen
VwGH nicht berufen, „abstrakte Rechtsfragen“ zu entscheiden
die Frage darf noch nicht vom VwGH entschieden sein
dass es unterschiedliche Entscheidungen von VwG gibt, ist nicht relevant
ebensowenig, dass es innerhalb eines VwG unterschiedliche Entscheidungen gibt
selbst wenn es noch keine Rsp gibt: wenn die Rechtslage klar und eindeutig ist, liegt keine grds Rechtsfrage vor
Verfahrensmängel können ebenfalls grds Rechtsfragen
darstellen, in ihrem Fall ist aber gleichzeitig die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen
keine Relevanzdarstellung ist lediglich bei Art. 6 EMRK- und Art. 47 GRC-gebotenen mündlichen Verhandlungen
erforderlich
Amtsrevisionen
Bislang noch keine restriktive Rsp des VwGH
vgl aber die Rsp vor der Vwgbk- Reform zur Geltendmachung von Verfahrensmängeln:
Verfahrensrüge der untätigen Partei nicht berechtigt
Sinngemäße Übertragung auf die Untätigkeit der
Verwaltungsbehörde?
Topoi der Zulässigkeitsprüfung
gesonderte Darlegung
VwGH prüft nur die
aufgeworfenen Fragen (kein amtswegiges Aufgreifen)
Unzulässigkeit von Verweisen
Konkrete Darlegung der zu lösenden Rechtsfrage
Getrennte Beurteilung bei trennbaren Spruchteilen
Topoi der Zulässigkeitsprüfung
keine tragfähige
Alternativbegründung
Erkenntnis stützt sich auf zweites Argument
Abstrakte Prüfung eines für sich allein nicht entscheidenden Arguments
erfolgt nicht
unterscheide: mehrere
Voraussetzungen kumulativ erforderl.
Vorliegen einer Voraussetzung reicht
Zulässigkeitsprüfung
Keine Einschränkung der Zulässigkeit auf einzelne Rechtsfragen
Ausnahme Amtsrevision:
„Umfang der Anfechtung“
Anfechtung könnte auch auf einzelne Rechtsfragen
eingeschränkt werden
dann
:
Zulässigkeit müsste sich hinsichtlich dieser Rechtsfrage ergebenFolgen der Zulässigkeit
Grundsätzlich: wenn zulässig,
vollständige Prüfung (im Rahmen der subjektiven Rechte)
Amtsrevision: einschließlich objektiven Rechts
Praxistipp: Beschränkung nicht erforderlich, umfassende
Anfechtung
wenn auch Zulässigkeit sich nur aus eingeschränktem Aspekt
ableitbar