Nr. 35/2011 7. Oktober 2011
DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Macht uns der Euro arm?
Die Eurokrise bestimmt die Nachrichten. Täglich und von früh bis spät. Selbst der Tod von „Apple-Gott“ Ste
ve Jobs erreicht nur für einen Tag Platz 1 der Top-Nach
richten. Die Politik scheint mit der Bewältigung der Kri
se völlig überfordert und reagiert viel zu langsam und zu spät. Die einfachen Antworten breiten sich schneller aus. Man kennt inzwischen die Schuldigen schon ganz gut – dank Merkel, Sarkozy, Rösler und „Bild“-Zeitung:
Die in Saus und Braus lebenden Griechen, Iren, Italiener und Portugiesen. Eigentlich alle außer uns fleißigen Deutschen. Diese Anschuldigungen haben hierzulande eine Anti-Euro-Stimmung aufkommen lassen. Die Sehn
sucht nach vergangenen Zeiten mit der guten, alten Deutschen Mark wird in der Bevölkerung größer. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des „Stern“ wünschen sich 54 % der Deutschen die D-Mark zurück. Mit jeder neuen Hiobsbotschaft aus Athen, Rom oder Lissabon wächst die Zahl der Euro-Skeptiker. Hätten wir bloß nicht mit dem Euro angefangen!
Die Gemeinschaftswährung hat es seit ihrer Bargeldein
führung 2002 nicht leicht gehabt. Anfangs wurde der Euro als „Teuro“ abgestempelt. Halber Lohn, aber glei
che Preise! Jedoch zu unrecht: Tatsächlich stiegen die Verbraucherpreise in den zehn Jahren vor der Einfüh
rung des Euro in Deutschland um insgesamt 24,6 % an.
In den Jahren nach der Einführung aber nur um 17,1 %.
Das entspricht einer durchschnittlichen Inflation von 2,5 % zu DM-Zeiten und von nur 1,7 % zu Euro-Zei
ten .
Doch woher kommt dann das Gefühl, dass alles teurer wurde? Zwar ist richtig, dass Preise einzelner Produkte des täglichen Bedarfes, etwa von Lebensmitteln, Strom oder Sprit stärker anstiegen. Die Preistreiber waren aber Spekulanten auf den internationalen Finanzmärkten
und nicht der Euro. Ganz im Gegenteil: Der stabile Au
ßenwert des Euros hat Preissteigerungen sogar etwas abgefedert. Langlebigere Gebrauchsgüter, insbesondere Elektrogeräte wurden sogar billiger. So stiegen die Prei
se insgesamt weniger als zu DM-Zeiten.
Das Teuro-Gefühl hat eine andere Ursache: Die politisch geförderte Ausuferung des Niedriglohnsektors und an
derer prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Inzwischen sind hierzulande über 13 Millionen Menschen atypisch beschäftigt. 7 Millionen von ihnen befinden sich in den Armutskellern des deutschen Arbeitsmarktes. Die Folge:
Beschäftigte haben real 1,4 %weniger Geld in der Ta
sche als vor zehn Jahren, während sie in den zehn Jah
ren vor der Einführung des Euro – trotz höherer Inflati
onsrate – reale Lohnzuwächse von 8,5 % verbuchen konnten (siehe Abbildung). Heute müssen sie einen im
mer größeren Teil ihres mickrigen Einkommens für die täglichen Ausgaben aufwenden. Das lässt viele Produk
te teurer erscheinen, als sie tatsächlich sind. Da fallen Preissteigerungen stärker ins Gewicht und machen den Euro gefühlt zum „Teuro“. Fakt ist aber: Nicht der Euro sondern Niedriglöhne haben die Menschen arm ge
macht. Deshalb müssen der Niedriglohnsektor und pre
käre Beschäftigungsformen zurückgedrängt werden.
Das stärkt die deutsche Binnennachfrage und fördert das Vertrauen in den Euro.
Vergleich der Verbraucherpreis- und der Reallohnentwicklung 10 Jahre vor und nach der Euro-Bargeld-Einführung
24,6
17,1
8,5
-1,4 Entw icklung Verbraucherpreise
zu DM Zeiten (1992-2001)
Entw icklung V erbraucherpreise Euro Zeiten (2002-2011**)
Entw icklung Reallöhne* bis 2001
Entw icklung Reallöhne* bis 2011**
kumuliert, in Prozent
Preise Löhne
* deflationiert mit Preisentwicklung der Konsumausgaben ** Mit Hilfe der Daten für 1. Halbjahr 2011 für das Gesamtjahr hochgerechnet Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.
_________________________________________________________________________________________________________________
DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Verantwortlich: Claus Matecki, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Kontakt: carina.ortmann@dgb.de Abonnement für „klartext“ und „standpunkt“ unter: http :// www . dgb . de / service / newsletter